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Die Strecke bis Ma'ân ist am 1. September 1904, bis elÖla am 1. September 1907 und die ganze Strecke von 1320 km bis Medîna im September 1908 dem Verkehr übergeben worden.

Die genaue Geschichte der Bahn und ihre Beschreibung ist von Auler Pascha (Petermanns Erg.-Heft 144, 154, 161; 1906), Blanckenhorn (Zeitschr. d. Berl. Ges. f. Erdkunde, 1907), M. Hartmann (Orient. Lit.-Ztg., 1908) sowie Dr. H. Schmidt (Eisenbahnwesen in der asiatischen Türkei; Berlin 1914) beschrieben, so daß ich hier nur kurz zu erwähnen brauche, daß die Spurweite 1,05 m beträgt, während die anderen syrischen Bahnen Normalspur haben. Die Lokomotiven waren meist deutsches, die Wagen belgisches Erzeugnis. Die Bahn ist eingleisig.

Nach Fertigstellung der noch fehlenden Stellen der Baghdâd-Bahn im Taurus-und Amanusgebirge wird man also von Konstantinopel aus per Bahn nach Medîna fahren können, wobei allerdings in Damaskus Wagenwechsel stattfinden muß. Die Bauausführung geschah unter Leitung des Dresdner Ingenieurs Meißner Pascha.1 Zuerst hatte er viele europäische Gehilfen, die aber allmählich alle durch Türken ersetzt zu sein scheinen. Dies war schon deshalb nötig, weil das Gebiet der Heiligen Orte nicht durch Christen betreten werden darf.

Nach der Eröffnung der Bahn bis Medîna beschloß die Kommission, mit der Weiterführung vorläufig ein Jahr zu warten. Die Kämpfe mit den Beduinen hatten viele Menschenleben gekostet. Man wollte die Araber sich erst beruhigen lassen, die von der Bahn fürchteten, ihre Transporteinkünfte zu verlieren. Man hoffte, daß sie in Ruhe die wirtschaftlichen Vorteile der Bahn kennenlernen würden. Der unbotmäßige Wali der Provinz, Ahmed Ratîb Pascha, der ein Gegner der Bahn war, wurde abberufen (s. oben). Er hatte die Überfälle im stillen geduldet, da er fürchtete, durch die

1 Als Frankreich der Türkei 1914 eine Anleihe bewilligte, verlangte es unter anderem die Entfernung des deutschen Ingenieurs Meißner Pascha aus der Ḥiğâz-Bahn. Auf Frankreichs Veranlassung ist damals auch der Bau der Strecke Haifa―Jerusalem eingestellt. Zugleich wurden Frankreich die Hafenbauten in Haifa, Jâfa, Tarabulus und Beirût übertragen alles Zugeständnisse, die durch den Weltkrieg hoffentlich hinfällig werden. (Nach G. Galli.)

Bahn auch seine Einkünfte an den Pilgern zu verlieren. Außerdem wurde der Großscherif durch Geschenke von Konstantinopel günstig gestimmt. Aber die arabischen Scherifen stimmten offen gegen den Weiterbau der Bahn, in der Furcht, ihre Einkünfte zu verlieren; sie drohten mit Zerstörung der ganzen Bahn, wenn sie über Medîna weitergebaut würde. Diese Drohung gewinnt eine gefährliche Beleuchtung durch die Berichte der türkischen Gouverneure über die große Waffeneinfuhr von modernen Gewehren (System Martini) nach Arabien. Sogar Dynamit haben die Araber bei ihren Angriffen auf die Telegraphenlinien benutzt. Es ist ein offenes Geheimnis, daß diese Waffen von englischen Kaufleuten stammen.1 Unter wohlwollendem Zusehen der englischen Kriegsschiffe wurden sie in den Häfen des Roten Meeres und des Perser Golfes gelandet. Die Ḥiğâz-Bahn, welche die türkische Macht stärkte, war seit langem den Engländern ein Dorn im Auge. Den Engländern wäre es sehr unangenehm, wenn in der Nachbarschaft von 'Aden, Ägypten und Sudan eine starke Türkei auftreten würde. So wird die Frage des Weiterbaues der Hiğâz-Bahn eine Machtfrage zwischen der Türkei und England werden („Hamb. Nachr." vom 20. April 1909).

Die Leitung des Werkes lag in der ersten Zeit in den Händen der „Ḥiğâz-Bahn-Kommission" unter dem Vorsitz des Großwesirs, in der Meḥmed 'Izzet Pascha das treibende Element war. Es gab ferner eine Ausführungskommission unter dem Wali von Beirut, Esid Bey, der als Generaldirektor der Ḥiğâz-Bahn Kâmil Pascha angehörte. Im Jahre 1912 wurde auf den Beschluß des Ministerrats der zukünftige Bau der etwa 450 km langen Endstrecke Medîna - Mekka dem Kriegsministerium unterstellt. Präsident der Generaldirektion der Hiğâz-Bahn, die ihren Sitz in Konstantinopel hat, wurde Generalmajor Dschawid Bey (Ğâwid).

Eine ganze Reihe von Zweigbahnen sind geplant, von denen uns die syrischen Strecken hier nicht interessieren. Als sehr wichtige Abzweigung muß hier aber eine Verbindung von Ma ân nach 'Aqaba am Roten Meer erwähnt werden.

1 Vgl. dazu die Ausführungen im Kapitel über Bahrain, Masqa, und die Wahhabiten. Es ist unzweifelhaft, daß mit englischer Hilfe 1903 und 1912, wahrscheinlich aber dauernd, große Mengen Waffen usw. 'Omân und Koweit aus ins Innere geschafft sind.

von

Sie kam jedoch auf Einspruch der Engländer nicht zustande, die sogar am 13. Mai 1907 mit einer Flottendemonstration in Konstantinopel drohten.1 Denn diese Verbindung hätte die Stellung der Engländer in Ägypten beeinflußt, auch dem Suezkanal Konkurrenz gemacht. Jetzt im Weltkrieg ist die Schaffung dieser Bahn wieder sehr aktuell geworden, doch bietet das sehr zerklüftete Gebirgsland von Petra große technische Schwierigkeiten, weshalb man daran dachte, die Abzweigung ein wenig südlicher bei Mudewwere vorzunehmen. Es scheint aber, daß man einstweilen auch dies Projekt zurückgestellt gegenüber einer Abzweigung der Ḥaifa-Bahn von Al-Fûle aus, die über Nâbulus, Lidda, Bîr-seba geführt werden soll. Wie weit die Arbeiten fortgeschritten sind, ist der Öffentlichkeit unbekannt. Am 17. Januar 1915 bewilligte die türkische Kammer 200 000 für die Linie AfuleNâbulus, am 30. März soll die Bahn bis Lidda fertig gewesen sein. Die Presse brachte die Notiz, daß Bîr-seba im Oktober 1915 erreicht sei.2 Die Linie ist von größter Bedeutung für das türkische Vorgehen gegen Ägypten. Von Bîr-seb a bis zum Kanal werden rund noch 250 km übrig sein. Die Ḥiğâz-Bahn hat unter günstigen Verhältnissen bis zu 3 km am Tage fertiggestellt. Doch wird in der heutigen Zeit der Fortschritt nicht so rasch gehen, zumal es an Baumaterial mangeln muß, wenn man nicht andere, weniger wichtige Linien in Syrien aufnehmen und für den neuen Bau verwenden will. In Zukunft aber wird man jedenfalls noch die direkte Verbindung von der Ḥiğâz-Bahn bei Ma ân oder Mudewwere nach Aqaba bauen müssen, im Zusammenhang mit dem weiter unter zu erwähnendem Projekt der transarabischen Bahn.

Nach dem Deutschen Handelsarchiv" 1912 verkehrten von

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1 Es ist mir bekannt, daß in der Öffentlichkeit diese Verhandlungen sich nur um die Grenze der Sinaï-Halbinsel drehten, daß Lord Cromer sogar formell ableugnete, etwas gegen das Bahnprojekt zu haben. Ich habe aber die Überzeugung, daß neben der Grenzfrage die Bahnfrage sehr wichtig war. (Im übrigen siehe Kapitel 5.)

• Es scheint, daß die Bahn über Bîr-seba und Mešrîfe weiter über die Grenze geführt ist. Wenigstens gaben im Januar 1916 englische und italienische Zeitungen die Meldung, daß die „Sinaï-Bahn" auf 40 bis 50 km sich dem Suezkanal genähert habe, sowie daß man mit ihr zusammen eine Wasserleitung erbaut habe. Die Richtigkeit dieser Nachricht läßt sich nicht nachprüfen.

Haifa bzw. Damaskus wöchentlich in jeder Richtung drei Züge mit 72 Stunden Fahrzeit, die man um 18 Stunden verkürzen wollte; 1914 wird die Fahrzeit auf 54 Stunden angegeben. Man hatte sogar einen Speisewagen eingerichtet. Nachstehend gebe ich einige Ziffern über die Bahn, ohne imstande zu sein, die oft widersprechenden Angaben kontrollieren zu können.

Die Kosten für den Bau und das rollende Material betrugen :

für 1465 km

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auf je 1 km

102,6) 1 Frank

Anlagekosten. 352155161,09 P.

=77910433 Frank

Roll. Material 46876540,19 P.

= 10370915 Frank

zusammen 399031701,28 P.

oder 88281348 Frank

=

4,52 P. Sag.

240379 P. Sag.

31997 P. Sag.

Vom 14. März 1910 bis 13. März 1911 hatte man einen Reingewinn von 1730700 Frank bei diesem Anlagekapital von 88,2 Millionen Frank oder eine Verzinsung von 1,95 Prozent, wobei aber zu berücksichtigen ist, daß das Anlagekapital tatsächlich nicht verzinst zu werden brauchte, weil es aus freiwilligen Spenden usw. bestand. Die Bruttoeinnahmen beliefen sich 1909 auf 18896271, 1910 auf 26789075, die Betriebsausgaben 1909 auf 15892142, 1910 auf 19672524 Frank. Von anderer Seite (Alexis Rey) wird angegeben, daß 1909 die Gesamteinnahmen 3800000 Frank waren (pro km 2334 Frank), 1910 aber 5565084 (5359000?) Frank (pro km 3657 Frank), und zwar werden 1305 km angegeben.1 Vielleicht hat man die Strecke Haifa-Der ât nicht mit in die Rechnung einbezogen. Die Haupteinnahmen bringt die nördliche Linie Damaskus-Der'ât, dank der großen Stadt Damaskus von einer Viertelmillion Einwohnern. Auf der Strecke von Derât nach Medîna werden fast nur Pilger, aber wenige Waren befördert (nach Bankdirektor Griesbauer in Weltverkehr und Weltwirtschaft", 1913, S. 540).

1 Für 1911 wurden für ca. 1468 km 6618800 Frank Einnahmen, pro km etwa 4100 Frank angegeben; die Einnahmen hätten gut die Betriebskosten gedeckt, der Überschuß würde für den Weiterbau verbraucht, da ein Anlagekapital nicht zu verzinsen und amortisieren sei.

Hamburgische Forschungen. Heft 1.

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1912 sollen die Einnahmen (wohl Reineinnahmen?) nach den, Ägyptischen Nachrichten" vom 20. Sept. 1913 120000 ST. oder rund 2170000 Mark gewesen sein.

Nach Dr. Schmidt betrugen die Einnahmen (Stiftungen usw.) bis zum 31. Juli 1907 in Goldpiastern (4,4 P. = 1 Frank) abzüglich der Kursverluste 318869026 Piaster, von denen 102877338 Piaster freiwillige Beisteuern waren. Professor Hartmann (Der Islam 1908. Mitt. d. Orient. Sem."; Berlin, XII, 1909, S. 63) schreibt, daß am 21. Januar 1909 eine Interpellation in der türkischen Kammer über die ḤiğâzBahn eingebracht wurde. Nach Angabe der Regierung waren 3800000 £ T. (70300000 M.) zum Bau vereinnahmt, 2800 000 T. (51800000 M.) für Bau und Material ausgegeben, der Rest von etwa 182 Millionen für Gehälter und ähnliches. (!) Es wurde darauf eine Kommission zur Kontrolle der Verwaltungsgelder gewählt. Die Bahn solle in Zukunft Otmanische Hiğâz-Bahn" und nicht mehr „Islamische Hiğâz-Bahn" heißen.

Bei der schnellen Bauausführung durch teils ungeübte Leute werden sich manche Mängel herausgestellt haben. Bei allen Bahnen in Neuländern, deren klimatische Faktoren man nicht genau kennt, sind immer Reparaturen nötig. Recht ungünstig hatte Professor Musil 1910 über den Zustand der Bahn berichtet (vgl. M. Hartmann in: „Asien" vom 31. Juli 1912, und „Berliner Tageblatt" vom 26. September 1911), besonders sollten die Stationen nicht genügend geschützt, die Lokomotiven und Wagen schlecht gehalten sein. Hiergegen hat allerdings Ešref-Efendi, der Chef des technischen Bureaus der Hiğâz-Bahn, im „Berliner Tageblatt" vom 17. September 1911 Einspruch erhoben, der vor allem die guten Dienste hervorhebt, die Meißner Pascha durch die türkischen Ingenieure gehabt hätte. Auf der Strecke Ma ân bis Medîna wären an Europäern nur Meißner und sein Adjutant Herr Schröder tätig gewesen. Später scheint man für die Leitung wieder mehr Europäer beschäftigt zu haben, wohingegen der Betrieb aus religiösen Gründen durch Türken erfolgte. 1911 sollen auf der Bahn im ganzen 81 Lokomotiven, 100 Personenwagen und 900 Güterwagen gewesen sein.

Sehr bedenklich ist die Unsicherheit, die durch häufige Überfälle räuberischer Beduinen veranlaßt wurden. Die Stationen müssen deshalb kleine Festungen sein. M. Hart

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