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8. Pakwesen.

Das Institut der Pässe ist nothwendig im Interesse der Sicherheitspolizei, hauptsächlich aber im Interesse des reisenden Publikums selbst, weil durch den Paß dem Inhaber die Möglichkeit gegeben ist, sich jeder Zeit sofort zu legitimiren. Den leßteren Vortheil hat die öffentliche Stimme vielleicht zu gering angeschlagen, als äußere Verhältnisse, namentlich das Herumtreiben vieler brodloser Individuen nach beendigtem Kriege eine strengere Handhabung des Paßwesens erheischten. Handwerkerverbindungen in der Schweiz und Frankreich veranlaßten die deutsche Bundesversammlung die strenge Beaufsichtigung des Wanderns der Handwerksgesellen anzuordnen 1), während im Uebrigen die Paßgesezgebung Gegenstand der Particulargefeßgebung blieb. Zwischen einzelnen Nachbarstaaten fanden hierüber Verständigungen Statt, so namentlich zwischen Preußen und Sachsen 3).

Das schnelle und viele Reisen, welches die Eisenbahnen hervorgerufen haben, steigerte die Anforderungen an die Fremdenpolizei, wobei man aber zugleich jede Belästigung des Publikums zu vermeiden strebte. Dies führte zu der Einrichtung der Paßkarten, welche bequem zum Beisichführen billigen Anforderungen nach allen Seiten hin entsprechen.

Durch Einigungen mit einer Reihe von Staaten ist das Gebiet der Gültigkeit der Paßkarten sehr erweitert worden: vielleicht umfaßt es binnen Kurzem ganz Deutschland *).

1) Beschluß vom 15. Januar 1835.

2) Für Preußen erschienen das Paß-Edict vom 22. Juni 1817, und die GeneralPaß-Instruction vom 12. Juli 1817 mit überaus zahlreichen Erläuterungsrescripten.

3) Dies Abkommen ist publicirt durch das Ministerialrescript vom 20. April 1819: Des Königs Majestät haben mittelst Allerhöchster Cabinets-Ordre vom 22. v M. zu einer, von Seiten der Königl. Sächsischen Regierung in Antrag gebrachten, Einigung dahin, daß zur Erleichterung des Verkehrs zwischen den Königl. Preußischen und Königl. Sächsischen Staaten, den beiderseitigen Unterthanen der Eingang in die resp. Lande auf Pässe ihrer Orts - Polizei - Obrigkeiten gestattet werde, die Allerhöchste Genehmigung unter folgenden Modalitäten zu ertheilen geruht: 1) daß den Königl. Sächsischen Unterthanen der Eingang in die diesseitigen Staaten auf Pässe derjenigen ordentlichen Orts- Polizei-Obrigkeiten, in in deren Verwaltungsbezirken sie ihren Wohnsiß haben, nachzugeben ist, in sofern diese Pässe noch nicht abgelaufen, übrigens nicht fehlerhaft, und mit der hinreichenden Personsbeschreibung des Inhabers versehen sind, wobei in Anschung des lezten Erfordernisses jedoch bei hinlänglich bekannten und distinguirten Personen eine Ausnahme gemacht werden kann; daß 2) gleich den Pässen, die von Königl. Sächsischen Behörden, den aus dem Königreiche Sachsen gebürtigen Handwerksgesellen, ertheilten Wanderbücher, wenn gegen ihre Richtigkeit nichts zu erinnern ist, die Einlassung der rechtmäßigen Inhaber in die diesseitigen Lande, ohne daß es für dieselben eines besondern Passes bedarf, begründen sollen, und daß 3) in allen diesen Punkten von Seiten der Königl. Sächsischen Regierung in Ansehung der Päffe diesseitiger Behörden in soweit sie in die zu 1. gedachte Kategorie gehören, die vollkommenste Reciprocitāt beobachtet wird. Ich beauftrage die Königl. Regierung, deren Unterbehörden den vorstehenden Bestimmungen gemäß anzuweisen. Berlin, den 20. April 1819. v. Kampp, Annalen

1819. . 469.

4) Der jüngste Vertrag vom 21. October 1850 ist geschlossen von Preußen, Baiern, Sachsen, Hannover, Mecklenburg-Schwerin, S.-Weimar, Altenburg, Coburg-Gotha, Braunschweig, beide Reuß, Schaumburg, Lippe, Bremen, Hamburg. Später sind dem Vertrage

VI. Verträge über Militair-Angelegenheiten.

1.

Cartel.

Nachdem bereits in den Jahren 1818 und 1819 mit den meisten 116 deutschen Bundesstaaten Cartel - Conventionen wegen der Militairdeserteurs geschlossen worden waren, kam durch den Bundestagsbeschluß vom 10. Fcbruar 1831') eine allgemeine Cartel-Convention wegen gegenseitiger Auslieferung der Militairdeserteure und flüchtigen Conscriptionspflichtigen zu Stande 2), welche 1832 eine Declaration erfahren hat). Hiernach werden. Deserteure gegenseitig ohne weitere Requisition ausgeliefert, nur bei Officieren wird eine Reclamation abgewartet. Armatur und Pferd werden zugleich zurückgegeben, und Unterthanen, welche Deserteure einliefern, erhalten bestimmte Prämien. Die Verfolgung eines Deserteurs über die Landesgrenze ist ausdrücklich nicht gestattet.

Außer Oesterreich) bestehen mit folgenden nichtdeutschen Staaten wegen Auslieferung der Deserteure Verträge 5): mit Dänemark®), Frankreich 7), den Niederlanden), Rußland 9).

2. Etappenstraßen.

Da an sich kein Staat befugt ist, ohne Friedensbruch mit bewaffneter 117 Macht das Gebiet eines andern Staates zu betreten, so ist bereits bei der allgemeinen Ordnung der Territorialverhältnisse Deutschlands im Jahre 1815 dahin Fürsorge getroffen, daß Behufs der Herstellung einer militairischen Verbindung zwischen den getrennt liegenden Theilen, namentlich zwischen der östlichen und westlichen Hälfte der Monarchie seitens der Zwischenstaaten Preußen bestimmte Heerstraßen Etappenstraßen - zu gewähren find, Servituten des öffentlichen Rechts. Indessen ist nicht bloß die Benuzung dieser Straßen als Wegeservituten gestattet, sondern es ist unter Concurrenz der betreffenden Staatsbehörden und gegen festgestellte baare Zahlung auch die Bequartierung der anliegenden Ortschaften zugelassen. Diese Verhältnisse sind durch besondere Durchmarsch- und Etappen-Conven

beigetreten: Kurhessen, Nassau, Schwarzburg. Sondershausen und Rudolstadt, Lübeck. Bekanntmachung des Ministeriums des Innern vom 8. März 1851. Ministerialbl. 51, 42.

1) Schon Artikel XXIV. der Kriegsverfassung des deutschen Bundes v. 9. April 1821 bestimmt, daß zwischen sämmtlichen Bundesstaaten ein allgemeines Cartel bestehen soll. 2) Publicirt durch Patent vom 12. März 1831.

3) Publicirt durch Patent v. 15. Juni 1832, dazu Cabinetsordre v. 29. Mai 1834, G.-S. 34, 123.

4) Cartel-Convention vom 8. August 18. Detbr. 1818.

5) Eine verwandte Materie, das Festnehmen entlaufener Matrosen ist bereits oben unter 27 berührt worden.

6) Cartel-Convention vom 25. Dezember 1820.

7) Cartel-Convention vom 25. Juli 1828.

8) Cartel-Convention vom 11. Juni 1818 und Declaration vom 10. Juni 1828.

9) Artikel 1.-14. der Convention vom 20.[8. Mai 1844, dazu Kabinetsordre vom

27. September 1844, . . 44, 660.

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tionen geregelt, andererseits aber hat auch Preußen mehreren Staaten Etappenstraßen zu gestatten.

a) Etappenrecht in fremdem Staatsgebiete.

Folgende Etappenstraßen stehen Preußen (Activservituten) vertragsmäßig zu: 1. in Hannover: a) von Wolfenbüttel über Groß-Lafferde nach Hildesheim und von da «) nach Alfeld auf Eschershausen, ) nach Coppenbrügge auf Oldendorf; b) von Heiligenstadt über Nörthen, Einbeck, Alfeld, Coppenbrügge auf Oldendorf 1); 2. in Sachsen-Coburg-Gotha: Militairstraße von Erfurt über Gotha nach Eisenach 2); 3. in Hessen-Cassel: a) von Heiligenstadt über Wizenhausen und Cassel nach Warburg; b) von Coppenbrügge über Oldendorf nach Minden; c) von Erfurt über Berka oder Vacha, Hersfeld, Alsfeld nach dem Rheine); 4. in Hessen-Darmstadt: a) Erfurt-Coblenzer Militairstraße über Hersfeld, Alsfeld, Grünberg, Gießen, Braunsfeld; b) Coblenz-Mainzer Militairstraße über St. Goar und Bingen; c) Militairstraße von Mainz nach Trier, Luremburg und Saarlouis 1); 5. in Nassau: Erfurt-Coblenzer Militairstraße über Montabour und Limburg als Hauptetappenpläge 5); 6. in Braunschweig: a) Hauptstraße über Halberstadt und Hildesheim mit Hauptetappe Wolfenbüttel; b) Straße für Remonte-Commando's von Großlafferde über Lehndorf, sowie über Lehre und Versfelde nach Orbisfelde; c) Straße von Hörter nach Hildesheim mit Hauptetappe Eschershausen für Commando's bis zur Stärke eines Bataillons oder einer Escadron); 7. in den drei anhaltinischen Herzogthümern: a) MagdeburgWittenberger Straße über Coswig, Roßlau, Zerbst als Etappen; b) Magdeburg-Hallesche Straße über Bernburg und Förderstädt nur ausnahmsweise werden auf dieser Straße Marschquartiere gewährt 7); 8. in dem oldenburgischen Fürstenthume Birkenfeld Etappe Birkenfeld auf der Straße von Saarbrück nach Saarlouis); 9. in Lippe-Detmold eine Hilfsmilitairstraße bei Märschen von Cöln nach Hameln, von Magdeburg nach Paderborn, von Paderborn nach Hameln); 10. in Sachsen-Weimar: a) Heerstraße zwischen Erfurt und Naumburg über Stotternheim, ausnahmsweise auch

1) Art. 31. der Wiener Congreß-Acte, Artikel 6 des Vertrags d. d. Wien, den 29. Mai 1815, Durchmärsche und Etappen - Conventionen vom 6. December 1816 und 25. Mai 1838.

2) Conventionen vom 3. Januar|5. Mär¡ 1817, 8.|22. October 1829, 10. Januar 1842. 3) Art. 28. des Territorial-Vertrags vom 16. Octbr. 1815, Conventionen v.9 Mai 1817, vom 28. September 1833.

4) Artikel 24. des Territorial-Vertrags vom 30. Juni 1816, Conventionen vom 17. Januar 5. März 1817, 7. October 1828, 20. November 1838, 20. April|18. Mai 1847.

5) Art. 15. des Territorial-Vertrags vom 31. Mai 1815, Durchmarsch- und EtappenConvention vom 17. Januar 5. März 1817.

6) Convention v. 23. Decbr. 1817, 12. Jan. 1818, 14. Auguß | 8. Septbr. 1835, 5. Aug. 1845. 7) Drei Durchmarsch, und Etappen Conventionen mit Anhalt-Bernburg, Cöthen und Dessau vom 12. November | 17. December 1818.

8) Art. 15. des Staatsvertrags vom 9. April 1817, Conventionen vom 28. September 1818, 22. August 1831 und 12. Juli 1845.

9) Die erste Convention ist vom 18. Juni | 25. August 1818, erneuert unterm 25. Fe

Etappenstraße über Buttstedt; b) Erfurt-Coblenzer Militairstraße über die Etappen Eisenach und Vacha; c) Militairstraßen nach dem neustädter Kreise bleiben vorbehalten 1).

b) Etappenlaft in preußischem Gebiete.

Dagegen stehen durch das preußische Gebiet folgenden Staaten Militair-, 119 Durchmarsch und Etappenstraßen zu: 1. Hannover, die Straße von Osnabrück nach Bentheim über die Etappen Ippenbühren und Rheine 2); 2. Hessen-Cassel, die Militairstraße von Carlshafen nach Rinteln mit den Etappen Hörter und Ludge 3); 3. Sachsen-Coburg-Gotha, Etappenstraße durch den preußischen Theil der Grafschaft Henneberg über Suhl und Schleusingen 1); 4. Sachsen-Weimar, Weimar - Eisenachsche Straße über Erfurt als Etappe 5); 5. Anhalt-bernburgischen Truppen ist bei dem Marsche von Bernburg nach Ballenstädt und umgekehrt der Durchmarsch durch Aschersleben gestattet®).

3. Festungen.

Die besondern Berechtigungen, welche Preußen in Betreff der deutschen 120 Bundesfestungen zustehen, sind bereits oben (17) erwähnt; hier ist noch anzuführen der Artikel 5. des Vertrags mit Nassau vom 31. Mai 1815, welcher Preußen das Recht gewährt, im Falle des Wiederaufbaues der Festung Ehrenbreitstein innerhalb der Entfernung von 1500 rheinländischen Ruthen von der Festung militairische Werke auch in den Marken nassauischer Orte gegen Entschädigung der Grundeigenthümer und unbeschadet der Territorial-Verhältnisse anzulegen.

bruar 1823 und 19. Juni 1827 bis zum 1. Januar 1833. Wie es jezt mit ihrer Gültigfeit steht, constirt nicht.

1) Art. IX. des Staatsvertrags vom 22. September 1815, Durchmarsch- und Etappen - Conventionen vom 31. December 1816, 12. 19. Januar 1830, 12. December 1837, 10. Juli 1847.

2) §. 2. ter Durchmarsch- und Etappen Convention vom 25. Mai 1838.

3) Art. 28. des Staatsvertrags vom 16. October 1815, Art. 4. der Convention vom

28. September 1833.

4) Convention vom 5.10. Januar 1842.

5) Art. I. der Convention vom 12. Januar 1830.

6) §. 2. der Convention vom 12. November | 17. December 1818.

Zweite Abtheilung.

Die Texte der Staatsverträge.

I.

1. Deutsche Staaten.

A. Deutschland überhaupt. Deutscher Bund.

1. Deutsche Bundesacte.
vom 8. Juni 1815.

Im Namen der Allerheiligsten und untheilbaren Dreieinigkeit. Die souverainen Fürsten und freien Städte Deutschlands, den gemeinsa men Wunsch hegend, den 6. Artikel des Pariser Frietens vom 30. Mai 1814 in Erfüllung zu sehen, und von den Vortheilen überzeugt, welche aus ihrer festen und dauerhaften Verbindung für die Sicherheit und Unabhängigkeit Deutschlands, und die Ruhe und das Gleichgewicht Europens her vorgehen würden, sind übereinge kommen, sich zu einem beständigen Bunde zu vereinigen, und haben zu diesem Behufe ihre Gesandten und Abgeordneten am Kongresse in Wien mit Vollmachten versehen; nämlich:

Au nom de la très-sainte et indivisible Trinité. *) Les Princes souverains et les villes libres de l'Allemagne, animés du désir commun de mettre à exécution l'article 6 du traité de Paris, du 30. mai 1814, et convaincus des avantages qui résulteront de leur union solide et durable, pour la sûreté et l'indépendance de l'Allemagne, et pour l'équilibre de l'Europe, sont convenus de former une confédération perpétuelle, et ont pour cet effet muni de leurs pleins-pouvoirs leurs envoyés et députés au congrès de Vienne; savoir:

S. K. K. A. M., den Herrn Clemens Wenzeslaus Fürsten von Metternich Winneburg-Ochsenhausen, Ritter des goldenen Vliesses, Großkreuz des Königl. Ungarischen St. Stephans-Ordens, Ritter des Ordens des heiligen Andreas, des heiligen Alerander-Newsky, und der heiligen Anne erster Classe, Großkreuz der Ehren-Legion, Ritter des Ordens vom Elephanten, des Ordens der Annonciation, des schwarzen Adlers und des rothen Adlers, des Seraphinen-Ordens, des heiligen Josephs von Toscana, des heiligen Hubertus, des goldenen Adlers von Würtemberg, der Treue von Baden, des heiligen Johannes von Jerusalem u. a. m.; Kanzler des

*) Es ist der französische Tert mit abgedruckt worden, weil er an einigen Stellen deutlicher ist, als der deutsche.

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