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grafschaftlichen Schaßmeisters (treasurer of the county); die Bestätigung der von den einzelnen Kirchspielen der Grafschaft für ihren innern Haushalt ausgeschriebenen Beiträge (ParishRates); die Anordnung der Aufseher über Baumwollenmühlen u. f. w. Die Sessions haben auch alle, theils von Amtswegen, theils von Privatpersonen gemachten Vorstellungen, Beschwerden und Verbesserungsmaaßregeln in reifliche Erwägung zu ziehen, und nach Umständen zu den ihrigen zu machen. Die englischen Sessions entsprechen in vielen Beziehungen theils den französischen Generalräthen, theils den deutschen Provincialständen, oder Landräthen.

Die Friedensrichter verwalten ihr Amt unentgeltlich. Die Gebühren, welche sie etwa anzusprechen berechtiget find, überlassen sie ihren Schreibern (Clerks of the peace), die zugleich auch das Friedensarchiv aufzubewahren haben. Nur die Friedensrichter in London find wegen der Menge, Wichtigkeit und Verwicklung ihrer Geschäfte befoldet; und heißen im Gegensaße zu den unbesoldeten Friedensrichtern: StipendiaryMagistrates *). Der Gehalt eines Londoner Friedensrichters beträgt 100 Guinen **). Und gerade diese Unentgeltlichkeit ist es vorzüglich, welche den Friedensrichtern ein so großes Ansehen und eine Autorität gibt, wie sie wohl die Richter in keinem andern Lande genießen mögen, wie denn auch in keinem Lande der Gehorsam gegen das Gefeß und seine Diener so groß ist, als in England.

S. 10.

Von den wesentlichen Verschiedenheiten zwischen dem englischen und französischen Friedensgerichte.

Bei der Vergleichung des Instituts der Friedensgerichte

*) S. die Parlamentsacte über die jüngste Organisation der Polizei von London und der Nachbarschaft v. 15. April 1829.

**) S. kritische Zeitschrift für Rechtswissenschaft und Gesetzgebung des Auslandes. Von Mittermaier und Zachariä I. 461.

in England mit demselben Institute in Frankreich dürften folgende auf Entstehungsgrund, Organisation, Gefchäftskreis und Dienst hierarchie bezüglichen Hauptverschiedenheiten hervorzuheben sein.

1) Entstehungsgrund des Instituts der Fries densgerichte in England und Frankreich. - Der Entstehungsgrund der Friedensgerichte in England war: der Anarchie, dem Faustrechte und der Uebermacht des Feudaladels entgegenzutreten. Dasselbe Institut hatte in Frankreich einen ganz andern Entstehungsgrund. In Frankreich galt es urs sprünglich, nur eine Behörde aufzustellen, welche die bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten durch Vermittlung und Versöhnung der Parteien so viel als möglich verhindern sollte.

2) Organisation der Friedensgerichte in Engs land und Frankreich. - In England macht das Interesse den Friedensrichter. Vermögen erscheint hier als der oberste Gedanke der ganzen Organisation. Wer gewiffe, vom Gefeße verlangte Einkünfte hat, ist von Rechtswegen Friedensrichter. Und die Krone hat nur das Recht aus der Zahl der berechtigten Eigenthümer die activen Friedensrichter zu ernennen. Der englische Friedensrichter wird auch vom Staate nicht besoldet. Von diametral entgegenstehenden Grundsäßen ist man in Frankreich bei der Organisation der Friedensgerichte ausgegangen. In Frankreich sollten nicht Vermögen, sondern nur Tugend, Verstand und das Vertrauen des Volkes die Titel eines Friedensrichter bilden. Daher wurden auch in der ersten Zeit consequenterweise die Friedensrichter nicht von der Regierung ernannt, sondern vom Volke gewählt. Und erst später nachdem die Friedensrichter schon eine Reihe von Jahren nicht mehr Volksbeamte, sondern eigentliche Staatsbeamte waren, wurden die Friedensrichter nicht mehr vom Volke gewählt, sondern von der Regierung ernannt. Auch wird endlich der Friedensrichter vom Staate befoldet.

3) Geschäftskreis der Friedensgerichte in England und Frankreich. Das Hauptattribut eines

englischen Friedensrichters liegt zunächst in dem Rechte und der Pfiicht: die öffentliche Ruhe und Ordnung, die allgemeine Sicherheit der Person und des Eigenthums aufrecht zu erhalten. Sie sind mit einem Worte die Erhalter des öffentlichen Fries dens. Eine eigentlich versöhnende, oder vermittelnde Stellung ist demnach den Friedensrichtern in England völlig fremd. Sie haben die verübten Vergehen und Verbrechen zu verfolgen, die darauf bezüglichen Untersuchungen zu führen, und gewisse Vergehen und Verbrechen beziehungsweise als Einzelrichter, oder bald in kleinern bald in größern Versammlungen zu bestrafen. Ueberdieß erkennen sie in gewissen Civilsachen. Endlich haben sie auch eine ganze Reihe rein polizeilicher und rein administrativer Attributionen. - In Frankreich dagegen bildet die versöhnende und vermittelnde Autorität die Basis der ganzen Einrichtung. Nicht dem Friedensrichter, sondern dem Staatsanwalte liegt zunächst die Aufrechthaltung des Rechtszustandes und die Verfolgung der Vergehen und Verbrechen ob. Nicht der Friedensrichter hat die Untersuchungen zu führen, sondern ein eigends dafür aufgestellter Untersuchungsrichter. Daß man später (1791) die Friedensrichter aus patriarchalischen Localbeamten zu eigentlichen Staatsbeamten machte, indem man ihren Geschäftskreis so ungemein und so abweichend von der ursprünglichen Einseßung erweiterte, hatte jedoch weniger den Zweck, das Institut in seiner ursprünglichen Basis absichtlich zu verfälschen, als vielmehr dasselbe im Interesse des Volkes, aus Nothwendigkeitsrücksichten für eine prompte Justizverwaltung, zum Behufe einer vollendeten justizhierarchischen Gliederung umzugestalten. Der französische Friedensrichter spricht stets nur als Einzelrichter. Seine Civilcompetenz ist ausgedehnter, seine Strafcompetenz dagegen ist weit beschränkter als die feines englischen Collegen. Der französische Friedensrichter hat schlechthin nichts mit der Administration und eigentlichen Polizei (von der gerichtlichen Polizei also abgesehen) zu schaffen, während der englische Friedensrichter schlechthin nichts mit der Rechtspolizei zu thun hat.

4) Diensthierarchie der Friedensgerichte in England und Frankreich. In England ist das Friedensgericht das Fundament, die breiteste Grundlage der ge= fammten Polizei, der Verwaltung und Justiz. Es bildet in der Polizei und Verwaltung nicht bloß die unterste Instanz, sondern übt die eine und die andere ausschließlich aus, und hinsichtlich der Strafjustiz ist ihr auch diese, mit Ausnahme einiger Capitalverbrechen gleichfalls ausschließlich übertragen. Noch mehr. Das Friedensgericht ist der Angelpunct aller in England angetroffenen Vortrefflichkeit, es ist mit einem Worte das Beste was England aufzuweisen hat. Mit Recht sagt daher auch Lord Coke, ein berühmter alter englischer Rechtslehrer: „die ganze Christenheit hat nichts dergleichen, wenn dieses Amt gehörig verwaltet wird. Auch v. Vince in seiner Darstellung der innern Verwaltung Großbritaniens S. 45 (II. Aufl. v. 1848) nennt: die Einrichtung der brittischen Friedensrichter in aller Hinsicht vortrefflich, und stellt sie als vollkommenstes Institut dar, welches die Verfaffung irgend eines Landes aufzuweisen vermöchte." Jedenfalls steht die Wohlfeilheit der innern Verwaltung Englands ohne Beispiel da! - In Frankreich dagegen ist das Institut der Friedensgerichte einfach, nur die unterste Sproße auf der großen hierarchischen Leiter der französischen Gerichtsvers fassung. Damit soll zwar den französischen Friedensrichtern nicht ihre Bedeutung und ihr tiefes Eingreifen in das Leben. des Volkes abgesprochen werden, allein im Vergleiche zu ihren brittischen Collegen müssen denn doch die französ sischen Friedensrichter ihrem Wesen nach, zu einfachen und sparsam befoldeten richterlichen Subalternbeams ten zusammenschrumpfen *).

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*) Vgl. v. Vince, Darstellung der innern Verwaltung Großbritas niens (II. Auf. v. 1848) S. 10—46. Schmalz, Staatsverfass sung von Großbritanien Halle 1806. Cotta, de l'administration de la justice criminelle en Angleterre. Paris 1822.

Fünftes Kapitel.

Von den Handelsgerichten *).

S. 1.

Handelsgerichtliche Bezirke.

Ein jedes Handelsgericht (tribunal de commerce) hat in der Regel ganz denselben Gerichtssprengel (ressort), wie ein Erstinstanzgericht, in dessen Bezirk es errichtet ist. Wenn jedoch in dem Bezirk eines Civiltribunals mehrere Handelsgerichte eristiren, so wird einem jeden Handelsgerichte sein besonderer Gerichtssprengel angewiesen. Das Handelsgericht hat in der Regel seinen Siß in dem Hauptorte des Bezirkes, es sei, daß es in einem Bezirke mehrere Handelsgerichte gibt, in diesem Falle hat die Regierung durch ein reglement d'administration publique die Residenzen der verschiedenen Handelsgerichte zu bestimmen. Ingleichen hat

auch die Regierung **) die Anzahl der Handelsgerichte und

* Vgl. Code de commerce art. 615 — 641. Ueber das Verfahren vor den Hangelsgerichten, f. Code de procédure civile art. 414442 und Code de commerce art. 642-648. Compétence des tribunaux de commerce dans leurs rapports avec les tribunaux civile et les prud'hommes. Par Despréaux. Paris 1836.

**) Durch ein Decret vom 6. Oktober 1809. S. Bulletin des lois Nro. 275.

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