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Auslieferung von Verbrechern.

Mit anderen deutschen und nichtdeutschen Staaten bestehen mit Belgien '), Frankreich, den Niederlanden ), Luremburg) und Rußland 5) besondere Verträge über die Auslieferung von Verbrechern. Ein wesentlicher Unterschied der Verträge mit den erst genannten Staaten und dem mit Rußland bestehenden liegt darin, daß in jenen die einzelnen Kategorien von Verbrechern, welche ausgeliefert werden sollen, speciell genannt und dabei politische Verbrecher ausgeschlossen sind: beides ist in dem preußisch-russischen Vertrage nicht der Fall. Ausdrücklich ist noch mit Oesterreich und Rußland stipulirt 6), daß, wer in einem der drei Staaten der Verbrechen des Hochverraths, der beleidigten Majestät oder der bewaffneten Empörung sich schuldig gemacht oder in eine gegen die Sicherheit des Thrones oder der Regierung gerichtete Verbindung sich eingelassen hat, in keinem der anderen Staaten weder Schuß noch Zuflucht finden, vielmehr der Regierung, der er angehört, auf Reclamation ausgeliefert werden soll.

Durch den Bundestagsbeschluß vom 18. August 1836 ist jedem Bundesstaate die Verpflichtung auferlegt, Individuen, welche sich der Anstiftung eines gegen den Souverain oder gegen die Eristenz, Integrität, Verfassung oder Sicherheit eines anderen Bundesstaates gerichteten Unternehmens oder einer darauf abzielenden Verbindung beinzichtigt, sind, dem verlegten oder bedrohten Staate auszuliefern 7.

Unterdrückung der Forstsfrevel.

Das Zollcartel wie das Münzcartel unter den Zollvereinsstaaten, die Uebereinkunft mit dem Steuervereine wie mit Belgien wegen Unterdrückung des Schleichhandels, welche sämmtlich auch die Materie dieses Abschnittes berühren, sind schon angeführt worden. Hier bleiben noch die Verträge zu erwähnen, welche mit benachbarten Staaten zur Unterdrückung der namentlich in den Grenzwaldungen verübten Forstfrevel geschlossen worden sind; diese Stipulationen sind mit mehreren Staaten auch auf Jagd-, Fisch- und Feldfrevel ausgedehnt worden. Nach denselben erfolgt gegenseitig die Bestrafung derer, welche in dem anderen Gebiete gefrevelt haben in gleicher Weise, als wäre der Frevel im eigenen Staatsgebiete verübt worden: die Verfolgung

hessen, Baden, publicirt unterm 27. November 1837, und mit Schwarzburg-Sondershausen, publicirt unterm 7. März 1838.

1) Vertrag vom 29. Juli 1836.

2) Vertrag vom 21. Juni | 20. August 1845.

3) Vertrag vom 17. November 1850.

4) Vertrag vom 11. März 1844.

5) Die Cartel-Convention vom 20. | 8. Mai 1844 bezieht sich auf Verbrecher wie auf Deserteure; durch sie sind die früheren Conventionen vom 29. | 17. März 1830 und vom 25. Mais. August 1816 aufgehoben.

6) Publications-Patent vom 15. März 1834. Veranlassung zu diesen Stipulationen war der Besiz früher polnischer Landestheile.

7) Nauwerd IV. 92. Dieser Bundesbeschluß erklärt auch einen Angriff gegen den Bund für ein Verbrechen des Hoch- oder Landesverraths.

der Spur über die Grenze ist den Beamten gestattet und ist denselben von den anderseitigen Behörden jede Hülfe zur Entdeckung des Thäters zu leisten. Die Strafe gebührt dem Staate, in welchem der Contravenient wohnt, Schadenersaß und Pfandgeld dem, in dessen Gebiete der Frevel begangen ist. Derartige Abkommen bestehen: a) wegen der Forstfrevel 1) mit Kurhessen vom 3. Juni 1821, 2) Nassau vom 10. October 1821, 3) Hannover vom 20. November 1821, 4) Baiern vom 4. Mai 1822, 5) Hessen-Darmstadt vom 24. Mai 1822, 6) Schwarzburg-Sondershausen vom 16. Juli 1822, 7) Lippe vom 31. Juli 1822, 8) Schwarzburg-Sondershausen vom 13. November 1822, 9) Waldeck vom 9. November 1822, 12. März 1831, 27. Oftober 1846, 10) Schaumburg-Lippe vom 23. Februar 1824, 11) HessenHomburg vom 15. August 1826, 12) Niederlande vom 16. August 1828, 13) Mecklenburg-Schwerin vom 5. November 1828, Sachsen-Meiningen vom 28. October 1824, 28. Juli 1831'), 15) Königreich Sachsen vom 12. October 1835, 16) Mecklenburg-Streliz vom 6. Januar 1838, 17) Oldenburg vom 26. Mai 18382), b) wegen der Forst- und Jagdfrevel mit: 1) Reuß-Plauen jüngere Linie vom 1. Mai 1834, 2) Sachsen-Coburg-Gotha vom 21. December 1847 3), 3) Anhalt-Dessau vom 26. August 1847, 4) Anhalt - Bernburg vom 5. September 1839, 4. Februar/2. März 1850, 5) Braunschweig vom 23. Januar/7. Februar 1827, 25. Januar/4. April 1839, 16. Februar/17. März 1848, c) wegen der Jagd, Forst- und Fischereifrevel mit Euremburg vom 9. Februar/12. März 1849, d) wegen der Forst, Jagd, Fisch- und Feldfrevel mit Desterreich vom 19. April 1842, erneuert unterm 15. Januar/4. Februar 1848.

Heimathwesen.

Ein bequemes Mittel, sich lästiger Individuen zu entledigen, ist die 102 Landesverweisung, freilich zur großen Belästigung der Nachbarstaaten oder aber bei geübter Reciprocität zur gegenseitigen Beschwerniß, ganz abgesehen davon, daß solche Verwiesene oft Jahre lang ein Gegenstand des Hin- und Herschubes gewesen sind, wovon es nicht bloß zur Zeit des heiligen Römischen Reiches, sondern auch in der neuesten Geschichte an Beispielen nicht gefehlt hat. Hierzu kommt, daß bei einem lebhaften Verkehr zwischen angrenzenden Ländern über die Staatsangehörigkeit eines Einzelnen gar leicht Zweifel entstehen können. Zwar sprechen die Lehrer des Völkerrechts mit großer Sicherheit den Grundsaß aus, daß kein Staat sich weigern könne, seine Staatsgenossen wieder bei sich aufzunehmen, allein selbst bei angenommener allgemeiner Gültigkeit dieses Sazes reicht er doch keineswegs aus, die hierbei vorkommenden Streitfragen zu entscheiden, wie schon die einfache Erwägung ergibt, daß über den Erwerb oder den Verlust der Staats

1) Die Convention war ursprünglich mit der Regierung von Sachsen, Hildburghausen geschlossen, sie wurde sodann an das gesammte Gebiet von S. Meiningen ausgedehnt. 2) Dadurch ist die frühere Convention vom 26. Mai 1838 aufgehoben.

3) Die Erklärung vom 15. December 1824 ist durch dieses Abkommen außer Kraft getreten.

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genossenschaft Festseßungen zu treffen, jede Staatsregierung befugt ist, wodurch die Cardinalfrage ihrer einseitigen Entscheidung unterliegt.

Diese Umstände haben zu der Abschließung sogenannter VagabundenConventionen geführt, durch welche die Grundsäge bestimmt werden, welche bei der Frage über die Staatsangehörigkeit beziehungsweise Aufnahme einzelner Individuen maßgebend sein sollen.

Conventionen mit deutschen Staaten.

Da der Gegenstand seitens der deutschen Bundesversammlung, in deren Bereiche er wohl gelegen hätte 1), nicht in Betracht gezogen wurde, so haben die meisten deutschen Staaten hierüber besondere Verträge und namentlich hat Preußen mit folgenden Regierungen Uebereinkünfte wegen gegenseitiger Uebernahme der Vagabunden und Ausgewiesenen getroffen : 1) AnhaltBernburg, 27. September/16. Oktober 1839; 2) Anhalt-Cöthen, 24. Juli 1839 und 15. Mai 1841; 3) Anhalt-Dessau, 21. Juni/24. Juli 1839; 4) Baiern, 21. Mai 1818, 10. April 1840; 5) Braunschweig, 4. Oktober 1839; 6) Hannover, 20. August/25. September 1839; 7) Hessen-Cassel, 11. Oktober 1820, 26. Mai 1840; 8) Hessen-Darmstadt, 30. April 1819, 19. Februar 1840; 9) Lippe-Detmold, 22. Mai/19. Juli 1839; 10) Mecklenburg-Schwerin, 14. November 1811, 28. Oktober 1817, 28. Februar 1831; 11) MecklenburgStreliß, 7. Mai 1819, 26. Januar 1824; 12) Nassau, 16. April 1819; 13) Oldenburg, 18. November 1840; 14) Reuß- Plauen ältere Linie, 5. Juni/9. Juli 1821, 16. Februar 1839; 15) Reuß - Plauen jüngere Linie 5. April 1821, 12. Juni 1839; [16) Königreich Sachsen, 5. Februar 1820, 12. November 1838] 3); 17) S.-Altenburg 13. September/17. December 1822,

1) Die Bestimmung des Artikels 18. der deutschen Bundesacte hätte wohl hinreichende Veranlassung zu einem allgemeinen deutschen Heimathsgeseße geben können. Angeregt wurde die Angelegenheit 1819 von S. Meiningen, Hildburghausen und Coburg, allein ohne Erfolg. Protocolle der deutschen B. V. Bd. VIII. S. 99. Nauwerck III. 51. Nach Zeitungsnachrichten ist nicht von dem Bundestage, sondern von Abgeordneten der deutschen Staaten in Gotha am 16. Juli dieses Jahres eine allgemeine deutsche Heimaths-Convention abgeschlossen worden. Gleichwohl behandeln wir hier dies Thema auf Grund der zeitherigen Conventionen ausführlicher, weil es für die Praris sehr wichtig, die erwähnte allgemeine Convention noch nicht publicirt und dabei zweifelhaft ist, ob durch sie alle Fragen werden erledigt sein.

2) Diese Conventionen sind die alleinige Entscheidungsquelle für alle von Abschluß derselben an zwischen den beiderseitigen Staaten hinsichts der Uebernahme-Verbindlichkeit zur Contestation kommende Specialfälle, ohne Rücksicht darauf, ob das vertragsmäßig entscheidende Kriterien vor oder nach dem Abschlusse der Convention eingetreten ist. Ministerialblatt 41, 275.

3) Die mit dem Königreiche Sachsen getroffenen Verabredungen liegen einer Reihe späterer Conventionen mit andern Staaten zum Grunde: für Sachsen selbst aber ist an ihre Stelle der Vertrag vom 31. Dec. 1850 getreten. Diese, in formeller wie materieller Beziehung eingetretene Aenderung der zeitherigen Praris ist namentlich deshalb erfolgt, um den Abschluß einer allgemeinen deutschen Heimath-Convention anzubahnen. Durch das Zustandekommen der leztern wird der Vertrag wohl wieder beseitigt werden. Bei dieser Zusammenstellung ist er nicht berücksichtigt; er ist aber in der zweiten Abtheilung unter Sachsen vollständig ab. gedruckt.

18. Januar/8. April 1839; 18) S.-Coburg-Gotha, 16. April 1839; 19) S.-Meiningen, 27. September 1839; 20) S.-Weimar, 12. Juni 1822, 12. Februar/4. März 1839; 21) Schwarzburg - Rudolstadt 21. Januar/5. Februar 1820, 4. Februar 1839; 22) Schwarzburg - Sondershausen, 26. December/23. Februar 1822, 18. Januar /6. Februar 1839; 23) Waldeck, 12. December 1839/6. März 1840; 24) Württemberg, 5. December 1845. Diese Conventionen enthalten nachfolgende Festsetzungen 1).

Allgemeiner Grundsaz.

Kein Vagabunde oder Verbrecher darf in das Gebiet des anderen 104 Staates ausgewiesen werden, wenn derselbe nicht entweder ein Angehöriger desjenigen Staates ist, dem er zugewiesen werden soll, oder aber durch das Gebiet als ein Angehöriger eines rückwärts liegenden dritten Staates auf gerader Route nothwendig seinen Weg nehmen muß. In dem ersteren Falle genügen indessen die eigenen Angaben des betreffenden Individuums allein über seine Staatsangehörigkeit nicht, sondern es muß, wenn dieselbe nicht aus einem unverdächtigen Passe oder aus anderen völlig glaubhaften Urkunden hervorgeht, oder wenn die Angabe des Vagabunden nicht durch besondere Gründe und die Verhältnisse des vorliegenden Falles unzweifelhaft gemacht wird, von den Behörden die Wahrheit vorher ermittelt werden, nöthigenfalls durch Communication mit der angeblich zur Aufnahme verpflichteten Regierung. Ebenso müssen im anderen Falle die angegebenen Thatsachen urkundlich zur völligen Ueberzeugung nachgewiesen werden.

Nimmt der dritte Staat den ihm zugewiesenen Vagabunden nicht auf, so kann derselbe in denjenigen Staat, welcher ihn ausgewiesen hat, wiederum zurückgewiesen werden.

Erwerb der Staats-Angehörigkeit

a) durch Geburt; b) durch Aufnahme.

Als Staatsangehörige, deren Aufnahme gegenseitig nicht versagt werden 105 kann, werden angesehen: 1) alle diejenigen, deren Vater oder, wenn sie außer der Ehe gezeugt wurden, deren Mutter zur Zeit ihrer Geburt Unterthanen des Staates waren 2), so lange sie ein anderes Heimathsrecht nirgend erworben haben; 2) diejenigen, welche von heimathlosen Eltern zufällig innerhalb des Staatsgebietes geboren sind, so lange sie nicht in einem andern das Unterthanenrecht nach dessen Verfassung erworben haben; 3) diejenigen, welche ausdrücklich zu Unterthanen aufgenommen worden sind 3).

1) Von den verschiedenen Redactionen dieser Verträge ist je eine in der zweiten Abtheilung vollständig abgedruckt worden.

2) Die Frage über die Unterthanenschaft eines Individuums ist jedesmal nach der eigenen, innern Gefeßgebung des betreffenden Staates zu beurtheilen. Für Preußen bestimmt hierüber das Geseß über die Erwerbung und den Verlust der Eigenschaft als preußischer Unterthan vom 31. December 1842. G. S. 43, 15.

3) Die Aufnahme als Gemeindemitglied kann an sich der Aufnahme als Unterthan

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Hierbei, wie in allen übrigen Fällen, gilt der Grundsaß, daß, wenn ein Staatsgehöriger durch irgend eine Handlung der staatsbürgerlichen Rechte in seinem ursprünglichen Heimathsstaate sich verlustig gemacht hat, dieser gleichwohl die Beibehaltung oder Wiederannahme desselben nicht verweigern kann.

e) durch Verheirathung; d) durch zehnjährigen Aufenthalt.

4) Ferner diejenigen, welche zwar weder in dem Staatsgebiete geboren sind, noch das Unterthanenrecht nach dessen Verfassung erworben haben, hingegen nach Aufgebung ihrer vorherigen staatsbürgerlichen Verhältnisse oder überhaupt als heimathlos dadurch in nähere Verbindung mit dem Staate getreten sind, daß sie sich daselbst unter Anlegung einer eigenen Wirthschaft 1) verheirathet haben 2). Der Begriff der eigenen Wirthschaft ist dahin näher bestimmt, daß solche auch dann schon vorhanden sei, wenn selbst nur einer der Eheleute auf eine andere Art als im herrschaftlichen Gesindedienst sich Beköstigung verschafft hat.

5) Ebenso erwerben diejenigen die Staatsangehörigkeit, welche während eines Zeitraumes von zehn Jahren 3) ohne Unterbrechung sich in dem Staatsgebiete aufgehalten haben 1), wobei es dann auf Constituirung eines Domicils, Verheirathung oder sonstige Rechtsverhältnisse nicht weiter ankommt3). Nur Handlungsdiener, Handwerksgesellen oder Dienstboten, sowie Schäfer und Dorfhirten ), welche, ohne eine selbstständige Wirthschaft zu haben 7) in Diensten stehen, ingleichen Zöglinge und Studirende, welche der Erziehung und des Unterrichts wegen irgendwo verweilen, erwerben durch diesen Aufenthalt, wenn derselbe auch länger als zehn Jahre dauern sollte, kein Heimathsrecht ®).

Zeitpächter werden den genannten Individuen nur dann gleich geachtet, wenn sie nicht für ihre Person, noch mit ihrem Hausstande und Vermögen sich an den Ort der Pachtung hinbegeben haben.

nicht gleichgestellt werden. Ministerialbl. 41, 275., wohl aber die Leistung des Bürgereides, ebend. 41, 10.

1) Die Wirthschaftsanlegung muß mit der Verheirathung zusammentreffen, oder doch der leztern unmittelbar folgen. Ministerialbl. 45, 313.

2) Die Vollziehung der Ehe muß in demselben Staate erfolgen, in welchem die Niederlassung stattfindet, wenn diese die Staatsangehörigkeit begründen soll. Ministerialbl. 41, 112. 116.; 42, 259.

3) Die Erfüllung dieser Frist ist nöthig, selbst wenn das Domicil ftillschweigend oder ausdrücklich genehmigt worden ist. Ministerialbl. 41, 274.

4) Der bloße Aufenthalt entscheidet. Ministerialbl. 40, 10.

5) Gleichgültig ist es auch, ob das betreffende Individuum sein Heimathsverhältniß aufgegeben hat oder nicht. Ministerialbl. 40, 109.

6) Dagegen gehören in diese Kategorie nicht: Dekonomie - Verwalter, Ministerialbl. 47, 18., Lohnhuren, Ministerialbl. 41, 10.

7) Dies ist die Bedingung der ausnahmsweisen Stellung der Handwerksburschen 2c. Ministerialbl. 41, 11.; 44, 63.

8) Ministerialbl. 42, 9.

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