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Die staatliche Genehmigung ist die erste öffentliche Rechtsgrundlage der Existenz eines Tarifes, Rechtskraft bekommt er erst durch gehörige Veröffentlichung, welche durch Innehaltung der Publikationsfrist endgültig begründet wird.

3. Einheitlich legen alle Gesetzgebungen unserer Zeit eine grosse Aufmerksamkeit auf die gehörige Veröffentlichung der Tarife1), weil die Eisenbahnen öffentlichen Zwecken dienen, müssen die Interessentenkreise die Transportbedingungen leicht und zuverlässig erfahren können. In Europa kann man sich über mangelhafte Veröffentlichung kaum beklagen. Ganz ungeheuerliche Misstände bestehen in dieser Hinsicht heute noch trotz den verschiedenen Versuchen der Staaten, ihr Recht geltend zu machen, in Amerika. v. d. Leyen sagt: „Die Eisenbahnen haben stets vortrefflich verstanden, ihre Tätigkeit, insbesondere ihre Tarife geheim zu halten, was sie veröffentlichten, ist entweder ohne Bedeutung, oder absichtlich gefälscht." Auch in der Schweiz hielt es noch in den 60er Jahren äusserst schwer, sich zu orientieren. Oeffentliche Tätigkeits- und Geschäftsberichte gab es bis 1860 keine, bei den Verwaltungen selbst bekam man selten eine einigermassen genügende Auskunft.

Alles was einer staatlichen Genehmigung bedarf, muss veröffentlicht werden 2), dabei muss auf Gemeinverständlichkeit und Zugänglichkeit gesehen werden. Die Bahnverwaltung muss derart für Veröffentlichung sorgen, dass Unkenntnis von Seiten der Interessenten (Bahnpersonal und Publikum) ohne eigenes Verschulden gar nicht denkbar sein kann, nur in diesem Falle ist die Bahn aus ihrer Haftung in dieser Hinsicht entlassen 3). Grund

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1) Hieher gehört auch die Gesamtheit der Modalitäten, mit welcher eine Eisenbahnverwaltung die Beförderung von Personen und Gütern im öffentlichen Verkehre dem Publikum ankündigt. Oberhandelsgericht XI, 108. Eger; „Die Tarifgrundsätze der neuen Eisenbahnverordnung vom 26. Okt. 1899, Berlin 1900, welches Werk hier mehrfach benützt wurde. Rezensionen in „Annalen des deutschen Reiches“, 1901 IV, Nr. 15–17. Bering, „Die Veröffentlichung der Tarife.“

2) T. Regl. § 6, 3. Vollziehungsverordnung, Art. 5 und 6. Transp. G. Art.

305 und R. O. H. Gericht Civ. Senat 77, Nr. 10550.

3) Goldschmidts Zeitschrift IV, 594. Reichsoberhandelsgericht XXI, 108.

sätzlich sollte der ganze Tarif mit Ausrechnungen publiziert werden, doch wird von letzterem immer Umgang genommen. Da viele Tarife nur gewisse lokale oder berufliche Interessentenkreise berühren (z. B. Gütertarife), ist es zulässig, lediglich auf das Erscheinen eines neuen Tarifs aufmerksam zu machen, unter genauer Angabe der betroffenen Strecke, des Gutes, der Wagenklasse etc., sowie die Bezugsquelle und den Bezugspreis1), letzterer ist bei den einzelnen Bahnen verschieden. Wichtig ist besonders das Datum, an welchem der neue Tarif in Kraft tritt 2). Die neue Redaktion der deutschen Verkehrsordnung verbietet die Tarife nur auf dem Instruktionswege, d. h. die Weiterleitung eines Tarifs durch sämtliche interessierte Chargen des Verwaltungspersonals bekannt zu geben. Durch diese Modalität allein würden eben nur die Organe der Bahn unterrichtet, was eine Gefahr heimlicher Vergünstigung einzelner Transportnehmer mit sich bringen würde. Der Instruktionsweg ist für die Verwaltung notwendig, aber hier nur zulässig, wenn er mit gleichzeitiger Kenntnisgabe des Tarifs an das Publikum verbunden ist.

Nach dem bereits Gesagten braucht nicht mehr besonders hervorgehoben zu werden, dass die Tarife so klar abgefasst sein müssen, dass ein Zweifel über ihre Anwendung gar nicht vorliegen kann, solche Unklarheiten fallen nicht etwa den Billetnehmern oder Befrachtern, sondern lediglich der Bahnverwaltung zur Last 3).

Die Publikation selbst erfolgt in amtlichen und Lokalblättern durch öffentliche Anschläge (Plakate, in Frankreich durch Strassenplakate). Das Transport-Reglement verlangt Anschlag der Personentarife, soweit möglich an den Schaltern; von Publikation in Lokalblättern scheint der Bund die Verwaltungen dispensiert zu haben, da eine solche meistens unterbleibt. Die badischen Bahnen kündigen neue und abgeänderte Tarife, soweit sie die Schweiz berühren, in den „Basler Nachrichten" an, jedoch nur

1) T. R., § 6, Abs. 9 am Ende.

2) Reichs-O. H. G. XXI, 243.

3) Allgemeiner Tarifanzeiger XVII, Nr. 29, S. 384.

infolge einer Uebung 1).

Schweizer-Verwaltungen publizieren internationale Tarife in der „Zeitung des Vereins deutscher Eisenbahn-Verwaltungen". Amtliches obligatorisches Publikationsorgan ist in der Schweiz das „Publikationsorgan für Transport- und Tarifwesen", welches als Beilage zum Bundesblatt erscheint. Im Deutschen Reiche sind hiefür bestimmt der „Reichsanzeiger“ und das bereits erwähnte Vereinsorgan, in Oesterreich das „EisenbahnVerordnungsblatt", welche alle spezielle Beilagen für Tarife besitzen. Von Deutschland und Oesterreich gemeinsam wird der Allgemeine Tarifanzeiger" benützt. Die schweiz. Bundesbahnen veröffentlichen ihre Tarife seit dem 1. Januar 1902 im „Eisenbahnamtsblatt“ und als Mitglied des Eisenbahnverbandes im „Publikationsorgan".

4. Für die Publikation, welche nach erfolgter Genehmigung eines Tarifes zu erfolgen hat, wenn die Genehmigung nicht dahinfallen soll 2), besteht eine strenge Haftpflicht der Verwaltungen.

Jeden Schaden für ungehörige oder gar unterlassene Publikation trägt die Bahn selbst, im letzteren Falle ist der Tarif nichtig (Art. 2). Das materielle Mittel der Publikation ist der Druck. Die Bahn haftet für jeden Druckfehler, jede Unrichtigkeit, kurz für genaues Uebereinstimmen mit dem genehmigten Originaltarife. Das Publikum ist nur an gehörig veröffentlichte Tarife gebunden; daraus folgt, dass, wenn infolge eines Druckfehlers eine Taxe zu hoch berechnet wurde, die Bahn das Zuvielbezahlte vergüten muss 3). Aus gleicher Veranlassung, sagt Eger) im Anschluss an ein Urteil des Reichsgerichts, kann die Bahn zu wenig Bezogenes nachfordern, doch könnte hier der Nachzahlungspflichtige den ihm erwachsenen Schaden compensando in Anrechnung bringen. Doch ist zu entgegnen, dass hier doch ein Publikationsfehler vorliegt, und dass aus eigenem Verschulden niemand einen Vorteil ziehen kann. Dem Transport

1) Mitteilung von Herrn Direktor Bronner, Basel.

2) Vollz.-Verordnung, Art. 2.

3) Reichsger. Civ. S., VI. 100 — 105.

4) Frachtrecht, II. Aufl. 395.

nehmer wird ein Entschädigungsanspruch eingeräumt, wenn er durch Publikationsfehler zu hohe Sätze entrichtete, während seine Konkurrenten (es kann sich im Güterverkehr um bedeutende Summen handeln) vom zeitweiligen Fortbestehen billigerer Sätze Kenntnis hatten. In diesem Falle liegt jedoch dem Geschädigten der Culpa- und Schadenbeweis ob1). Was hier gesagt wurde, ist hauptsächlich theoretischer Natur, besonders im Personenverkehr wird es oft schwer, wenn nicht unmöglich sein, z. B. für den Erwerber eines einfachen Billets nachträglich eine Klage anzuheben, da seine Identität in praxi in den seltensten Fällen festzustellen sein wird. Art. 11 des T.-R. nimmt auch die Bahn gegen solche Klagen gewissermassen in Schutz. Ein grosser Teil der Entscheidungen, welche wir hier anführen, betrifft eigentlich den Güterverkehr, doch haben wir vorab diejenigen benutzt, welche sich auch auf den Personenverkehr anwenden lassen. Leider war an schweizerischem Material so gut wie nichts zu finden. In Streitigkeiten über die Anwendung von Tarifen sind die ordentlichen erstinstanzlichen Gerichte kompetent, welche ihre Entscheidungen gewöhnlich nicht zu publizieren pflegen, die Berufungsinstanzen aber wurden fast nie angegangen. In sämtlichen Entscheidungen des zürcherischen Obergerichts war kein einziger einschlägiger Fall zu finden, ebenso waren Nachforschungen in Luzern und Bern erfolglos. Wir können uns dieses Fehlen von Entscheidungen leicht dadurch erklären, dass das Publikum, als die Privatbahnen noch allmächtig waren, diese nach Willkür schalten und walten lassen musste, der Staat hatte sich ja so gut wie ganz seiner Kontrollrechte begeben. Zahlreich sind die Entscheidungen überhaupt nur in Ländern, wo das Staatsbahnsystem hoch entwickelt ist; dort werden auch die Privatbahnen viel strenger kontrolliert. Durch eine Verfügung des Reichseisenbahnamtes 2) sind die Bahnen gehalten, Tariferhöhungen ausdrücklich als solche anzukündigen, auch sind die

1) Reichs-Ober-Handelsger., XX 373.

2) XX, Nr. 608.

Publikationsfristen für diese länger; die Schweiz kennt in dieser Hinsicht nur die Verlängerung der Publikationsfristen 1).

5. Die Publikation eines Tarifs muss eine bestimmte Zeit vor seinem Inkrafttreten erfolgen und es sind diese Fristen durch die Gesetzgebung genau normiert. Wie schon gesagt für Tariferhöhungen wenigstens drei Monate, für jede andere Veröffentlichung 14 Tage"). Der Charakter dieser Publikationsfrist ist nirgends definiert; man könnte sie als eine Einsprachefrist betrachten, doch ist ein Tarif durch Genehmigung und Publikation an und für sich rechtlich konstituiert und rechtskräftig, darf jedoch erst nach Ablauf der Frist angewendet werden. Diese Frist hat nun aber lediglich den Zweck, die Interessenten (Bahnverwaltung und Publikum) in die Lage zu versetzen, sich auf das Inkrafttreten des Tarifs gefasst zu machen, eventuell ihre Vorbereitung zu treffen. Bei Tariferhöhungen kann z. B. ein Kaufmann mit Vorteil während der monatlichen Frist Ware mit billigen Transportspesen beziehen und Vorräte für die Dauer der vorgesehenen Tariferhöhung ansammeln.

Wenn nun die Publikationsfrist innegehalten wird, steht der Tarif mit voller Rechtskraft da und kann bis zu seiner Endigung angewendet werden. Der Endigung eines Tarifs geht ordentlicherweise eine Kündigung voran. Es bestehen aber Vorschriften über die Minimaldauer der Tarife, diese beträgt für Herabsetzungen, im Personenverkehr mindestens drei Monate, im Güterverkehr mindestens ein Jahr 3). Erhöhungen können jederzeit rückgängig gemacht werden, Abänderungen unterliegen dem gleichen Geschäftsgange und den entsprechenden Fristen wie oben.

Ein rechtskräftiger Tarif kann auch von der Staatsgewalt nur im Einverständnis mit der Gesellschaft revidiert werden, vorbehalten die Zwangsmassregeln von Art. 35, des Eisenbahngesetzes. Auf einen einmal publizierten Tarif kann von amts

1) Wenigstens 3 Monate. Eisenbahnges. 355.

2) Eisenbahnges. 355; T.-R. § 6.

3) Eisenbahnges. § 355.

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