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Beide Vereinigungen schufen nur eine formelle Einheit, die Höhe der Taxen blieb der Willkür der Konzessionen anheim gestellt, sie bedeuteten somit nur einen kleinen Fortschritt. Auch die Gesellschaft kümmerte sich wenig um die Vereinigung. 1866 führte die Suisse-Occidentale, 1868 die C. B. einen neuen Gütertarif ein, welcher sich nur formell derselben anschloss. Die bernischen Staatsbahnen (J. B. L.) zeigen sich auch wenig fortschrittlich, da das Gesetz über Organisation und Betrieb derselben vom 3. Juni 1869, die Klassifikation dem Verwaltungsrat unter Vorbehalt seitens der Regierung einräumt, doch zeigte dieser Staatsbetrieb hinsichtlich seiner Tarifvorschriften einen nicht unerheblichen Fortschritt gegenüber den gleichzeitigen Konzessionen. (Art. 41–48 d. G.).

Diese Reformversuche im Gütertarifwesen liessen die Personentarife ganz unberührt, wenn auch Reklamationen laut wurden, so wurden sie massgebendenorts nicht berücksichtigt und gar nicht beachtet.

Fieberhaft wurde am Ausbau des Eisenbahnnetzes gearbeitet, Konzession über Konzession erteilt 1), bis Ende der 60 er Jahre die Eisenbahnkrisis und das Gotthardprojekt den Bund zu ernstem Aufsehen mahnte. Erst der mehrfach erwähnte „Gotthardvertrag“ von 18692), welchen der Bundesrat einzig im Vertrauen auf den Scharfblick der eidgenössischen Räte eigentlich auf seine Verantwortlichkeit unterzeichnet hatte, sollte unsere Tarifpolitiker in zentralistische Bahnen lenken. Der Bund hatte gegenüber den Vertragsstaaten Verpflichtungen eingegangen, welche durchzuführen er gemäss dem damaligen Stande der Gesetzgebung keine Kompetenzen hatte. Die Bundesversammlung ging nun ans Werk und erliess am 23. Dezember 1872 das heute noch geltende Eisenbahngesetz, dazu am 1. Februar 1875 eine Ver

1) Bauliche Entwicklung der Schweiz. Eisenbahnen. Botschaft vom 25. März 1897 (Rückkauf), S. 16–22, bezw. 29.

2) Meili, Das Recht moderner Verkehrs- und Transportanstalten, S. 74 (relevante Bestimmungen). Vollständig A. S. X. 555, 230, 583 und Wanner: Geschichte und Begründung des Gotthardunternehmens (Nachträge) A. S. Nr. 7, III, 191. Blumer II, 56-65. E. A. II, 24; V. 176, 177, 183, 233, 234; VI, 6, 139 140.

ordnung, welche aber nur die Vorlage behufs Konzessionserwerbung, Bauausführung, Finanzausweis etc. betrifft 1). In Vollziehung von Art. 36 des Gesetzes arbeitete der Bund ein einheitliches Transportreglement aus, 9. Juni 18762).

Wir haben auf die dem Bunde durch die neue Gesetzgebung (speziell das Eisenbahngesetz) eingeräumte Kompetenzen hinsichtlich des Tarifwesens nicht mehr einzutreten, im Kapitel I wurden diese erörtert. Eine neue Periode des Eisenbahnwesens begann mit dem Jahre 1872 3) und wird ihren Abschluss erst finden wenn alle Hauptbahnen vom Bunde zurückgekauft sein werden.

Das Tarifwesen hat sich mächtig entwickelt, besonders seit Anfang der 80er Jahre kamen eine Menge Neuerungen zur Durchführung, welche zur Steigerung unseres Verkehrs mächtig beitrugen. Als neue Elemente kamen zahlreiche Bergbahnen hinzu, welche teils im Betriebe von grossen Gesellschaften (J.-S.) stehen, teils selbständig begründet wurden. Ihnen scheint eine selbständige Entwicklung bevorzustehen, da sie im allgemeinen von der Rückkauf kompagnie nicht berührt werden 1).

Was die Entwicklung ermöglichte, war in erster Linie die ziemlich straffe Zentralisation des gesamten Eisenbahnwesens. Man kann sich nicht verhehlen, dass diese Reaktion in unserer Politik auch diesmal wieder von aussen her, durch den Druck der Signatarmächte des Gotthardvertrages, veranlasst wurde. 1872 ging das Konzessionsrecht, welches früher von den Kan

1) E. A. I, 7; III, V. 31.

2) Transport-Reglement der Schweiz. Eisenbahn- und Dampfschiffunternehmungen vom 1. Januar 1894. E. A. XI, 93. Neuausgabe, revidiert unter Ausdehnung auf Dampfschiffunternehmungen, II. Dezember 1893. Nachträge (17. Mai 1899); II (17. Sept. 1ço1). Separat erschienen sind dazu: Anl. V., 17. März 1899, ferner Anhang III vom 3. Dezember 1900.

3) Der wichtige Eröffnungsakt für dieselbe war die Schaffung der Normalkonzession von 1873, vergl. § 14.

4) In neuerer Zeit regt sich im Kanton Bern der Staatsbahngedanke wieder bedeutend, eine umfangreiche interne Rückkaufskompagnie ist dort durch den bereits eingeleiteten Rückkauf der Berner Oberlandbahnen eröffnet worden.

tonen ausgeübt wurde, ganz und gar an den Bund über, die Kantone haben nur bei den vorbereitenden Verhandlungen mitzuwirken (Art. 1), Statuten etc. unterliegen nun der Genehmigung des Bundes. Jede neue Linie bedarf amtlicher Kollaudation, die Brief und Fahrpost muss unentgeltlich von den Bahnen befördert werden. Dem Bunde wird ferner die Gesetzgebung über die Rechtsverhältnisse des Frachtverkehrs und der Spedition auf Eisenbahnen vorbehalten, ebenso die Haftpflichtgesetzgebung.

Als die Normalkonzession 1873 in Kraft trat, war vor kaum Jahresfrist im Gütertarifwesen durch eine schon erwähnte Vereinbarung eine formelle Reform durchgeführt worden, bei welcher man es bis 1882 bewenden liess 1). Am 5. September dieses Jahres fasste der Bundesrat einen Beschluss bezüglich Anwendung von Staffeltarifen). Ihre Verwendung wurde erlaubt, aber in dem Sinne, dass es nicht zulässig sei, „bei der Bildung von direkten und Transittarifen Staffeltarife an proportional gerechnete Tarife anzustossen oder zwei oder mehrere Staffeln zu kumulieren." Dieser Verfügung mussten die ostschweizerischen Staffeltarife weichen und wurden nicht mehr ersetzt. Zu bemerken ist hier, dass Staffeltarife weder in den alten noch in den neuen Konzessionen vorgesehen waren. Sie wurden zwar vom Bunde, wie wir sehen, deshalb nicht angefochten, sondern nur weil sie Art. 35 des Eisenbahngesetzes widersprachen. 1876 hatten die Verwaltungen den Bund ersucht, die Tariffrage zu studieren, da die damaligen Misstände unerträglich geworden waren, doch blieb die Angelegenheit unerledigt.

Erst am 26. Juni 18833) fasste die Bundesversammlung einen Beschluss: „Der Bundesrat wird eingeladen.......... c) das Tarifwesen

1) Frey, das Projekt „einer Fusion der S.-C.-B. und N.-O.-B., Aarau 1893“. Tabellen III, a, b, c und d.

2) Niggli, S. 110 ff. und Ulrich, Eisenbahntarifwesen, S. 371 ff.

3) Gleichzeitig machte der Bund seinen ersten missglückten Verstaatlichungsversuch 1883, dem 1888, 1887/88, 1890. 1891 weitere folgten, die jedoch auch keinen befriedigenden Abschluss fanden und die jetzige Kompagnie nur vorbereiteten. (Kurze Darstellung derselben Rückkaufsbotschaft wie 25. März 1897, S. 29-44.)

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der schweizerischen Eisenbahnen einer gründlichen Prüfung zu unterziehen und Bericht und Antrag über Abstellung diesfalls etwa sich ergebender Misstände zu hinterbringen." Am 23. November gleichen Jahres erstattete der Bundesrat den gewünschten Bericht. Mit keinem Worte wird darin des Personentarifwesens gedacht, gewiss waren viele hierüber enttäuscht und mit vollem Rechte, aber anstatt auch eine Prüfung desselben zu verlangen, liess man ruhig die Sache liegen.

§ 12. Meinungsaustausch über die Personentarifreform
zwischen Bund und Eisenbahnverband.

Jahre verflossen, ohne dass sich jemand um die dringend notwendige Personentarifreform bekümmerte.

Endlich beauftragte das Eisenbahndepartement seinen Inspektor für das Tarifwesen, Herrn Farner, ein Memorial über die Reform der Personentarife auszuarbeiten, welches am 27. Mai 1889 erschien. „Die ursprünglichen Reformvorschläge, sagt das Memorial, gingen denn auch grundsätzlich darauf aus, im Personenverkehr eine billige Einheitstaxe für alle Entfernungen einzuführen, welche zu Gunsten des Lokalverkehrs durch besonders ermässigte Sätze amendiert werden könnte." Es ist dies der Standpunkt, welcher dem Verfasser als geeignete Operationsbasis erschien. Mit Recht bekämpft er den damaligen, ja heute noch bestehenden Uebelstand, dass man anstatt allgemeine Ermässigung durchzuführen, immer neue ausnahmsweise Ermässigungen gewährt.

Ausgehend von dem richtigen Grundsatze, dass eine billige Einheitstaxe nur durch entsprechende Verkehrssteigerung kompensiert werden könne, stellte Herr Farner folgende Postulate auf:

1. Vereinfachung des Tax- und Kontrollwesens, Erleich-
terung des Vertrages und Abrechnungsverhältnisses
zwischen den Verwaltungen; es würde dies Verminde-
rung der Betriebsausgaben zur Folge haben,
2. Erhöhung des Verkehrs durch Verbilligung,

3. Verbesserung und Vereinfachung des Billetsystems, die Einführung von Zonentarifen, denen er gar nicht abhold ist, behält er besonderer Erwägung vor.

Ausnahmen von den Normaltaxen will er nur für Militär, Polizei, Abonnenten und den Nahverkehr einräumen. Zu letzteren gehören hauptsächlich die Arbeiter, welche er mit Recht so günstig stellen will wie möglich. Je länger je mehr werden die Arbeiter gezwungen, vom Arbeitslokal entfernt Wohnungen zu nehmen, da das Leben in den Zentren zu teuer ist, wenn sie auf dem Lande billig wohnen können, werden sie eher in die Lage versetzt, sich bequemer einzurichten, eventuell sogar einen kleinen Grundbesitz zu erwerben. Das Eisenbahndepartement kann nicht eingehend alle Lokalverhältnisse prüfen, „es sind also in erster Linie die Gesellschaften, welche zu erwägen haben werden, ob und in welchem Umfange sie auf eine Tarifreform eingehen wollen, die eine Ermässigung der Taxen unter das konzessionsgemässe Maximum zum Ziele hat, und es ist anzunehmen, dass sie sich beeilen werden, zu Experimenten zu schreiten, deren Erfolg wirklich nicht vorberechnet werden kann. Es steht dem nicht bloss der Wunsch der Gesellschaften, die Finanzlage keiner Gefährdung auszusetzen, sondern auch das Interesse entgegen, während der Zeit, deren Betriebsergebnisse für den Rückkauf massgebend sein sollen, die Einnahmen möglichst wenig Schwankungen nach unten auszusetzen."

Die im Memorial beantragten Grundtaxen für einfache Fahrt sind folgende: III. Kl. 3,75 Cts. II. Kl. 5,625 I. Kl. 9,375

Der Durchschnitt der heutigen Taxen beträgt:

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Die Memorialsätze", wie wir uns erlauben, sie zu nennen, entsprechen somit dem Durchschnitt der geltenden Taxen für Hin- und Rückfahrt.

Unter diesen Bedingungen gäbe es keinen Retourrabatt mehr. Es würde überdies eine grosse Vereinfachung und Verbilligung des Billetsystems entstehen, da dadurch eine Reform eingeführt würde, gemäss welcher eine beliebige Anzahl Billete, wohl in

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