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durch Vermittlung auszugleichen oder entscheiden, im Fall a¤= seitiger Uebergabe, durch Kompromißspruch; geschieht aber keines von beiden, so sprechen sie über die Streitsache nach den Rechten endlich ab.

Der Spruch kann nicht weiter gezogen werden und wird erforderlichen Falls durch Verfügung der Tagfahung in Vollziehung gesezt.

Zu gleicher Zeit mit der Hauptsache soll auch über die Kosten, bestehend in den Auslagen der Schiedsrichter und des Obmanns, entschieden werden.

Die nach obigen Bestimmungen gewählten Schiedsrichter und Obmänner werden von ihren Regierungen des Eides für ihren Kanton, in der obwaltenden Streitsache, entlassen.

Bei allen vorfallenden Streitigkeiten sollen die betreffenden Kantone sich jeder gewaltsamen Maßregel oder sogar Bewaffnung enthalten; den in diesem Artikel festgesezten Rechtspfad genau befolgen, und dem Spruch in allen Theilen Statt thun.

6. Es sollen unter den einzelnen Kantonen keine dem allgemeinen Bunde oder den Rechten anderer Kantone nachtheilige Verbindungen geschlossen werden.

7. Die Eidgenossenschaft huldigt dem Grundsaße, daß, so wie es nach Anerkennung der neunzehn Kantone, keine Unterthanenlande mehr in der Schweiz gibt, so könne auch der Genuß der politischen Rechte nie das ausschließliche Privilegium einer Klasse der Kantonsbürger sein.

8. Die Tagsagung besorgt, nach den Vorschriften des Bundesvertrags, die ihr von den souveränen Ständen übertragenen. Angelegenheiten des Bundes. Sie besteht aus den Gesandten der neunzehn Kantone, welche nach ihren Instruktionen stimmen. Jeder Kanton hat eine Stimme, welche von einem Gesandten eröffnet wird. Sie versammelt sich in der Hauptstadt des jeweiligen Vororts, ordentlicher Weise alle Jahre am ersten Montag im Heumonat; außerordentlicher Weise, wenn der Vorort dieselbe ausschreibt, oder auf das Begehren von fünf Kantonen.

Der im Amt stehende Bürgermeister oder Schultheiß des Vororts führt den Vorsiz.

Die Tagsagung erklärt Krieg und schließt Frieden; sie allein errichtet Bündnisse mit den auswärtigen Staaten; doch sind für diese wichtigen Verhandlungen drei Viertheile der Kantonsstimmen erforderlich. In allen übrigen Verfügungen, die durch den gegen= wärtigen Bund der Tagsagung übertragen find, entscheidet die absolute Mehrheit.

Handelsverträge mit auswärtigen Staaten werden von der Tagsagung geschlossen.

Militärkapitulationen und Verträge über ökonomische und Polizeigegenstände mögen von einzelnen Kantonen mit auswärtigen Staaten geschlossen werden. Sie sollen aber weder dem Bundesverein, noch bestehenden Bündnissen, noch verfassungsmäßigen Rechten anderer Kantone zuwider sein, und zu diesem Ende zur Kenntniß der Tagsazung gebracht werden.

Eidsgenössische Gesandte, wenn deren Abordnung nothwendig erachtet wird, werden von der Tagsagung ernannt und abberufen.

Die Tagsagung trifft alle erforderlichen Maßregeln für die äußere und innere Sicherheit der Eidsgenossenschaft. Sie bestimmt die Organisation der Kontingentstruppen, verfügt über derselben Aufstellung und Gebrauch, ernennt den General, den Generalstab und die eidsgenössischen Obersten. Sie ordnet, im Einverständnisse mit den Kantonsregierungen, die Aufsicht über die Bildung und Ausrüstung des Militärkontingentes an.

9. Bei außerordentlichen Umständen, und wenn sie nicht fortdauernd versammelt bleiben kann, hat die Tagsazung die Befugniß, dem Vorort besondere Vollmachten zu ertheilen. Sie kann auch derjenigen Behörde des Vororts, welche mit der eidsgenösfischen Geschäftsführung beauftragt ist, zur Besorgung wichtiger Bundesangelegenheiten, eidsgenössische Repräsentanten beiordnen; in beiden Fällen sind zwei Drittheile der Stimmen erforderlich. Die eidsgenössischen Repräsentanten werden von den Kantonen gewählt; welche hiefür unter sich in folgenden sechs Klassen wechseln :

Den ersten eidsgenössischen Repräsentanten geben abwechselnd die zwei Direktorialorte, die nicht im Amt stehen; den zweiten Uri, Schwyz, Unterwalden; den dritten Glarus, Zug, Appenzell,

Schaffhausen; den vierten Freiburg, Basel, Solothurn, den fünften Graubünden, St. Gallen, Aargau; den sechsten Waadt, Thurgau, Tessin.

Die Tagfahung ertheilt den eidsgenössischen Repräsentanten die erforderlichen Instruktionen, und bestimmt die Dauer ihrer Verrichtungen. In jedem Fall hören leztere mit dem Wiederzusammentritt der Tagfahung auf. Die eidsgenössischen Repräsentanten werden aus der Bundeskasse entschädigt.

10. Die Leitung der Bundesangelegenheiten, wenn die Tagsagung nicht versammelt ist, wird einem Vorort, mit den bis zum Jahr 1798 ausgeübten Befugnissen, übertragen.

Der Vorort wechselt unter den Kantonen Zürich, Bern und Luzern je zu zwei Jahren um, welche Kehrordnung mit dem 1. Januar 1815 ihren Anfang nimmt.

Dem Vorort ist eine eidsgenössische Kanzlei beigeordnet; dieselbe besteht aus einem Kanzler und einem Staatsschreiber, die von der Tagfahung gewählt werden.

11. Für Lebensmittel, Landeserzeugnisse und Kaufmannswaaren ist der freie Kauf, und für diese Gegenstände, so wie auch für das Vich, die ungehinderte Aus- und Durchfuhr von einem Kanton zum andern gesichert, mit Vorbehalt der erforderlichen Polizeiverfügungen gegen Wucher und schädlichen Vorkauf.

Diese Polizeiverfügungen sollen für die eigenen Kantonsbürger und die Einwohner anderer Kantone gleich bestimmt werden.

Die dermalen bestehenden, von der Tagsaßung genehmigten Zölle, Weg- und Brückengelder verbleiben in ihrem Bestand. Es können aber ohne Genehmigung der Tagfaßung weder neue errichtet, noch die bestehenden erhöht, noch ihr Bezug, wenn er auf be= stimmte Jahre beschränkt war, verlängert werden.

Die Abzugsrechte von Kanton zu Kanton find abgeschafft.

12. Der Fortbestand der Klöster und Kapitel, und die Sicherheit ihres Eigenthums, soweit es von den Kantonsregierungen abhängt, sind gewährleistet; ihr Vermögen ist gleich anderm Privatgut den Steuern und Abgaben unterworfen.

13. Die helvetische Nationalschuld, deren Betrag den 4. November 1804 auf drei Millionen, einhundert achtzehntausend,

dreihundert und sechs und dreißig Franken festgesezt worden, bleibt anerkannt.

14. Alle eidsgenössischen Konkordate und Verkommnisse seit dem Jahre 1803, die den Grundsägen des gegenwärtigen Bundes nicht entgegen sind, verbleiben in ihrem bisherigen Bestand; die Sammlung der in dem gleichen Zeitraum erlassenen Tagsaßungsbeschlüsse soll der Tagsagung des Jahres 1815 zur Revision vor gelegt werden, und diese wird entscheiden, welche von denselben ferner verbindlich sein_sollen *)."

Unsere Beleuchtung führt uns zur Darstellung der schweize= rischen Restauration, des Zeitraums von 1815 bis 1830. Derselbe hat bis jeßt, die Friedberg'schen Annalen ausgenommen, noch nicht die Beleuchtung gefunden, die ihm trop seines geräuschlosen Verlaufes schon um der Entwickelung der Zukunft willen gebührt. Fassen wir die Wirksamkeit dieser Periode in Einem Gesammtbilde auf: so finden wir nicht die äußerlich prunkvolle, innerlich verdorbene und grundfaule Aristokratie des achtzehnten Jahrhunderts; auch nicht die lebensfrische, wenn auch durch manches Vorurtheil von innen, und durch den eisernen Druck von außen beengte Zusammengehörigkeit der Mediation; noch weniger das stürmische Wogen, das nimmer ruhende, verzehrende Getriebe der Regeneration; was sich uns darbietet, ist ein halbpatriarchalisches Familienbild, das sich, ohne viel Wesens aus sich zu machen, still und ziemlich harmlos entwickelte. Der Nimbus der alten Aristokratie, in seiner Machtfülle, in seinem diktatorischen Glanze, in der politischen Orthodorie der Untergebenen war zum großen Theile unwiederbringlich verloren; der Zeitraum der Helvetik und der Mediation ließ sich nicht aus Geschichte und Menschen verwischen. Dennoch war das vierzehner Jahr die Einlei= tung zu einer Reaktion, wie ste in Europa sich allethalben kund gab, und wie sie ganz natürlich in der Schweiz schon darum eintreten mußte, weil die jüngsten Verhältnisse gegebene, keine naturgemäß entstandene waren.

*) Die Kantone Nenenburg, Genf und Wallis traten obigem Vertrag später bei.

So kam es, daß mit Ausnahme natürlich der neuen Kantone, überall die alten Herrscher, doch in milderer Form, wieder auftauchten. Das Bewußtsein der Allmacht war in denen erschüttert, die aus der alten Zeit noch übrig geblieben; ste glichen Fürsten, denen durch die Noth der Umstände Zugeständnisse ertrissen worden; je nach dem Naturell werden sie listig und verschlagen, oder selbstverläugnend, aufopfernd, volksthümlich.

In den meisten Kantonen aber hatte die neue Zeit feste Wurzeln gefaßt; die neuern, der Natur und dem Vernunftrecht entsprechenden Zustände stachen zu freundlich ab gegen den düstern Hintergrund einer verdorbenen und übermüthigen Aristokratie; das Volk hatte zum erstenmal seinen Boden gewonnen; frisch und rüftig mit wahrem Wonnegefühl hatte der Helote endlich seine Flügel entfaltet, und flog die Siegesflüge freier, schöpferischer, segenbringender Thätigkeit; es hatte vom Baum des politischen Lebens gekostet, und seine Früchte schmeckten so füß, daß es sich selbst mit väterlichen Wiegenliedern nicht mehr in den Schlaf lullen ließ. Daher konnte das Werk aristokratischer Reaktion nur mit Vorsicht, da und dort nur mit List oder offener schnöder Gewalt eingeführt werden.

Während in Zürich ohne gewaltsame Uebergänge, wie es nach den neunziger Jahren schon im Wesen dieser frühe schon reformirenden Republik lag, das Neu - Alte eingeleitet wurde, mit ziemlicher Schonung der Interessen der früher gefnechteten Landschaft, giebt uns die Luzerner Aristokratie, die materiell und geistig armseeligste ihren in Wahrheit schmußigen Donnerstag zum Besten; Aehnliches unternehmen die Duodezaristokraten in Solothurn; mit pfiffiger Courtoisie hanthiren die Herren in Freiburg; stolzer und entschiedener, wenn auch nicht weniger unklug, die alte Aristokratie des zähring'schen Berns. Es kann hier nicht der Ort sein, in's Detail dieser kantonalen Reaktionen einzugehen. Bemerkenswerth aber bleibt es immerhin, mit welcher Gier, und zugleich mit welch plumper List fast überall die Aristokratie wieder ihr Herrenpanier entfaltete. Die Revolution der Luzerner Junker gegen die dortige Mediationsregierung war eben so niederträchtig in ihrem

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