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Frankreich untersagen, so wie Spanischen Kapern nicht gestatten, in Britische Häfen einzulaufen und dort Französische Prisen zu verkaufen. Die Französische Regierung richtete dieselbe Zumuthung an die übrigen Seemächte und motivirte sie damit, dass Frankreich für seine liberalen Zugeständnisse bei Spanien keine Gegenseitigkeit gefunden habe und somit schweren Nachtheilen ausgesetzt sei, welche zu mildern die Billigkeit den neutralen Mächten anempfehle. Jene liberalen Zugeständnisse können damals nicht in der Erklärung der Unverletzlichkeit feindlichen Eigenthums auch gegenüber Französischen Staatsschiffen, sondern nur in dem Verzicht auf Privatkaper bestanden haben. Dies ergibt sich ziemlich deutlich aus der dem Französichen Gesandten in London, Vicomte de Marcellus, am 26. April 1823 ertheilten Antwort des Britischen Kabinets. Herr Canning erwiedert bejahend auf den ersten, dagegen ablehnend auf den zweiten Theil des Französischen Verlangens und begründet die Ablehnung folgendermassen: Die Flotten der beiden Kriegführenden wären wohl ungleich an Macht; wenn Spanien die Ueberlegenheit der Französischen Marine durch Kaperschiffe, die seine Staatskraft zur See ergänzten, ausgleichen wollte, so würde England einen Act der Parteilichkeit begehen, wollte es Spanien dabei Hindernisse bereiten. Eine billige Gleichheit, fügt Herr Canning hinzu, würde nur dadurch zu bewirken sein, dass Frankreich auch seinen Kriegsschiffen die Wegnahme feindlichen Privateigenthums untersagte. Dies hätte Canning an Marcellus nicht schreiben können, wenn damals schon Frankreich so weit gegangen wäre, Spanisches Privat - Eigenthum zur See für ganz unverletzlich zu erklären. Frankreich that aber diesen Schritt, vielleicht in Folge der Englischen Note vom 26. April 1823. Wenn Herr v. Chateaubriand sich später darüber beklagt, dass Canning auf die Anzeige von jenem Schritte gar nicht geantwortet habe, so erklärt sich dies ziemlich einfach. England hatte das Ansinnen einer besonderen Begünstigung, die auf Billigkeit Anspruch machte, zurückgewiesen mit dem bestimmten Hinweis auf das, was Frankreich noch erst zu thun hätte, um jenen Anspruch zu erheben. Frankreich folgte diesem Wink und England schwieg. Es erfüllte also dessenungeachtet jenes Französische Verlangen keineswegs. So hat Herr Canning allerdings mit seiner Note vom 26. April 1823 das Marcy'sche Amendement anticipirt, aber nicht in der Absicht, einen Grundsatz bleibend anzuerkennen, dem seine Politik sich in nächster Zeit keineswegs geneigt erwies, sondern nur in der Form eines diplomatischen Manoeuver, um für die Abweisung des Französischen Verlangens einen triftigen Grund, gegen den sich nichts einwenden liesse, geltend zu machen. In demselben Jahre 1823 nahmen die Vereinigten Staaten von Amerika unter dem Präsidenten Monroe ihre alte Politik in der Seerechtsfrage wieder auf. Bereits im Jahre 1794 hatte sich England ihnen gegenüber vertragsmässig anheischig gemacht, zwei Jahre nach Beendigung des Krieges, in welchem dasselbe damals befangen war, in Verhandlungen darüber einzutreten, ob und in welchen Fällen die neutrale Flagge feindliches Eigenthum decken solle. Dazu kam es nicht, vielmehr sollte die Meinungsverschiedenheit

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beider Staaten über die Stellung der Neutralen sie selbst noch einmal gegen einander in Waffen rufen. Die dann folgenden Verhandlungen von Gent und ein neuer Versuch im Jahre 1818 führten nicht zu einer principiellen Lösung des Gegensatzes. Da schien sich eine günstige Gelegenheit zu bieten, als, nach vorgängigen Besprechungen zwischen Stratford Canning und der Regierung in Washington, der Gesandte der letzteren in London, Mr. Rush, im Jahre 1823 den Auftrag erhielt, über eine grosse Anzahl von Gegenständen, welche beide Länder politisch und commerciell nahe berührten, mit dem Britischen Gouvernement zu unterhandeln. In der, mit einer die Aufrichtigkeit der Gesinnung ausser Zweifel stellenden Wärme geschriebenen Instruction für den Gesandten (No. LVI, 1) wählt der Staatssecretär John Quincy Adams seinen Standpunkt auf der freien Höhe des Franklin'schen Philosophems. Der Krieg im Verstande der heutigen Civilisation ist der Kampf zwischen den organisirten Staatsgewalten, er soll nicht sein ein Krieg der Privaten, und zwar in doppelter Richtung nicht, nicht activ durch die Betheiligung von Privaten an der Kriegführung (no privateering), nicht passiv durch Wegnahme von Privat-Eigenthum des friedlichen Bürgers (no warfare against private property). In diesem Sinne werden in dem der Depesche vom 28. Juli 1823 beigefügten Vertrags-Entwurf eine Reihe von Artikeln vorgeschlagen, welche den Schutz der Individuen nach ausgebrochenem Kriege unter den Paciscenten bezwecken, und darunter namentlich auch to take the first step towards the eventual abolition, by the law of nations, of private war upon the sea die Bestimmung: all merchants and trading vessels employed in exchanging the products of different places, and thereby rendering the necessaries, conveniences, and comforts of human life more easy to be obtained, and more general, shall be allowed to pass free and unmolested, and neither of the contracting parties shall authorize their public vessels to capture or destroy them, or grant or issue any commission to any private vessels, empowering them to take such trading vessels, or interrupt such commerce. Der Staatssecretär beschränkt sich jedoch nicht darauf, seinen Vorschlag principiell zu rechtfertigen, er sucht zugleich durch eine Betrachtung über die veränderte Weltlage, in welcher England häufiger als früher selbst die Rolle einer neutralen Macht übernehmen werde, diesem unter dem Gesichtspunkte seiner eigenen practischen Interessen das Aufgeben älterer Anschauungen plausibel zu machen. Dennoch nahmen die Verhandlungen keinen, auch nur einigermassen befriedigenden Verlauf hinsichtlich aller auf das Seerecht bezüglichen Fragen. Unter diesen war nämlich die brennendste, welche eine der Hauptursachen des letzten Krieges gebildet hatte, die nach dem von England behaupteten Rechte einer kriegführenden Macht, Staatsangehörige, welche sich an Bord neutraler Schiffe als Matrosen befinden, zum Dienste für die eigene Kriegsflotte zu pressen. Der Amerikanische Unterhändler war angewiesen, die befriedigende Ordnung dieses Punktes als conditio sine qua non für alle anderen seerechtlichen Angelegenheiten hinzustellen, mit alleiniger Ausnahme des obersten Grund

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satzes von der Abschaffung des Privatkrieges. In jener Vorfrage Pressens der Matrosen beharrten nun aber beide Theile auf ihren alten Ansichten, kein Vermittelungs-Vorschlag kam zum Vorschein, und die Englischen Unterhändler obwohl dazu ausser Stratford Canning, der neuen Ideen so zugängliche Wm. Huskisson gehörte erklärten, ihrerseits unter diesen Umständen in die Besprechung des Lieblingsthema der Amerikaner nicht eintreten zu könnnen; under the circumstances, which prevented any present discussion of the questions of maritime law discussed in former negociations, heisst es im Protocoll der 22. Conferenz vom 9. Juli 1824 there would be manifest inconvenience in now going into a question of the same class, which, besides being totally new as an object of discussion, involved a most extensive change in the principles and practice of maritime war. In seinem Begleitbericht bemerkt Mr. Rush dazu, dass, abgesehen von dem formellen Grund der Ablehnung der Verhandlung, no sentiment dropped from the British plenipotentiaries authorizing the belief that they would have concurred in the object, if we had proceeded to the consideration of it; my own opinion unequivocally is, that Great Britain is not prepared to accede, under any circumstances, to the proposition for abolishing private war upon the ocean (No. LVI, 2). Diese Ueberzeugung mag denn auch dazu beigetragen haben, dass in ihren Instructionen für spätere Gesandte, welche wiederholt die Aufnahme seerechtlicher Verhandlungen unter geeigneten Umständen in Aussicht nahmen, die Vereinigten Staaten den Gedanken von Adams fallen liessen und sich zunächst auf die Durchsetzung des Grundsatzes frei Schiff frei Gut für die neutrale Flagge" zurückzogen (No. LVI, 3).

Obwohl es die ausgesprochene Absicht von Mr. Adams war, zunächst mit England zu einer Verständigung über die von ihm angeregte Idee zu gelangen, ehe er an die anderen grossen Seemächte damit heranträte, gab doch die diplomatische Mittheilung der oben erwähnten Französischen Ordonnanz im Spanischen Kriege schon am 23. August 1823 Veranlassung, den Gesandten in Paris mit der Sondirung der Ansichten des Französischen Kabinets zu beauftragen (No. LVI, 4). Graf Chateaubriand drückte zwar hierauf in einer Note vom 29. October (No. LVI, 5) die Befriedigung aus, welche Frankreich über die allgemeine Anerkennung eines von ihm aufgestellten Grundsatzes empfinden würde; der Amerikanische Geschäftsträger in Paris empfing aber den Eindruck, dass man nicht geneigt sei, sich vertragsmässig zu binden, vielmehr das einzuhaltende Verfahren von dem jedesmaligen Kriegsfalle abhängen lassen wolle.

Ungetheilten Beifall fand der Amerikanische Vorschlag bei dem Kabinet von St. Petersburg, welchem der Gesandte, Herr Middleton, mitttelst Note vom 5. December 1823 dieselben Eröffnungen gemacht hatte. Herr Middleton hob unter den mannigfachen Gründen zu Gunsten des Projects auch die ausserordentliche Leichtigkeit hervor, mit der es sich realisiren lasse, da es ja nur die Ergänzung eines Gebrauchs bezwecke, welcher bei Landkriegen bereits gelte. Am Schluss erinnerte Herr Middleton, dass das von den Vereinigten Staaten vorgeschlagene System nicht eine

Neuerung ihrer Politik enthalte, sondern aus den ersten Jahren ihrer Unabhängigkeit herstamme: davon liefere der erste Vertrag mit Preussen den Beweis. Damals habe man noch nicht das Beispiel einer Seemacht vor Augen gehabt, welche das Privateigenthum zur See in Kriegszeiten respectirte. Graf Nesselrode erklärte am 1. Februar 1824 die Geneigtheit des Kaisers, Vertrags-Verhandlungen über diesen Gegenstand, „qui serait un titre de gloire pour la diplomatie moderne", einleiten zu lassen, sobald die anderen Mächte, deren Mitwirkung unerlässlich erscheine, eine gleiche Bereitwilligkeit zu erkennen gegeben hätten (No. LVI, 6). Dazu war nun freilich nach dem Scheitern der Bemühungen in London und Paris keine Aussichten vorhanden, und die Vereinigten Staaten *) erstrebten nunmehr in fast ununterbrochen, durch eine lange Reihe von Jahren fortgesetzten Anregungen Russland wenigstens zu einer Convention über die Rechte der Neutralen in Kriegszeiten zu bewegen. Aber unter steten Versicherungen der Billigung der Principien lehnte das kaiserliche Kabinet die Ordnung einer das allgemeine Völkerrecht betreffenden Frage durch Vertrag unter nur zwei Mächten ab. Die Amerikanischen Gesandten sprachen die Vermuthung aus, dass Kaiser Nikolaus, um in der Verfolgung seiner grossartigen politischen Plane nicht behindert zu sein, dem Argwohn Englands nicht neue Nahrung geben wolle. Dies Motiv war denn nun allerdings 1854 nach Ausbruch des Krieges mit den Westmächten hinweggefallen, und nun drängte das eigene Interesse Russlands auf den Abschluss der von den Vereinigten Staaten lange vergebens gesuchten Convention, welcher am 22. Juli 1854 erfolgte.

Deutschland war nicht theilnahmlos geblieben. Im Jahre 1848, also hundert Jahre nach der ersten doctrinellen Empfehlung des Grundsatzes, nahm die provisorische Deutsche Centralgewalt die fast verschollene Sache wieder auf. Nach den Aufzeichnungen des Deutschen Reichs-HandelsMinisters, Herrn Duckwitz, über seine Besprechungen mit dem Gesandten der Vereinigten Staaten, Major Donalson, war es die erklärte Absicht der Regierung des Reichsverwesers, jede Wegnahme von Handelsschiffen, sei es durch Kriegsschiffe oder durch gewöhnliche Kaper, für Seeraub zu erklären.“ Der Gedanke fand sowohl bei den Vereinigten Staaten, als bei dem damaligen Präsidenten der Französischen Republik, General Cavaignac, lebhaften Anklang. Das Einverständniss Preussens, Oesterreichs, Russlands hielt man für gesichert. In diesem Sinne war die Instruction abgefasst, welche das Reichsministerium behufs Abschlusses eines Handels- und Schifffahrts-Vertrages mit den Vereinigten Staaten dem Gesandten des Deutschen Reichs in Washington, Herrn von Rönne, im October 1848 ertheilte (Nr. LVII).

*) Präsident Monroe kam noch einmal darauf zurück; in seiner Botschaft vom 7. Deeember 1824, derselben, von welcher die berühmte sog. Monroe-Doctrin herstammt („die Vereinigten Staaten werden jeden Versuch Europäischer Mächte, ihr System auf irgend welchen Theil der westlichen Hemisphäre zu übertragen, als ein Attentat auf Frieden und Sicherheit Amerika's betrachten"), kündigte er die Wiederaufnahme der Verhandlungen an und sprach sein Vertrauen auf einen glücklicheren Erfolg derselben aus.

Der Grundsatz kam wieder in Frage, als Preussen im Jahre 1854 den Vereinigten Staaten beimass, der Kaperei zu entsagen, und diese daran die Bedingung jenes weitergehenden Schrittes knüpften, genau wie zwei Jahre darauf gegenüber der Aufforderung, der Pariser Declaration beizutreten (No. LVI, 7).

Die erste practische Anerkennung in unserm Jahrhundert erhielt die Immunität des Privateigenthums zur See in Kriegszeiten durch den Freundschafts-, Handels- und Schiffahrts-Vertrag zwischen Costa-Rica und NeuGranada vom 11. Juni 1856, Artikel XI „Los dos partes" (Uebersetzung: Anhang No. LVIII).

Am 14. Juni 1856 theilte Herr Senator Smidt von Bremen dem Minister-Residenten, Herrn Dr. Schleiden in Washington, mit, der Preussische Gesandte daselbst, Herr von Gerolt, der in Schleiden's Abwesenheit diesen vertreten, habe mit Bezug auf die Pariser Declaration bemerklich gemacht, es sei die Aufgabe der dieser Erklärung beitretenden Staaten, zum Ersatz für die Verzichtleistung auf das Recht der Privatkaperei dem weiter gehenden Prinzip Geltung zu verschaffen, dass nicht blos dem neutralen Gut und der neutralen Flagge, sondern überhaupt dem Privateigenthum, mit Ausnahme der Kriegs-Contrebande, selbst wenn es den Unterthanen des Feindes angehörig, auf hoher See ganz die gleiche Behandlung und der gleiche Schutz vor feindlicher Wegnahme zu Theil werden müsse, wie dies in Landkriegen dem Privateigenthum in Feindesland gewährt werde, m. a. W. Abolition des Prisenrechts auch für die Staatskaper, wofern es sich um Privateigenthum handelt. Ohne Frage," schreibt Herr Senator Smidt, „pflichten wir bereitwillig bei." Nur sei das Minus, welches der Pariser Congress biete, nicht um des Majus willen zu verschmähen.

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Am 6. August 1856 sagte der Amerikanische Unterstaatssecretär des Auswärtigen, Herr General Thomas, dem Vertreter Bremens: „Die Regierung hat diese Note (vom 28. Juli) allen ihren Gesandten im Ausland mitgetheilt, mit dem Auftrag aufzufordern, sich dem darin entwickelten Princip des Schutzes alles Privateigenthums gegen Wegnahme auf offener See anzuschliessen und darüber mit den Vereinigten Staaten eine Convention einzugehen.“ Er fügte hinzu, die Regierung werde gern sehen, wenn auch die Hansestädte eine solche Vereinbarung eingingen. Dem Bremischen Gesandten schien es nicht zweifelhaft, dass dies dem Interesse der Hansestädte entspräche. Eine andere Frage wäre, ob politische Rücksichten auf die grossen Europäischen Seemächte es gestatten oder rathsam erscheinen lassen, auf das Anerbieten einzugehen.

Im Senat zu Washington nahmen, als dieser am 11. August 1856 die Vorlage der von der Regierung in Betreff der Pariser Declaration geführten Correspondenz verlangte, die Senatoren Mason und Cass Gelegenheit, die Ansicht der Regierung über das Kaperwesen zu vertheidigen. (Bremischer Gesandtschafts-Bericht, Washington, 15. August 1856.)

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