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S. 15.

Ueber das Alter der Buchstabenschrift in Griechenland hat man in neuerer Zeit eine, den Nachrichten der alten flass= sischen Autoren widersprechende Meinung behaupten und dasselbe nicht über die Zeiten Homers hinausseßen, ja sogar diesen selbst der Unkunde im Lesen und Schreiben beschuldigen wollen. Diese leere Behauptung Woods 1) und Merians haben I. G. Amelang und C. F. Weber siegreich widerlegt, so daß wir diesen Meinungsstreit als beendigt ansehen und uns hier einer abermaligen Erörterung desselben enthalten. - Die Namen und die Gestalt der griechischen Buchstaben zeugen für ihre Phönizische Abstammung und die Geschichte seßt dieselbe außer allen Zweifel. Um das Jahr der Welt 2489 oder 1519 vor Christi Geburt kam zur Zeit des atheniensischen Königs Amphictyon, der Phönizier Cadmus, ein Sohn des Agenors mit einer Colonie nach Bootien und brachte den Griechen die Buchstabenschrift.3) Er kam aber nicht unmittelbar aus Phönizien, sondern aus Thebe in Oberägypten, wo die Phönizier, wie zu Memphis, eine Niederlassung hatten, und führte, mit seinem Stamme von dort vertrieben, denselben nach Böotien, wo er zum Andenken an die ägyptische Mutterstadt die gleichnamige Stadt Thebe erbaute, in deren Anfang Herodot den Anfang der Buchstabenschrift seßt. Nach Tacitus und Plinius bestand das dahin gebrachte phönizische Alphabet aus 16, nach Hug aber nur aus 15 Buchstaben und hatte keine Vocale. In diesem Zustande nußte dasselbe in Griechenland nur den Phönizischen und Aegypti

1.) Ant. v. Wood, historia et antiquitates universitatis Oxoniensis etc. Oxf. 1674.

2.) Comment les sciences influent dans la poesie, in Mem. de l'Acad. de Berlin 1790 et 91.

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Diog.

3.) Herodot lib. V. n. 58. . Diod. Sicul. III. 60. Laert. VII, 30. Plinii hist. nat. VII. 57. Clem. Alex. Strom. L. 1. Eusebius Praep. Evang. 1. 10. a. a. D. T. II. p. 56. u. 2. m.

Goguet

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schen Ansiedlern, deren Sprache so beschaffen, daß man in derselben die Vocale entbehren konnte, für die Griechen aber war es ohne dieselben gar nicht brauchbar. Gleichwohl dauerte es noch volle 300 Jahre bis endlich nach 2790, zur Zeit des Trojanischen Krieges, Palamedes die Vocale einführte 1), und dadurch das Alphabet auch für die Griechen brauchbar machte, weswegen ihn Einige für den Erfinder desselben hiel ten. Er veränderte aber nur das Aleph, He, Jod und Ain mit einer kleinen Wendung in a, e, i und o, und mit diesen vier Vocalen behalfen sich die Griechen mehrere Jahrhunderte. Das o mußte die Stelle von u vertreten und erst später nahmen sie das o zum ü; für den Vocalen u hatten sie ein eigenes einfaches Zeichen. Die ältesten griechischen Buchstaben erscheinen auf einer Hermaischen Statüe, die jezt verstümmelt, an der Stelle des alten Sigäums in einem geringen christlichen Dorfe vor der Kirche liegt; ferner in einer Aufschrift auf einem Marmor zu Sklabachori, dem alten Amiklä. Die erste hat Sherard, englischer Consul zu Smyrna, und die andere der Abt Fourmont auf einer gelehrten Reise nach Griechenland entdeckt 2). Die älteste griechische Buchstabenschrift war die Quadratschrift. Diodor bemerkt 3), daß die alten Griechen beständig an den Cadmeischen Buchstaben etwas zu pußen, zu feilen und zu verbessern gefunden hätten. „Erst schrieben sie“, sagt Herodot, „die erhaltenen Buchstaben eben so wie die Phönizier, sowohl nach ihrer Figur und ihren Zügen, als nach ihrer Führung von der Rechten zur Linken. Im Fortgange der Zeit nahmen sie eine Veränderung damit vor. Sie veränderten die Figuren, den Gang der Reihen und die Aussprache, oder die Namen der Buchstaben; und was dann noch von der alten Urschrift,

1.) Hug a. a. D. Meusel Leitfad. z. Gesch. der Gelehrskt. 1ste Abthlg. S. 228.

2.) M. Denis Eltg. in d. Bücherk. 1r Thl. S. 34.

3.) Diod. Sicul. I. 5.

ihr ähnlich, übrig blieb: das nannten sie aus Erkenntlichkeit, wie es auch recht war, Phönizisch.“ Auf Anrathen des

Archiaus Athenäi Sohn wurde unter dem Archon Eukli des im I. d. W. 3634 das griechische Alphabet von 24 Buchstaben zu Athen eingeführt 1); die kleinen griechischen Buchstaben kamen erst im siebenten Jahrhundert nach Christi Geburt in Aufnahme 2).

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Im Jahre 2730 führte Evander, ein Sohn der Nicostrata, die mit der Carmenta und Themis für eine Person gehalten wird, eine Colonie Arkadier nach Latium, und brachte die Kenntniß der griechischen Buchstaben dahin, aus welchen das lateinische Alphabet gebildet wurde 3). Anfangs hatte dasselbe ebenfalls uur 16 Buchstaben und wurde gleich dem Griechischen erst nach und nach ausgebildet, zulegt noch zur Zeit des Kaisers Augustus durch den Buchstaben x vervollständigt 4). Auch die älteste lateinische Schrift war viel größer. Ucberbleibsel derselben findet man unter andern auf dem Grabmahle des L. Scipio Barbatus im IVten Buche der Pariser Ausgabe der Sirmondischen Werke; auf einem Gefäße im 1sten Theile der Wiener Ausgabe der Winkelmann'schen Kunstgeschichte V. Cap.; auf dem Pies destale der im IXten Theile des Thesaurus Italiae Graev. beschriebene Ehrensäule des C. Duillius, und auf der in der kaiserlichen Bibliothek zu Wien befindlichen, ehernen Lafel mit dem Senat Cons. wider die Bacchanalien 5). Die jeßigen kleinen lateinischen Buchstaben kommen zuerst im vierten Jahrhundert vor 6). Auch die Hetruskier erhielten die

1.) Fabricius allgem. Historie d. Gelehrskt. 2r Bd. S 120. 2.) Ebend. Ir S. 114 u. 2r Bd. 415 416.

3.) Dionys Halic. L. I. c. 11 u. 13. Liv. 1. I, 7. Plin. hist.

N. VII, 56.

4.) Lipsius ad Taciti Annal. p. 182.

5.) Denis a. a. D. S. 35. 36.

6.) Fabricius a. a. D. 2r Bd. S. 415. 416.

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Buchstabenschrift von den Griechen und zwar von Dema: ratus aus Korinth, der i. I. 3326 sich in Italien nieders ließ 1) Von den Lateinern zunächst kam die Kenntniß der Buchstabenschrift zu den Römern und von diesen zu den Deutschen2). Die Spanier erhielten sie ohne Zweifel von den Phöniziern über Gades, und die Gallier von den Phocäern, welche Massilia (Marseille) bauten 3).

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Die älteste Schriftart, der sich die Norddeutschen in den frühesten Zeiten bedienten, war die aus 16 Buchstaben bestehende Runenschrift, über deren Ursprung .die vers schiedensten Meinungen herrschen. Einige wollen in dem Alphabet derselben theils griechische und theils verunstaltete römische Buchstaben erkennen, mit welchen aber die Schriftzeichen auf den in der Grafschaft Holsteinsburg gefundenen vielen Runenmünzen kaum eine entfernte Aehnlikeiten. Eine Sage läßt Othin, Odin oder Wodan, der mit den Gothen um 250 n. Chr. G. in den Norden eindrang, zuerst eine Art Buchstaben aus Asien dahin mitbringen. Andere halten die Runen für Phönizischen Ursprungs 5); die Deutschen selbst aber schrieben ihre Erfindung einem Luisco, Luito oder Leut) zu, welcher vermuthlich mit den Laaut eine Person ist. Einige seßen die Einführung der Runenschrift in das dritte, Andere dagegen erst in das fünfte, sechste und siebente Jahrhundert 7). Jeder hat für seine Meinung auch seine eigene Gründe, die aber sämmtlich auf mehr oder weniger wahrscheinlichen Hypothesen beruhen. Da den, so lange in

1.) Corn. Ta c. lib. Aug. hist. II.
2.) Busch a. a. D. 2r Thl. S. 366.

3.) Denis a. a. D. S. 33.

4.) Fabricius a. a. D. 2r Bd. S. 123.

5.) Peter Friedrich Suhms samlede Skrifter. VII. Deel.

1791.

6.) Fabricius a. a. O. 2r Bd. S. 548. 549.

7.) Von Ihre de runarum in Suecia antiquitate. Upsal 1769.

Unwissenheit lebenden, nordischen. Völkern eine eigene Erfins dung von Buchstabenschrift nicht zuzutrauen, über die Ents stehung der Runen aber durchaus keine authentische Nach. richt vorhanden: so müssen wir uns freilich nur mit blosen Vermuthungen einstweilen hierüber begnügen und unterdessen derjenigen folgen, welche die meiste Wahrscheinlichkeit für sich hat. Dieß scheint nun die von Friedrich Schlegel, unter andern in seinen Vorlesungen über alte und neue Lis teratur aufgestellte Hypothese zu seyn, nach welcher die Buchstabenschrift durch die, bekanntlich im höchsten Alterthume schon die Meere und auch die Ostsee befahrenden Phönizier den Anwohnern jener Küsten bekannt wurde und daraus sich die ihnen eigenen Runen bildeten, deren Gebrauch von der ziemlich in sich geschlossenen Priesterkaste bewahrt und von ihr zu mancherlei magischen und vorgeblich zauberischen Künsten angewendet wurde. Die Aehnlichkeit mit manchen Schriftzügen der Römer kann gegen diese Annahme nichts beweisen, da diese ja auch ihre Schrift, wenigstens mittelbar, aus derselben östlichen Quelle erhielten und nothwendig daher eine Urstammverwandtschaft sich zeigen muß. Daß auch in Spanien und anderen südwestlichen Ländern Europas Ueberreste sich von Nunen und Runensteinen (mit Runenschrift bezeich nete Steine, die zu Grab- und Marksteinen dienten) finden, ist aus der Stammverwandtschaft der neuen Bewohner jener Gegenden seit den Zeiten der Völkerwanderung den Einwohnern des alten Germaniens und Skandinaviens sehr leicht erklärlich.

Im sechsten Jahrhundert sollen die Runen von Juden in Großbritannien gelehrt worden und von da erst im siebenten Jahrhundert nach Norwegen gekommen seyn. Als hierauf im eilften Jahrhunderte viel fremde geistliche Engländer, Deutsche und Dänen dahin gekommen und fremde Wissenschaften mitgebracht hätten, sey die Runenschrift verdrängt und statt derselben die lateinische eingeführt worden 1). Die Ru1.) Suhm a. a. D.

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