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Die deutschen Ström e,

insbesondere der Elbstrom.

Aus der Feder eines deutschen Staatsbeamten,

mitgetheilt

von

Professor Hanssen.

Die umfassenden Erwägungen des Wiener Congresses wurden auf ein Moment des Staats- und Volkslebens ausgedehnt, welches seitdem in noch höherem Grade das allgemeine Intereffe sowohl der Administrationen als der Mehrzahl der Bevölkerungen auf sich hingezogen hat. Sie widmeten einen Theil der kurz zugemessenen Frist den Berathungen über Handel und Verkehr auf den deutschen Strömen. Die vielfach neuen Territorial-Grenzen mußten das Bedürfniß rege machen, åltere, zur Zeit der lezten Kriege mit Frankreich seit dem Jahre 1789 vereinzelt festgestellte Bestimmungen zu generalistren und die Schifffahrt auf allen Flüssen Deutschlands, welche in ihrem Laufe verschiedene Staaten trennen oder durchströmen, der mannigfachen Hoheits-Rechte ungeachtet, einer Gemeinsamkeit übergeben zu sehen, welche Gewährung gleicher Rechte und Förderungen des Handels sich zum Ziel gesezt hat.

In größerem Umfange die Handelsverhältnisse überhaupt zwischen den verschiedenen Bundesstaaten zu reguliren, ward der Bundesversammlung durch Art. 19 der Bundesacte vom 8. Juni 1815 zugewiesen und soll in den Wiener Conferenzen des Jahres 1834

von Neuem zur Sprache gebracht worden sein. Diese Richtung auf den generelleren Standpunkt hin ward jedoch bisher nicht weiter verfolgt; vielmehr ist separate, temporäre Einigung mehrerer angrenzender Staaten vorgezogen worden. Das erfolgreiche Resultat dieser näheren, zum Theil engen Verbindung der Mehrzahl deutscher Staaten zeigt der größere deutsche Zollverein.

Eine besondere Ader des Verkehrs, die Flußschifffahrt, regelte sich in kleineren Vereinen, die aus dem Schooße der Wiener Congreßacte allmälig sich entwickelt haben und, wie diese, eine durch Zeit nicht beschränkte Gewähr ihres Bestandes staatsrechtlich an sich tragen.

Der historische Ursprung deutscher Flußschifffahrts-Ordnungen findet sich, abgesehen von einigen allgemeinen Grundsäßen, die in der deutschen Reichsverfassung ihre Wurzel haben und zulezt in dem Westphälischen Friedensschluß 1648 erneuert und mit allgemein verbindlicher Kraft für das deutsche Reich ergänzt worden sind, in der französischen Revolution und deren Folgen. Die französische Nationalversammlung hatte durch ihre Decrete seit dem 4. Aug. 1789 die Ueberreste der Landeshoheit und die guts- und lehnsherrlichen Rechte aufgehoben, welche von den, durch Cession des Elsasses 1684 und 1697 der französischen Hoheit unterworfenen Reichsständen mittelst Verträge noch gerettet worden waren. Die Stände nahmen den Schuß des Reiches und des Kaisers Leopold in Anspruch. Den Bestrebungen des Kaisers für die Herstellung dieser Rechte, welche von der französischen Regierung jedenfalls durch Geldentschädigung compenfirt werden sollten, wurden Beschwerden über mehrere Reichsstände, als Anstifter einer Gegenrevolution in Frankreich, entgegengefeßt. Es kam zum Kriege, in welchem Frankreich 1792 das unbewachte Mainz und das linke Rheinufer in Besiz nahm. Im Jahre 1795 wurde die Vereinigung der Länder bis zur Maas mit der Republik decretirt.

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Schon der Friedensschluß zu Campo Formio vom 17. Octbr. 1797, Art. XI. enthielt eine generelle Bestimmung über die freie Schifffahrt auf Flüssen und Canålen; derselbe Gegenstand wurde neben vielen anderen einflußreichen Dingen 1797 verhandelt auf dem Friedenscongreß zu Rastadt, der in blutiger That endigte 1). Es handelte sich um die Entschädigung der 1789 durch die französische Republik verlegten deutschen Reichsstände. Außer den Säcularisa

1) Martens causes celebres du droit des gens 1843.

tionen von Bisthümern und Klöstern wurden als Erfagmittel in den Rheinzöllen fundirte Renten festgestellt. Der vom Kaiser ratificirte Reichsdeputationshauptschluß zu Regensburg vom 25. Febr 1803 erklärt im §. 39 den Rhein von den Grenzen der Batavischen Republik an bis zu den Grenzen der Helvetischen Republik für einen, zwischen der französischen Republik und dem deutschen Reiche ge= meinschaftlichen Strom, hebt alte Rheinzölle mit Vorbehalt der Eingangsgebühren (droits de douane) auf und ordnet eine neue Rheinschifffahrts-Octroy an, unter gemeinschaftlicher Verwaltung Frankreichs und des deutschen Kurerzkanzlers, bisherigen Kurfürsten von Mainz. Der Ertrag der neuen Rhein-Octroy, welche die aufgehobenen Zölle nicht übersteigen sollte, wurde nach Abzug der Verwaltungskosten zu Entschädigungsrenten bestimmt, deren Fortdauer spåter die Bundesacte, Art. XV garantirt hat 1). Es folgten darauf unterm 15. Aug. und 1. Octbr. 1804 ausführliche Conventionen über die Organisation der Rhein-Octroy, welche die Grundlage der jezigen Rheinschifffahrtsacte bilden. — Die Auflösung des deutschen Reiches 1806 und die Constituirung des Rheinbundes hemmten die weitere und allgemeine Entwickelung der Regulirung der Flußschifffahrt. Indeffen nahm der erste Pariser Friede vom 30. Mai 1814, der gegen Deutschland die Grenze von 1792 restituirte, die Sache wieder auf; im Art. V. deffelben heißt es:

La navigation sur le Rhin du point où il devient navigable jusqu'à la mer et reciproquement sera libre, de telle sorte, qu'elle ne puisse être interdite à personne, et l'on s'occupera au futur congrès des principes d'après lesquels on pourra regler les droits á lever par les états riverains, de la manière la plus égale et la plus favorable au commerce de toutes les nations.

Il sera examiné et décidé de même dans le futur congres, de quelle manière, pour faciliter les communications entre les peuples et les rendre toujour moins etrangeres les uns aux autres la disposition ci-dessus pourra être également être étendue à tous les autres fleuves qui dans leur cours navigable séparent ou traversent differens états.

Die vorbehaltene Prüfung und Entscheidung in Bezug auf alle Flüsse fand zu Wien statt. Das Resultat ist enthalten in den Art. 108-117 der Wiener Congreßacte vom 9. Juni 18152), fowie in dem Annexe XVI à l'acte du congrès du Vienne. Leßteres

1) Die meisten Renten sind jezt abgelöst; Preußen zahlt nur noch wenige aus. 2) Vgl. Anlage A.

giebt zunächst die Grundzüge für die Schifffahrtsordnungen der westlicheren Ströme: Rhein, Neckar, Main, Mosel, Maas und Schelde. Definitiv ist die Ordnung festgestellt:

Für den Rhein in der Acte vom 31. März 1831 zwischen Baden, Baiern, Heffen, Nassau, den Niederlanden, Frankreich und Preußen; für den Nedar in dem Vertrage vom 1. Juli 1842 zwischen Baden, Würtemberg und Heffen.

Für den Main wird eine gleiche Ordnung jezt zu Frankfurt intendirt.

Unter den östlicher gelegenen Strömen ist für die Elbe am 23. Juni 1821 zwischen Oestreich, Preußen, Sachsen, Hannover, Dänemark, (für Holstein und Lauenburg), Mecklenburg-Schwerin, Anhalt-Cöthen, Anhalt-Bernburg, Anhalt-Dessau und der freien Stadt Hamburg 1) ein Fundamentalgeset nach Maßgabe der Wiener Acte Art. 108-117 vereinbart worden. Solches hat zum Muster gedient für die Weserschifffahrt, worüber am 10. Sept. 1823 zwischen Preußen, Hannover, Oldenburg, Kurheffen, Bremen, Braunschweig und Lippe (cf. auch Reichsdeputationshauptschluß von 1803 §. 8 und 27) und für die Schifffahrt auf der Ems (Wiener Congreßacte Art. XXX), worüber am 13. März 1843 zwischen Preußen und Hannover ein Vertrag abgeschlossen worden ist 2).

Die Regulirung der Flußschifffahrt ist durch den Pariser Frieden und die Wiener Acte nicht blos ein Gegenstand des deutschen Staatsrechts, sondern zugleich des Europäischen Völkerrechts geworden. Der vertragsmäßige Bestand derselben mit seinen Folgerungen erlangt hierdurch die conventionsmäßige Garantie der acht Staaten, welche den Friedensschluß und die Acte unterzeichnet haben, (Destreich, Spanien, Frankreich, England, Portugal mit Brasilien,

1) Die Einleitung zur Elbacte von 1821 nennt als Contrahenten die Staaten, deren Gebiet die Elbe in ihrem schiffbaren Laufe trennt oder durchströmt; auch der Lübeckische Antheil des Beiderstädtischen Gebiets ist demnach schon durch die Acte von 1821 vinculirt und ein Abgeordneter für Lübeck ließ sich 1842 nur als Concommissär für das Beiderstädtische Gebiet anerkennen. 2) Für kleinere Ströme find beliebige Reglements erlassen, z. B. für die Trave durch Vertrag zwischen Dänemark und Lübeck vom 8. Juli 1840. Die Schifffahrt auf Flüssen unter nur Einer Landeshoheit ist oft, z. B. für die Leine und Aller in Hannover am 30. März 1824 in Nachahmung der vertragsmäßigen Ordnungen regulirt, anderswo, z. B. auf der Ilmenau (28. Juni 1817) mit Beibehaltung erclufiver Corporationsrechte. Wegen der Nebenflüsse der Elbe, die mehrere Staaten trennen, ist im Art. 32 der Elbacte Einigung refervirt worden.

Preußen, Rußland, Schweden mit Norwegen,) sowie derjenigen deutschen Staaten, die der Congreßacte später accedirt sind. Auch find die Grundsäße beider Verträge auf mehrere nicht deutsche Ströme ausdrücklich ausgedehnt, auf die Etsch, schon erwähnt im Lüneviller Frieden vom 9. Febr. 1801 Art. XIV., auf die Save durch den Wiener Frieden vom 14. Octbr. 1809, auf die Weichsel, sowie die Flüsse und Canåle Polens, auf den Po durch den Frieden zu ́Tilsit vom 7. und 9. Juli 1807 Art. XVII., durch den Wiener Frieden vom 19. Detbr. 1809 Art. III. und die Wiener Congreßacte, Art. IV. XIV. XCV. XCVI. Die Schifffahrt auf der Maas und Schelde ift durch den Tractat zu London vom 19. April 1839 zwischen Holland und Belgien neugeordnet; für die Donauschifffahrt gilt der Vertrag vom 25. Juli 1840 zwischen Oestreich und Rußland.

Auf den meisten deutschen Strömen prävalirt Preußen durch die Länge seines Ufergebietes. Sämmtliche Schifffahrtsordnungen tragen das allgemeine gleiche Gepräge, daß

die Schifffahrt zu Gunsten aller Nationen für frei erklärt wird im ganzen Laufe des Stromes, von dem Anfange seiner Schiffbarkeit bis zum Meere, in der Auffahrt wie in der Niederfahrt 1).

Es ist bekannt, welchen Weiterungen und Schwierigkeiten die Anwendung dieses Princips unterlegen hat. Bei dem Rheine wurde dadurch eine Verzögerung der schließlichen Regulirung von 1815 bis 1831 herbeigeführt. (Cf. Einleitung zur Rheinacte). Hinsichtlich der Elbe ist erst 1844 die vertragsmäßige Feststellung der Abgaben bis zur See erreicht worden 2).

Die Schifffahrtsabgaben, welche ursprünglich als Mittel zur Verbesserung des Fahrwaffers für zulässig anerkannt sind, werden in bestimmte Quoten geschieden, sofern mehrere Staaten an der Erhebung Theil nehmen, und gleichförmig für alle Schiffe bestimmt. Eine Erhöhung derselben ist nur mit gemeinsamem Consens zulässig.

1) Instrumentum pacis Osn. art. 9, §. 2: Plena commerciorum libertas et transitus ubicunque locorum, terra marique tutus, adeoque ea emendi et negotiandi potestas, quae unicuique ante Germaniae motus passim competebat.

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2) Die Schelde war zu Gunsten des holländischen Handels durch den Westphälischen Frieden geschlossen, ist aber jezt ebenfalls der Schifffahrt fämmtlicher Nationen geöffnet. Die holländische Regierung erhebt eine Abgabe von 11⁄2 Fl. pr. Tonne. Lootsenwesen, Leinpfad 2c. ist gemeinsamer Oberaufsicht übergeben.

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