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dem Justizminister, als dem Großbeamten der gerichtlichen Polizei, übertragenen Amtshandlungen, enthält theils der Code civil art. 118., theils der Code d'instruction criminelle art. 388. 391. 423. 439. 441. 444. 482. 486. 532. 544. und 548.

VII. Der Justizminister hat endlich auch das Recht, Rundschreiben (lettres circulaires) und Entscheidungen (décisions) zu erlassen. Wenn nämlich, bezüglich der Geseßgebung, Fragen zweifelhaft, oder wenn Unvollständigkeiten vorhanden, überhaupt Belehrungen nothwendig sind, so haben die Justizminister die Befugniß, maaßgebende Rundschreiben oder Entscheidungen zu erlassen. Es ist jedoch wohl zu bemerken, daß diese Schreiben und Entscheidungen zwar für die Regierungsbeamten, nicht aber für die Gerichte bindend find *).

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Dieß nun die Hauptattribute eines französischen Justizministers! Das Schicksal der Rechtsverwaltung von Frankreich ruht demnach in seiner Hand. Eine bedeutende Stellung! Hoch bis zum Schwindeln ist die Stellung an der Spiße der Justizgewalt einer zahlreichen Nation! Welche Verantwortlichkeit ruht nicht auf dem Amte eines französischen Justizministers? Ein Mann, der das Gewicht desselben tragen will, muß starke Schultern haben. Rechtsgelehrsams keit, Geist, Weltblick, Rednertalent, Menschens kenntniß, Gewandtheit, Erfahrung, Character, Energie, dieß die Grundstoffe, aus welchen ein guter Justizminister gewirkt sein muß. Sind das nicht fast lauter Dinge, die man nicht aus Büchern lernt? Ein großer Justizminister wird geboren wie ein guter General, Dichter oder Künstler!

Der Justizminister muß große Rechtsgelehrsamkeit

*) Manguin, bibliothèque du barreau. Jahrgang 1808. Tom. I. pag. 316. Sirey, recueil des arrêts XVI. 1. 366. XXVI. 1. 202. XXX. 2. 378.

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besißen. Denn er soll ja Rechtsbelehrungen geben, zweifelhafte Rechtsfragen entscheiden und gefeßliche Lücken ausfüllen. Allein nackte, bloße Rechtsgelehrsamkeit, tief wie der Ocean, reicht hier nicht aus. Ein Justizminister muß Geist und Weltblick haben, denn er soll die Tribunale eines großen Reiches beobachten und überwachen, er soll die Gebrechen, die Schattenseiten der Personen und Sachen entdecken und vers folgen, er soll die Wandelbarkeit der Lebens- und Rechtsverhältnisse durchschauen, er soll die Mißverhältnisse zwischen den bestehenden Geseßen und den Fortschritten der Cultur klar und richtig auffassen, er soll ein kluger Vermittler sein zwischen der gefeßgebenden Staatsgewalt und den rechtlichen Bedürfnissen und Anforderungen eines großen Volkes, er soll endlich die erlassenen Geseze vollziehen durch Abfaffung gründlicher und zweckmäßiger Verordnungen. Ein Justizminister muß Redner sein. Denn er soll auf der Tribüne die Mitglieder der gefeßgebenden Gewalt von den Bedürfnissen, der Dringlichkeit neuer Gefeße überzeugen, geistreichen, treffenden Einwürfen mit Erfolg begegnen, und verlangte Aufschlüsse mit Bestimmtheit ertheilen. - Ein Justizminister bedarf Menschenkenntniß, Gewandtheit und Erfahrung. Denn er ist es, welcher dem Präsidenten der Republik die Vorschläge macht zur Beseßung der erledigten, oder neu zu creirenden Justizstellen. Wie unendlich viel kommt nicht auf eine gute, oder schlechte Besetzung der Aemter an? Schlechte, dumme Beamte sind eine ägyptische Landplage, gute Beamte ein großer Segen für das Volk. Manche Quelle der Unzufriedenheit würde man in Frankreich verstopft haben, wenn man auf gute Anstellungen mehr Bedacht nehmen wollte. Gewiffenlose, leichtfertige Ernennungen von Beamten können sogar zu einem ernsten, allgemeinen Mißvergnügen unter dem Volfe führen. Die Revolution von Frankreich und Belgien von 1830 enthält in dieser Beziehung warnende Beispiele *). Es ist übrigens eine sehr schwierige Aufgabe, die

*) Deutschland hat in dieser Hinsicht vor Frankreich viel vor

tauglichen Männer, zumal für die höhern Justizämter, ausfindig zu machen. Ein Justizminister sei ein Mann von ruhigem, festem Character. Er soll den Leidenschaften unzugänglich und der Willkühr fern bleiben, er soll die Demarcationslinie, welche ihn von den Gerichten trennt, nie überschreiten. Er soll insbesondere keine persönliche Neigungen, sondern lediglich und allein die Interessen der Justiz seines Vaterlandes im Auge haben. Es ist zu beklagen, wenn der Pontifex maximus der Gerechtigkeit eines Landes dem Nepotismus huldigt. Es ist zu beklagen, wenn nicht Talente, nicht Kenntnisse, nicht Lugend, nicht Fleiß, sondern Vetter- und Baasenschaften, Lakaien- und Liebesdienste die Schwerpuncte der Ernennungen sind. Es ist zu beklagen, wenn Engels Fürstenspiegel bezüglich empfohlener Höflinge oder Grammonts Wigwort über die ungeschickten Vettern der Minister zur Wahrheit wird. Wohl dann den bessern Köpfen, die sich stolz zurückziehen, mit Horaz *): „,beatus ille, qui procul negotiis" fingen und sein

,,forumque vitat et superba civium
potentiorum limina" ***).

befolgen können. Aber leider ist nur Wenigen eine „fine independency" aus dem Füllhorne des Schicksals zugeflossen!

Ein Justizminister muß endlich Energie haben. Er soll die fehlenden Justizbeamten unnachsichtlich verfolgen, er soll die Verbrecher im Richtertalar, oder im öffentlichen Minis sterium - stünden sie auch noch so hoch - schonungslos den Strafgerichten übergeben. Er sei dann unerschütterlich. Er sei ein Fels, an dem sich die Fluth der Thränen der unglücklichen Familien, der verfolgten Beamten brechen kann, selbst

aus. Man geht bei uns, bezüglich der Anstellungen, im Ganzen mit weit mehr Um sicht und Gerechtigkeit zu Werke, als in Franreich. Seit neuerer Zeit hat sich jedoch auch keiner hier manches verschlimmert!

*) Epodon lib. Od. II. 11. 1.

**) Horatius loc. cit. v. 5.

mit naffem Auge mag er den Verfolgungsbefehl unterzeichnen. Das Gegentheil würde wohl seinem Herzen, aber nicht seis nem Kopfe Ehre machen. Strenge ist hier nothwendig, ist suprema lex. Gilt es nicht das große Ganze, gilt es nicht das Wohl von Tausenden, gilt es nicht ein warnendes Exempel?,,Gewissenlose, schlechte Richter," sagte Friedrich der Große sind ärger wie Spißbuben, denn man kann sich gegen sie nicht vertheidigen."

Frankreich hatte mehr als einen Justizminister, der den Anforderungen des Geseßes und des Lebens vollkommen entsprach, dessen Name einen guten Klang hat in diesem Lande. Ullein es hatte auf der andern Seite auch Männer, die sich nur nothdürftig auf der Höhe ihrer Stellung erhalten konnten. Ich bin übrigens weit entfernt, hier ein Sündenregister französischer Justizminister einzuschalten. Dies würde über den Gränzen meiner Aufgabe liegen. Fritsch schrieb in 17. Jahrhundert über Minister, und zählte fünfzig Ministerialsünden auf. Leyser schrieb im 18. Jahrhundert, und hatte die Zahl dieser Sünden schon auf sieben und fieuzig gesteigert. Ich wollte, Fritsch und Leyser lebten noch. Ich wäre sehr begierig gewesen, wie viele Sünden fie einem französischen Justizminister vorgerechnet haben würden!

Einundzwanzigstes Kapitel.

Vom Aemterkaufe nach Frankreichs heutiger Gerichtsverfassung.

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Nach dem Artikel 95. der Contume de Paris waren gewisse Aemter im Verkehre. So z. B. das Amt eines Richters, eines Beamten des öffentlichen Ministeriums, eines Notärs, eines procurator ad lites u. s. w. Allein die Revolution von 1789 hat diesen Aemterhandel schlechthin aufgehoben *). So stund die Sache bis zum Gefeße vom 28. April 1816. Der Artikel 91. dieses Geseßes hat, wenn auch nicht den Worten, doch der Sache nach die Käuflichkeit der Aemter in der Art wieder hergestellt, daß gewisse öffentliche Beamte das Recht haben, einen Nachfolger, vorausgeseßt, daß derselbe die gesetzlichen Eigenschaften besißt, in ihre Stellen dem Könige und jeßt dem Präsidenten der Republik zur Bestätigung vorzustellen. Es entsteht hier nun die Frage: welche Beamten haben dieses Präsentationsrecht oder mit andern Worten, auf welche Aemter erstreckte fich diese Käuflichkeit? Nach der heutigen französischen Gerichtsverfassung sind folgende und nur folgende Aemter im Verkehre: Sie Stellen der Anwälte**), 2) die Stellen der Gerichtsschreiber***), 3) die Stellen der Huis

*) S. z. B. das Gesetz som 6. October 1791. Art. 1. **) S. oben das betreffende Kapitel.

***) S. oben das betreffende Kapitel.

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