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Erste Abtheilung.

Uebersicht der Materien.

Erster Abschnitt.

Politische Verträge überhaupt.

I. Bündnisse.

Allgemeine Friedens- und Freundschafts-Verträge.

Der Verkehr unter den civilisirten Völkern der Erde findet in dem 10 Völkerrechte schon seine allgemeine Regeln: er wird durch dasselbe gesichert, auch ohne daß zwischen den verkehrenden Nationen darüber besondere Verträge geschlossen sind. Indessen bestehen zwischen den meisten Staaten ausdrückliche Versicherungen des Friedens und der Freundschaft 1), sei es nun, daß die Wiederherstellung des wirklich gestörten guten Einverständnisses, sei es, daß der Eintritt eines Staates in den Völkerverkehr überhaupt 2) oder die ersten diplomatischen Berührungen mit einem einzelnen Staate dazu eine Veranlassung gegeben haben. Dabei finden nicht selten Verabredungen über die Gewährung gegenseitiger Vortheile Statt: diese und andere specielle Festseßungen übertreffen für den vorliegenden Zweck die allgemeinen Zusagen bei Weitem an Wichtigkeit; sie sind die Hauptsache, bei ihrer Erwähnung wird auf jene mit hingewiesen werden.

Seit den großen Bewegungen der Freiheitskriege ist Preußen nur mit Dänemark in den Fall gekommen, sich an einem wirklichen Friedensschlusse zu betheiligen. Die Sache gehört als schwebende noch der Tagesgeschichte an: die bezüglichen Dokumente werden in der zweiten Abtheilung dieses Buches nachgewiesen werden 3).

1) Sind solche Verträge auf Zeit geschlossen, so dauern nach ihrem Ablaufe die auf dem Völkerrechte beruhenden Beziehungen fort; ein Beispiel giebt Brasilien. Eine hübsche Deutung des Ausdrucks „ewig“ bei Verträgen ewiger Friede bei Mably, Droit public de l'Europe II. p. 560.

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2) Beispielsweise in neuerer Zeit Merico, Brasilien; namentlich das Leztere hat eine Menge von Verträgen geschlossen, das beste Mittel, seine Selbstständigkeit formell zu constatiren. 3) Vergl. das den Kammern vorgelegte Promemoria des Ministeriums des Auswärtigen über die dänische Angelegenheit vom 8. September 1849.

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Allianzen.

Bündnisse, Allianzen zur Erreichung bestimmter Einzelzwecke haben ihrer Natur nach nur eine vorübergehende Bedeutung. 1) Meist entstehen sie bei drohendem oder ausgebrochenem Kriege und sind von der höchsten Wichtigkeit zur Zeit ihres thatsächlichen Bestehens; allein sie finden ihr natürliches Ende in der Erreichung oder Vereitelung des vorgesteckten Zieles, oft auch in der Lockerheit des Bandes, das bei der ersten Probe schon reißt, wie die Geschichte hinlänglich lehrt.

Obgleich nicht immer in der Paragraphenform von Verträgen abgefaßt, haben im Staats- und Völkerleben der Neuzeit die Allianzen eine hohe Bedeutung, welche auf der Gemeinsamkeit der Interessen der mächtigsten Staaten Europa's beruhen; zur Orientirung möge hier genannt sein: die Erhaltung des politischen Gleichgewichts in Europa 2) und der damit verknüpfte Bestand der Großmächte, sowie die Bekämpfung des revolutionairen Elementes, 3)welches Staaten zu zerstören, nicht aber dauernd zu bilden vermag. ')

Die jüngsten Allianzen.

Bei dem Kampfe gegen Napoleon traten als alliirte Mächte in den Vordergrund Preußen, England, Desterreich, Rußland, ihnen schlossen sich die meisten übrigen Staaten Europa's als Verbündete an. 5) Der erste Friede mit Frankreich vom 30. Mai 1814 wurde von ihnen unterzeichnet, Spanien, Schweden und Portugal traten ihm ausdrücklich bei. Der Diplomatie des bourbonischen Frankreich gelang es, an den demnächst in Wien Statt findenden Verhandlungen sich zu betheiligen; man weiß, mit welchem Erfolge. Als ordnende Gewalten lassen sich auf dem Wiener Congresse drei Staatengruppen unterscheiden: die fünf Großmächte, die acht Unterzeichner des ersten Pariser Friedens, die deutschen Staaten. 6) Die Beschlüsse der erstern, gewiß von dem bestimmendsten Einfluß auf die Verhandlungen der beiden leztern, sind als solche nicht vollständig zur öffentlichen Kenntniß gekommen, die Resultate des Congresses der acht Mächte enthält im Wesentlichen die Wiener Congreßacte und die Ausarbeitung 7) der deutschen Bundesakte schließt das Werk der Bevollmächtigten der deutschen Staaten.

1) Schuß- und Truzbündnisse, Defensiv- und Offensiv-Allianzen, Garantie-, Subsidienverträge: eine Aufzählung (bis 1800) bei Martens Cours diplomatique.

2) Artikel XVI. des Vertrags von Chaumont.

3) Die Unbestimmtheit des Ausdrucks wird vielleicht durch den gewählten Zusaß gemildert: sie liegt in der Sache.

4) Als Correlate kann man daneben auf den Besißstand und die Legitimität hinweisen. 5) Verträge mit Rußland, Kalisch 28. Januar 16. Febr. ; mit Rußland und Oesterreich, Töpliz 9. September 1813; England, Chaumont 1. März/17. Februar 1814; Allianz mit Oesterreich, England, Rußland, Wien 25. März, Paris 20. November 1815.

6) Klüber, Acten VIII., 71.

7) Der Artikel 6. des Pariser Friedens vom 30. Mai 1814 bestimmt: die Staaten Deutschlands werden unabhängig und durch ein föderatives Band vereinigt sein.

Die Großmächte. Die Militairmächte.

Die Verbindung der acht Mächte hat nach der Beendigung des Wiener 13 Congresses eine weiter dauernde Wirkung nicht geübt, dagegen haben die fünf Großmächte als natürliche Verbündete gemeinsam wichtige völkerrechtliche Fragen 1) der Neuzeit geordnet und ihre Thätigkeit den europäischen Staaten gegenüber läßt sich wenigstens einem völkerrechtlichen Tribunale vergleichen.

Unter ihnen sind als enger mit einander verbunden die s. g. drei Militairmächte, Preußen, Oesterreich, Rußland hervorgetreten: die persönliche Freundschaft der Monarchen, die räumliche Lage der Staaten, namentlich die gemeinsame Betheiligung an dem Besize der polnischen Provinzen, sowie die bis vor Kurzem gleiche innere Staatsverfassung sind hierauf gewiß von Einfluß gewesen. 2)

Staatenbündnisse.

Eine in sich organisirte Verbindung bilden die Staatenbündnisse, welche 14 eine Vertretung und Anerkennung im völkerrechtlichen Verkehr beanspruchen. Dahin gehört der in Wien zu Stande gekommene deutsche Bund, welcher nach dem Aufhören der Union hier allein in Betracht kommt. Freilich ist die Darstellung der rechtlichen Verhältnisse der deutschen Bundesstaaten einer besonderen Disziplin, dem deutschen Bundesrechte zu überweisen, weshalb nur die speciellen Beziehungen Preußens im deutschen Bunde hervorzuheben sind, 3) womit wir eine Erinnerung an Preußens Stellung im deutschen Reiche verbinden.

Preußen im deutschen Reiche.

Zur Zeit des Bestandes des heiligen Römischen Reiches war der König 15 von Preußen nicht bloß als Kurfürst von Brandenburg und Reichs-ErzKämmerer 1) beim Kurfürstencollegium betheiligt, sondern er hatte auch zahl

1) Einige dieser Fragen werden weiter unten berührt.

2) Troß der ausgesprochenen Verschiedenheit der Principien, ist man doch schließlich zu einer Entscheidung gekommen. Congresse zu Aachen, Troppau, Laibach, Verona; die griechische Angelegenheit. Die Europäische Pentarchie und die darüber erschienenen Streitschriften. De Pradt, l'Europe après le congrès d'Aix-la-Chapelle. Paris 1819. Chateaubriand, le congrès de Verone. Paris 1838.

3) In der zweiten Abtheilung des Buches' sind die Grundgeseße des deutschen Bundes und die seiner Beschlüsse zusammengestellt, welche auch auf preußische Verhältnisse einen Einfluß üben oder geübt haben.

4) Daher führte Preußen den Scepter im Wappen; Kurfürst Friedrich II. nahm ihn 1466 in sein Wappen auf, bei der Neubildung desselben (1817) wurde er fortgelassen. Gleich den sächsischen Kurschwertern hat er sich bis in die neueste Zeit als Zeichen des Porcellans der Königl. Manufactur erhalten. Neuerdings scheint er wieder in Gebrauch zu kommen: Königliches Privateigenthum wird gezeichnet mit einem Wappen, dessen Mittelschild den preußischen schwarzen Adler, dessen quadrirtes Hauptschild den Kurscepter, den brandenburgischen Adler, den nürnbergischen Löwen und die hohenzollernschen Farben zeigt.

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reiche Stimmen im Fürstencollegium 1), selbst in den fränkischen und westphälischen Grafenkollegien 2). Thatsächlich war Brandenburg auch das Haupt der Evangelischen in Deutschland, seit Kur-Sachsen zur katholischen Kirche zurückgekehrt war, obgleich diesem das Directorium des Corpus Evangelicorum auf dem Reichstage verblieb. Nach Auflösung des deutschen Reiches bildete die Mehrzahl der deutschen Fürsten unter Napoleons Protectorate den Rheinbund, dem Preußen nicht beitrat. Für kurze Zeit nur bestand ein durch die Noth der Umstände gebotener Anschluß an Frankreich; das mit Rußland zu Kalisch geschlossene Bündniß eröffnete die Verbindung der europäischen Staaten gegen Frankreichs Oberherrschaft 3). Den blutigen Kämpfen folgte der Frieden; eins seiner Resultate war die deutsche Bundes - Acte vom 8. Juni 1815.

Preußen im deutschen Bunde.

Durch die deutsche Bundesacte vereinigten sich die souverainen Fürsten und freien Städte Deutschlands zu einem beständigen Bunde, dem deutschen. Bunde, dessen Organisation die beiden Grundverträge, die schon erwähnte Bundesacte vom 8. Juni 1815 und die f. g. Wiener Schlußacte vom 15. Mai/8. Juni 1820, näher bestimmen.

Preußen gehört zu denjenigen Staaten des Bundes 1), welche neben den eigentlichen Bundesländern auch noch bundesfreies Gebiet befizen, indem es ursprünglich dem Bunde nur mit seinen gesammten, vormals zum deutschen Reiche gehörigen, Besizungen beitrat, nach der Erklärung vom 4. Mai 1818 5) namentlich mit den Provinzen Pommern, Brandenburg, Schlesien, Sachsen, Cleve-Berg und Niederrhein. 1848/1849 wurden indessen auch die Provinzen Ost- und West - Preußen, das Königreich Preußen im engeren Sinne und der überwiegend deutsche Theil der Provinz Posen (Demarkationslinie) in den deutschen Bund aufgenommen; die Angelegenheit wartet wohl noch einer erneuten Prüfung und Ordnung 6).

Rechte.

Das Organ des deutschen Bundes, die Bundesversammlung, der Bundestag in Frankfurt a. M., besteht aus den Bevollmächtigten der betheiligten Staaten und bildet nach Verschiedenheit der zur Berathung vorliegenden

1) Die letzten Festsehungen hierüber enthält der §. 32. des Reichsdeputations-Hauptschlusses vom 25. Februar 1803.

2) Moser, Grundriß der Staatsverfassung des teutschen Reichs IV. 12. §§. 5. 6. 3) Preußens Bemühungen für das Zustandekommen einer Einheit weisen Klüber's Akten, besonders Band II. nach. Das Wiedererscheinen Napoleons beschleunigte bekanntlich den Abschluß.

4) Außerdem Oesterreich, die Niederlande, Dänemark, früher auch England wegen Hannover.

5) Protokolle der D. B.-V. 1818. §. 105.

6) Stenographischer Bericht der Verhandlungen der zweiten Kammer 1849 50 S. 1821 ff. und 2643 ff.; von Voigts-Rhez, Denkschrift über die politische Stellung der Provinz Posen. Berlin 1849.

Gegenstände entweder das Plenum mit neun und sechzig Stimmen, wovon Preußen vier zustehen, oder den engeren Rath mit siebzehn Stimmen, von denen Preußen eine führt. Der lettere faßt seine Beschlüsse nach einfacher Stimmenmehrheit, im ersteren sind zwei Drittheile der Stimmen zum Zustandekommen eines Majoritätsbeschlusses nöthig. Indessen beschränkt der Kreis der Gegenstände, über welche die Bundesversammlung in dieser Weise beschließen kann, sich lediglich auf die Fälle, wo bereits feststehende allgemeine Grundsäße in Anwendung oder beschlossene Geseze und Einrichtungen zur Ausführung zu bringen sind. Außerdem aber, also bei den an sich wichtigsten Fällen '), ist zu jedem Beschlusse Stimmeneinhelligkeit erforderlich. Erwägt man ferner, daß die einzelnen Bevollmächtigten am Bundestage von ihren Committenten unbedingt abhängig und an deren Instruktionen gebunden sind 2) und daß die Bundesbeschlüsse erst durch die Publikation seitens der Staatsregierung für die Unterthanen geseßliche Kraft erhalten, so muß man diese s. g. Bundesbeschlüsse ihrem innern Wesen nach durchaus als Verträge anschen, weshalb sie auch in der zweiten Abtheilung dieses Buches ihren Plaz gefunden haben 3).

Leistungen.

Zu dem Bundesheere von zehn Armeecorps stellt Preußen das vierte, 18 fünfte und sechste, sechs Divisionen. In der Bundesfeftung Luremburg besteht die Garnison zu zwei Drittheilen aus preußischen, zu einem Drittheile aus niederländischen Truppen, Gouverneur und Commandant werden von Preußen ernannt 1).

Die Besaßung der Bundesfestung Mainz wird im Frieden durch ein Bataillon großherzoglich hessischer und durch eine gleiche Zahl preußischer und österreichischer Truppen, im Kriege aus einem Drittel preußischer, einem Drittel österreichischer und einem Drittel gemischter Bundestruppen gebildet). Der Gouverneur und der Commandant werden von fünf zu fünf Jahren abwechselnd von Oesterreich und Preußen ernannt, so daß, wenn Oesterreich

1) Artikel 7. der Bundesakte, Art. 10-15 64. der Schlußakte. Man darf vielleicht unterscheiden zwischen der legislativen und administrativen Thätigkeit der Bundesversammlung: zur ersteren gehört Stimmeneinhelligkeit, zur andern genügt Stimmenmehrheit.

2) Art. 8. der Schlußakte.

3) Diese Auffassung wird bestätigt durch die Einsicht der Protokolle über das Zustandekommen dieser Beschlüsse. Uebrigens hat der Bundestag einen sehr erheblichen Theil seiner Beschlüsse nicht producirt, sondern er hat die ihm fertig vorgelegten Resultate anderweiter Berathungen nur durch das formelle Hinzutreten seiner Zustimmung zu s. g. Bundesbeschlüssen erhoben. In diese Kategorie gehört namentlich auch die Wiener Schlußakte, welche, unterm 15. Mai 1820 auf den Ministerialconferenzen in Wien vereinbart, in der Sizung des Bundestages vom 8. Juni desselben Jahres durch Plenarbeschluß angenommen wurde. Protokolle d. d. B.-V. IX. 9.

4) Verträge vom 31. Mai 1815, 8. November 1816, 12. März 1817, Frankfurter Territorial-Receß vom 20. Juli 1819. Art. 35-37.

5) Vertrag vom 30. Juni 1817, Frankfurter Territorial-Receß Art. 15. 16. 20-23. 38.

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