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Non ergo secundum ordinem universi omnia aeque ac immediate, sed infima per media et inferiora per superiora ad or dinem reducuntur.

Spiritualem autem et dig nitate et nobilitate terrenam quamlibet praecellere potestatem, oportet tanto clarius nos fateri, quanto spiritualia tem. poralia antecellunt. Quod etiam ex decimarum datione, et benedictione, et sanctificatione, ex ipsius potestatis acceptione, ex ipsarum rerum gubernatione claris oculis intuemur.

Nam, veritate testante, spiritualis potestas terrenam pote. statem instituere habet, et judicare, si bona non fuerit.

Sic de ecclesia et ecclesiastica potestate verificatur vaticinium Hieremiae 1):,,Ecce constitui te hodie super gentes et regna" et cetera, quae sequuntur.

Ergo, si deviat terrena potestas, judicabitur a potestate spirituali; sed, si deviat spiritualis minor, a suo superiori; si vero suprema, a solo Deo, non ab homine poterit judicari, testante Apostolo 2):,,Spiritualis homo judicat omnia, ipse autem a nemine judicatur."

1) Hier. I, 10.

2) I. Corinth. II, 15.

Nicht also wird nach der Weltordnung Alles gleichmässig und unmittelbar, sondern das Unterste durch das Mittlere (die Mittelglieder) und das Niedrigere durch das Höhere zur Ordnung gebracht.

Dass aber die geistliche Gewalt sowohl an Würde als auch an Adel jede irdische Gewalt überrage, das müssen wir um so deutlicher bekennen, je mehr das Geistliche dem Weltlichen vorgeht. Das ersehen wir auch ganz deutlich aus der Entrichtung des Zehents, aus der Segnung und Heiligung, aus der Empfangnahme der Gewalt selber, aus der Regierung der Dinge.

Denn nach dem Zeugnisse der Wahrheit hat die geistliche Gewalt die weltliche Gewalt einzusetzen und zu richten (abzusetzen), wenn sie nicht gut war.

So wird von der Kirche und der kirchlichen Gewalt die Weissagung des Jeremias bewahrheitet: ,,Siehe, ich habe Dich heute über die Völker und Reiche gesetzt"

u. s. w.

Folglich wird die weltliche Gewalt, wenn Gewalt, wenn sie vom rechten Wege abweicht, von der geistlichen Gewalt gerichtet werden; aber wenn die geistliche Gewalt vom rechten Wege abgeht, so wird die niedrigere von der höheren gerichtet werden; wenn aber die höchste geistliche Gewalt rechten Wege abirrt, so wird sie von Gott allein, nicht aber von einem Menschen gerichtet werden können, da der Apostel bezeugt: ,,Der geistliche Mensch richtet Alles, wird aber selber von Niemanden gerichtet."

vom

Est autem haec auctoritas, etsi data sit homini, et exerceatur per hominem, non humana, sed potius divina, ore divino Petro data, sibique suisque successoribus in ipso, quem confessus fuit petra, firmata, dicente Domino ipsi Petro 1): ,,Quodcunque ligaveris etc."

Quicunque igitur huic potestati a Deo sic ordinatae resistit, Dei ordinationi resistit, nisi duo, sicut Manichaeus, fingat esse principia, quod falsum et haereticum judicamus, quia, testante Moyse 2), non in principiis, sed in principio coelum Deus creavit et terram.

Porro subesse Romano Pontifici omni humanae creaturae declaramus, dicimus, diffinimus et pronunciamus omnino esse de necessitate salutis.

Dat. Laterani Pont. nostri Ao. VIII. (1302).

1) Matth. XVI, 19. 2) Gen. I, 1.

Es ist aber diese Autorität, wenngleich sie (einem Menschen

verliehen ist und durch einen Menschen ausgeübt wird, keine menschliche, sondern vielmehr eine göttliche, durch göttliches Wort dem Petrus verliehene, ihm und seinen Nachfolgern in ihm, den er Fels genannt hat, zugesicherte, da der Herr zu Petrus selbst sagte:,,Was immer Du gebunden haben wirst u. s. w."

Wer immer daher dieser von Gott so geordneten Gewalt Widerstand leistet, der widersteht der Anordnung Gottes, woferne er nicht zwei Principien annimmt, wie Manichäus, was wir für falsch und häretisch erklären, weil nach dem Zeugnisse des Moses Gott Himmel und Erde nicht in mehreren Principien sondern in Einem Princip erschaffen hat.

Demnach erklären, sagen, definiren und verkündigen wir als des Heils gehörig für jede menschganz und gar zur Nothwendigkeit liche Schöpfung (d. h. jede menschliche Obrigkeit,*) dem römischen Papste unterworfen zu sein.

Gegeben im Lateran, im 8. Jahre unseres Pontificates (1302).

*) Die Richtigkeit dieser Uebersetzung statt der gewöhnlichen: ,,alle Menschen" werde ich weiter unten nachweisen.

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Würde uns nun auch nichts Weiteres bekannt sein über die Entstehungszeit, über die Veranlassung und den Zweck dieser Bulle, so würde sie wohl auf Jedermann den Eindruck machen, sie sei ein von Anfang bis zu Ende lehrhafter oder dogmatischer päpstlicher Erlass. Denn von oben bis unten werden darin Lehrsätze vorgetragen und zwar meist unter. ausdrücklicher Bezugnahme auf Quellen des alten und neuen Testaments. Es sind kurz zusammengefasst folgende:

1) Es gibt nur eine einzige von Christus gestiftete Kirche, die katholisch-apostolische Kirche, ausser welcher kein Heil zu finden ist.

2) Diese Eine und einzige Kirche hat nur Ein Haupt, nicht zwei Häupter, nämlich Christus, seinen Stellvertreter den Petrus und dessen Nachfolger.

3) In dieser Kirche und in ihrer Gewalt befinden sich zwei Schwerter, das geistliche und das weltliche, wovon das erstere von der Kirche selbst zu zücken ist, das andere aber von den weltlichen Herrschern, jedoch nur nach Weisung und Duldung des Papstes.

4) Das eine, das weltliche, Schwert muss unter dem andern, dem geistlichen, Schwerte stehen, und die weltliche Autorität muss der geistlichen Gewalt unterworfen sein.

5) Die geistliche Gewalt überragt an Adel und Würde jede weltliche Gewalt.

6) Die geistliche Gewalt hat die weltliche einzusetzen und zu richten, wenn sie nicht gut ist.

7) Weicht die irdische Gewalt vom rechten Wege ab, so wird sie von der geistlichen Gewalt gerichtet; die fehlende geistliche Gewalt aber kann nur durch ihre eigenen Organe, der Papst selbst aber nur von Gott allein gerichtet werden, m. a. W. die Kirche hat eine Obergewalt über den Staat, erkennt aber keine weltliche Jurisdiction über sich an.

8) Diese kirchliche Gewalt ist, obwohl von Menschen aus. geübt, keine menschliche sondern eine göttliche, dem Petrus und seinen Nachfolgern verliehen.

9) Wer immer sich auflehnt gegen diese von Gott geordnete kirchliche Gewalt, der lehnt sich gegen Gottes Ordnung auf und huldigt dem manichäischen Irrthum, welcher zwei Urprincipien annimmt, während Gott die Welt in Einem Princip erschaffen hat.

10) Endlich ist es zur Erlangung des Heiles nothwendig, zu glauben, dass die weltliche Gewalt (der Staat) (in zeitlichen wie in weltlichen Dingen) dem römischen Papste unterworfen sei.

Alle diese Sätze zusammengefasst ergibt sich also als Hauptinhalt der Bulle die Lehre des Papstes Bonifaz VIII.: dass der Papst der eigentliche, göttlich berechtigte Inhaber der geistlichen und weltlichen Gewalt, folglich zur Einsetzung und Absetzung der weltlichen Fürsten berechtigt, dass in jedem Falle der Staat der Kirche absolut untergeordnet sei.

III. Theologische Begründung dieser Lehre.

Diese Lehre des Papstes Bonifaz war durchaus keine neue, sie war vielmehr, insbesondere seit dem Papste Gregor VII., die in der mittelalterlichen Kirche oder richtiger am päpstlichen Hofe und bei den Curialisten allein accreditirte und soweit möglich auch in der Praxis gehandhabte Lehre, welche man in der modernen Rechtsgeschichte die,,päpstliche Schwertertheorie" zu nennen pflegt.

Der mittelalterliche Sprachgebrauch bezeichnete nämlich unser modernes Wort: Gewalt mit dem Ausdrucke: Schwert, und so sprach man allgemein von einem,,geistlichen“ und einem ,,weltlichen Schwerte (gladius spiritualis et materialis), wenn man von der Kirchengewalt und der Staatsgewalt reden wollte.

Schon im sogenannten Investiturstreite zwischen Papst Gregor VII. und Kaiser Heinrich IV. und sodann während der Kämpfe zwischen den Päpsten und den Hohenstaufen spielte die Frage nach dem Verhältnisse der beiden Schwerter" zu einander die grösste Rolle. Die päpstliche Partei (die Curia

listen oder Welfen) vertrat die Ansicht, dass das weltliche Schwert unter dem geistlichen stehe; die kaiserliche Partei (Ghibellinnen) dagegen trat ein für ein Coordinationsverhältniss der beiden,,Schwerter". 1)

Man suchte nach der Weise der scholastischen mittelalterlichen Wissenschaft auch in dieser Frage (vom Verhältniss des Papstes zum Kaiser oder der Kirche zum Staate) in der heiligen Schrift um Anhaltspunkte und fand eine vermeintlich ganz brauchbare Stelle bei Lucas XXII. 34 ff., wo berichtet wird, dass Christus sich anschickte zum letzten Gang auf den Oelberg. Er weissagt, dass Petrus ihn dreimal verläugnen werde, und wendet sich dann zu den Aposteln mit den Worten:2),,Als ich euch ausgeschickt habe sonder Sack und Tasche und Schuhe, hat euch etwas gemangelt? Sie aber sprachen: Nichts! Da nun sprach er zu ihnen: Doch jetzt, wer einen Sack hat, der nehme ihn, dessgleichen auch eine Tasche; und der's nicht hat, verkaufe sein Kleid und kaufe ein Schwert. Denn ich sage

euch, auch das, was geschrieben ist, muss erfüllet werden an mir, diess,,Und zu Missethätern ward er gerechnet". Denn auch, was mich angeht, hat eine Ende. Sie aber sprachen: Herr, sieh', zwei Schwerter sind da! Er aber sprach zu ihnen: genug ist es. Und er ging hinaus und begab sich nach seiner Gewohnheit zum Oelberge. . ." u. s. w. Als dann Christus von den Juden gefangen genommen werden sollte, sprachen die Apostel zu ihm:,,Herr, wenn wir dreinschlügen mit dem Schwerte?! Und es schlug Einer von ihnen auf des Hohenpriesters Knecht und hieb weg dessen rechtes Ohr. Jesus aber entgegnete und sprach: Lasset es bis soweit! Und er berührte dessen Ohr und heilte ihn." Johannes XVIII. 10-11 erzählt den Vorgang etwas bezeichnender also:,,Simon Petrus nun, der ein Schwert hatte, zückte es und schlug des Hobenpriesters Knecht und hieb dessen rechtes Ohr ab. Es war aber der Name des Knechtes: Malchus. Da sprach Jesus zu Petrus: Thue dein Schwert in die Scheide!“...

1) S. darüber die Ausführung in meiner Schrift: Die Entwickelung der Landeshoheit in Deutschland." 1863. S. 4 ff., besonders Note 4 auf S. 9 ff.

2) Ich citire nach Prof. Dr. Wilh. Reischl: „Die heil. Schriften des neuen Testaments." 1866. S. 318.

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