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Wahrlich um eine solche „Freiheit" haben die Lombarden ihre westlichen Nachbarn nicht zu beneiden, so wenig als um ihre Steuern und ihre ökonomischen Zustände. Der blendende Schein des piemontesischen Constitutiönchens" hat nach und nach seine Reize verloren und der Ueberzeugung Plaz ge= macht, daß der Tedesco doch noch etwas besser regiere, als der wortreiche Graf Cavour mit seinen fortschrittsmuthigen Schildknappen. Ja selbst den heftigsten Feinden Desterreichs, den eifrigsten Verfechtern der Indipendenza, wie dem verstorbenen Cesare Balbo (Pensieri sulla storia d'Italia. Firenze, Le Monnier 1858. p. 148. 150. 151), hat die Wahrheit dieses Eingeständniß abzuringen vermocht. Nur der piemontestschen Journalistik und den Parteigängern Cavours, wie dem mit dem St. Mauritiusorden dekorirten französischen Verfasser der Broschüre Les Autrichiens en Italie", gelingt es, allen Thatsachen zum Troß das alte Lied fortzusingen, das ihren Interessen dient, wobei sie zuleht zu einer Parallele Anlaß geben, die bei jedem Unbefangenen zum Nachtheil Piemonts ausschlagen muß.

Ich meines Theils verlasse Mailand, das man stets als den Hauptsiß der Unzufriedenheit und der Erbitterung geschildert hat, mit der Ueberzeugung, daß die unter Desterreichs Scepter stehenden Italiener weit zufriedener sind und weit mehr Ursache haben es zu seyn, als ihre Nachbarn im Westen, deren bittere Klagen von Tag zu Tag sich mehren. Sie im Einzelnen zu wiederholen, dürfte nach dem früher von mir Mitgetheilten mehr als überflüssig seyn.

XLI.

Die Gegenkönige Albrecht von Habsburg und Adolph von Nassau.

Im Lichte ihrer Literatur.

In den jüngsten Tagen ist eine besonnene und fleißige Schrift über die genannte Periode der deutschen Geschichte erschienen *), welche um so mehr Interesse erwecken dürfte, als ja allbekannt ist, daß die Geschichtschreibung dem kräftigen K. Albrecht I. gegenüber zuweilen in höchst eigenthümlicher Weise befangen war. Wo die darstellende Geschichte offenbar verfrühte Resultate zu Tage gefördert hat, kann nur durch ernste quellenmäßige Forschung und durch polemischen Vortrag der durch dieselbe gesicherten Ergebnisse einigermaßen abgeholfen werden.

Wenn wir nun dem Verfasser der vorliegenden Arbeit im vollsten Maße Gerechtigkeit angedeihen lassen und seinen Fleiß, seine Quellenkenntniß, seinen combinatorischen Scharfsinn

*) Der Kampf um das Reich zwischen dem römischen Könige Adelph von Nassau und Herzog Albrecht von Desterreich, nach zuverlässtgen und neuen Quellen dargestellt von Dr. L. Schmid, Hauptlehrer an der Realanstalt zu Tübingen. Tübingen 1858, bei C. F. Fuce. 8. 9 Bogen.

gebührend rühmen müssen, so scheint auf der andern Seite ebenso dringend geboten, dasjenige hervorzuheben, was bei einer, den gegebenen Stoff in sachgemäßer Weise erschöpfenden Darstellung etwa noch vermißt werden dürfte.

Beruf und nähere Veranlassung zu eingehenderer Würdigung der zwischen K. Adolph und Herzog Albrecht längere Zeit obwaltenden, und endlich durch blutigen Entscheidungskampf_tragisch gelösten Zwiftigkeiten fand der Verfasser insbesondere durch den Umstand, daß zwei Glieder des hohenbergischen Grafenhauses hiebei sehr thätigen Antheil genommen haben. Schon im Jahre 1853 veröffentlichte Hr. Dr. Schmid seine Geschichte der Pfalzgrafen von Tübingen, eine ziemlich umfangreiche und durch die Beigabe bisher ungedruckter Urkunden entschieden verdienstliche Monographie. An diese, in erster Linie für schwäbische Specialgeschichte fruchtbare, aber auch für die Reichsgeschichte Beiträge liefernde, dynastische Studie soll sich nun eine gleichfalls urkundliche Geschichte der im Jahre 1486 im Mannsstamme ausgestorbenen Grafen von Hohenberg anreihen.

Die Vermuthung, daß diese Grafen eine Abzweigung der Zollern seien, wurde, unseres Wissens, bereits durch den Freiherrn von Stillfried mehrfach ausgesprochen, und auch in Stälins vortrefflicher Geschichte von Wirtemberg (II, 400) vor mehr als zehn Jahren sehr nahe gelegt. Mittlerweile müssen sich diese Vermuthungen zur Gewißheit erhoben haben, da Hr. Dr. Schmid die Grafen von Hohenberg ganz bestimmt als einen Zweig des erlauchten Zoller'schen Geschlechtes bezeichnet. Die näheren Nachweisungen wird seine hoffentlich bald erscheinende Geschichte der Hohenberger geben..

Nun ist aber ein gewaltiger Unterschied zwischen den Veranlassungen zu einer Schrift, und dem in dieser selbst eingenommenen Standpunkte. Daß zwei Hohenberger thätigen Antheil am Kampfe um das Reich nahmen, konnte füglich die Veranlassung zu genaueren Studien über die Wesenheit dieses Kampfes geben, aber es durfte dieser Umstand die ganze Dar

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stellung nicht bis zu dem Grade beeinflussen, als nöthig war, wir zögern nicht, es auszusprechen die Hauptfrage in den Hintergrund zu drängen. Auch das winzigste Stückchen Reichsgeschichte läßt sich nicht füglich in dynastischen Rahmen einspannen.

Freilich ist es eine leidige Thatsache, daß sich die Geschichte unseres herrlichen Vaterlandes gar häufig nach kleinen dynastischen Rücksichten, sowie auch nach demokratischen KirchThurmsinteressen gestalten mußte. Fernerhin ist tausendfältig verbrieft und besiegelt, daß an die Stelle der leidenschaftlichen Principienkämpfe, aus den Tagen der Salier und Staufer, seit der zweiten Hälfte des 13ten Jahrhunderts ein oftmals sehr unerquicklicher Realismus und eine unverkennbare Hinneigung zur Utilitätspolitik treten mußten. Extrema se tangunt!

Und doch war jener dem christlich - germanischen Mittelal= ter Gehalt und Form verleihende, im Papstthum und Kaiserthum seine persönlichen Spizen findende Idealismus keineswegs erstorben, wenn auch keiner der seit dem sogenannten. Interregnum auf den Thron Karls des Großen berufenen Kaiser und Könige dem Systeme der Territorialgewalt als Herr und Meister gewachsen war, und wenn auch die Nachfolger des heiligen Apostelfürsten in ihrer Weltstellung manig fach bedroht werden sollten. Die Symbole regnum und sacerdotium stunden noch immer auf den Fahnen der nur zersplitterten und wohl auch zeitenweise verstummten, aber nicht aufgelösten Parteien.

Was bezweckte nun Herzog Albrecht, als er nach der durch die Müheleistungen seines trefflichen Vaters wieder begehrungswürdig gewordenen Königskrone griff? Wir vermissen eine Antwort auf diese hochwichtige Frage, ja wir können aus der vorliegenden Schrift nichteinmal ersehen, daß sich der Verfasser nachhaltig mit derselben beschäftigt habe. Er hat die Schlacht von Göllheim beschrieben, nicht den Kampf um das Reich.

Herzog Albrecht war eine in ihren charaktermäßigen Eigenschaften so scharfbegrenzte, so völlig entschiedene Persönlichkeit, daß ein überlegtes Wollen, bei einem so wichtigen Schritte, unbedingt angenommen werden muß. König Rudolphs Sohn handelte planmäßig.

Was zuerst, um die Einzelheiten des Schmid'schen Werfes zu prüfen, die Quellennachweisung betrifft, so ist dieselbe vollständig. An der Epiße steht der aus Haupts Zeitschrift bekannte sogenannte „Rheinische Dichter", ein ausgesprochener Verehrer K. Adolphs. Auch Hr. Dr. Schmid hat sich mehr auf die Seite des Nassauers, als auf die des Herzog Albrecht gestellt, woraus wir ihm keinen Vorwurf machen dürfen, da von eigentlicher Parteilichkeit des Verfassers der vorliegenden Schrift durchaus nicht die Rede seyn kann. Ueber den Rheinischen Dichter hätte vielleicht noch beigefügt werden können, daß er den bei Weßlar begüterten Kraft von Greifenstein seinen Herrn nennt (Böhmer Reg. Imp. S. 193).

Der zweite, gleichfalls poetische Berichterstatter über die Schlacht von Göllheim ist Hirzelin, wohl am Oberrhein zu Hause. Dieser steht auf der Seite des Herzogs, kümmert sich aber, wie Böhmer treffend bemerkt hat, um die politische Frage nicht viel, während er ganz vom Elanze und der Schaustellung des Ritterthums erfüllt, und für diese eine prächtige Quelle ist (Fontes II, Vorrede S. XLVII).

Der dritte Poet ist jener uns leider immer noch nicht in einer völlig brauchbaren Ausgabe vorliegende Ottokar (von Horneck), ein ganz entschiedener Gegner K. Adolphs, der, nach seinen Worten, „Sien noch wicz nie gewann". Ueber die Schlacht von Göllheim faßt sich Ottokar sehr kurz. Im Nebrigen ist er eine, wohl immer noch nicht nach Gebühr gewerthete, Hauptquelle für die Geschichte der beiden ersten Könige aus dem Stamme Habsburg. Hr. Dr. Schmid hat den Ottokar fleißig benügt, und viele wichtigen Stellen desselben

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