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III. Garantien,

Activ- und Paffivgarantien.

Wie bei dem Zustandebringen politischer Verhandlungen oft eine dritte Macht das Amt des Vermittlers übernimmt, so kommen zur Aufrechthaltung von geschlossenen Verträgen dritte Mächte als Garants vor, welche die Verpflichtung übernehmen, auch ihrerseits für die Erfüllung der getroffenen Abredungen mit ihrer Macht zu wirken. Diese übernommene Verpflichtung wird in mächtiger Hand leicht Berechtigung '), und ist daher ihr Zulassen nicht immer ohne Bedenken, namentlich seitens minder mächtiger Staaten mächtigern gegenüber 2).

Der Garantievertrag ist seiner Natur nach accessorisch 3); in Beziehung auf einen bestimmten Staat kann man active und passive Garantien unterscheiden: erstere sind die, wo der Staat als Garant auftritt, wo er garantirt, während bei den leztern ihm eine dritte Macht Garant ist, ihm garantirt wird. Die Betheiligung mehrerer Mächte bei verschiedenen Positionen eines Vertrages macht es möglich, daß für denselben Staat dabei gleichzeitig eine Activ- und Passivgarantie Statt findet1).

In neuerer Zeit hat man diesen Zweck auch dadurch erreicht, daß man Verträge einzelner Staaten für Theile von Verträgen, die unter dritten Staaten geschlossen worden sind, erklärt, oder aber sie geradezu in dieselben aufgenommen hat. Das bedeutendste Beispiel dieser Art ist die Wiener Congreßacte vom 9. Juni 1815, auf welche wir verweisen, da sie überhaupt die hier in Betracht zu ziehenden Verhältnisse umfaßt 5).

1) Namentlich giebt die Garantie den Titel zur Intervention.

2) Die Politik einiger größerer Staaten läßt, wie es scheint, die Garantie dritter Staaten nicht zu, wie sie sich auch gegen Vermittler sträubt.

3) Es giebt aber auch einen selbstständigen Garantievertrag, der die Natur eines Schuzbündnisses hat, z. B. Erhaltung eines bestimmten Länderbestandes.

4) In Bezug auf deutsche Fürsten übernahm solche Garantien öfter das deutsche Reich, 3. B. wurde der Dresdener Friede von ihm garantirt, Schmauß 1515.

5) Belgiens ist schon oben unter 30. gedacht.

Zweiter Abschnitt.

Verträge über einzelne Gegenstände des staatlichen Verkehrs.

1. Verträge über den Länderbestand.

Einleitung.

Aus den verschiedenartigsten Titeln hat die Krone Preußen den gegen- 34 wärtigen Länderbestand erworben: Beleihung, Kauf, Tausch, Erbschaft, Decupation, Eroberung. Die Geschichte der Bildung des Staates nennt sie bei den einzelnen Landestheilen 1), die historische Erläuterung des königlichen Wappens 2) und Titels zählt sie auf, die Uebersicht der Provinzialrechte weist darauf hin. Hier genüge es die geschichtlichen Hauptmomente des Anwachsens der preußischen Monarchie unter dem Hause Hohenzollern hervorzuheben.

Seit dem ersten hohenzollernschen Kurfürsten hat fast jeder seiner Nachfolger den territorialen Umfang des Staates erweitert. Die erheblichsten Vergrößerungen erfolgten durch Johann Sigismund, den großen Kurfürsten, Friedrich Wilhelm I., Friedrich den Großen, Friedrich Wilhelm II.; unter Friedrich Wilhelm III. erfuhr das Staatsgebiet eine Vergrößerung und wesentliche Umgestaltung.

Historische Uebersicht bis zum ersten Könige.

Bereits Kurfürst Friedrich II., Eisenzahn, vermehrte den Besißstand 35 durch die Einlösung der Neumark und den Erwerb von Cottbus, Peiß,

1) v. Lancizolle, Geschichte der Bildung des preußischen Staates. I. Theil, 1. und 2. Abtheilung. Berlin und Stettin 1828. Leider scheint dies ausgezeichnete Werk, das bis 1608 reicht und auf drei Theile berechnet ist, nicht vollendet zu werden. v. Raumer, Nachlese zu dem Werke des Professors v. Lancizolle 2c. Berlin 1830. Möller, Versuch einer Territorialgeschichte des preußischen Staates. Hamm und Münster 1822. v. Ohnesorge, Geschichte des Entwickelungsganges der Brandenburgisch- Preußischen Monarchie. Leipzig 1841. v. Grabowski, Territorialgeschichte des preuß. Staates. Berlin 1845.

2) Zulezt bestimmt durch die Verordnung wegen des königlichen Titels und Wappens vom 9. Januar 1817. G. S. 17. S. 17. ff. Der Titel hat seit dem Erwerbe von Hohenzollern einen Zusaß erhalten, Patent vom 12. März 1850. G. S. 50. S. 295. Baron Stillfried-Rattoniz Friedrich Wilhelm III., König von Preußen, das Wappen seines Hauses und die Stammburg seiner Väter. Eine furzgefaßte biographisch-genealogisch-historische Darstellung. Berlin 1835. 4.

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Derenburg, Teupiß und Bärwalde um 187 Quadratmeilen '). Albrecht Achilles, Johann Cicero, Joachim I. Nestor und Joachim II. Hector rundeten mehr und mehr das Staatsgebiet ab durch die Erwerbung von Lockniz, Züllichau und Sommerfeld, Zossen, Ruppin, Crossen, Beeskow und Storkow. Johann Sigismund fügte hinzu Schwedt und Vierraden, Cleve, Mark, Ravensberg und Preußen als erbliches Lehn2). Hierdurch vermehrte er das Gebiet um das Doppelte, von 796 auf 1431 Quadratmeilen. Friedrich Wilhelm, der große Kurfürst, erwarb Hinterpommern und Kamin, Minden, Halberstadt, Hohnstein, Lauenburg und Butow, Draheim, Regenstein und Magdeburg, außerdem durch den Vertrag von Welau die Souverainetät über das zeither als Lehn von der Krone Polen besessene Preußen).

Bis zum Tilsiter Frieden.

Durch Kauf und Erbschaft erwarb Friedrich I. (III.) Quedlinburg, Nordhausen, Neufchatel und Valengin1), Tecklenburg. Mörs, Lingen und Obergeldern kamen aus der oranischen Erbschaft, Vorpommern durch den Stockholmer Frieden an König Friedrich Wilhelm 1.5) Friedrich der Große vermehrte das ererbte Reich mit Schlesien, Ostfriesland, Pomerellen, Westpreußen, dem Nezdistricte und einem Antheile an Mansfeld (1310 M.) 6). Friedrich Wilhelm II. vereinigte die fränkischen Herzogthümer mit seinen Staaten und erwarb Danzig, Thorn, Südpreußen, Neu-Schlesien und Neu-Ostpreußen dazu. Für die durch den Lüneviller Frieden an Frankreich abgetretenen, jenseits des Rheins belegenen Landestheile (46 M.) gewährte der Reichsdeputations hauptschluß vom 25. Februar 18037) die Bisthümer 1) Außerdem ist die erlangte Eventual-Succession in Mecklenburg und die Erbverbrüderung mit Sachsen und Hessen zu bemerken. Leben und Thaten Friedrichs des Andern, Churfürsten zu Brandenburg, des H. R. N. Erz-Kämmerers 2c. Aus den Archiven, Originalien, archivischen Nachrichten, Diplomatibus 2c. abgefasset von I. P. Freyherrn v. Gundling. Berlin 1733. 8. Preuß, der große Churfürst und Churfürst Friedrich Eisenzahn. Berlin 1840.

2) Auszug Churbrandenburgischer Geschichten, Churfürft Joachim I., Churfürst Joachim II. und Churfürst Johann Georgen zu Brandenburg, bei Gelegenheit der Lebensbeschreibung Hrn. Lampert Distelmeyers, Churf.-Brand. Kanzlers, beschrieben von Jacob Paul v. Gundling. 1722.

3) Pufendorf (Samuel), de rebus gestis Friderici Wilhelmi M. Berolini 1695. Fol. (Vgl. S. 795. des deutschen Monzambanus); Georg Dan. Seyler, Leben und Thaten Friedrich Wilhelms des Großen, Churfürsten von Brandenburg. Frankfurt 1730. — Franz Horn, Geschichte Friedrich Wilhelms des Großen, Kurfürsten von Brandenburg. Berlin 1814. v. Orlich, Friedrich Wilhelm der große Churfürst, Berlin 1836, enthält höchst interessante Urkunden.

4) Acte d'Investiture vom 3. November 1707. Preußisches Neuburg und dessen Gerechtsame von Peter v. Hohenhard (Johann Peter Ludewig). Teutschenthal (Halle) im Jahr 1708. Weitere Litteratur bei v. Kampß Litteratur der Verfassung des Königlichen Hauses §. 27. Leßte Grenzbestimmung im Art. 76. der Wiener Congreßacte.

5) Förster, Friedrich Wilhelm I. Berlin 1834. 1835. mit Urkunden.

6) Von der zahlreichen Litteratur heben wir hier nur hervor des großen Königs eigene Schriften und die Lebensgeschichte desselben von J. D. F. Preuß.

7) §. 3. Gaspari, der Deputations-Receß. (Zwei Theile. Hamburg 1803) II., S. 47.

Hildesheim, Paderborn, einen Theil des Bisthums Münster, das Eichsfeld mit Treffurt, das Gebiet von Erfurt, Untergleichen, Mühlhausen, Nordhausen, Goslar, die Reichsabtei Quedlinburg, die Stifte Herforden, Essen und Werden (217 M.). Durch die weitere Ueberlassung von dem diesseitigen Kleve, Anspach, Neufchatel und Valengin (96 M.) an Frankreich wurde von diesem der Besiß von Hannover verheißen (579 M.) ').

Die Pariser Friedensschlüffe.

Der Tilsiter Friede reducirte Preußen so ziemlich auf die Hälfte seines 37 Länderbestandes 2), Hannover nicht eingerechnet. Das Gebiet links der Elbe, der Cottbuser Kreis, von Westpreußen und dem Nezdistricte ein Drittheil, Danzig, Südpreußen, Neu-Ostpreußen gingen verloren. Allein das Unglück weckte und stählte die innere Kraft. Auf den Ruf des Königs erhob fich 1813 das in den Waffen geübte Volk und vorzugsweise preußischer Muth brach Napoleons Herrschaft. Die Pariser Friedensschlüsse und daran sich knüpfende Territorial-Verträge ordneten den Länderbestand in folgender Weise. Von dem frühern Gebiete verzichtete es auf Anspach und Baireuth'), auf seine Rechte an dem Stifte St. Peter zu Nörten 5), auf den größten Theil der ehemaligen polnischen Besizungen mit Ausnahme der Städte Danzig und Thorn, des Departements Posen und des bis an den Fluß Prowzna liegenden Theils vom Departement Kalisch). Es trat ferner ab an Hannover die von Kurhessen erhaltene Herrschaft Plesse mit Hökelheim, Neuengleichen, die Aemter Uechte, Friedenberg und Auburg, einen Theil des Eichsfeldes 7), Goslar, die niedere Grafschaft Lingen, die Fürstenthümer Hildesheim und Ostfriesland mit dem Harlinger Lande), an Thurhessen den größten Theil des ihm überwiesenen Fulda Departements ) -, an Nassau die von Kurhessen 1) erhaltene niedere Grafschaft Kazenellenbogen,

1) Wiener Vertrag vom 15. December 1805, ist noch nicht gedruckt. Schöll VIII., 27. 2) Preußens Länderverlust und Länderbeßtand nach dem Frieden zu Tilsit. Mit Karte. 1807. Preußens Steigen und Sinken und Verlust dieser Monarchie an die Königreiche Sachsen, Westphalen und Holland, an das Herzogthum Warschau und an Rußland in historisch - statistischer Hinsicht. 1807. Ueber die Pariser Friedensschlüsse überhaupt: v. Gagern, Mein Antheil an der Politik. Stuttgart und Leipzig 1823–44., 6 Bände, und Schaumann, Geschichte des zweiten Pariser Friedens. Göttingen 1844.

3) Preußen behielt ohngefähr 2990 M., 5 Mill. Einwohner, 409 Städte, 48 Flecken, 16,400 Dörfer, 19 Mill. Thaler Einkünfte; es verlor 2483 M., 4 Mill. Einwohner, 409 Städte, 57 Flecken, 19346 Dörfer, 17 Mill. Thaler Einkünfte. Dieterici, Preußens Volkswohlstand, nimmt den Länderbestand an: vor dem Tilsiter Frieden 5610 □M. mit 10 Mill. Einwohnern, nach dem Tilsiter Frieden 2780 □M. mit 4,562,906 Einwohnern, 1817: 5014 M. mit 10,536,571 Einwohnern.

4) Vgl. Klüber, Acten VIII., 140.

5) Artikel 8. der Wiener Congreßacte.

6) Vertrag vom 3. Mai 1815.

7) Vertrag vom 23. Septbr. 1815; in demselben verzichtete Preußen auf die ihm bereits abgetretenen Aemter Elbingerode und Neuhaus.

9) Vertrag vom 29. Mai 1815.

9) Tractat vom 16. October 1815.

10) Durch Art. 2. des eben angeführten Vertrags.

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so wie den größern Theil der von den Niederlanden cedirten vormals nassau-oranischen Besizungen in Deutschland 1) —, an S. Weimar mehrere Aemter und Orte von dem ihm als Entschädigung zugetheilten Herzogthume Sachsen, dem erfurter Gebiete und den fuldaischen Ländern 2).

Als Entschädigungslande erhielt Preußen von Sachsen die kleinere Hälfte des Königreichs nach der Bevölkerung, die größere dem Flächenraume nach, namentlich die Niederlaufiz und einen Theil der Oberlausiß, den Kurkreis mit Barby und Gommern, einen Theil des Meißner und Leipziger Kreises, den größten Theil der Stifte Merseburg, Naumburg, Zeiß, das Fürstenthum Querfurt, den neustädter Kreis, den sächsischen Antheil von Mansfeld und Henneberg, nebst den voigtländischen Enclaven 3) —, von Hannover das wieder an Dänemark abgetretene Lauenburg, das Amt Klöße, die Dörfer Rüdigershagen und Gänseteich1) —, von Dänemark das im Kieler Frieden von Schweden überlassene Neuvorpommern und Fürstenthum Rügen 5) —, von Kurhessen die oben erwähnten an Hannover und Nassau cedirten Gebietstheile, von Hessen-Darmstadt das Herzogthum Westphalen, die Souverainetät über die Grafschaften Wittgenstein, Berleberg und Wittgenstein-Wittgenstein 6) —, von Holland die vormals nassau-oranischen Besizungen in Deutschland, zum Theil vertauscht gegen herzoglich nassauische Gebietstheile 7), von Schwarzburg die Aemter Kelbra und Heringen und das Dorf Wolframshausen ). Außerdem erhielt es das Großherzogthum Berg), die ehemalige freie Reichsstadt Wezlar 10) und den größern Theil der von Frankreich abgetretenen auf der linken Seite des Rheins belegenen deutschen Gebiete ) mit der Maßgabe jedoch, daß auf der linken Rheinseite dem Großherzogthume Hessen als Ersaß für das Herzogthum Westphalen ein Bezirk von 140,000 Seelen mit den Städten Worms, Frankenthal und Oppenheim 12), und im Saardepartement ein District mit 69,000 Einwohnern für Oldenburg, S. Coburg, Mecklenburg-Streliz, HessenHomburg und den Grafen Pappenheim ausgewiesen werden sollte 13).

1) Namentlich die Fürstenthümer Diez, Hadamar und Dillenburg. Vertrag vom 31. Mai 1815.

2) Bezirke mit 27,000 Einwohnern. Verträge vom 1. Juni und 16. October 1815. 3) Vertrag vom 18. Mai 1815. Wiener Congreßacte Art. 18.

4) Verträge vom 29. Mai und 4. Juni 1815.

5) Verträge vom 4. und 7. Juni 1815.

6) Verträge vom 10. Juni 1815 und 30. Juni 1816.

7) Die beiden Verträge vom 31. Mai 1815.

8) Verträge vom 15. und 19. Juni 1816.

9) Artikel 24. der Wiener Congreßacte.

10) Artikel 42. daselbst.

11) Durch die beiden Pariser Friedensschlüsse.

12) Artikel 47. der Congreßacte.

13) Artikel 49. daselbst. Das Gebiet für den Grafen Pappenheim sollte unter preußischer Souverainetät bleiben. Die in den erworbenen Gebieten belegenen mediatisirten Länder wurden Preußen überwiesen und ihr Verhältniß zu diesem wurde der Regelung des Bundes vorbehalten.

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