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Ausdruck in dem Verlangen nach internationaler Schiffahrtsfreiheit, wie sie bei den internationalen Strömen praktisch ausgebildet wurde. Dort bei den internationalen Strömen wurde das Prinzip der Schiffahrtsfreiheit in der Weise durchgesetzt, daß zwischen den beteiligten Mächten ein Kollektivvertrag zustande kam. Derselbe Weg zur Sicherstellung der Schiffahrtsfreiheit ist auch bei den internationalen Kanälen einzuschlagen und ist z. B. hinsichtlich des Suezkanals bereits durch Kollektivvertrag vom 29. Oktober 1888 eingeschlagen worden.

Dadurch wird jedoch der Grundsatz, daß die internationalen Kanäle sich als Eigengewässer des Uferstaats darstellen, nicht aufgehoben; er wird lediglich dahin modifiziert, daß die Gebietshoheit des Uferstaats eine Beschränkung erleidet zugunsten der internationalen Schiffahrtsfreiheit.

Die Behandlung der internationalen Kanäle als Eigengewässer entspricht auch am ehesten ihrer natürlichen Beschaffenheit, denn die Kanäle sind auf keinen Fall als Meeresteile zu betrachten, selbst wenn sie zwei Weltmeere miteinander verbinden. Zu demselben Ergebnis gelangt BUSTAMANTE, welcher in der Revue de droit international1 ausführt: Wenn Frankreich z. B. das Mittelländische Meer mit dem Atlantischen Ozean durch einen Kanal über französisches Gebiet verbinden würde, so würde es zweifellos der Schiffahrt fremder Staaten diejenigen Bedingungen auferlegen, die es für gut finden würde ...., denn es würde den Kanal wie einen Fluß behandeln, welcher vollständig auf französischem Gebiete läuft." Dieselbe Regelung hat auch hinsichtlich des Nordostseekanals Platz gegriffen, ohne daß je von irgend einer Seite Widerspruch erhoben worden wäre. Es ist durch langjährige Rechtsübung durchaus fest begründet, daß der Nordostseekanal ein deutsches Eigengewässer ist. Kein anderer Staat hat sich bis jetzt je das Recht angemaßt, die Gebietshoheit des Deutschen Reiches über diesen Kanal zu bestreiten, obwohl derselbe zwei freie Meere miteinander verbindet.

Es ist aber nicht einzusehen, weshalb auf den einen internationalen Kanal ein anderes Grundprinzip zur Anwendung 1 a. a. O., S. 228 ff.

kommen sollte als auf alle anderen. Der Nordostseekanal unterscheidet sich zwar in militärischer und in wirtschaftlicher Hinsicht von den Kanälen von Suez und von Panama, nicht aber in rechtlicher. Wohl ist die wirtschaftliche Bedeutung der beiden letzteren für den Weltverkehr eine unvergleichlich größere, doch ist die rechtliche Grundlage überall dieselbe: Die internationalen Kanäle sind Eigengewässer derjenigen Staaten, deren Gebiet sie durchschneiden.

Die bisher bestehenden Kanäle durchschneiden immer nur je einen Staat, doch ließe sich auch der Fall denken, daß ein Kanal das Gebiet mehrerer Staaten durchschneiden und dadurch erst zu einem „,internationalen" Kanal im wahren Sinne des Wortes würde. Hierbei wären wiederum zwei verschiedene Fälle denkbar, welche beide zu Vergleichen mit bereits bestehenden Rechtsverhältnissen Anlaß geben.

Der erste Fall wäre der, daß ein Kanal der Reihe nach mehrere Staaten durchschneiden würde, etwa nach Art eines Flusses, welcher in dem Gebiete eines Staates entspringt und sodann noch mehrere andere Staaten durchströmt, bevor er das Meer erreicht. Ein solcher Fluß oder Strom steht, auch wenn er als sogen. „,konventioneller" oder internationaler" Strom für die Schiffahrt aller Staaten offensteht, nach heute herrschender Lehre1 nach wie vor unter der Gebietshoheit der Uferstaaten, und zwar erstreckt sich diese Gebietshoheit jeweils auf dasjenige Stück des Stromes, welches den betreffenden Staat durchströmt. Es wäre wohl das nächstliegende, auch für einen Kanal, der in der angegebenen Weise das Gebiet mehrerer Staaten durchschneidet, dieselbe Regel gelten zu lassen und anzunehmen, daß derselbe der Reihe nach der Gebietshoheit der verschiedenen Uferstaaten untersteht.

Der zweite Fall wäre der, daß der Kanal der Länge nach zwischen zwei verschiedenen Staaten hindurchführen würde und so gewissermaßen die Grenze zwischen diesen beiden Staaten bilden würde. Hier wird sich wohl wie bei einem Grenzflusse die beste Lösung ergeben, wenn man annimmt, den beiden Uferstaaten stehe in dem Kanal eine geteilte Gebietshoheit zu und zwar je bis zur Mittellinie des Kanals.

1 LISZT a. a. O., S. 205.

2. Kapitel.

Praktische Anwendung auf den Panamakanal.

§ 4.

Die Zehnmeilenzone.

Das Ergebnis der bisherigen Untersuchungen ist, daß die internationalen Kanäle, also auch der Panamakanal, als Eigengewässer anzusehen sind. Es drängt sich nun von selbst die weitere Frage auf, als wessen Eigengewässer der Panamakanal zu gelten hat.

Die Frage scheint auf den ersten Blick leicht lösbar zu sein; es kann ja nach dem Bisherigen nur der Uferstaat zur Ausübung von Hoheitsrechten über den Kanal in Betracht kommen und die Feststellung, wer der Uferstaat eines Kanals ist, bietet in der Regel keine allzugroßen Schwierigkeiten. Nun liegen aber gerade beim Panamakanal die Verhältnisse so, daß nur auf Grund eingehender Untersuchungen Klarheit geschafft werden kann darüber, welcher Staat eigentlich der Uferstaat ist. Um sich von diesen Verhältnissen einigermaßen ein Bild machen zu können, ist es notwendig, sich die geographisch-politische Lage des Kanals zu vergegenwärtigen. Der Isthmus von Darien, welchen der Kanal durchkreuzt, gehörte bis zum Jahre 1903 der Republik Kolumbien

an.

Durch die Revolution vom 4. November 1903 trennte sich der nördlichste Teil dieser Republik von Kolumbien los und bildet seit dieser Zeit die selbständige Republik Panama. Diese neue Republik Panama wird etwa in der Mitte durchkreuzt in der Richtung von Nordwest nach Südost durch die Trace des Panamakanals, welcher die Stadt Colon auf der atlantischen Seite mit der Stadt Panama auf der pazifischen Seite des Isthmus miteinander verbindet. Der Kanal befindet sich also auf den ersten Blick auf panamanischem Gebiet und würde mangels weiterer Ver

einbarungen Eigengewässer der Republik Panama darstellen. Nun besteht aber ein Vertrag vom 17. November 19031, welcher die Gebietshoheit der Republik Panama über den Kanal tatsächlich illusorisch macht. Der Artikel 2 dieses Vertrages bestimmt nämlich, daß die Republik Panama „für ewige Zeiten den Vereinigten Staaten für den Bau, die Unterhaltung, den Betrieb, die Regelung der Gesundheitsverhältnisse und den Schutz des Panamakanals den Gebrauch, den Besitz und die Beaufsichtigung einer Zone von Land und Land unter Wasser (land and land under water) in einer Breite von 10 Meilen" zugesteht.

Nach dieser Vertragsbestimmung befindet sich also gerade derjenige Teil der Republik Panama, der die Ufer des Kanals einschließt, nämlich eine Gebietszone von fünf Meilen auf jeder Seite des Kanals, nicht im Besitz uneingeschränkter Souveränität. Es besteht vielmehr gerade in dieser Zehnmeilenzone längs des Kanals eine ganz eigenartige Beschränkung der Gebietshoheit der Republik Panama zugunsten der Vereinigten Staaten.

Es erscheint nun außerordentlich zweifelhaft, wie diese Einschränkung der Rechte der Republik Panama einerseits und die Entstehung von Rechten der Vereinigten Staaten im Gebiete des Panamakanals andererseits juristisch zu charakterisieren ist, auf welchem Rechtstitel die tatsächliche Vorherrschaft der Vereinigten Staaten in der Kanalzone ruht. Denn darüber, daß die tatsächliche Herrschaft in dieser Zone von der nordamerikanischen Union ausgeübt wird, besteht sicherlich kein Zweifel. So wurde z. B. alsbald nach dem Inkrafttreten des Hay-Varilla-Vertrages am 29. Februar 1904 eine Kommission ins Leben gerufen, welche mit der Regierungsgewalt (government) in der Kanalzone betraut wurde. Der Kommission wurde die gesetzgebende Macht verliehen und ein Mitglied derselben zum Gouverneur der Kanalzone ernannt. Die Gesetze des Landes auf der Kanalzone sollten in Kraft bleiben, bis die Kommission sie ändere. (So ist das von Kolumbien übernommene, auf römisch-rechtlicher Grundlage basierende Zivilrecht in Kraft geblieben. Strafrechtliche Bestimmungen

1 Bekannt unter dem Namen Hay-Bunau-Varilla-Vertrag und abgedruckt in Anlage IV.

dagegen sind von der Kommission getroffen worden.) Wenn sich also eine Herrschaft der Union in der Kanalzone de facto aus den Tatsachen der Wirklichkeit ergibt, so ist es um so schwieriger, festzustellen, welches völkerrechtliche Verhältnis zwischen Panama und der Union diesem tatsächlichen Herrschaftsverhältnis zugrunde liegt. Eine positive Gebietsabtretung von seiten der Republik Panama an die Union in der besagten Zone hat nicht stattgefunden, denn sonst müßten z. B. die Bewohner der Kanalzone die Staatsangehörigkeit der Vereinigten Staaten besitzen, tatsächlich aber besitzen sie diejenige von Panama. Andererseits sind die Beschränkungen der Gebietshoheit der Republik Panama in der Kanalzone von so einschneidender Natur, daß man etwa von einer bloßen Schutzherrschaft der Vereinigten Staaten in dieser Zone nicht sprechen kann.

Der Versuch, die in Frage stehende Rechtsstellung der Union mit der Stellung anderer Großmächte in ähnlichen, von ihnen abhängigen Gebieten fremder Staaten zu identifizieren, führt zunächst zu einem Vergleich mit den in der Staatenpraxis des ausgehenden 19. Jahrhunderts öfters wiederkehrenden Verträgen, in welchen ein bestimmtes Gebiet eines Staates einem andern Staate unter Übertragung der Hoheitsrechte pachtweise überlassen wird. Durch solchen Pachtvertrag hat.Deutschland Kiautschou erworben; ähnliche Pachtverträge mit China liegen dem Erwerbe Wei-HaiWeis durch England und Port Arthurs durch Rußland zugrunde. Was speziell den Kiautschou-Vertrag anbelangt, so verpflichtet sich der Kaiser von China in Artikel 1 des Vertrages vom 6. März 18981 unter Vorbehalt aller Souveränitätsrechte in einer Zone von 50 km den freien Durchmarsch deutscher Truppen zu jeder Zeit zu gestatten. In Artikel 2 überläßt China beide Seiten des Eingangs der Bucht von Kiautschou pachtweise, vorläufig auf 99 Jahre, an Deutschland.

Gerade dieser letzte Vertragsartikel enthält nun aber das Kriterium, das diesen und alle ähnlichen Pachtverträge wesentlich unterscheidet von dem Abkommen über die Panamakanalzone.

1 Abgedruckt bei FLEISCHMANN, S. 321 ff.

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