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über sie zu führen *). Die Procuratoren der Republik stehen: daher auch mit dem Justizministerium nicht unmittelbar in Verbindung, sondern nur mittelbar durch den Generalpro curator, an welchen sie auch z. B. ihre halbjährigen Berichte einzusenden haben, welcher sie, mit einem Begleitschreiben direct dem Justizminister einzusenden hat **).

Die Zahl der fämmtlichen Generalprocuratoren Frankreichs beträgt neunundzwanzig, d. h. auf je einen Appellhof (die Appellhöfe von Corsica und Algerien mitgezählt) ein Generalprocurator, nebst dem Generalprocurator am Caffationshofe. Frankreich hat nämlich mit Corsica und Algerien achtundzwanzig Appellhöfe. Die Zahl der sämmtlichen Generaladvocaten, der Procuratoren der Republik und deren Substituten beträgt in Frankreich gegen 1000 Personen. Es gibt nämlich in Frankreich mit Einschluß des Erstinstanzgerichts von Paris, 361 Erstinstanzgerichte.

S. 2.

Verhältniß und Stellung der französischen Staatsanwaltschaft zu den Gerichten.

Eine öffentliche Gerichtssißung (audience) in Civil- und Strafsachen kann nur in Gegenwart der Staatsbehörde gültiger Weise abgehalten werden. Diese Behörde hat daher neben jedem Civil- und Strafge= richte, vom größten bis zum kleinsten, ihren eigenen Siz. Auch bildet die Staatsbehörde einen integrirenden Bes standtheil des Gerichts (tribunal), oder des Gerichtshofes (cour), bei welchem dieselbe eingesezt ist. Der Beamte des öffentlichen Ministeriums steht jedoch dem Gerichte oder Gerichtshofe, wo er zu fungiren hat, schlechthin nur gegenüber

*) Vgl. z. B. Cod. d'instruction criminelle die Art. 27. 274. ff. 284. 285 ff. Dann das Gefeß vom 20. April 1810. Art. 45.

**) Kaiserliches Decret vom 30. März 1808. Art. 81.

Diese Ansichten hat nun die öffentlicher Sizung vorgedenn ausnahmsweise

und hat also in keinem Falle und unter keiner Vorausseßung auf die richterlichen Urtheile einen entscheidenden Einfluß. Vielmehr hängt es unbedingt vom rechtlichen Ermessen des Gerichts ab, ob es die staatsanwaltlichen Ansichten zu den seinigen machen will, oder nicht. Staatsbehörde in der Regel in tragen. Ich sage in der Regel haben die Beamten des öffentlichen Ministeriums anch in geheimen Gerichtssißungen ihre Anträge zu stellen, dieses ist namentlich dann der Fall, wenn die Anklagekammern der Erstinstanzgerichte, oder der Appellhöfe über die Berichte, beziehungsweise des Untersuchungsrichters, oder des Generalprocurators zu erkennen haben *). Auch ist es der Staatsbehörde nicht gestattet, dem Gerichte in sein Berathungszimmer zu folgen, sondern sie hat in allen Fällen den Ausspruch des Gerichts im Audienzsaale, oder auf dem Parquet abzuwarten **). Es hat also die Staatsbehörde ihre Amtsverrichtungen lediglich im öffentlichen Gerichtssaale in der geheimen Anklagekammer, oder auf dem Parquet ***) auszuüben. Nur bei dem Cassationshofe besteht eine sonderbare Ausnahme von dieser Regel. Hat nämlich dieser Ge

*) Vgl. Code d'instruction criminelle die Art. 127. 218. 236. **) Kaiserl. Decret vom 30. März 1808. Art. 88. Wenn jedoch das Gericht sich über Anordnungen zu berathen hat, welche den inneren Dienst (le service intérieur) zum Gegenstande haben, so find die Beamten der Staatsanwaltschaft in diesen Fällen zur Berathung des Gerichts zu zu ziehen. Auch haben sie alsdann das Recht alle und jede auf den inneren Dienst bezüglichen Anträge zu stellen,

***) Unter Parquet ist die Amtsstube (le bureau) zu verstehen, welche den Beamten der Staatsanwaltschaft im Justizgebäude für ihre, außer der Audienz, oder den Anklagekammern zu verrichtenden Geschäften eingeräumt ist. Daher werden in Frankreich die Beamten der Staatsanwaltschaft auch Parquetbeamte (gens du parquet) genannt.

richtshof eine förmliche Berathung verordnet, so darf die Staatsbehörde in dem Berathungszimmer der Berathung und Abstimmung beiwohnen und ist sogar hier noch mit ihren etwaigen Bemerkungen zu hören. So wenig auf der einen Seite die Staatsanwaltschaft auf die Urtheile der Gerichte ir. gend einen entscheidenden Einfluß auszuüben hat, eben so wenig hat auf der anderen Seite die Staatsanwaltschaft von den Gerichten Befehle, oder Aufträge, oder sonstige Weifungen anzunehmen. Die Staatsanwaltschaft ist demnach von den Gerichten in der Regel durchaus unabhängig. Nur in zwei Fällen können ausnahmsweise den Staatsanwälten durch die Gerichte amtliche Aufträge, oder Bes fehle ertheilt werden; nämlich wenn die Anklagekammer eines Appellhofes der Staatsbehörde den Beginn einer neuen, oder die Vervollständigung einer bereits erhobenen Anklage aufträgt *); oder wenn ein Appellhof in Folge eines Beschlusses feiner vereinigten Kammern den Generalprocurator zur Stellung einer Anklage, beziehungsweise zur Erwirkung einer Untersuchung wegen eines gewissen Verbrechens auffordert **).

Die französische Staatsbehörde hat nur bei den soges nannten ordentlichen Civilgerichten ihren Siß, d. h. bei dem Caffationshofe, bei den Appellhöfen und den Erstinstanzgerichten. Also bei den außerordentlichen Civilgerichten (tribunaux d'exceptions), nament lich den Friedens- und Handelsgerichten sind keine Staatsanwälte aufgestellt. Dagegen hat die Staatsbehörde nicht bloß bei den ordentlichen Strafgerichten d. h. bei den Zuchtpolizei-, Appellations- und Assisengerichten ihren Siß, sondern auch bei den außerordentlichen Strafgerichten, d. h. bei den einfachen Polizeigerichten der Friedensrichter ***) und Landbürger.

*) Cod. d'instr. crim. Art. 235. **) Gesetz vom 20. April 1810. Art. 11. ***) Vgl. Cod. d'instr. crim, die Art. 139 ff.

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meister *) und bei dem, durch die Verfassung v. 4. Nov. 1848 neu gegründeten Staatsgerichtshof (haute cour de justice) zur Aburtheilung gewisser, geseßlich bestimmter, politischer Berbrechen. Wenn insbesondere der Friedensrichter, oder Landbürgermeister als einfacher Polizeirichter (juge de simple police) zu erkennen hat, so vertritt beziehungsweise entweder der Polizeicommissär falls einer im Cantonshauptorte vorhanden oder der Bürgermeister, oder dessen Adjunct, oder ein Mitglied des Gemeinderathes die Stelle eines Beamten der Staatsanwaltschaft, kraft welcher Stellung er die einfachen Polizeiübertretungen zu verfolgen, vor dem Polizeigerichte die Strafanträge zu stellen, die etwaigen Berufungen gegen die gesprochenen Polizeierkenntnisse und den Vollzug der Strafurtheile zu betreiben hat. Vor dem neuen Staatsgerichtshofe vertritt in der Regel ein Beamter der Staatsanwaltschaft am Appelhofe zu Paris die Stelle eines öffentlichen Anklägers.

وو.

Zum Schlusse noch ein Paar Worte über den Grundsaß der Untheilbarkeit des Amtes der französischen Staatsanwaltschaft. Le ministère public est indivisible, "fagt man sehr oft in Frankreich, ein Saß, der eben so oft auch falsch, d. h. so ausgelegt wird, als ob jeder untergeordnete Staatsanwalt unbedingt den Befehlen seiner Vorgeseßten zu gehorchen habe. Der Saß, das Amt der Staatsaanwalts schaft ist ein eines und ungetheiltes, muß vielmehr so verstanden werden, daß keinem Theile der gesammten staatsanwaltlichen Körperschaft specifisch verschiedene Functionen zustehen; sondern, daß der einzelne Beamte der Staatsanwaltschaft innerhalb seines Amtskreises schlechthin nach ei= gener Ueberzeugung, selbst gegen die Weisungen des Vorgesezten handeln, z. B. die Stellung einer Anklage vers weigern kann, obwohl der vorgeseßte Generalprocurator eine Anklage verlangt**). Das Mittel, das Widerstreben eines un

*) Vgl. Cod. d'instr. crim. die Art. 166 ff.

**) Vgl. Mangin tr. de l'action civile et de l'action publique I. Nro. 105.

tergeordneten Staatsanwaltes zu beseitigen, ist vom Geseße (vom kais. Decret v. 6. Juli 1810 Art. 48 und 49) selbst gegeben. Der vorgeseßte Generalprocurator hat ja nur einfach die ganze Sache selbst in die Hand zu nehmen. So stellt sich dieser Pucnt in thesi. Ob aber in hypothesi dem untergeordneten Staatsanwalte, ein Widerstreben gegen die Weisungen seiner Vorgeseßten anzurathen ist, dürfte bei der willkührlichen Abseßbarkeit, d. h. also bei der gänzlichen Abhängigkeit der Staatsanwälte von der Gnade der Regierung, sehr zu bezweifeln sein.

S. 3.

Wer ernennt die Beamten der Staatsanwaltschaft? Und wer kann Staatsanwalt werden?

Die Regierung der Republik hat ausschließlich das Recht, die Beamten der Staatsanwaltschaft zu ernennen. Diese Regierung hat aber auch das Recht, zu jeder Zeit, ohne Ans gabe irgend eines Grundes, die Beamten der Staatsanwaltschaft, vom ersten bis zum leßten, zu verseßen und selbst abzuseß en.

Wer kann zum Staatsanwalte ernannt werden? Nur Derjenige, welcher Rechtsstudien gemacht, ein Eramen bestanden, den Grad eines licencié en droit erhalten und mindestens zwei Jahre im Barreau (d. h. bei einem Advocaten) practicirt hat. Ueberdieß muß man auch das geseßliche Alter erreicht haben. Wer Procurator der Republik werden will, muß das 25. Lebensjahr zurückgelegt haben. Die Substituten eines Procurators der Republik können jedoch schon nach zurückgeleg= tem 22. Lebensalter angestellt werden. Der Generalprocurator eines Appellhofes muß mindestens das 30. und seine Generaladvocaten müssen mindestens das 25. Lebensjahr zurückgelegt haben *).

*) Geseß v. 20, April 1810. Art. 64. f.

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