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Genussmittel in dieser Zeit näher, dessen weiteres Studium zum Zwecke der wissenschaftlichen und organisatorischen Ausbildung bis heute meine Aufmerksamkeit im vollsten Maasse in Anspruch nahm, soweit es mein Wirkungskreis an der Universität gestattete. Meine Uebersiedelung nach Erlangen war der Entwickelung dieser Frage insofern günstig, als schon im Jahre 1874 der damalige Vorstand der Stadt Erlangen auf meine Veranlassung eine regelmässige Lebensmittelcontrole einführte, die, wie vorauszusehen, von durchschlagendstem Erfolge begleitet war.

,Immer mehr trat, wie Sie Alle wissen, nicht bloss in Deutschland und in den übrigen europäischen Staaten, sondern auch in aussereuropäischen Ländern, das Bedürfniss der Controle der Lebensmittel hervor. Unser Reichsnahrungsmittelgesetz gelangte zur Einführung, allerseits begrüsst, von den Sachverständigen aber mit einer gewissen Wehmuth aufgenommen, fehlten ja doch die Ausführungsbestimmungen, welche man besser zuerst überlegt hätte, bevor man überhaupt zu dem Gesetz geschritten wäre! Doch was man damals versäumte, waren die Interessenten und die Sachverständigen in den letzten Jahren bestrebt, bis zu einer gewissen Grenze wenigstens, zu ergänzen, wenn auch manches noch zu thun übrig bleibt. Trotzdem hat aber das Nahrungsmittelgesetz in erfreulicher Weise eine grössere Zahl von Einrichtungen ins Leben gerufen, dazu bestimmt, die Controle der Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände durchzuführen, die wissenschaftliche Ausbildung der Untersuchungsmethoden sowie der Beurtheilungsnormen zu fördern. Eine grössere Anzahl von Städten Deutschlands ging bekanntermaassen mit gutem Beispiele voraus. Zahlreiche Männer der Wissenschaft nahmen Interesse an diesen Bestrebungen, ja auch unsere Staatsregierungen waren vielfach schon mit Erfolg auf diesem Gebiete thätig, und dennoch, meine Herren, befinden wir uns augenblicklich noch in einem lebhaften Entwickelungsstadium dieser Frage. Das Bedürfniss einer einheitlichen Organisation ist mehr als je vorhanden.

„Mit Freude habe ich es daher begrüsst, als ich vernahm, dass der verehrte Ausschuss des Deutschen Vereins für öffentliche Gesundheitspflege die Frage der Organisation und des Wirkungskreises der Untersuchungsanstalten für Nahrungs- und Genussmittel zum Gegenstand der diesjährigen Verhandlungen gemacht hat. Weniger erfreut war ich allerdings, als mir der ehrenvolle Auftrag ertheilt wurde, diese Frage zu behandeln, mit Hinblick auf meine allzu sehr zersplitterte Thätigkeit, mit Hinblick auf meine sehr in Anspruch genommene Zeit. Und dennoch, meine Herren, bin ich heute in Ihre Mitte getreten, um dies Thema näher zu beleuchten. Ich glaubte dazu verpflichtet zu sein, da ich, was ich wohl an dieser Stätte betonen darf, durch eine Reihe von Jahren mir vielfache Erfahrungen auf diesem Gebiete gesammelt habe, deren Resultate Ihnen heute im Allgemeinen mitzutheilen meine Absicht ist. Vor Allem muss ich vorausschicken, dass ich in keiner Weise vorhabe, Sie mit statistischen Notizen und Thatsachen hinzuhalten, Ihnen die verschiedenartigen Organisationen unserer Untersuchungsanstalten in Deutschland, in ausserdeutschen Ländern, die ja in gewisser Vollkommenheit, wie wir Alle zugeben müssen, existiren, im Detail vorzuführen. Es soll vielmehr meine Absicht sein, jene Gesichtspunkte festzustellen und zusammenzufassen, welche für die Entwickelung

unserer Untersuchungsanstalten, für deren Organisation und Wirkungskreis in Zukunft maassgebend sein sollen. Ich trete aus diesem Grunde auch ganz direct in diesem Sinne in die weitere Behandlung des Themas ein und verweise Sie vor allen Dingen auf meine Schlusssätze, in deren Besitz Sie Alle sind, um an die Mittheilung derselben die entsprechenden Erläuterungen zu knüpfen.

„Ich habe mir erlaubt, in den Schlusssätzen zunächst den Satz aufzustellen:

Die Errichtung öffentlicher Untersuchungsanstalten zum Zwecke der Ausübung der Controle der Nahrungs- und Genussmittel sowie der Gebrauchsgegenstände ist ein dringendes Bedürfniss.

Diese Controle muss eine regelmässige, d. h. in bestimmten Zwischenräumen stattfindende sein.

„Meine Herren, das Bedürfniss der Errichtung solcher Untersuchungsanstalten steht wohl ausser Zweifel. Ich werde wohl kaum hier in diesem Kreise einen Widerspruch in dieser Richtung erfahren. Eine andere Frage aber ist die regelmässige Controle. Dagegen können unter Umständen Einwendungen erhoben werden. Von meiner Erfahrung ausgehend, muss ich betonen, dass die ganze Controle unserer Nahrungs- und Genussmittel und Gebrauchsgegenstände nur dann einen Zweck hat, wenn sie eine ununterbrochene ist, wenn sie in bestimmten Zwischenräumen regelmässig stattfindet. Man hat vielfach geglaubt, und diese Ansicht ist ja auch noch in manchen Kreisen vorhanden, die Untersuchungsanstalten könnten leicht von den Einnahmen seitens des Publicums existiren, welches die Gegenstände der verschiedensten Art, Gebrauchsgegenstände, wie Lebensmittel, untersuchen lässt. Das ist eine ganz irrige Auffassung. Wie können wir einem Consumenten, der sich einige Flaschen Wein kauft, zumuthen, von diesem Wein eine Flasche wegzunehmen, sie dem Untersuchungsamt zur näheren Prüfung zu senden und dafür eine verhältnissmässig hohe Gebühr zu entrichten! Das wird selten stattfinden; das wird nur von Seiten des Weinproducenten, des Weinhändlers geschehen. Die Untersuchungsanstalt hat die Aufgabe, das Publicum vor den Verfälschungen, Betrügereien zu schützen, und aus diesem Grunde ist es nöthig, und zwar absolut erforderlich, eine regelmässige Controle auszuüben. Dieselbe ist ohne grosse Anstrengungen von Seiten der Mitglieder der Untersuchungsanstalt durchführbar, allerdings selbstverständlich nur mit Unterstützung der Polizeiorgane. Die Untersuchungsanstalten werden ja niemals in der Lage sein, und können es nicht sein, die Initiative zu ergreifen; aber sie haben die Aufgabe, Hand in Hand mit den Polizeiorganen, mit den Medicinalbehörden, für die Controle der Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände zu sorgen. Es handelt sich also bloss darum, zweckmässige Organisationen zu schaffen, um in Gemeinschaft mit den Polizeiorganen, mit den Medicinalbehörden, diese regelmässige Controle zur Ausübung zu bringen.

„Anknüpfend an diese Frage darf ich Sie zunächst auf den §. 9 hinweisen, den ich in meinen Schlusssätzen aufgestellt habe, welcher lautet:

Soll die Thätigkeit der öffentlichen Untersuchungsanstalten, besonders der staatlichen, welche ihren Wirkungskreis in kleineren Städten, auf dem Lande mehr entfalten sollen, wirklich erfolgreich sein, so ist die sogenannte ambulante Thätigkeit durchzuführen, welche darin besteht, dass die Vertreter der Anstalt die Gemeinden besuchen, die Verkaufshallen, Werkstätten etc. in Begleitung eines Polizeibeamten besichtigen, Proben entnehmen, Auskunft ertheilen, eventuell Untersuchungen an Ort und Stelle vornehmen.

Dieser Satz steht in innigem Zusammenhange mit der Ausübung der regelmässigen Controle selbst, und ich glaube, gerade diesen Punkt hier etwas eingehender beleuchten zu sollen, da diese von mir sogenannte ambulante Thätigkeit bei der Lebensmittel controle bis jetzt wohl zu wenig im deutschen Reiche zur Durchführung gelangt ist. Meine Herren, ich muss zunächst daran erinnern, dass es von der grössten Bedeutung ist, dass bei der Ausübung der Lebensmittel controle nicht allein die grösseren Städte in Betracht gezogen werden, sondern die Landbezirke, die grösseren Gemeinden, ja die kleinsten Dörfer. Berücksichtige ich zunächst, um diese Frage zu beleuchten, meinen eigenen Wirkungskreis. Nürnberg, eine Stadt von über 100000 Einwohnern, besitzt selbstverständlich eine Untersuchungsanstalt für die Stadt selbst. In der Umgebung Nürnbergs befindet sich eine ziemlich grosse Zahl von Gemeinden mit ein, zwei und mehr Tausend Einwohnern. Lange Jahre hindurch wurde in diesen Gemeinden eine Controle nicht ausgeübt. Seit zwei Jahren ist seitens der königlichen Untersuchungsanstalt Erlangen ein Vertragsverhältniss mit diesen Districtsgemeinden ins Leben getreten, und eine Controle in diesen der Stadt nahe gelegenen Gemeinden zur Durchführung gebracht worden. Das Resultat der ersten Controle war, dass durchschnittlich 40 bis 50 Proc. Verfälschungen der Lebensmittel zu Tage traten, ein Beweis dafür, dass doch in der That viel Material aus der Stadt auf das Land hinausgeworfen wird, welches selbstverständlich der betreffende Lieferant, Fabrikant u. s. w. in der Stadt nicht verkaufen kann, weil eben dort eine strenge Controle herrscht. Wir sehen also aus dieser Thatsache, dass die Controle der Lebensmittel auf dem Lande unbedingt nöthig, ja vielleicht nöthiger ist als in manchen. Städten selbst, wo einmal eine gewisse Regelmässigkeit und eine gewisse Ordnung im Laufe der Zeit geschaffen worden ist. Diese Controle auf dem platten Lande, gerade in diesen Gemeinden, soll nach meiner Ansicht von den Untersuchungsanstalten, von dem Personal derselben zur Durchführung gebracht werden, und zwar in der Weise, dass Vertreter der Anstalt in die Gemeinden gesandt werden, in Begleitung eines Vertreters der Polizei die betreffenden Verkaufsstellen, Läden u. s. w. besuchen, Proben entnehmen, Untersuchungen sogar an Ort und Stelle und soweit möglich mikroskopische Untersuchungen zur Durchführung bringen und die erforderlichen Maassregeln ergreifen. Meine Herren, diese Besuche haben ausserordentlich grossen Werth. Manche Kaufleute, Fabrikanten, Bierbrauer u. s. w. verlangen Rath und Auskunft bei den betreffenden Vertretern. Es ist die erfreuliche Thatsache zu beobachten, dass bei diesen Besuchen von allen Seiten, sogar von Seiten der Privaten, Anfragen an den betreffenden Vertreter der Anstalt gelangen. Durch diese Besuche wird auch weiter er

reicht, dass das grosse Publicum allmälig den Werth der regelmässigen Lebensmittelcontrole und der Controle der Gebrauchsgegenstände kennen lernt. Diese sogenannte ambulante Thätigkeit der Untersuchungsanstalten ist auf Grund der bis jetzt gewonnenen Erfahrung einer der wichtigsten Zweige ihrer Thätigkeit und von ganz hervorragender Bedeutung.

„Gehen wir nun zur Organisation, zur Einrichtung dieser ambulanten Thätigkeit, über, so tritt uns die Frage entgegen: wie ist es möglich, das Interesse der Gemeinden zu erregen? Ist überhaupt eine solche Thätigkeit durchführbar? Gestatten Sie mir, die Verhältnisse in meiner engeren Heimath zu schildern, den Weg anzudeuten, der hier zum Ziele führt. Zum Zweck der Ausübung dieser ambulanten Thätigkeit, der Controle auf dem platten Lande, werden auf Anregung der Untersuchungsanstalt in Gemeinschaft mit den Verwaltungsbehörden, der Districte (Bezirke), vor allen Verträge zwischen den Untersuchungsanstalten und den einzelnen Districten (Verwaltungsbezirken) oder auch Districtsgemeinden, abgeschlossen. Die Gegenleistungen der Districte (aus einer grösseren Anzahl, 30 bis 60 und mehr Gemeinden bestehend) für Ausübung der regelmässigen Control betragen je nach Grösse und Leistungsfähigkeit 150 bis 400 und mehr Mark jährlich, eine geringe Leistung. Eine einzelne Gemeinde zahlt demnach kaum oft pro Jahr die Summe von 5 Mark für die werthvolle Einrichtung, welche gleichzeitig auch für die Verwaltungsbehörden, für die Medicinalbeamten von Bedeutung ist, indem die Untersuchungsanstalt bei bestehendem Vertrage den betreffenden staatlichen Behörden berathend (ohne weiteren Kostenaufwand) zur Seite steht. Von Jahr zu Jahr sieht man, speciell bei uns in Bayern, mehr die Wichtigkeit der Lebensmittel controle ein, und gerade diese ambulante Thätigkeit zum Zweck der Ausübung einer regelmässigen Controle gewinnt immer mehr Ausdehnung.

Wenden wir uns zu den Sätzen 2. und 3., welche lauten:

2. Die öffentlichen Untersuchungsanstalten sollen theils staatliche, theils städtische sein. Die ersteren sind wo möglich mit Universitäten, technischen Hochschulen oder sonstigen höheren technischen Lehranstalten zu vereinigen und haben ihre Thätigkeit vor Allem in den kleinen Städten und Landgemeinden zu entfalten, während die letzteren zunächst für den betreffenden Stadtbezirk errichtet werden.

Es sollte daher jede Provinz, jeder Kreis (je nach der politischen Eintheilung, der Ausdehnung, der Grösse der Bevölkerung) eine oder mehrere Staatsanstalten besitzen.

3. Die Untersuchungsanstalten, staatliche wie städtische, sind vom Staate als öffentliche Anstalten anzuerkennen.

„Ich habe in diesem Satze zwei Classen von Untersuchungsanstalten unterschieden, staatliche und städtische Anstalten. Ich glaube, dass die staatlichen Anstalten, wie ich sie nennen möchte, die, wie ein anderer Schlusssatz sagt, aus Zuschüssen von Seiten des Staates, der Provinzialvertretung, Districts- oder Kreisvertretung u. s. w. erhalten werden sollen, hauptsächlich die Aufgabe besitzen müssen, die Thätigkeit, wie ich sie eben.

entwickelt habe, auf dem Lande auszuüben, dass sie aber von der Ausübung der Controle für Privatpersonen mehr oder weniger befreit werden sollen, denn durch eine solche Thätigkeit wird selbstverständlich die Arbeitslast zu gross, auch fehlt es nicht an Sachverständigen, Laboratorien, welche den Wünschen des Publicums, des Kaufmanns, Producenten entgegenkommen können. Die staatlichen Anstalten sollen in der That nur die regelmässige Controle im wahren Sinne des Wortes zur Durchführung bringen. Ich glaube ganz bestimmt, dass, wenn die Organisation in der Weise durchgeführt wird, wie ich es bereits geschildert habe, wenn mit den einzelnen Gemeinden, mit den Districten, mit grösseren Gemeindecomplexen u. s. w. Verträge abgeschlossen werden, die Zuschüsse von Seiten des Staates sehr minimale zu sein brauchen, denn ich kann Ihnen aus meiner Praxis die Thatsache vorführen, dass die Untersuchungsanstalt, der ich vorstehe, von dem Staate keine Opfer verlangt, und dass durch die Vertragsverhältnisse die Hauptausgaben, die im Laufe des Jahres erwachsen, vollkommen gedeckt werden.

„Die städtischen Untersuchungsanstalten wünsche ich ausdrücklich für den Stadtbezirk, nicht für das Land oder für einen weiteren Wirkungskreis in der nächsten Umgebung bestimmt. Es sollen in der That städtische Anstalten sein, da ja bekanntermaassen in einer grösseren Stadt stets eine ganze Reihe von Fragen zu erledigen ist, nicht allein auf dem Gebiet der Nahrungs- und Genussmittel und der Gebrauchsgegenstände, sondern auch Fragen, mehr rein technischer Art, über welche ja der Chemiker vielfach auch durch Ausführung von Untersuchungen die besten Aufschlüsse zu geben im Stande ist.

"

Dass die Untersuchungsanstalten, staatliche wie städtische, öffentliche sein müssen, d. h. vom Staate anerkannt als solche (mit Berücksichtigung unserer Gesetzgebung), ist ja als selbstverständlich zu betrachten und bedarf meiner Ansicht nach hier an dieser Stelle keiner weiteren Begründung.

„Wir kommen nun zur Organisation der Anstalten selbst, und zwar zunächst zur Personalfrage. Die aufgestellten Sätze lauten:

4. Die Vorstände der öffentlichen Untersuchungsanstalten, nicht minder die Mitarbeiter, müssen vollkommen unabhängig und selbständig gestellt sein, damit dieselben ihren Wirkungskreis frei von jedwelcher Beeinflussung entfalten können.

Jede öffentliche Untersuchungsanstalt soll einen Vorstand und die entsprechende Anzahl Assistenten besitzen, von welch letzteren Einer stets als stellvertretender Vorstand zu fungiren hat. Es bedarf kaum der Erwähnung, dass das gesammte Personal die entsprechende Ausbildung auf dem Gebiete der Naturwissenschaften besitzt, vor Allem Chemie, Physik, Botanik (Waarenkunde), nicht minder Hygiene, Mineralogie, Geologie und Zoologie, wobei die Tüchtigkeit in chemisch- analytischen Arbeiten, sowie mikroskopischen und bacteriologischen Untersuchungen ausser Frage steht.

5. Ein Vertreter der Medicin, am besten ein Medicinalbeamter, ist einer jeden öffentlichen Untersuchungsanstalt als Sachverständiger und Berather zur Seite zu stellen.

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