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Konferenz genaue Bestimmungen getroffen. Auf die einzelnen Vorschriften dieses Abkommens näher einzugehen, würde an dieser Stelle zu weit führen.

Das wichtigste Recht, das der Gegner in einem Krieg mit der Union am Panamakanal geltend machen wird, ist das Recht der Blockade. Doch hat er sich auch bei Ausübung dieses Rechts jetzt an die Abmachungen der Londoner Seerechtsdeklaration von 1909 zu halten (soweit er dieser Deklaration beigetreten ist). Dies gilt namentlich hinsichtlich der Voraussetzungen einer vollwirksamen Blockade (Effektivität, Notifikation). Durch die Blockierung des Panamakanals wäre der Gegner der Vereinigten Staaten imstande, seinerseits den gesamten Schiffsverkehr durch den Panamakanal zu hindern. Die Blockade selbst würde in der Weise erfolgen, daß der eine oder der andere Kanaleingang bei Panama oder bei Colon durch die Versammlung feindlicher Seestreitkräfte derart in Schach gehalten würde, daß ein Verkehr zwischen einem der Endhäfen und dem offenen Meere ausgeschlossen wäre.

4. Kapitel. Vertragliche Ausnahmen.

§ 11.

Die angebliche ,,Neutralität des Panamakanals.

Die bisherigen Ausführungen sollten dazu dienen, die Rechtsstellung der Vereinigten Staaten im Gebiete des Panamakanals festzulegen, soweit dies auf Grund juristischer Abstraktionen möglich war, welche sich aus der Anschauungsweise des Panamakanals als eines Eigengewässers der Union ergeben. Von dem allem nun können vertragsmäßige Abmachungen Ausnahmen festsetzen, und in der Tat besteht am heutigen Tag ein Vertragsverhältnis mit England, sowie ein solches mit der Republik Panama, aus denen beiden sich Ausnahmen von den bisher gewonnenen Grundsätzen des allgemeinen Völkerrechts ergeben.

Die beiden erwähnten Vertragsverhältnisse bilden den Abschluß einer langen Reihe von Versuchen, Schiffahrtsfreiheit und Neutralisierung des Panamakanals zu vereinbaren, denselben unter Kollektivgarantie zu stellen und das ganze Unternehmen als ein mehreren Nationen gemeinsames auszuführen. Es wird nun von verschiedenen Seiten behauptet, diese Versuche haben tatsächlich dazu geführt, den Panamakanal zu einem neutralen Gewässer zu gestalten, so daß, unbeschadet seiner Eigenschaft als Eigengewässer der Union, auf Grund einer besonderen vertraglichen Abmachung die Schiffahrt auf dem Kanal in Kriegs- und Friedenszeiten den Schiffen jeder Nation offensteht.

Es soll nun in Folgendem gezeigt werden, daß eine Neutralisierung des Panamakanals in Wirklichkeit nicht erfolgt ist und daß die in dieser Richtung gemachten Versuche gescheitert sind. Zu dieser Feststellung ist ein genaueres Eingehen auf die einzelnen Verträge und ihre Geschichte unbedingtes Erfordernis.

Die ersten Verträge wurden in den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts geschlossen. Um diese Zeit begannen die Vereinigten Staaten das Kanalprojekt zielbewußt in ihrem Interesse zu fördern. Es ist die Zeit der Präsidentschaft MONROES, dessen berühmte Botschaft vom 23. Dezember 1823 auch für den Panamakanal von großem Einfluß gewesen ist. In den Verträgen mit den an dem Kanalprojekte territorial beteiligten Staaten Mittelamerikas wird meist ein ausschließliches Kontrollrecht der Union über den Kanal festgesetzt, wogegen die Vereinigten Staaten die ,,Neutralität“ des künftigen Kanales verbürgen. Hier ist also zum erstenmal von einer „Neutralität“ des Panamakanals die Rede.

Die Folge der Botschaft des Präsidenten MONROE, in welcher er die unter seinem Namen bekannt gewordene Doktrin der Nichtintervention europäischer Mächte in amerikanischen Angelegenheiten zum Ausdruck brachte, war, daß das mittelamerikanische Volk sich im Jahre 1825 an die Vereinigten Staaten wandte, um durch deren Schutz sich und ihnen die dauernde Gewalt über den projektierten Kanal zu sichern. Daß die zu schaffende Verbindung neutralen Charakter erhalten müsse, darüber war man sich einig; doch fühlte man sich ohne die Hilfe des ,,nördlichen Bruders“ zu schwach, um diese Neutralität hinlänglich zu schützen.

Im Jahre 1835 trat die Union in Verhandlungen mit den Regierungen von Zentralamerika und Neu-Granada (dem heutigen Kolumbien) über die Kanalfrage, doch führten dieselben zunächst zu keinem positiven Ergebnis. Erst im Jahre 1846 kam es zwischen Neu-Granada und der Union, am 12. Dezember dieses Jahres, zu einem Vertrag über den interozeanischen Kanal, welcher im Jahre 1848 ratifiziert wurde1. In demselben wird den Vereinigten Staaten garantiert, daß das Recht der Benutzung des Isthmus von Panama mit allen bereits bestehenden und noch entstehenden Verkehrsmitteln der Regierung und den Bürgern der Vereinigten Staaten frei gewährt wird für den Transport aller Produkte, gewerblichen Erzeugnisse und Handelswaren; dafür sagen die Ver

1 Näheres hierüber im Anhang zu WILLIS FLATCHER JOHNSON, Four Centuries of the Panama Canal, New York 1906.

einigten Staaten die Neutralität des Isthmus von Panama“ sowie jeder anderen interozeanischen Verbindung zu, die auf dem Isthmus oder durch denselben hergestellt werden sollte, sowie die Freiheit des Handels von Meer zu Meer (Art. 35 dieses Vertrags). Ein weiterer Vertrag zwischen Nicaragua und der Union vom 21. Juni 1849 (bekannt unter dem Namen Hise-Selva-Vertrag) sichert den Vereinigten Staaten das alleinige Recht zu, quer durch Nicaragua einen Kanal zu bauen, zu befestigen und zu beaufsichtigen, wogegen die Union den Schutz Nicaraguas, die Anerkennung und Garantie seiner Souveränität sowie die ,,Neutralität des Kanals" verbürgt1.

Mittlerweile hatte sich England am Ostpunkt des in Aussicht genommenen Nicaraguakanals festgesetzt, indem es die sogenannten Mosquitoküste im Jahre 1841 okkupierte und aus BritischHonduras eine förmliche Kolonie mit sehr willkürlich gezogenen Grenzen machte. Mit Rücksicht auf diesen seinen zentralamerikanischen Besitz konnte England dem rasch wachsenden Einfluß der Union nicht ruhig zusehen, und da der damalige Präsident der Union auf gute Beziehungen zu England Wert legte, so wurde der Hise-Selva-Vertrag von 1849 nicht ratifiziert.

An seine Stelle trat ein Vertrag in gemäßigteren Grenzen zwischen Nicaragua und der Union, mit der Bestimmung, daß auch alle anderen Nationen zur Teilnahme an der „Garantie der Kanalneutralität" aufgefordert werden sollten. Den Mächten, die dieser Einladung Folge leisten würden, sollte unter ganz gleichen Bedingungen der Kanal offen stehen. Das Erfordernis einer ausschließlichen Kanalkontrolle durch die Union war zurückgetreten.

Einen wichtigen Abschnitt in der Entwicklung des Neutralitätsbegriffs in den Vertragsverhandlungen über den mittelamerikanischen Kanal bildet der Abschluß des Clayton-Bulwer-Vertrags vom 19. April 1850 (CLAYTON, Vertreter der Union, Sir HENRY BULWER, Vertreter Englands). In den Vorverhandlungen zu diesem Vertrag betonte der amerikanische Staatssekretär CLAYTON gegenüber Lord PALMERSTON, es sei den Vereinigten Staaten

1 KEASBEY a. a. O. S. 30.

durchaus nicht um Sondervorteile zu tun, vielmehr um die Verfolgung der Interessen der gesamten Kulturgemeinschaft. Hinsichtlich des Vertragsabschlusses selbst ist erwähnenswert, daß der Vertrag nur zwischen England und der Union zustande kam ohne jede Mitwirkung der doch unmittelbar an demselben interessierten Staaten von Mittelamerika.

Von dem Inhalt des Vertrages ist für die vorliegende Untersuchung von besonderer Bedeutung der überaus wichtige Artikel 8 des Vertrages. Dieser Artikel handelt nicht speziell von dem Kanal, sondern stellt ganz allgemein den Hauptgrundsatz für das künftige Verhalten der beiden vertragschließenden Mächte auf: „Bei der Unterzeichnung dieses Vertrages leitete die Vereinigten Staaten und Großbritannien nicht nur der Wunsch, einen speziellen Zweck zu erreichen, sondern auch der, einen allgemeinen Grundsatz aufzustellen; sie kommen dahin überein, jedem anderen durchführbaren Verkehrsweg den Vertragsschutz angedeihen zu lassen, sei es Kanal oder Eisenbahn über den Isthmus. Jedoch vereinbaren die Vereinigten Staaten und Großbritannien, daß diese Verkehrswege, die den Bürgern und Untertanen der Vereinigten Staaten und Englands unter den nämlichen Bedingungen freistehen, auch unter diesen selben Bedingungen freistehen sollen den Bürgern und Untertanen jedes anderen Staates, der bereit ist, seinerseits den Schutz zu gewähren, zu dem die Vereinigten Staaten und England sich verpflichten."

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Die eigentliche Neutralität des Kanals wird garantiert in Artikel 5 des Vertrages 1, der zugleich die wichtige Verpflichtung beider Staaten enthält, den Kanal nach seiner Vollendung gegen jede Unterbrechung und unberechtigte Beschlagnahme zu schützen. Die Neutralität, um deren Garantie es sich hier handelt, wird im gleichen Artikel dahin ausgelegt,,,that the said canal may for ever be open and free"; es soll also der Kanal stets offen und frei sein. Daß die Vereinigten Staaten im Clayton-Bulwer-Vertrag den Engländern die Neutralität des künftigen Isthmuskanals zugesichert haben, hat seinen Grund darin, daß sie um die Mitte des vorigen

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