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Oesterreichs, Preussens, Russlands und Sardiniens, die man gewöhnlich „die Note Marcy's an Sartiges" nennt, vom 28. Juli 1856 (No. V). *) Die Note wendet sich zunächst gegen die Vereinbarung der sieben Mächte, wonach die vier Punkte ein unzertrennbares Ganzes bilden sollen, sodann dagegen, dass künftig ein Staat, welcher die Pariser Declaration unterzeichnet oder ihr beigetreten, keinen Vertrag in Betreff der Rechte der Neutralen eingehen dürfe, der nicht die gesammten vier Punkte der Declaration zur Grundlage hat. Darauf billigt die Note den zweiten und dritten Satz, welcher die alte Ansicht der Vereinigten Staaten wiedergibt, **) wie sie noch neuerdings in den Verträgen derselben mit Russland vom 22. Juli 1854, mit Beiden Sicilien vom 13. Januar 1855 (Art. 1) Ausdruck gefunden und den Gegenstand von Verhandlungen bilde, denen nun die Pariser Declaration in den Weg getreten sei, bezeichnet den vierten Satz als nichtssagend und werthlos und wendet sich gegen den ersten Satz von der Abschaffung der Kaperei. Diese wird in ausführlicher Weise als vollkommen berechtigt, als unbestritten, als gebilligt von Staatenpraxis und öffentlicher Meinung, als wesentlich für die Freiheit der Meere nachgewiesen. Die Note bedauert, dass die allgemeine Anerkennung des von den Vereinigten Staaten von jeher vertretenen zweiten und dritten Satzes gefährdet sei durch die Verbindung mit jenem andern unannehmbaren Prinzip, dass die Verwerfung dieses einen das Scheitern aller zur nothwendigen Folge haben solle. Gegen die drei letzten Sätze würde von keiner Seite ein Einwand erhoben worden sein; gegen den ersten wäre ein energischer Widerstand (vigorous resistance) zu gewärtigen gewesen. Die Declaration führe nicht Gründe an für die Abschaffung der Kaperei; es gezieme sich aber zu vermuthen, dass der leitende Gedanke gewesen sei, Privat-Eigenthum zur See in Kriegszeiten auf gleiche Weise sicher zu stellen, wie das Privat-Eigenthum zu Lande. Dieser Gedanke würde jedoch, wie schon die Präsidenten-Botschaft vom 4. December 1854, Preussen gegenüber ***) ausgeführt, nicht durch die Aufhebung der Kaperei allein, sondern nur dadurch verwirklicht, dass auch das Prisenrecht der Kriegsschiffe aufhöre und die volle Immunität des Privat-Eigenthums zur See in Kriegszeiten Anerkennung finde. Die Vereinigten Staaten betrachten mächtige stehende Heere zu Land und See als verderblich für den Nationalwohlstand, als gefahrbringend für die bürgerliche Freiheit. Daher können sie keinen völkerrechtlichen Grundsatz annehmen, der sie entweder nöthigt, ihre tradi

*) Den Gesandten Frankreichs, Preussens und Russlands in Washington übergeben am

6. August 1856: so berichtete der Bremische Minister-Resident, Washington den 7. Aug. 1856. **) „A doctrine which, from the very commencement of our being, has been a cherished idea of the statesmen of this country". Botschaft des Präsidenten der Vereinigten Staaten, Herrn Pierce, vom 4. December 1854. (LVI, 7.)

***) Dem Vorschlag der Vereinigten Staaten, einen Vertrag in Betreff der Rechte der Neutralen (wie mit Russland 22. Juli 1854) abzuschliessen, hatte Preussen sich geneigt gezeigt, aber den Antrag gestellt, vertragsmässig der Kaperei zu entsagen. Hierauf erfolgte die obige Erwiederung.

tionelle Politik zu verlassen und ein Militärstaat zu werden, oder der sie wehrlos macht gegenüber den grossen Seemächten. Letztere könnten leicht darein willigen, der Kaperei zu entsagen, falls die Staaten, welche keine gewaltigen Flotten besitzen, ein Gleiches thäten; denn sie würden dadurch ihr Uebergewicht zur See erhöhen, sie gewönnen die Herrschaft der Meere, die das Gemeingut aller Nationen sind. Die Freiheit des Meeres schliesse solche Herrschaft aus. Befestigt aber werde diese Freiheit durch die Immunität alles Privat-Eigenthums in Seekriegen. Daher stelle der Präsident den Antrag, den ersten Satz der Declaration mit folgendem Zusatz zu versehen: Und soll das Privat-Eigenthum von Unterthanen oder Bürgern eines kriegführenden Staats auf hoher See der Wegnahme durch Kriegsschiffe des andern kriegführenden Theils nicht unterliegen, mit einziger Ausnahme von Kriegs-Contrebande." Mit dieser Aenderung seien die Vereinigten Staaten bereit, den ersten Satz und somit den ganzen Inhalt der Declaration anzunehmen. Werde dagegen dieses Amendement verworfen, so würden die Vereinigten Staaten den ersten Satz ablehnen, den übrigen drei Grundsätzen beipflichten.

Neue Verhandlungen schienen folgen zu sollen. Einstweilen aber gehörten der grossen Staatengemeinschaft, in welcher die Pariser Declaration als internationales Recht galt, weder die Vereinigten Staaten, noch Mexico, noch Spanien an.

Für die innere Begründung des Amerikanischen Verlangens darf angeführt werden, dass zwei Monate vor dem Marcy'schen Amendement im Englischen Oberhause, am 22. Mai 1856, Earl Clarendon hervorhob, England gewinne durch die Untersagung der Kaperei mehr, als es durch den Satz „frei Schiff, frei Gut" aufgebe, und dass ebenda Lord Derby bemerkte, die Consequenz der Pariser Erklärung müsse mit Nothwendigkeit dahin führen, überhaupt alles Privat-Eigenthum zur See wie zu Lande zu respectiren und die Kauffahrer in Kriegszeiten unbehindert ihren Lauf zwischen den Kriegsschiffen nehmen zu lassen.

Dieser Grundsatz der Freiheit alles Privat-Eigenthums zur See in Kriegszeiten, theoretisch gegen die Mitte des vorigen Jahrhunderts von dem Abt Bonnot de Mably behauptet *), dann von dem Geistlichen Galiani nur eben angedeutet **), fand die erste officielle Anerkennung im Artikel 23 des Vertrages zwischen Preussen und den Vereinigten Staaten, welchen im Jahre 1785 Friedrich der Grosse mit Franklin abschloss. ***)

*) Droit public de l'Europe fondé sur les traités, 2me édition, 1748, t. II, p. 310. **) De' doveri de' principi neutrali verso i principi guerregianti e di questi verso i neutrali 1782, capo X, § 2 del corseggiare, p. 429-436, p. 277. Anm. Vergl. auch Linguet, Annales politiques t. V, p. 505.

***) Martens Recueil des Traités t. IV, p. 47. Die Erneuerung des Vertrags im Jahre 1799 statuirt nur die Immunität des Privat-Eigenthums zu Lande; Art. 23, vgl. Martens a. O., t. VI, 689. Der fernere Vertrag zwischen Preussen und den Vereinigten Staaten vom 1. Mai 1828 bekräftigt die Art. 13-24 des Vertrags von 1799 und erneuert von dem Vertrage des Jah

Im Jahre 1792, als Frankreich bereits im Kriege mit einem Theile von Europa war, stellte in der Assemblée nationale am 30. Mai der Abgeordnete Kersaint, als Berichterstatter der vereinigten Ausschüsse für den Handel, die Marine und die auswärtigen Angelegenheiten, den Antrag auf Erlass eines Decrets, die Abschaffung der Kaperei und die Unverletzlichkeit des Privateigenthums zur See in Kriegszeiten betreffend. Die Versammlung beschloss auf Antrag des Abgeordneten Vergniaud, die Beschlussfassung zu vertagen, dagegen die königliche Regierung aufzufordern, mit den andern Mächten die entsprechenden Unterhandlungen zu eröffnen. (Anhang No LV, 1). Im Laufe der Debatte wurde der allgemeine Grundsatz ausgesprochen, dass die Individuen „ne doivent ni s'envisager, ni se traiter comme ennemis." Dieser Grundsatz mit allen seinen Consequenzen fand gerade bei Solchen die entschiedenste Billigung, welche bei der Kaperei die besten Geschäfte auf Kosten feindlichen Privateigenthums gemacht hatten. *)

Wenige Tage nach dem Beschluss der gesetzgebenden Versammlung eröffnete Dumouriez, unmittelbar bevor er das Portefeuille der auswärtigen Angelegenheiten niederlegte, die Verhandlung mittelst zweier Depeschen vom 14. Juni 1792 an den Marquis von Chauvelin, der mit Herrn von Talleyrand eine Mission in England versah und an Herrn von Ternant, den französischen Vertreter bei den Vereinigten Staaten. Der Marquis von Chauvelin fügte in seiner Note an Lord Grenville hinzu: „Sa Majesté ne se dissimule pas que l'état présent de l'Europe peut apporter quelque retard du prompt accomplissement de ses désirs." Lord Grenville antwortete hierauf gar nicht. Der Nachfolger Dumouriez's der Marquis von Chambonas, der am 16. Juni ins Amt kam, richtete im Namen Ludwig XVI in derselben Angelegenheit eine Circulardepesche vom 19. Juni 1792 an sämmtliche französische Gesandte bei fremden Höfen, so auch an Herrn le Hoc in Hamburg. Spanien erwiederte: Seine Katholische Majestät gäbe gern seine Beistimmung, dès que nous serions d'accord avec l'Angleterre." Mit Russland hatten die diplomatischen Beziehungen ihr Ende erreicht, ehe die betreffenden Verhandlungen eingeleitet waren (19. Juli 1792). Oesterreich war bereits im Kriege, liess aber sein Einverständniss in Betreff der Abschaffung der Kaperei erkennen.**)

res 1785 nur den Art. 12, der die Confiscation der Kriegscontrebande aufhebt; vgl. Martens, a. O., t. VII. p. 619. In keinem der Verträge, die mit andern Staaten Franklin abgeschlossen, findet sich, wie in dem mit Preussen, obiger Grundsatz, den Franklin als seine QuakerArtikel („his Quaker notions“) bezeichnet hat. Vgl. C. F. Wurm, von der Neutralität des deutschen Seehandels in Kriegszeiten. Hamburg, 1841. S. 46, 47. Vgl. Jefferson, Mem. I, 50: ,,Old Frederick of Prussia met us cordially and without hesitation."

*) Der Abgeordnete von Dünkirchen, Herr Emméry erklärte: „Je suis d'une ville qui a fait le plus d'armements de ce genre. Les 1000 ou 1200 corsaires qu'elle a armés dans la dernière guerre, ont fait plus de mal à l'Angleterre, que les marines royales des deux maisons de Bourbon réunies. Cependant cette ville ne désire pas la continuation de ce genre d'armement." Moniteur vom 1. Juni 1792, p. 634.

**) Oesterreich hatte bereits im Mai einen partiellen Schritt in derselben Richtung gethan. In der Sitzung der Nationalversammlung vom 1. Juni 1792 verlas der Abgeordnete für

Für die Vereinigten Staaten antwortete Jefferson, welcher Staatssecretär in der Präsidentschaft von Georg Washington war; man zeigte sich bereit, über Aufhebung des Kaperwesens und „sur d'autres principes tendant aussi à diminuer les occasions et les calamités de la guerre" zu verhandeln, vorausgesetzt, dass der neue Handelsvertrag zu Stande käme, worum damals den. Amerikanern zu thun war. Toscana, Genua, Neapel, Portugal, Dänemark sprachen ihre Geneigtheit aus. Die Note des französischen Ministers bei dem Niedersächsischen Kreise, Herrn le Hoc, datirte vom 15. Juli 1792; dieselbe proponirte die Neuerung, eigentlich nur die Abschaffung der Kaperei, in Form eines Additionalartikels zum Commerzvertrage Frankreichs und der Hansestädte von 1719 (Hamburg vom 1. April 1769). Hamburg war der einzige Staat, welcher eine formelle Verbindlichkeit einging, indem der Senat dem König Ludwig XVI warmen Dank sagte für die ergriffene Initiative in Betreff der grossen Wohlthat, die dem Europäischen Handel bereite l'abolition de ce fléau destructeur." Lübeck äusserte sich günstig, doch hinhaltend; Bremen gab eine ausweichende Antwort, am 22. August 1792. Das Verfahren von Hamburg machte Eindruck in Frankreich; ein Decret des Convents vom 29. März 1793 erklärte, in gerechter Gegenseitigkeit, wenigstens la course abolie à l'égard des navires de la ville de Hambourg et de ceux des villes hanséatiques." Durch dieses Decret gestand Frankreich den Hansestädten eine eximirte Stellung zu; denn, mit Bezug darauf, dass die Seemächte ersten Ranges den Anerbietungen Frankreichs nicht entsprochen hätten, waren von Seiten des Conseil exécutif provisoire am 7. Januar 1793 und durch Gesetz vom 31. Januar 1793 die Franzosen autorisirt, Kaper auszurüsten. *)

Napoleon hat nicht zurückbleiben mögen hinter der Humanität Ludwig XVI und der Nationalversammlung. Principiell erschöpfend äusserte sich der Regierungsbevollmächtigte Portalis in seiner Rede bei Installation des Prisenrathes am 14. Floréal des Jahres VIII [3. Mai 1800] (Anhang

Dünkirchen, Herr Emméry, mit Bezugnahme auf die am Tage vorher stattgehabte Verhandlung eine Declaration, „que vient de faire le Roi de Hongrie, et dont un exemplaire vient de me parvenir de Bruxelles." Diese österreichische Declaration besagte, dass voulant maintenir, autant que les circonstances pourront le permettre, les liaisons de commerce, qui subsistent entre la France et les Etats appartenant à la maison d'Autriche, les vaisseaux français seront reçus comme par le passé dans le port d'Ostende, pourvu qu'ils ne soient pas armés en guerre ni chargés de munition, et qu'ils y pourront librement et en toute sûreté décharger leur cargaison, si toutefois la France désire de son côté prendre les mêmes mesures." Die Mittheilung wurde mit Beifall aufgenommen. Ein Mitglied bemerkte sogar: „Ainsi l'Assemblée nationale reçoit des Autrichiens une leçon de philosophie." Die Versammlung verwies das Actenstück an den Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten. (Moniteur vom 2. Juni 1792, p. 636.) Die Note des französischen Gesandten beim niedersächsischen Kreise, Herrn le Hoc an die Hansestädte vom 15. Juli 1792 nahm Bezug auf die österreichischen Massregeln und auf den Umstand, dass England seinen Staatsangehörigen verboten hatte, auf Kaperschiffen der Kriegführenden Dienste zu nehmen.

*) Le Beau, nouveau Code des prises, Paris, an IX, t. 3, p. 318, 319, 320–323. Doch schon ein Gesetz vom 9. Juni 1793 entzog den Hansestädten die Begünstigung und erklärte ihre Schiffe für gute Prise; nouveau code des prises, a. O., p. 360.

No. LV. 2). Uebereinstimmend damit lautete die Depesche Talleyrand's an Napoleon vom 20. November 1806 (Anhang No. LV. 3). Tags darauf erhielten diese Grundsätze eine wenn auch indirecte officielle Bekräftigung in dem Decret über die Continentalsperre d. d. Berlin den 21. November 1806 (Anhang No. LV, 4).*)

Napoleon hat sich noch zweimal mit Entschiedenheit für die Freiheit des Privateigenthums zur See ausgesprochen: in einem von dem Kaiser dictirten Briefe des Grafen Champagny an den Gesandten der Vereinigten Staaten, Herrn Armstrong, vom 22. August 1809 und in seinen Memoiren.

In dem Brief an Herrn Armstrong heisst es: Les mers n'appartiennent à aucune nation; elles sont le bien commun des peuples et le domaine de tous. Les bâtiments de commerce ennemis appartenant à des particuliers doivent être respectés. Dans toutes ses conquêtes la France a respecté les propriétés particulières .. Tels sont les principes de l'Empereur sur les usages et les droits de la guerre maritime. Lorsque la France aura acquis une marine proportionnée à l'étendue de ses côtes et de sa position, l'Empereur mettra, de plus en plus ces maximes en pratique et fera tous ses efforts pour en rendre l'adoption générale.“

In seinen Memoiren (t. III, c. 6, §. 1. p. 301) sagt Napoleon: „Il est à désirer, qu'un temps vienne, où les mêmes idées libérales s'étendent sur les guerres de mer et que les armées navales de deux puissances puissent se battre sans donner lieu à la confiscation des navires marchands et sans faire prisonniers de guerre de simples matelots de commerce ou les passagers non militaires. Le commerce se ferait alors sur mer entre les nations belligérantes comme il se fait sur terre au milieu des batailles que se livrent des armées."

Auch die Restauration versäumte nicht eine Gelegenheit, im Geiste ihrer sonst nicht gern zum Muster genommenen Vorgänger zu handeln. In dem Kriege gegen Spanien von 1823 bestimmte eine königliche Ordonnanz, dass die Flotte keine andere als nur spanische Kriegsschiffe aufbringen und Kauffahrer nur dann anhalten solle, wenn sie sich des Bruchs einer effectiven Blokade schuldig gemacht hätten; auch solle den französischen Unterthanen verboten sein, auf eigene Hand Kaperei zu treiben, und von der Regierung keine Kaperbriefe gegen den spanischen Handel ausgegeben werden. (No. LVI, 4.)

Ehe dies geschah, hatte zwischen Frankreich und England eine Correspondenz stattgefunden, die, wenn wir den Zusammenhang richtig auffassen, manche sachlichen und persönlichen Umstände in einem neuen Licht erscheinen lässt. Frankreich hatte sich an England gewandt mit dem Ansinnen, dieses möchte seinen Unterthanen die Betheiligung an Kapern gegen

*) Vgl. Decret d. d. Mailand, 17. December 1807.

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