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Kämpfe werden sich aber erneuern, weil die sich gegenüberstehenden Principien der Kirche und des Staates unversöhnbar sind. Das wird in beiden Heerlagern vielfach verkannt oder richtiger gesagt nicht klar genug erkannt. Das punctum saliens im ganzen Streite ist und bleibt die Bulle Unam sanctam, diese so oft genannte und doch so wenig bekannte und noch weniger richtig verstandene päpstliche Lehrentscheidung aus dem Anfange des 14. Jahrhunderts, welche ich nunmehr zum Gegenstande meiner Abhandlung gewählt habe.

Aber diese Bulle hat nicht blos die grösste Bedeutung für die Frage nach dem Verhältniss von Kirche und Staat, sondern auch eine entscheidende Bedeutung für die andere, unsere Zeit und die Zukunft vielleicht noch auf Jahrhunderte hinaus bewegende Frage nach der Lehre von der päpstlichen Unfehlbarkeit selber. Wäre sie freilich so unverfänglich, wie auch beachtenswerthe Gegner unserer Aufstellung sie darzustellen belieben, dann stünde wenigstens diese wichtigste von allen einschlägigen Bullen einem Frieden zwischen Kirche und Staat oder anders ausgedrückt zwischen der curialistischen oder ultramontanen und der liberalen oder Verfassungspartei in den modernen Staaten, einem Frieden, wie ihn jeder wahre Freund und ergebene Anhänger der Staats- und Kirchengewalt mit allen Fasern seines Gemüthes wünschen muss, nicht im Wege; und auch die so beklagenswerthe, lediglich durch das vaticanische Concil herbeigeführte Trennung der Katholiken in zwei Heer. lager (sogenannte Alt- und Neukatholiken, Fallibilisten und Infallibilisten, Antivaticaner und Vaticaner, oder wie immer sonst man den Gegensatz bezeichnen mag) würde leichter wieder beseitigt werden können.

Ist aber jene Bulle, wie ich beweisen zu können glaube, dogmatisch von oben bis unten, und darf sie nur so gedeutet werden, wie sie wörtlich lautet und wie ihr Erlasser Papst Bonifaz VIII. sie verstanden wissen wollte; dann ist ohne allgemeines Fallenlassen des Dogma's von der päpstlichen Unfehlbarkeit auf einen wahrhaften, dauernden Frieden zwischen dem modernen Staate und der vaticanisch-katholischen Kirche nie und nimmermehr zu rechnen, und die Kluft zwischen Alt- und Neukatholiken muss sich immer mehr erweitern.

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Der endliche Sieg der einen oder anderen Partei in Staat und Kirche hängt aber abgesehen von höherer Fügung Gottes von der Macht der Wahrheit über die Gemüther und Ueberzeugungen der Menschen ab, auf welche zu vertrauen man auch unter den schwierigsten Verhältnissen nicht aufhören darf, und welche zu mehren und zu verstärken die Wissenschaft die unabweisbare Pflicht hat.

Dass ich nun gerade im gegenwärtigen Momente das bezeichnete Thema gewählt habe, hat seinen nächsten Grund darin, dass ich unserem Jubilarius, dem von uns allen ebenso hoch verehrten wie berühmten Processualisten und Rechtshistoriker Herrn Geheimenrath Dr. von Planck, diesem grossen Kenner aller unserer mittelalterlichen Rechtsquellen, nicht besser meine Huldigung darbringen zu können glaube als durch Unterbreitung einer erneuten Prüfung jener Bulle, in welcher das mittelalterliche Papstthum seinen höchsten Triumph feiern wollte, welche aber den Anfang zu seinem jähen Sturze machte. Dabei gebe ich mich gerne der Hoffnung hin, dass meine durch den knapp zugemessenen Raum allerdings sehr beengte Lösung der Aufgabe sich derselben Zustimmung unseres Jubilars zu erfreuen haben möchte, welche derselbe auch dem von mir im Auftrage der Fakultät bearbeiteten Gutachten vom Jahre 1869 zu Theil werden liess. Wenn auch Er fände, dass wir keine Ursache haben, heute irgend Etwas von unseren damaligen Aufstellungen zurückzunehmen, so wäre mir das eine reiche Entschädigung für alle Anfeindungen, welche ich wegen dieses Gutachtens und der daran geknüpften Schrift,,Die Unvereinbarkeit etc." seit einer Reihe von Jahren, theilweise sogar von alten und lieben Freunden, zu erdulden hatte.

II. Wortlaut und Inhalt der Bulle U. S.

Ich halte es für erforderlich oder doch für zweckmässig, die Bulle U. S. im lateinischen Texte sowie in deutscher Uebersetzung neben einander vorauszuschicken, um die Prüfung der späteren Ausführungen jedem Leser zu ermöglichen, beziehungsweise zu erleichtern. Sie lautet also:

Bonifacius VIII. *)

Unam sanctam ecclesiam catholicam et ipsam apostolicam urgente fide credere cogimur et tenere, nosque hanc firmiter credimus et simpliciter confitemur, extra quam nec salus est, nec remissio peccatorum, sponso in Canticis 1) proclamante:,,Una Una est columba mea, perfecta mea. Una est matri suae, electa genetrici suae"; quae unum corpus mysticum repraesentat, cujus caput Christus, Christi vero Deus.

In qua unus Dominus, una fides, unum baptisma. Una nempe fuit diluvii tempore arca Noë, unam ecclesiam praefigurans, quae in uno cubito consummata unum, Noë videlicet, gubernatorem habuit et rectorem, extra quam omnia subsistentia super terram legimus fuisse deleta.

1) cf. Cant. VI. 8.

Eine heilige katholische und auch apostolische Kirche müssen wir nach Vorschrift des Glaubens glauben und festhalten, und wir glauben sie fest und bekennen sie in Einfalt, ausser welcher kein Heil ist und keine Vergebung der Sünden, da der Bräutigam im hohen Liede sagt: Eine ist meine Taube, meine Vollkommene. Eine gehört ihrer Mutter, die Auserwählte ihrer Gebärerin'; welche (Kirche) Einen mystischen Leib darstellt, dessen Haupt Christus ist, Christi (Haupt) aber Gott.

In dieser (Kirche) ist Ein Herr, Ein Glaube, Eine Taufe. Eine Arche des Noe gab es nämlich zur Zeit der Sündfluth, welche die Eine Kirche vorbildete, welche, in Einer Elle vollendet, Einen Steuermann und Lenker hatte, nämlich den Noe. Alles, was ausserhalb ihrer auf Erden sich befand, wurde zerstört, wie wir lesen.

*) Eine Uebersetzung und ausführliche Besprechung dieser Bulle findet sich ausser bei Drumann: ,,Geschichte Bonifacius des Achten" 2 Theile. Königsberg 1852. (Thl. II S. 57 ff.) besonders bei Dr. Josef Hergenrother: ,,Katholische Kirche und christlicher Staat in ihrer geschichtlichen Entwickelung." Freiburg i. Br. 1872 S. 300 ff. Ferner, wenn auch kürzer, bei Dr. W. Molitor. ,,Die Dekretale Per venerabilem von Innocenz III., und ihre Stellung im öffentl. Rechte der Kirche." Münster 1876 S. 83 ff. und bei W. Martens, Dr. der Theol. u. d. Rechte, Regens a. D.: „Die Beziehungen der Ueberordnung, Nebenordnung und Unterordnung zwischen Kirche und Staat." Stuttgart 1877. S. 30 ff.

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Hanc autem veneramur et unicam, dicente Domino in Propheta: Erue a framea, Deus, animam meam ), et de manu canis unicam meam." Pro anima enim, id est pro se ipso, capite simul oravit et corpore, quod corpus unicam scilicet ecclesiam nominavit, propter sponsi, fidei, sacramentorum et caritatis ecclesiae unitatem.

Haec est tunica illa 2) Domini inconsutilis, quae scissa non fuit, sed sorte provenit.

Igitur ecclesiae unius et unicae unum corpus, unum caput, non duo capita, quasi monstrum, Christus videlicet et Christi vicarius Petrus, Petrique successor, dicente Domino ipsi Petro:,,Pasce 3) oves meas."

Meas, inquit, et generaliter, non singulariter has vel illas: per quod commisisse sibi intelligitur universas.

Sive ergo Graeci sive alii se dicant Petro ejusque successoribus non esse commissos: fateantur necesse se de ovibus Christi non esse, dicente Domino in Joanne, unum 4) ovile et unicum esse pastorem.

1) cf. Psalm XXI, 21.

*) cf. Joa. XIX.

3) Joa. XXI. 17.

4) Joa. X, 16.

Diese (Kirche) aber verehren wir auch als die einzige, da der Herr beim Propheten sagt:,,Errette, o Gott, meine Seele vom Schwerte und von der Gewalt des Hundes meine Einzige." Für die Seele nämlich, das ist für sich selbst, Kopf und Leib zugleich, hat er gebetet, welchen Leib er nämlich seine einzige Kirche genannt hat wegen der Einheit) des Bräutigams, des Glaubens, der Sakramente und der Liebe der Kirche.

Diese (Kirche) ist jenes ungenähte Gewand des Herrn, welches nicht zerrissen ward, sondern durch das Loos vertheilt.

Daher hat diese Eine und einzige Kirche Einen Leib, Ein Haupt, nicht zwei Häupter, wie ein Monstrum, nämlich Christus und Christi Stellvertreter den Petrus und des Petrus Nachfolger, da der Herr zu Petrus selbst sagte:,,Weide meine Schafe."

Meine (Schafe), sagte er, und zwar allgemein, nicht im besonderen diese oder jene: Damit hat er ihm augenscheinlich alle anvertraut.

Wenn also die Griechen oder Andere sagen, sie seien dem Petrus und seinen Nachfolgern nicht anvertraut so müssen sie bekennen, dass sie nicht zu den Schafen Christi gehören, da der Herr bei Johannes sagt, es sei Ein Schafstall und Ein Hirt.

In hac ejusque potestate duos esse gladios, spiritualem videlicet et temporalem, evangelicis dictis instruimur. Nam dicentibus Apostolis:,,Ecce gladii duo hic," in ecclesia scilicet, quum apostoli loquerentur, non respondit Dominus, nimis esse, sed satis.

Certe qui in potestate Petri temporalem gladium esse negat, male verbum attendit Domini

proferentis 1):,,Converte gladium tuum in vaginam."

Uterque ergo est in potestate ecclesiae, spiritualis scilicet gladius et materialis. Sed is quidem pro ecclesia, ille vero ab ecclesia exercendus. Ille sacerdotis, is manu regum et militum, sed ad nutum et patientiam sacerdotis.

Oportet autem gladium esse sub gladio, et temporalem auctoritatem spirituali subjici potestati. Nam quum dicat Apostolus:,,Non est potestas nisi a Deo; quae autem 2) sunt, a Deo ordinata sunt," non autem ordinata essent, nisi gladius esset sub gladio, et tanquam inferior reduceretur per alium in suprema. Nam secundum B. Dionysium lex divinitatis est infima per media in suprema reduci.

1) Matth. XXVI, 52.
2) cf. Rom. XIII, 1.

Dass in dieser (Kirche) und in ihrer Gewalt zwei Schwerter sich befinden, ein geistliches nämlich und ein weltliches, darüber werden wir durch die Worte des Denn als

Evangeliums belehrt.

die Apostel sagten:,,Siehe, zwei Schwerter sind hier", nämlich in der Kirche, da ja die Apostel sprachen, so antwortete der Herr nicht, es sei zu viel, sondern es sei genug.

Wer leugnet, dass in der Gewalt des Petrus das weltliche Schwert sich befinde, der achtet sicher schlecht auf das Wort des

Herrn, welcher sagt:,,Stecke

dein Schwert in die Scheide."

Beide Schwerter also sind in der Gewalt der Kirche, das geistliche nämlich und das weltliche. Aber dieses (letztere) ist für die Kirche zu zücken, jenes (erstere) aber von der Kirche. Jenes von der Hand des Priesters (Papstes), dieses von der Hand der Könige und Krieger aber nach dem Winke und der Duldung des Priesters (Papstes).

Es muss aber das eine Schwert unter dem anderen stehen und die weltliche Gewalt (Autorität) der geistlichen unterworfen sein. Denn wenn der Apostel sagt:,,Es ist keine Gewalt ausser von Gott; welche (Gewalten) aber bestehen, die sind von Gott angeordnet," so wären sie doch nicht geordnet, wenn nicht ein Schwert unter dem anderen stünde, und gleichsam als das niedrigere durch das andere (höhere) in die Höhe gezogen würde. Denn nach dem sel. Dionysius ist es ein Gesetz der Gottheit, dass das Unterste durch das Mittlere (die Mittelglieder) zur Höhe gezogen werde.

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