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welche nach 1872 erteilt wurden, kennen diese Vergünstigung, in die alten wurden sie nachträglich eingefügt.

§ 17. II. Ausnahmetarife.

Ausnahmetarife sind solche, welche in den Konzessionen teils nicht ausdrücklich normiert, teils allgemein nicht vorgesehen sind, jedenfalls solche, die von den oben angeführten abweichen, und die grundsätzlich Ermässigungen gegenüber den Normaltarifen bezwecken.

Die Veranlassungen solcher Tarife können verschiedener Natur sein.

1. Verkehrsbedürfnisse, d. h. Steigerung des Verkehrs und dadurch Deckung der daraus entstehenden, verhältnismässig nicht sehr hohen Mehrkosten für die Bahn. 2. Verbilligung des Verkehrs für ärmere Klassen, dadurch Hebung der Volkswohlfahrt und des Bildungsgrades.

Dementsprechend können wir die Ausnahmetarife in solche unterscheiden, welche a) jedermann zugänglich sind und b) solche, die nur unter Berücksichtigung der Person Anwendung finden. a) Zu den ersteren gehören:

1. Sonn- und Festtagsbillets,

2. Rundreisebillets (feste und kombinierbare),

3. Gewöhnliche Abonnements.

a) Jedermann zugängliche Ausnahmetarife.

§ 18. Sonn- und Festtagbillets.

Die Sonn- und Festtagsbillets sind grundsätzlich in ihrer Gültigkeitsdauer auf den Ausgabetag beschränkt, zunächst kommen nur die Sonntage und ordentlichen staatlichen Feiertage in Betracht, diese zu bestimmen sind die kantonalen und Bundesbehörden kompetent. Ausserordentlicherweise anerkennt

die Bahn, meist in Uebereinstimmung mit der betreffenden Behörde, einen oder mehrere Tage als Festtage (Schützenfeste, Bundesfeiern etc.). Oft proklamieren die Bahnen von sich aus für ihr ganzes Netz oder eine Relation „Festtagstaxen". Sonnund ordentliche Festtagsbillets bestehen einzig regelmässig bei der Jura-Simplonbahn 1).

Die ausserordentlichen Festtagsbillets enthalten oft Nebengebühren, z. B. Ausstellungsbillets (Eintrittsgebühr), daran kann die Bedingung geknüpft werden, dass das Billet nur zur Rückfahrt gültig ist, wenn die Ausstellung besucht wurde. Auch kommt es vor, dass Verpflegung und Logis in der Taxe inbegriffen ist (Pariser Weltausstellung). Diese Billets, „ordentliche“ und „ausserordentliche", sind besonders in der welschen Schweiz sehr beliebt und einlässlich reglementiert 2). Heute bestehen die „ordentlichen“ nur bei der Jura-Simplonbahn, die S. C. B. hat sie abgeschafft, unter Beibehaltung der „ausserordentlichen". Diese Änderung erfolgte, als die Gesellschaft ihre Retourtaxen bedeutend erniedrigte 3), eine Reform, die hauptsächlich dem fahrenden Publikum II. und III. Klasse sehr zu statten kam 1).

Die Praxis schwankt in der deutschen Schweiz bedeutend, einzelne Gesellschaften kennen die Sonntagsvergünstigungen überhaupt nicht und fördern den Sonntagsverkehr lediglich durch Extrazüge (N. O. B.). Nur in ganz seltenen Fällen wird dem Festpublikum, ausser durch Einschaltung einer Anzahl Züge, durch Auslieferung von einfachen Billets, welche zur Rückfahrt berechtigen, eine Verkehrserleichterung gewährt. Im allgemeinen schwanken nach Angaben des „Administrativen Inspektorats 5) derartige Rabatte in der Schweiz zwischen 30 und 50%.

1) Rückkaufsbotschaft I, S. 69.

2) Jura-Simplon-Spezialtarif vom 1. Okt. 1899 mit zwei Nachträgen von 1900. 3) I. Januar 1896.

1) Die neuen Rabatte betragen gegenüber und in Anrechnung der Taxen der 70er Jahre: 20% auf den Taxen der doppelten einfachen Fahrt I. KI.

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§ 19. Die Rundreisebillets.

Zur Förderung des Massenverkehrs wurde in der Schweiz in den letzten Jahren sehr viel getan; unser Land, das vom Touristenverkehr sehr begünstigt ist, eignet sich hiezu auch ganz vorzüglich. Da durch Rundreisen viele Verwaltungen berührt werden, fallen hier notgedrungen die Grenzen der Verwaltungsgebiete, oft sogar des Landes ganz ausser Betracht. Verbände, in der Schweiz der „Eisenbahnverband", treten an die Stelle der Einzelunternehmungen und gemeinsam werden die Touren, für welche man Billets ausgeben will, festgesetzt und das Verrechnungssystem geregelt'). Gemeinsam werden die Relationen angekündigt. Grundsätzlich darf nur in einer Richtung, in der einmal angetretenen, die Rundfahrt ausgeführt werden.

In erster Linie fallen hier die festen Rundreisebillets in Betracht, sie werden meistens an allen grösseren Stationen ausgegeben und können nicht abgeändert werden. Der Rabatt, welcher gewährt wird, schwankt gewöhnlich zwischen 25 und 30% und erreicht im Maximum 40%. Die Gültigkeitsdauer schwankt zwischen 10 und 45 Tagen, bedeutet also auch in finanzieller Beziehung eine ausserordentlich grosse Vergünstigung gegenüber den Retourbillets. Die Fahrt kann beliebig unterbrochen werden, während z. B. in Oesterreich, es immer eines Visum der Haltstationen bedarf.

Grössere Bequemlichkeiten bieten dem Reisenden die kombinierbaren Rundreisebillets, welche ihm in der Wahl der Route die grösste Freiheit lassen, vorausgesetzt, dass die Teilstrecken sich ununterbrochen folgen. Unterwegs können andere Routen nachgetragen oder bestehende abgeändert werden. Diese kombinierbaren Billets wurden auf Vorgang der Reisefirma Cook,

1) In der Schweiz besteht ein vertraglich geordnetes Clearingsystem. Verrechnungsstelle ist die Präsidialverwaltung des schweiz. Eisenbahnverbandes, z. Z. die Jura-Simplon-Verwaltung. Ueber Clearingsystem, vgl. Reizenstein „Ueber einige Verw.-Einrichtungen des Tarifwesens auf den Eisenbahnen Englands." Berlin 1876, S. 159-195.

welche heute Relationen in der ganzen Welt besitzt, eingeführt und bewähren sich ganz vorzüglich. Sie unterscheiden sich von den ersteren dadurch, dass sie immer auf den Namen lauten, während die übrigen als gewöhnliche Rabattbillets nur den Charakter von Namenpapieren besitzen. Sie sind an eine weitere Bedingung geknüpft, dass die abzufahrende Strecke im Minimum von der Abgangsstation zu dieser zurück 200 km betrage. Ihre Gültigkeitsdauer beträgt rundweg 45 Tage, doch gibt es ausnahmsweise im internationalen Verkehr solche für 60 Tage. Für den internen Verkehr hat der Eisenbahnverband ein Verzeichnis der kombinierbaren Rundreisebillete" gültig vom 1. Mai 1900 an (neueste Auflage) herausgegeben.

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Ein Mittelding zwischen den Rundreisebillets und den gewöhnlichen Abonnements bilden die sogen. Generalabonnements, welche auf den Namen lauten und gewöhnlich mit dem Bild (Photographie) des Berechtigten versehen sein müssen. Sie werden gegen Vorausbezahlung einer Aversalsumme ausgestellt und berechtigen zur ganz willkürlichen Befahrung, in der einmal gewählten Klasse, aller Linien und Dampfschiffunternehmungen, welche der Vereinigung angehören. Sie sind eine speziell schweizerische Einrichtung, die durch Einführung von Kilometerheften in Baden und „Landeskarten" in Württemberg veranlasst wurde. Fast alle schweizerischen Bahnen mit Ausnahme der

Hochgebirgsbahnen gehören derselben an. Durch Tarif vom 1. Januar 1901 wird die Einrichtung in 18 Artikel genau reglementiert. Es gibt Generalabonnements zu 15 und 30 Tagen, 3, 6 und 12 Monaten, für eine Person, ferner für zwei Personen in einer Geschäftsfirma 1). Für Kinder und Militär wird hier keine Ermässigung gewährt.

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Diese ausserordentliche Vergünstigung kommt jedoch nur der Geschäftswelt zu statten, welche im stande ist, eine so grosse Aversalsumme auf einmal zu bezahlen. Die Bahnen laufen allerdings Gefahr, dass viel mehr abgefahren wird, als der Gegenwert der eingezahlten Summe, doch wird dies durch die nicht vollkommene Ausnützung anderer Abonnements wieder in reichem Masse kompensiert. Am 1. Juni 1898 wurden diese Billets eingeführt und erfreuen sich heute eines ganz gewaltigen Zuspruchs. Als Berechnungsgrundlage dient der Durchschnitt der abgefahrenen Personenkilometer (Eisenbahnstatistik). Der gewährte Rabatt beträgt 50%. Die Generalabonnements von kurzer Gültigkeitsdauer (bis drei Monate) dienen hauptsächlich der Touristenwelt, die längeren vorzugsweise der Handelswelt1).

§ 20. Die gewöhnlichen Abonnements.

Die bisher besprochenen Tarife, besonders die beiden letzten, heben wohl den Verkehr bedeutend, sind aber doch nur für die bemittelten Schichten der Verkehrswelt erreichbar. Sie verlangen ziemlich hohe disponible Summen, und begünstigen einseitig nur den Fernverkehr. Der Nahverkehr findet erst bei den gewöhnlichen Abonnements Berücksichtigung.

„Abonnement ist ein Vertrag, bei welchem die eine Partei eine gewisse Reihe von Leistungen durch Vorausentrichtung an die andere in einem Gesamtbetrage liefert, welcher niedriger ist, als die mutmassliche Summe der Einzelleistungen. Dieses System deckt sich im allgemeinen mit der Pauschalierung)..." Die gewöhnlichen Abonnements haben mit den Generalabonnements nur die Pauschalierung gemein, ihre wesentliche Eigentümlichkeit ist, dass sie lediglich zur mehrmaligen Befahrung ein und derselben

1) Früher konnten Handelsreisende durch Vorausbezahlung einer Aversalsumme die Berechtigung erwerben, auf den betreffenden Eisenbahnnetzen (z. B. N.-O.-B.) überall zu halber Taxe zu fahren, mit den Generalabonnements verschwand diese Vergünstigung.

2) Elster I, S. 3.

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