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Darin liegt zum Teil die Erklärung für die vielleicht auf den ersten Blick auffallende Tatsache, dass die Sammlung nun, nachdem am 13. November 1898 grundsätzlich auch die Gesetzgebungshoheit für das gesamte Privatrecht von den Kantonen auf den Bund übergegangen ist, doch noch erscheint. Zum andern Teil war die Erwägung massgebend, dass ja zweifelsohne nach dem natürlichen Gange der Dinge noch eine geraume Zeit verstreichen wird, bis der neue Verfassungsgrundsatz ausgeführt und bis auf dem nun gelegten Fundament das stattliche Gebäude eines einheitlichen schweizerischen Privatrechtes errichtet sein wird. Das kantonale Recht wird also, günstigsten Falles auf Jahre, unter Umständen vielleicht auf Jahrzehnte hinaus seinen Platz noch behaupten, und ein Mittel, sich in demselben besser zurecht zu finden, dürfte daher auch heute noch der Aktualität und einer gewissen Berechtigung nicht entbehren.

Dazu kommt, dass durch diese Sammlung einem von der staatswirtschaftlichen Kommission in ihrem Berichte über das Jahr 1896 geäusserten Wunsche nach einer neuen Sichtung der offiziellen Gesetzessammlung, der in der Form eines Postulates prinzipiell auch die Zustimmung des Grossen Rates gefunden hat, wenigstens für einen in sich abgerundeten und abgeschlossenen Teil des kantonalen Rechtes in gewissem Sinne entsprochen wird.

Im Kanton St. Gallen, der eine Kodifikation des Privatrechtes entbehrt und wo bezügliche Bestimmungen zum Teil ganz fehlen, zum andern Teil, soweit sie vorhanden sind, zur Zeit in den verschiedensten Gesetzen und Gesetzesbänden zerstreut sich vorfinden, dürfte wohl eine solche Arbeit ganz besonders einem Bedürfnis entsprechen. Der Anwalt und der

Beamte, die durch jahrelange Beschäftigung mit dem kantonalen Rechte sich die genaue Kenntnis desselben erworben haben, werden darin allerdings nichts anderes finden, als eine bequeme handliche Zusammenstellung aller derjenigen materiellen Gesetze, die sie am häufigsten zu konsultieren haben. Für diejenigen, die nur seltener in Berührung mit dem kantonalen Privatrecht kommen, ist versucht worden, auch noch durch Noten den Zusammenhang der Bestimmungen eines und desselben Gesetzes und der verschiedenen Gesetze untereinander deutlich zu machen und zu betonen. Endlich soll ein einlässliches Sachregister die Benutzung des Ganzen im allgemeinen erleichtern helfen. Dem Sachregister kommt bei einer Sammlung wie der vorliegenden nach des Herausgebers Ansicht eine Hauptbedeutung zu; auf mög lichste Einlässlichkeit und Vollständigkeit desselben wurde daher ein besonderes Gewicht gelegt.

Lediglich Rücksichten auf die praktische Brauchbarkeit der Sammlung waren bestimmend für die anhangsweise Aufnahme dreier der wichtigsten Bundesgesetze, des Gesetzes über die persönliche Handlungsfähigkeit, des Gesetzes über die Beurkundung des Zivilstandes und die Ehe und des Gesetzes über die zivilrechtlichen Verhältnisse der Niedergelassenen und Aufenthalter, sowie einer Anzahl kantonaler Gesetze mehr öffentlich-rechtlichen Charakters. Die erwähnten Bundesgesetze greifen wiederholt in das kantonale Privatrecht ein und stehen mit wesentlichen Teilen desselben in einem so innigen Zusammenhang, dass es für die Praxis gewiss von Wert ist, sie hier neben einander zu haben. Die kantonalen Gesetze des Anhangs aber beschlagen zum Teil Gegenstände, die mit dem Privatrecht sich berühren, zum Teil sind

es solche, die in der Praxis neben den eigentlich zivilrecht-
lichen am meisten gebraucht werden. Anderseits sind, eben-
falls aus praktischen Gründen, verschiedene kantonale Ge-
setze mit privatrechtlichem Inhalt, weil sie für die Praxis
sozusagen keine Bedeutung mehr haben, nicht in die Samm-
lung aufgenommen worden, wie z. B. das Gesetz über Los-
kauf des Tritt- und Trattrechtes und die Nutzniessung des
Gemeindebodens vom 13. Mai 1807, das Gesetz betr. den
Loskauf von Zehnten und andern Reallasten vom 3. Februar
1870 (G.-S. Bd. IV, Nr. 23; G.-S. N. F. Bd. I, Nr. 41) u. a.

St. Gallen, Neujahr 1899.

Der Herausgeber.

Vorwort zur II. Auflage.

Die stets fortdauernde Nachfrage nach dem Werkchen,
das schon seit geraumer Zeit vergriffen ist, hat die Fehr'sche
Buchhandlung bewogen, eine zweite Auflage desselben ohne
Mithülfe amtlicher Stellen zu veranstalten. Trotzdem die
Unifikationsbestrebungen auf dem Gebiete des Zivilrechtes
seit dem erstmaligen Erscheinen der Sammlung einen neuen
bedeutsamen Schritt nach vorwärts getan haben, so wird das
kantonale Recht doch auf alle Fälle noch während einer
Reihe von Jahren in Geltung bleiben müssen und ein Hülfs-
mittel zur bessern Kenntnis desselben auch im gegenwärtigen
Moment daher immer noch eine gewisse Existenzberechtigung
haben. Der Herausgeber hat versucht, dieselbe dadurch
noch zu steigern, dass er die sämtlichen grundsätzlichen
Entscheidungen der obersten administrativen und richter-
lichen Behörden des Kantons in kurzen Anmerkungen zu-
sammengefasst und jeweilen an betreffender Stelle dem
Gesetzestexte beigefügt hat.

Nach Möglichkeit ist dabei die offizielle Fassung der Ent-
scheidungen berücksichtigt worden. Soweit die admini-
strativen Präjudikate in Müllers Verwaltungsrecht publiziert
sind, wurde sozusagen durchgängig auf die dort enthaltene
Formulierung abgestellt. Bei den publizierten Gerichts-
urteilen dagegen fehlt es zumeist an einer offiziellen Prä-

zisierung ihres präjudiziellen Inhaltes und der Herausgeber
muss daher für diesen Teil der Arbeit die Verantwortung
allein übernehmen. Die hauptsächlichsten in den Anmer-
kungen enthaltenen Präjudizien, die klaffende Lücken des
geschriebenen Rechtes ausgefüllt haben, sind auch im Sach-
register verarbeitet worden.

Lausanne, im August 1904.

Dr. C. Jaeger.

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