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Bis jetzt war nur von der Aufsicht die Nede, welche der Justizminister über die zu den Gerichten unmittelbar gehörenden Personen zu führen hat. Allein er hat auch über die nicht eigentlichen Gerichtspersonen sein Aufsichtsrecht geltend zu machen. So sind namentlich die officiers ministériels

die avoués und die huissiers - der Aufsicht des Ministers wenn auch nur mittelbar durch die Generalprocuratoren an den Appellhöfen unterworfen. Dergestalt ist nun alles, was eigentlich und uneigentlich zu den Tribunalen gehört, in den Gesichtskreis des Justizministers gezogen. Selbst die Advocaten sind in dieser Beziehung vom Justizminister abhängig. Denn er hat, kraft des kaiserlichen Decrets vom 14. December 1810. Art. 40, das Recht über die fehlenden Advocaten die, im Art. 25 desselben Decrets aufg ezählten Strafen zu verhängen.

Das Aufsichtsrecht eines französischen Justizministers bes schränkt sich übrigens nicht bloß auf die Aufsicht über die einzelnen Mitglieder der Gerichte und die Personen, welche bei den Gerichten amtlich thätig sind. Vielmehr erstreckt es sich auf die Gerichte, als Collegien, namentlich darauf, ob dieselben mit Fleiß und Eifer die ihnen anvertraute Justiz verwalten. Um dem Minister die Ausübung seines Aufsichtsrechtcs in dieser Hinsicht möglich zu machen, oder zu erleichtern, so hat das Gesez Folgendes verordnet. Die Generalprocuratoren an den Appellhöfen haben nämlich zweimal jährlich (im April und September) einen Bericht an den Justizminister über die Zahl der im verflossenen halben Jahre abgeurtheilten, oder im Rückstande gebliebenen Sachen zu erstatten. Die Staatsprocuratoren an den Tribunalen der erften Instanz haben ähnliche Berichte in den ersten acht Lagen der Monate April und September an ihren Generalprocurator einzusenden, der sie dann mit seinen Bemerkungen gleichfalls dem Justizminister vorlegt *).

*) Geseß v. 30. März 1808. Art. 80.

Keine Frage, daß das dem Justizminister zustehende Aufsichtsrecht eine sehr heilsame und zweckmäßige Einseßung, oft von unschäzbaren Nußen ist. Nur darf der Justizminister die Schranken der Tribunale nicht übersteigen und sich selbst auf den Richterstuhl seßen. Das Justizministerium dürfte gewisse Einflüsse nicht geltend machen, sonst wird man der Sache wenn auch nicht dem Namen nach eine Ca= binetsjustiz zur unausbleiblichen Folge haben. Macht der Portefeuille ist oft wunderbar. Frankreich sah schon viel Richtertugend unter dem verführerischen Zauber des Maroquin auf Erlösung harren!

Doch die

II. Das Justizministerium, als Behörde, welche die Beseßung der Gerichtsstellen zu betreiben hat. Die Ernennungen der Justizbeamten geschehen zwar vom Präsidenten der Republik, allein der Justizminister ist es, der in einem Berichte an den Präsidenten die Individuen zur Ernennung vorzuschlagen hat. Und der Justizminister ist es auch, der die Anstellungsordonnanz des Präsidenteen der Republik mit der Contrasignatur zu bekleiden hat. Uebrigens steht es dem Minister immer frei, seine Contrafignatur zu ver= weigern wenn etwa die Wahl des Präsidenten dem Interesse der Justizverwaltung nicht entsprechen sollte. Die Drdonnanz des Präsidenten ist jedoch auch ohne die Contrasignatur eines Ministers gültig. -- Natürlich ist es dem Justizminister unmöglich in dem großen, weiten Frankreich alle die Personen zu kennen, die sich zur Beseßung einer Gerichtsstelle eignen. Daher besteht in Frankreich, wie überall, die Einrichtung, daß die Mittelbehörden Beseßungsvorschläge dem Justizminister einsenden, der dann dieselben zum Behufe seiner Berichterstattungen an den Präsidenten gebraucht. Diese vorschlagenden Mittelbehörden sind die Generalprocuratoren einerseits und die Appellhöfe als solche, andererseits. Ist eine Stelle im Caffationshofe zu beseßen, so geschieht der Vorschlag, der dem Justizminister einzusenden ist, durch den Cassationshof en chambres réunies unter dem Vorsiße des ersten Präsidenten.

III. Der Justizminister hat auch in gewissen Fällen das Recht (wenn der Cassationshof ein Disciplinarrecht über einen Appellhof geltend macht *), und im Falle der réunion des chambres **) den Cassationshof zu präsidiren.

IV. Das Justizministerium, als Behörde, die alle auf die Justizverwaltung bezüglichen Gefeße vorzuberathen hat. Der Justizminister ergreift in der Regel ***) die Initiative in Bezug auf die Erlaffung neuer Gefeße dieser Art. Er besorgt die Vorberathung derselben in Commissionen, die von ihm ernannt und nach Umständen auch von ihm präsidirt werden. Auch ist es der Justizminister, welcher die unter seiner Leitung vorberathenen Gesezesvorschläge den Kammern vorzulegen und dieselben durch seine Rede zur Annahme des Vorschlages zu bestimmen hat. Sind nun die Gefeßesvorschläge angenommen, also ge= wisse auf die Justizverwaltung bezügliche Gefeße von der legislativen Staatsgewalt erlassen worden, so hat der Minister an den Präsidenten der Republik über die zweckmäßigste Art der Vollziehung der Gefeße einen Bericht zu erstatten. In Gemäßheit dieses Berichts wird nun die Vollziehungsordonnanz ausgefertigt. Daher beginnen auch alle Vollziehungsordonnanzen mit den Worten: sur le rapport du sécretaire d'état au département de la justice etc.“

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V. Der Justizminister als Berichterstatter in Gnaden und in Rehabilitationssachen. Wer zu einer Leibes- oder entehrenden Strafe verurtheilt worden ist, wird in Gemäßheit des Art. 28. des Code pénal der in diesem Art. aufgeführten Eivilrechtet) auf immer verlustig.

*) Scte v. 16. Thermidor X. art. 82.

**) 3ft jest ganz außer Gebrauch.

***) Denn auch der Nationalversammlung steht dieß Recht der Initiative

zu.

†) Verurtheilte dieser Art können z. B. weder eine Vormundschaft, noch

Die Gefeßgebung gestattet jedoch, aus Rücksichten der Humanität, dem Verurtheilten, nachdem er seine Strafe erstanden hat, um Rehabilitation*), d. h. um Wiedereinseßung in die, Kraft des Art. 28. des Code pénal, verlornen Civilrechte nachzusuchen. Der Code d'instruction criminelle art. 619 –634. hat das Verfahren, das in Bezug auf die Rehabilitation einzuleiten ist, vorgeschrieben. In der vorliegenden Schrift kann dieses Verfahren natürlich nur in soweit eine Stelle finden, als der Justizminister dabei thätig wird. &s hat nämlich die chambre criminelle des competenten **) Appellhofes ein Gutachten dahin abzugeben, ob der Verurtheilte zu rehabilitiren sei oder nicht. Ist das Gutachten zum Vortheile des Verurtheilten ausgefallen, so wird daffelbe mit allen dazu gehörigen Schriften, z. B. den Sittenzeugnissen, dem Justizminister eingesandt. Dieser, nachdem er die geeigneten näheren Erkundigungen, z. B. beim Tribunal, das die Verurtheilung aussprach, eingezogen, hat sodann an den Präsidenten der Republik einen Bericht über das Rehabilitationsgesuch zu erstatten ***). Von diesem Berichte des Justizministers hängt das Schicksal des Verurtheilten ab, auf diesen Bericht hin wird dann, nach Umständen, die Rehabili

eine Pflegschaft führen. Sie verlieren das Recht auf einen Gewehrpaß. Sie können weder Geschworne noch Sachverständige werden. Sie find unfähig in den Armeen der Republik zu dienen u. s. w. *) Vgl. über das ältere Recht in dieser Hinsicht die ordonnance v. 1670. tit. XVI. art. 5 7. Code pénal v. 1791. part. I. tit. VII.

art. 1.

**) Competent ift der Appellhof, in dessen Sprengel die Verurtheilung ers folgt ist.

***) Unter dem Kaiserreiche mußte dieser Bericht in einem Geheimenrathe (conseil privé) an den Kaiser erstattet werden. Dieser Geheimerath bestand in Gemäßheit des Sénatus-consulte organique du 16. Thermidor X., aus dem Justizminister, aus zwei beliebigen Collegen des Juflizministers, aus zwei Senatoren, aus zwei Staatsräthen und endlich aus zwei Caffsationsräthen.

tation des Verurtheilten ausgesprochen, oder nicht. Zwar kömmt es selten vor, daß der Justizminister gegen das Guts achten der chambre criminelle des Appellhofes seinen Bericht an den Präsidenten der Republik abstattet, allein es kann doch vorkommen, und ist in einer cause célébre auch wirks lich vorgekommen. - Der Justizminister hat endlich auch in Gnadensachen (in Sachen der Begnadigung im engsten Sinne und in Sachen der Strafverwandlung) einen Bericht an den Präsidenten der Republik abzustatten. Der Präsident der Republik hat alsdann, jedoch nur nach Vernehmung des Staatsrathes, das Recht eine Begnadigung auszusprechen, oder die zu hart erkannte Strafe in eine gelindere umzuwandeln.

VI. Der Justizminister als höchster Beamter der gerichtlichen Polizei. Er kann, von der Verübung einer strafbaren Handlung unterrichtet, jeden Beamten der Staatsanwaltschaft in ganz Frankreich zur Verfolgung derselben auffordern *). Demnach steht das gesammte Personal der gerichtlichen Polizei unter seiner Direction und Aufsicht, theils unmittelbar, wie die Generalprocuratoren an den Appellhöfen, theils mittelbar durch das verbindende Mittelglied der Staatsanwaltschaft, die übrigen Beamten der ge= richtlichen Polizei, z. B. die Untersuchungsrichter, Friedensrichter, Polizeicommissäre, Gendarmerieoffiziere u. s. w. — Alle und jede Revisionsgesuche gehen durch die Hände des Justizs ministers, kraft seiner Eigenschaft als Oberhaupt der gerichtlichen Polizei. Auch müssen dem Justizminister, durch die Gerichtsschreiber der Affisenhöfe und Zuchtpolizeigerichte, von drei zu drei Monaten Abschriften von den, alphabetisch geordneten Registern über alle und jede Verurtheilungen, die mindestens auf zuchtpolizeiliches Gefängniß lauten, vorgelegt werden. Die Gerichtsschreiber sind bei Strafe von 100 Franken zur Vorlage dieser Abschriften verbunden **). Die übrigen,

*) Cod. d'instruct. crim. art. 274. **) Cod. d'instruct. crim. art. 600-602.

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