Page images
PDF
EPUB

du Pangermanisme en Orient, et le contrepoids nécessaire à l'influence allemande en Europe?" Frankreich hoffte

noch 1910, daß Deutschland nur in der alttürkischen Partei unter Abd ul-Hamîd Einfluß haben würde, es versuchte mit allen Mitteln, Deutschland von den Jungtürken zu entfernen; eine völlig falsche Rechnung, denn die deutsche Politik hat sich nicht an eine Partei in der Türkei gewandt, sondern an diesen Staat selbst.

Eine Pariser Depesche vom 27. August 1909 („Hamburger Fremdenblatt" vom 29. August 1909) besagte folgendes: In Konstantinopel ist die Nachricht eingetroffen, daß die im Jemengebiet sich aufhaltenden türkischen Agenten britischer Nationalität den Sprengstoff geliefert hätten, durch den die jüngste folgenschwere Explosion in einem türkischen Munitionsdepot herbeigeführt wurde. Jene britischen Agenten, unter denen sich ehemalige englische Offiziere befinden, machen gemeinsame Sache mit den arabischen Revolutionären, die zum Lohn für die gegenwärtige Unterstützung durch die englischen Parteigänger die Abtretung eines für England wichtigen Küstenstriches versprechen, falls es gelingt, Jemen selbständig zu machen." - (Dieser für England wichtige Küstenstrich wird wahrscheinlich Scheich Sa îd gewesen sein, worauf wir noch zu sprechen kommen.) Jedenfalls zeigt diese Pariser Depesche, daß man auch in Frankreich an Englands Unterstützung der Aufrührer glaubte. Es ist auch gar kein Zweifel, daß es damals den Imâm Jaḥjâ unterstützte, mindestens moralisch, wahrscheinlich aber auch durch direkte Zufuhren von Hilfsmitteln oder wenigstens durch Duldung von solchen. Italien aber hoffte, wie wir in Zukunft sehen werden, seine Ziele durch einen anderen Mann zu erreichen, auf den wir nun zu sprechen kommen müssen.

Im Jahre 1909 war in 'Asîr ein neuer Widersacher der Türkei aufgetreten, der ihr noch viel zu schaffen machen sollte, und der noch heute ein schlimmerer Feind der Türken ist als der Imâm, Sejjid Idrîs. Nach türkischen Quellen hat Imhoff Pascha im „Berliner Tageblatt" vom 8. Oktober 1910 die Lebensgeschichte dieses Mannes gegeben. Ihm folgen wir hier:

Des Idris Großvater, Aḥmed bin-Idrîs, war von Fez in Marokko nach Șabjâ in 'Asîr ausgewandert. Vorher hatte

er sich nach Ägypten und von dort nach Mekka begeben. Als er dort von der Geistlichkeit viel zu leiden hatte, wandte er sich nach Gidda. Von hier zog er aber bald nach Merawa (?), Zeidîje und Abû 'Arîš. Ein wenig später ging er nach Şabjâ, wo er 1827 starb. Er war ein gelehrter und geachteter Mann. Von seinen drei Söhnen ging der zweite, 'Abd ul-'Alî bin Ahmed, nach Dongola im Sudan; der dritte, Mustafa bin Aḥmed, hatte zwei Söhne und eine Tochter. Der älteste Sohn, Mehmed bin Ahmed, heiratete auf Wunsch seines Vaters eine Sklavin, die ihm einen Sohn, 'Ali bin Meḥmed, schenkte. Dieser Alî beschäftigte sich mit Theologie, Physik und auch mit Wahrsagerei. Er heiratete die Tochter eines gewöhnlichen Mannes, Nasr Ulla Senedrî, und bekam sechs Kinder. Der älteste Sohn von diesen war Meḥmed bin 'Alî, alias Sejjid Idrîs,1 der 1878 geboren ist. Im Alter von 18 Jahren ging dieser nach Ägypten, lebte abwechselnd in Dongola, Kassala, Musawa, auf den Farsân-Inseln und in Gizân an der arabischen Küste. Im Jahre 1907 kam er nach Ṣabjâ. Dort beschäftigte er sich mit Amulettschreiben und predigte auch in den Moscheen. Die Bewohner von Sabjâ, die Stämme von Ga fera und Tamba (?) lagen stets im Kriege miteinander. Die Lebensmittel und anderen Bedürfnisse für Şabjâ mußten immer von den Landungsplätzen Gizân oder Šefiq (?) geholt werden. Da diese beiden Häfen sich in den Händen der erwähnten feindlichen Stämme befanden, konnte nichts nach Şabjâ befördert werden. Die bedrängten Bewohner dieser Stadt baten Idrîs um Vermittlung. Er nahm den Vorschlag an, lud die Stämme zu sich ein, sagte ihnen, daß er „der Herr der Stunde", das heißt der Allwissende, sei, daß die Hauptpflicht darin bestehe, der Türkei treu zu sein und für die Sicherheit der Wege zu sorgen. Er erklärte ihnen, daß sie die türkischen Soldaten als Glaubensbrüder ehren und lieben müßten. Bald darauf beauftragte er die Bevölkerung, sich mit Waffen und Munition zum Kriege gegen die Ungläubigen zu versehen. Seine erste Tat war, daß er dem Scherifen Ahmed Pascha Chawâğî die Hände abschnitt und so Schrecken um sich verbreitete. Außerdem versuchte er mit Hilfe chemischer Künste, wie Phosphor

1 Idris, nach Nöldeke der Apostel Andreas; oft mit Enoch identifiziert.

schminke, farbigen Tinkturen usw. sich einen magischen Ruf zu geben.

Sejjid Idrîs soll sehr intelligent, von mittlerem Wuchs, kaffeebraunem Gesicht und durchdringendem Blick sein. Er lächelt immer und hat liebenswürdiges Wesen, was ihn nicht hindert, ein grausamer Tyrann zu sein. Er hat auf der el-Azhar in Kairo studiert und dort wahrscheinlich mit englischen Organen Fühlung bekommen, vielleicht auch mit Alttürken. Bei seinem früheren Aufenthalt wird er auch die Italiener in Muṣawa kennengelernt haben. Zuerst trat er nur als Reformator auf, dessen friedliche Absichten dazu dienen sollten, die wirtschaftliche Entwicklung von 'Asîr zu fördern. Lange versteckte er seine wahren Pläne; er ließ sogar diejenigen von seinen Anhängern fallen, welche im Übereifer die Ereignisse sich überstürzen ließen. Er beherrschte allmählich ganz ‘Asîr, besonders die Stämme der Beni-Takif und Beni-Kaḥtân; sein Einfluß reichte nach Jemen hinein bis Loḥîja.

'Asîr ist ein zwischen Hiğâz und Jemen liegendes Gebirgsland, das nach der türkischen Eroberung im Jahre 1871 zum Sanğaq gemacht wurde und sieben Kreise (qaḍâ) hatte: El-Ebha, Banu-Šehir, Ghamîd, Ghunfude, Moḥa'il, Riğâl, Alma und Ṣabjâ. Der Hauptort ist el-Ebhâ. Die Bewohner sind äußerst todesverachtend und tapfer, kein Stamm wird von den Türken wie dieser gefürchtet. Schon 1824 hatte Ahmed Pascha im Auftrage von Meḥmed 'Alî das Land vergeblich bekriegt. Ebensowenig Erfolg hatten die Feldzüge von 1834 und den folgenden Jahren. Der damalige Häuptling des 'Asîr, 'A'id bin Mûsâ, übte im Bergland seine Herrschaft unbelästigt aus, die auf seinen Sohn Moḥammed überging. Letzterer vertrieb 1871 die türkischen Truppen sogar aus den Küstenplätzen. Erst Ferîd (Mohammed) Redîf Pascha gelang es, 1871 das Land zu unterwerfen (s. oben). Bei dem äußerst schwierigen Charakter des Landes und der Bewohner scheinen die Türken dort nie einen Einfluß gehabt zu haben, der viel über die Küste und die unmittelbare Umgebung von el-Ebhâ hinausging.

1 Nach einem in der „Revue du monde musulman" (XV, 1911, S. 379) erwähnten Brief soll Sejjid Idrîs Mitglied des Mirghanîjah-Ordens sein, der stets die Politik der Engländer in Ägypten und in Chartum gestützt hat.

Etwa im März 1908 warf Idrîs die Maske ab und ließ sich als „Mahdî" (Propheten) im 'Asîr ausrufen. Er war der eigentliche Herrscher dort. Der Wali vom Jemen, Ḥasan Taḥsîn Pascha, ließ durch die türkischen Organe unter den Bewohnern der Tihâma eine Proklamation verbreiten, durch die Idrîs als Zauberer und Schwindler hingestellt wurde. Hierdurch wurde der Aufstand erst recht verstärkt, den der „Mahdî" Idrîs als ihm auferzwungen hinstellte. Fast das ganze sunnitische 'Asîr sowie die jemenischen Stämme der ez-Zohra und el-Wadât schlossen sich ihm an, später auch noch die el-Kohra und el-Meğarda,1 da diese ihre Interessen durch die türkischen Bahnbaupläne gefährdet glaubten, von denen wir später zu reden haben werden. Der Mahdî aber war mit dem Imâm nicht vereint, schon allein wegen der religiösen Differenzen. Während der Imâm die volle Autonomie erstrebte, wollte der Mahdî zunächst noch die Oberhoheit des Sultans bestehen lassen, ja, er bot zeitweise sich der Türkei sogar als Friedensstifter im Jemen an. Es handelte sich also um Einzelrevolutionen aus allen möglichen Ursachen, und die Türkei wäre gewiß ihrer Herr geworden, wenn sie von Anfang an eine energische und klare Politik gehabt hätte. Leider aber handelten die Zentralorgane in Konstantinopel, der Wali Hasan Taḥsîn, der Militärkommandant Sa'îd Pascha und schließlich auch die Lokalbeamten alle nach verschiedenen Grundsätzen, ja, sie ließen sich sogar auf Unterhandlungen mit dem Mahdî ein, den sie vorher als Lügner hingestellt hatten wie sie fast gleichzeitig auch mit Jaḥjâ verhandelt hatten.

Mehrere Kommissionen wurden zu Sejjid Idrîs gesandt; die erste, aus arabischen Häuptlingen und Geistlichen zusammengesetzt, verließ Mekka Ende Dezember und traf Idrîs in Sabjâ, seinem Hauptquartier. Sie erhielt nur einen Brief des Idrîs, in dem er dem Großwesir die traurige Lage der Araber in 'Asîr schilderte. Die zweite Mission, aus türkischen Geistlichen und Offizieren zusammengesetzt, ver

1 Im Dezember 1909 wurden der italienische Konsul von Mochâ Marchese Benzoni und der deutsche Forschungsreisende Burchardt (zwischen Şan â und Ta'izz) ermordet, eine Tat, die mehr gegen die türkische Begleitmannschaft als gegen die beiden Opfer gerichtet gewesen zu sein scheint. Der Weg führt durch das Gebiet der obengenannten beiden Stämme.

ließ Konstantinopel Anfang Januar 1910 (1909?), sie traf in Gizân mit Sa îd Pascha zusammen, der am 25. Oktober 1909 eine Unterredung mit Idrîs hatte, der mit 6000 Reitern ankam. Dieser wies die Anschuldigung zurück, daß er das Freitagsgebet (chuțba) immer noch im Namen des früheren Sultans 'Abd ul-Ḥamîd abhalten ließe, er sei ein treuer Freund der Türken und hoffe besonders von den Jungtürken eine Besserung der Verhältnisse seines Landes. Gegen seinen Willen habe man ihn zum „Mahdî" ausgerufen. Wenn aber seine Vorschläge zurückgewiesen würden und die Regierung Truppen gegen ihn senden sollte, so würde er zum Kriege gezwungen.

Diese Verhandlungen scheinen stattgefunden zu haben, nachdem der Imâm 1909 einen neuen Aufstand erregt hatte, von dem oben schon die Rede war. Diese Unruhen gaben, wie erwähnt, den Vorwand, den Entwurf für eine Verfassungsänderung in Jemen im August 1909 zurückzuziehen. Ganz genau habe ich mich aus der Presse über die Reihenfolge der Ereignisse, welche zur großen Erhebung von 1910/11 führten, nicht unterrichten können. Jedenfalls sagen französische Nachrichten, daß Sa îd Pascha sich geneigt gezeigt hätte, weiter mit Idrîs zu verhandeln, daß er aber aus Konstantinopel die Weisung bekam, sich nach Ghunfude zu begeben, um den Befehl über die Truppen zu übernehmen und unmittelbar in 'Asîr einzumarschieren. Die scharfe Politik des Wali Ḥasan Taḥsîn und der Wunsch der Jungtürken, eine Dezentralisation zu vermeiden, scheint auch gegenüber Idrîs den Ausschlag gegeben zu haben. Allerdings sollen damals viele türkische Offiziere ihre Bedenken geäußert haben, angesichts des Umfanges des Aufstandes in Jemen dorthin so viele Truppen zu senden, in einen Kampf, der selbst bei glücklichem Ausgang der Armee eine lange Erholungszeit aufgenötigt hätte, was man in Rücksicht auf die Lage in der europäischen Türkei nicht wagen könne. Rouet meint, daß außerdem die Alttürken noch das Gerücht ausgestreut hätten, es handle sich um eine Vereinigung von Imâm und Mahdî, die dem Sultan das Chalifat streitigmachen wollten, ein Gerücht, das angeblich auch noch durch die vom alten 'Izzet Pascha beeinflußte ägyptische Presse weiterverbreitet wäre, damit durch die Unternehmungen in Jemen die Jungtürken so

« PreviousContinue »