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Art. 18. proclamirt die Unverträglichkeit der Stellungen der Advocaten und Anwälte. Diese Stellungen sind ihrer Natur nach im Grunde sehr verträglich, allein die Geseßgebung betrachtete nun einmal diesen Grundsaß der Unverträglichkeit, als ein sicheres Prophylacticum gegen gewisse Krankheitsstoffe des Standes der Anwälte. Mit einem Worte; sie fürchtete für die Würde und Achtung des Advocatenstandes. Frankreich hat das Gold der Advocatur bis jeßt auch rein erhalten von den Schlacken der Rabulisterei, Chikane und Habsucht. Diese unlauteren Theile haben sich insgesammt an dem Berufe der Anwälte krystallisirt. Es würde daher das fünfzehnkaratige Gold der Advocatur schon mit fünf Karaten anwaltlicher Legirung an seinem Gehalte merklich verlieren! Kurz! Ich habe die vollkommene Ueberzeugung, daß durch eine Verquickung der Advocatur mit der Anwaltschaft, Frankreichs Advocaten von der Höhe ihrer Stellung herabsinken, wenn auch nicht bis zum Ge frierpunkte der öffentlichen Achtung, worauf die Anwälte stehen; aber gewiß würde die Entfernung von ihrer heutigen Stellung sehr bemerkbar sein. Ich zweifle, ob dann noch die französische Nation die Advocaten auf ihren Händen in die Legislaturen Frankreichs tragen würde. Gewiß würde man in den höchsten Staatsämtern und in der geseßgebenden Staatsgewalt den Advocaten weit seltener begegnen.

In Bezug auf öffentliche Achtung steht der Advoactenstand Frankreichs vielleicht einzig da. Wie mag die Perfon, die in Deuischland oder in England, oder in Spanien oder in Italien denselben Namen führt, sich in Bezug auf öffentliche Achtung mit den französischen Advocaten messen. So sehr man auch die einzelnen rechtschaffenen und ausgezeichneten Advocaten in diesen Ländern achten und anerkennen mag, aber es ist diese Achtung keine nationale Achtung und Anerkennung des ganzen Standes. In Frankreich achtet man den ganzen Stand und übersieht sogar die einzelnen Lumpen aus Rücksicht für diese achtbare Freischaar der Gerechtigkeit. In den andern Ländern dagegen achtet man nicht den Stand, sondern nur die einzelnen rechtschaffenen

Individuen. In Frankreich ist man vielleicht zu sehr für die Advocaten, in andern Ländern, zumal in Deutschland, zu sehr gegen dieselbeneingenommen! England steht in der vorliegenden Beziehung Frankreich gewiß am nächsten. Denn dort wie hier ist das Plaidoyer von der Instruction der Processe getrennt. Die counsels der Engländer find zwar weit mehr geachtet als die special - pleaders. Dem counsel ftehen zwar die höchsten Ehrenstellen, das Ministerium, das Oberhaus, das Unterhaus, die Würden der Kanzler, der Sprechersis, selbst der Wollsack offen. Aus dem Stande der Counfels gingen und gehen die berühmtesten Parlamentsredner hervor. Allein in keinem Falle hat sich der Stand der Counsels einer so nationalen Achtung, einer so allgemeinen Anerkennung zu erfreuen, wie der Advocatenstand in Frankreich. In England sind es denn doch nur seltene Ausnahmen, wenn Counfels zu den höchsten Staatsämtern gelangen. In Frankreich dagegen sind solche glänzende Laufbahnen der Advocaten ganz gewöhnliche Erscheinungen. Offenbar auf der tiefsten Stufe öffentlicher Achtung und Anerkennung stehen die Advocaten in Deutschland. Es ist hier nicht der Ort, die Ursachen des niedern Standes unserer Advocaten hervorzuheben. Eine gröfsere Unabhängigkeit vom Gerichte, die Einführung einer Disciplinarkammer, endlich die Berufung tüchtiger Advocaten in die höhern Staatsämter sind vielleicht die geeignetsten Mittel, diesen, gewiß zu sehr verkannten, Stand um mehrere Stufen in der öffentlichen Achtung steigen zu machen.

So viel endlich die französischen Advocaten in Bezug auf öffentliche Achtung vor ihren Standesgenossen in allen andern Ländern voraus haben, eben so schwer ist es aber auch in Frankreich, sich eine anständige Advocatenpraris zu gründen. In England, in Italien, in Spanien, in Deutschland, sogar in den deutschen Rheinlanden unter der Herrschaft der französischen Geseße, erhalten die Advocaten ihre Bestallung vom Staatsoberhaupte. Sie bilden hier eine geschlossene Corporation, d. H. nur eine gewisse Anzahl von Advocaten wird für den und den Gerichtssprengel vom Fürsten ernannt. Die

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Zahl der Ernennungen richtet sich dann natürlich nach dem Bédürfnisse des Dienstes und nach dem Umfange der Jurisdictionsbezirke. Man macht eher zu wenig als zu viel Advocaten. Daher kommt es auch, daß jeder, nur einigermaßen brauchbare, Advocat in der Regel mehr oder weniger sein Auskommen findet. Die Einzelnen können sich in der kleinen Schaar leichter bemerkbar machen. Die Geschäfte sind im Ganzen mehr vertheilt, und es gibt keine Advocaten, die so viel zu thun has ben, daß für ihre Collegen nichts übrig bliebe. Ganz an= ders sind in dieser Beziehung die Verhältnisse in Frankreich. Hier werden die Advocaten nicht von der Regierung ernannt. Hier bilden die Advocaten keine geschlossene Corporation. Hier kann Jeder, der die geseßlichen Bedingungen*) erfüllt, seine Aufnahme in das Advocatenregister verlangen. Daher auch in Frankreich bei den Gerichten die Masse von Advocaten ! Daher auch die Legion von Advocaten, die nichts zu thun haben, die Legion von sogenannten,,avocats sans cause!" Die Geschäfte find bei den einzelnen berühmten Advocaten aufgehäuft. Daher hält es auch so schwer, sich, selbst als tüchtiger Ankömmling, bei seinen Mitbürgern das erforderliche Vertrauen zu erwecken. Der Haufe der Advocaten ist so groß, daß die Partheien ihn nicht übersehen, sondern nur die einzelnen hervorragenden Männer in's Auge faffen können. Um nun aus dem Dunkel dieser Masse sich herauszuarbeiten, um sich auch dem größern Publikum bemerkbar zu machen, um sogar zu einer hervorragenden Individualität sich emporzuschwingen, dazu wird viel Kopf, viel Wissen, viel Glück und eine Fülle von Beredtsamkeit erfordert. Nur die Lieblinge der Natur, nur die glänzenden Talente brechen sich, im Bewußtsein ihrer Kraft

*) Diese Bedingungen find wie oben bereits bemerkt worden ist folgende: 1) Die Erlangung des academischen Grades eines licencié en droit, 2) eine dreijährige ununterbrochene stage und 3) endlich die Ableistung des Advocateneides. Dies die einzigen Titel zur Erlangung des Standes eines französischen Advocaten.

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und geistigen Ueberlegenheit, die rauhe Bahn; nur sie können diese Schwierigkeiten übersteigen, oder untergraben, und so zu glorreichen Zielpunkten hinarbeiten. Daher zählt auch Frankreich unter seinen Advocaten Männer, welche die edelsten Früchte geistiger Bildung in sich erziehen, welche an Wissenschaft und Geist den ersten Gelehrten ihrer Nation zur Seite stehen, und die endlich an Kraft klassischer Beredtsamkeit den bewunderten Mustern der Alten, den großen Rednern der Griechen und Römer wenig oder gar nicht nachstehen.

Achtzehntes Kapitel.

Von den Notarien *).

Die Notarien (les notaires) sind öffentliche Beamte, von der Regierung bestellt, alle und jede Urkunden, über Ver

*) E. Geseß v. 6. October 1791. Gesetz v. 25. Ventôse XI. (das Hauptgeset die eigentliche Notariatsordnung). Arrêté du 2. NiVose an XII. Zur Literatur: L'histoire du notariat. Par Berge. Paris 1815. Traité élémentaire du notariat. Par Garnier-Deschesnes. Par 1808. II. Vol. (Ins Deutsche überseßt von Littmann. Göttingen 1810. III. Vol.). Le parfait notaire, ou la science des notaires, de Ferrière, nouv. édit. Par Massé. IV. Edit. Par 1828. III. Vol. La philosophie du notariat, ou lettres sur la profession de notaire. Par Cellier. Paris 1828. Cours du notariat. Par Augan. Paris 1829. II. Edit. toire de la législation du notariat. Par Favard de Langlade. II. Edit. Paris 1829. 1830. II. Vol. Jurisprudence et style du

Reper

notaire. Par Massé et l'Herbette. Paris 1823. ff. IX. Vol.
Repertoire de la jurisprudence du notariat. Par Rolland de Vil-
largues. Paris 1827—1831. VII. Vol. (Zu Ende des Bd. VII. steht
ein Verzeichniß der in Frankreich über das Notariat erschienenen
Schriften.) Code du notariat. et des droits de timbre et
d'enregistrement etc. Von Demselben. Tom. I. Partie du
notariat. Paris 1836. Dictionnaire du notariat. Par une so-
ciété des jurisconsultes et des notaires. Paris 1832. VI. Vol.
La clef du notariat, ou exposition méthodique des connaissances
nécessaires à un notaire. Par Lédru Paris 1834. Commen-

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