Page images
PDF
EPUB

die symbolische Schreibekunst einen so hohen Grad von Ausbildung erreicht, als bei den Aegyptern, oder vielmehr ihren Priestern, die im ausschließlichen Besiß derselben waren, wess wegen sie auch die Griechen die Hieroglyphen oder die heilige Schrift nannten. Spuren derselben findet man noch jezt an den Trümmern mehrerer ägyptischen Denkmäler, besonders auf den Obelisken. 1) Der Sinn dieser Hieroglyphen war blos den Priestern bekannt, von welchen eine besondere Klasse sich beständig mit dieser Kunst beschäftigte, und deswegen die Klasse der Bilderschriftausleger hieß. 2) Späterhin wußten ins dessen diese selbst den Sinn der alten Hieroglyphen nicht mehr zu erklären. Denn da derselbe, in Ermangelung einer anderen Schrift, nicht aufgeschrieben, sondern nur durch mündlichen Unterricht fortgepflanzt werden konnte, und man bei fortschreitender Kultur zur Bezeichnung der dadurch erlangten neuen Begriffe stets auch neue Hieroglyphen erfinden mußte: so kam endlich, durch die Menge derselben, der Sinn der alten ganz in Vergessenheit. Auch scheint es, daß der Sinn der symbolischen Bilder nicht bei allen Völkern der nämliche, oder wenigstens nicht bestimmt genug, ja sogar manchmal einer ganz entgegengeseßten Deutung fähig gewesen. Denn als Darius den scythischen König Idanthuras mit Krieg bedrohte, sandte ihm dieser eine Mans, einen Frosch, einen Vogel, einen Pfeil und einen Pflug. Diese symbolischen Geschenke deutete Orontopagas, einer der Feldherren des Darius ganz zum Vortheile der Perser, indem er daraus abnehmen wollte: daß ihnen die Scythen durch die Maus ihre Wohnungen, durch den Frosch ihr Wasser, durch den Vogel die Luft, durch den Pfeil ihre Waffen und durch den Pflug ihre Aecker übergäben. Ganz entgegengeseßt aber war die Meinung des Eiphodres, eines andern persischen Befehlshabers. Wenn wir, sagte er, uns nicht wie die Mäuse in die

1.) Theve not recueil de voyages. II.

2.) Busch a. a. D. S. 300.

Erde verkriechen oder wie die Frösche im Wasser untertauchen, oder wie die Vögel durch die Luft entfliehen, so werden wir den Pfeilen der Scythen nicht entrinnen und demnach nicht in den Besitz ihres Landes kommen. 1) `Um nicht endlich das ganze Thierreich zu symbolisiren, sahen sich die ägyptischen Priester genöthigt, auch willkührliche Zeichen unter die Hiroglyphen aufzunehmen. Dadurch entstand eine gemischte Schrift, deren sich die Priester von nun an hauptsächlich zu ihren wissenschaftlichen Werken bedienten, daher sie auch die Gelehrten oder Priesterschrift hieß, zum Unterschiede von der reinen Hieroglyphenschrift, die bei öffentli chen Denkmälern gebraucht wurde.

S. 4.

Bei allen diesen Fortschritten der Schreibekunst blieb aber dieselbe immer nur auf die Bezeichnung von Sachen und Begriffen beschränkt. Durch die Aufnahme ganz willkührlicher Zeichen unter die Hieroglyphen mußte man indessen båld auf den Gedanken verfallen, auch willkührliche Charaktere für einzelne Worte zu gebrauchen, und bezeichnete nun z. B. ein Haus durch E; ein Kameel durch d; eine Hacke durch P; einen Zahn durch V2) u. s. w.; dadurch entstand nun die vierte oder die Wortschrift.

S. 5.

Man mußte indessen bald zu der Ueberzeugung gelangen, daß diese Art zn schreiben nie vollständig zu erlernen sey, indem deren Erfindung so vieler besonderer Charaktere bedurfte, als die Sprache Wörter hatte. Da nun eine Sprache so wenig, als der Kreis der Begriffe, deren der menschliche Vers stand fähig ist, sich als geschlossen denken läßt, so hätte man für jeden neuen Begriff ein neues Wort und zur Bezeichnung

1.) Clem. Alex. Stromat. L. V. p. 672.

2.) Busch a. a. D. S. 301.

jedes neuen Wortes stets wieder ein neues Zeichen erfinden müssen, wodurch die Zahl derselben bis ins Unendliche verz mehrt worden wäre, und die Menge der besonderen Zeichen weder zu erlernen, noch ihre Bedeutung im Gedächtnisse zu behalten gewesen wäre, wie dieß schon bei den Hieroglyphen der Fall war. Man ging aber noch weiter. Da man nämlich bei Erfindung der Wortzeichen bemerkt, daß jedes Wort aus einer Anzahl von Lauten oder Sylben bestehe, und man nun einmal Alles durch Zeichen auszudrücken suchte, so bemühte man sich auch für jeden Laut der Wörter besondere Zeichen zu erfinden, wodurch dann die fünfte oder die Sylbenschrift entstand, deren sich aber nur wenige Völ fer bedienten. 1)

S. 6.

Hätte diese Erfindung nicht zu einer anderen geführt, so wäre sie der Schreibekunst noch weniger förderlich gewesen, als die Erfindung der Wortschrift; indem die Sylbenschrift noch weit mehr, und zwar so viele besondere Zeichen erfor derte, als Sylben sich in einer Sprache denken lassen. Aber bei genauerer Aufmerksamkeit auf die. Artikulation derselben, fand man, daß jede Sylbe aus einem einfachen Lone oder Selbstlaute, den man mit offenem Munde ausstoße, und etlichen zusammengesetzten Lönen oder Mitlauten bestehe, welche durch Zuthun der Gurgel, oder des Gaumens, oder der Zunge, der Zähne, Lippen oder endlich der Nase hervorgebracht würden. Man brauchte nunmehr nur allen diesen verschiedenen, unendlich scheinenden, an sich aber gar nicht zahlreichen Lönen, aus welchen alle Wörter zusammengeseßt, gewisse Zeichen beizulegen, aus welchen man die Aussprache erkennen könnte, die Buchstabenschrift war erfunden. 1)

und

[ocr errors]

1) Goguet a. a. D.

2.) M. Djenis Eltg. in d, Bücherk. 1. Thl. S. 27.

§. 7.

Der Name dieser Schrift oder vielmehr ihrer Charaktere im Allgemeinen war von jeher bei allen Völkern, je nach seiner Anleitung, verschieden. Die deutsche Benennung „Buchstab" wollen Einige von den hölzernen (buchenen) Stäbchen herleiten, durch welche manche Völker des Alterthums, die noch des Schreibens unkundig waren, sich aus der Ferne ihre Gedanken mitzutheilen suchten. 1) (S. §. 1.) Verschieden ist auch die Meinung hinsichtlich der Ableitung der Gestalt der ältesten Schriftzeichen, die Einige von der Form, welche der Mund bei dem Aussprechen der einzelnen Laute bildet; Andere von den Umrissen der Gefäße, womit man Wasser schöpft; 2) und wieder Andere aus Abkürzungen der Aegyptischen Hieroglyphen 3) herleiten wollen. Eine sehr wahrscheinliche Meinung hierüber äußert Fromann, 4) indem er behauptet: daß man aus der Menge der vorhandenen Zeichen, deren man sich in der Bilderschrift oder vielmehr der Hieroglyphenschrift bedient, so viele Zeichen ausgewählt, als zur Bezeichnung der Löne nöthig gewesen. ,,Man wählte aber," fährt er fort, „solche Zeichen hierzu, deren Name sich mit dem Laute anfing, der dadurch bezeichnet werden sollte; daher erhielten die ältesten morgenländischen Buchstaben solche Benennungen, die nicht nur einen gewissen Laut, sondern auch eine gewisse Sache bezeichneten. Weil z. B. die Figur & in der ältesten Zeichensprache einen Ochsen bezeichnet, der bei den Morgenländern Aleph genannt wurde, so wählte man dieses Zeichen, dessen Name sich mit a anfing, zur Bezeichnung des Lautes a, und nannte es auch Aleph. Desgleichen wählte

1.) Fabricii Allgem. Hist. der Gelehrs. 1r Thl. S. 183. 2.) Intellig. Blatt der Allgem. Lit. Ztg. Jena 1802. Nr. 58. 3.) de Guignes Mem. dans l'histoire de l'Academie des inscriptions XXIX. p. 1 — 26.

4.) Disp. de causis nominum literarum Libr. in seinen opusc. Tom. I. p. 105. 133.

man wegen des Anfangsbuchstabens die Figur, welche Beth heißt, und in der Zeichensprache ein Haus angezeigt hatte, zur Bezeichnung des Buchstabens b, und ebenso die Figur, welche Daleth hieß und eine Thür bedeutet hatte, zur Bezeichnung des Tons d u. s. w. Wir werden weiter unten noch einmal auf diesen Gegenstand zurückkommen.

S. 8.

Durch die Erfindung der Buchstabenschrift konnte die Schreibekunst erst ihren heilsamen Einfluß auf die fortschreitende Geistesbildung, den wechselseitigen Verkehr und alle industrielle und gesellige Verhältnisse der Menschen äussern, welchen Amelang 1) und Andere schon bis in das Kleinste verfolgt haben, weswegen wir uns hier einer so oft wiederholten Schilderung desselben füglich enthalten zu dürfen glauben. — Schon die Alten scheinen eine Ahnung dieses Einflusses gehabt zu haben; denn sie hielten die Erfindung der Buchstabenschrift für so wichtig und übermenschlich groß, daß Einige sie Gott selbst zueigneten, der sie schon dem Adam, nach Anderen aber dem Moses eingegeben. 2) Allein daß sie nicht unmittelbar göttlichen Ursprungs sey, scheint die Unvollkommenheit des hebräischen Alphabets zu verbürgen. Auch läßt sich nicht denken, daß Moses eine so wichtige Eingebung oder Anleitung ganz unerwähnt und ungerühmt gelassen hätte.3) Andere schreiben diese Erfindung ebenfalls dem Vater des Menschengeschlechts oder seinem Sohne Seth oder wenigstens dem Henoch zu, weil, wie sie glauben, die wahre Lehre sich nicht durch bloße, mündliche Ueberlieferung hätte erhalten können.4)

(

1.) melang, von dem Alterthume der Schreibekunst in der

[ocr errors]

Welt, besonders zu Briefen 2c. Leipzig 1800. S. 1. 3. ff.

2.) G. Chr. Hambergers Nachrichten von den vorzüglichsten Schriftstellern, die vom Anfange der Welt bis um 1500 gelebt haben.

3.) Heumann & acta philos. Vol. I. p. 806.

4.) Hamberger a. a. D. §. 3.

« PreviousContinue »