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kung der Canalgase (?), auch durch Ratten, die das Blei zernagen und durch Bildung von Hohlgängen im Boden unterhalb der Röhren Brüche derselben herbeiführen. Bleiröhren dürfen weder mit Kitt noch mit Cement, sondern nur durch Zinn gedichtet werden. Die Abzugsröhren müssen ein ausreichendes, geradliniges, nicht etwa durch Steigungen unterbrochenes Gefälle erhalten, der freie Abfluss in den Strassencanal darf auch sonst nirgends gehemmt sein. Die Verbindung der verticalen mit den horizontalen Röhren darf nie durch gerade, sondern muss durch gerundete Rohrstücke hergestellt sein, die Muffen stets stromaufwärts, nicht umgekehrt gerichtet liegen. Nachtheilig sind Schlammfänge unterhalb der Häuser, desgleichen Regenwassercisternen und Senkgruben, entweder vergessen und unbenutzt, oder beibehalten und zur Aufnahme der Abwässer dienend, aber ohne Ueberlauf in einen Canal. Die Verunreinigung von Brunnen und Cisternen durch undichte Canäle, überfüllte oder defecte Senkgruben, Mistjauche aus Höfen, die Durchfeuchtung und Verpestung von Wohnhäusern aus denselben Ursachen und durch am Hause aufgestapelte Düngerhaufen - alle diese Mängel werden durch höchst instructive Zeichnungen illustrirt. Ferner wird der Ungehörigkeit der Verwendung von Kehricht und Müll zur Mörtelbereitung, der Bebauung von mit Schutt aufgefüllten Gründen, der Verstopfung von Strassencanälen. durch tiefgründige Baumwurzeln gedacht, auch der beherzigenswerthe Vorschlag gemacht, jeden Hausbesitzer zu verpflichten, dass er einen genauen Plan der Canalisationsanlage seines Hauses besitze, um bei Untersuchungen sich sofort über den Verlauf der Röhren orientiren zu können. Endlich wird ein Verfahren behufs Zuführung staubfreier Luft, Methoden zur Abhaltung des Staubes von Museumssammlungen und die Ventilation eines geschlossenen Wagens mittelst eines in seiner Decke angebrachten Fensters dargestellt.

Verfasser führt in den einzelnen von ihm angezogenen Fällen auf die Wirkung der Canalgase eine grosse Reihe von Krankheiten zurück: Gesichtsrose, Neuralgic, Halsschmerzen, Kopfschmerzen, Durchfall, Panaritium, Rheumatismus, Diphtherie, Lungenleiden, Typhus etc. und meint, dass namentlich für die Verhütung des Kindbett fiebers, der accidentellen Wundsowie überhaupt der zymotischen Krankheiten die untadelhafte Beschaffenheit der Hausableitungen Bedingung sei. Wenn ihm auch im Ganzen beigepflichtet werden kann, so geht er doch stellenweise sicherlich zu weit. Denn wenn er z. B. von einem Kinde erzählt, dass es, nach der Impfung bis zum neunten Tage gesund, dann fieberhaft erkrankt sei und sich am Finger und Knöchel Geschwüre gebildet hätten, diese Erscheinung aber dem Umstande zuschreibt, dass die Ablaufrohre eines Wasch- und Badezimmers neben der Kinderstube ohne Wasserverschluss in den Canal gingen, so entspricht dies mindestens nicht der Skepsis, die die deutschen Aerzte bei dem Suchen nach einem ätiologischen Zusammenhange anzuwenden pflegen. Wesshalb sollten die Canalgase das Kind erst nach der Impfung an jenen Geschwüren krank gemacht haben?

Die sauberen lithographischen Abbildungen sind von einer geradezu frappirenden Verständlichkeit, die kaum die elementarsten Kenntnisse in der Canalisationstechnik beim Leser voraussetzt. Freilich nimmt in dem Streben nach Deutlichkeit die bildliche Darstellung sowie der erläuternde Text oft

einen etwas naiven Charakter an (was auch die Vorrede Esmarch's zugiebt, aber als eine Manier der englischen Lehrbücher erklärt), doch soll dies dem Buche durchaus nicht als Vorwurf angerrechnet werden. Die Zeichnungen sind meist nach concreten, theils vom Verfasser selbst beobachteten, theils ihm von Dritten mitgetheilten Fällen der Praxis entworfen. Die Strömung der Canalgase durch das Haus, wie sie sich bei undichten Leitungen gestaltet, ist überall durch farbige Pfeile kenntlich gemacht, doch scheint hierbei zuweilen die Phantasie den Griffel allzu kühn geführt zu haben. Das Nämliche dürfte von den (gleichfalls farbig markirten) Spuren gelten, welche der wässerige Inhalt durchlässiger Canäle, Senkgruben etc. im Erdreich und Grundwasser zurücklassen soll.

Ein Theil der Rathschläge mag ja allerdings mehr für englische als für deutsche Verhältnisse berechnet sein, weil, wie Referent auch durch einen mit den englischen Zuständen wohlbekannten deutschen Landsmann erfährt, in England Canalisationsarbeiten aus unredlicher Gewinnsucht oft sehr lüderlich ausgeführt werden. Dazu kommt, dass die Canalanlagen in England meist schon seit vielen Decennien bestehen, daher in der Construction veraltet und unvollkommen, überdies durch den Zahn der Zeit schadhaft geworden sind, während bei uns, selbst in den grossen Städten, Entwässerungsanlagen erst seit 1 bis 2 Jahrzehnten eingeführt und mit Benutzung aller technischen Verbesserungen, auf die man im Laufe der Zeit gekommen ist, hergestellt sind. Speciell dürften Blei- oder schadhafte Thonröhren kaum irgendwo zur Anwendung kommen, auch die Dichtung wird wohl durchweg mit der gehörigen Sorgfalt ausgeführt, ebenso wie die Nothwendigkeit der Wasserverschlüsse für alle Ableitungen anerkannt ist. Immerhin wird auch für uns das Buch vieles Beherzigenswerthe und Lehrreiche enthalten, namentlich in technischer Beziehung ein vorzüglicher, für den Arzt und Medicinalbeamten auf der Suche nach der Ursache eines Krankheitsfalles oder einer Epidemie geradezu unentbehrlicher Wegweiser sein, denn gerade durch seine zahlreichen instructiven Abbildungen füllt es jene bedauerliche Lücke, die die meisten deutschen Handbücher (übrigens nicht bloss die der Hygiene), indem sie auf das so wirksame Lehrmittel der bildlichen Anschauung verzichten, nach dieser Richtung so wenig vortheilhaft von den Erzeugnissen der englischen (und französischen) Literatur unterscheidet. Ob trotzdem der Arzt bei der hygienisch - ätiologischen Untersuchung eines Wohnhauses im gegebenen Falle der Mitwirkung des Architekten, bezw. Rohrlegers, immer wird entrathen können, scheint zweifelhaft, denn es ist ein anderes, in der Theorie die Erfordernisse einer guten Entwässerungsanlage zu kennen, und in praxi sich in dem Labyrinth einer solchen, mit allen sonst in Betracht kommenden Beziehungen, zurechtzufinden.

Die Uebersetzung des Buches ist vortrefflich, die Ausstattung äusserst
Die Abbildungen sind englischen Ursprungs und dem Original

opulent. entlehnt.

Dr. Lustig (Liegnitz).

Dr. Anton Heidenhain: Die Anwendung der Paragraphen 10 bis 14 des Nahrungsmittelgesetzes (Fleischverkehr) im praktischen Leben. Berlin, Hirschwald, 1887. 38 S. 0.80 M.

Dem Verfasser haben als Ausgangspunkt für seine Arbeit die mannigfachen Zweifel vor Augen gestanden, welche bei der Anwendung der den Fleischverkehr regelnden Strafparagraphen des Gesetzes vom 14. Mai 1879 sich in objectiver Richtung für die Feststellung des Thatbestandes geltend machen. An der Hand zutreffender Definitionen theilt er die vom Reichsgericht ausgesprochenen Entscheidungen gruppenweise ein und gelangt zu klaren praktischen Fingerzeigen für die Richter und Sachverständigen gegenüber den Begriffen des Gesetzes, wenn dasselbe nachgemachte und verfälschte von verdorbenen und gesundheitsgefährlichen Nahrungs- und Genussmitteln unterscheidet. Auch der Begriff „ekelerregend" mit seinen Beziehungen zur Strafbarkeit ist ausführlich erörtert.

Den Schluss der Arbeit bildet ein Abschnitt mit Betrachtungen über die sanitätspolizeilichen Gesichtspunkte, welche sich für den Sachverständigen aus den einzelnen Thierkrankheiten herleiten lassen. Dr. Wernich (Cöslin).

Dr. med. Gustav Custer: Fort mit dem Gifte der Phosphorzündhölzchen! Zürich und Stuttgart, Druck und Verlag von Schröter & Meyer, 1887.

Custer, der unermüdliche schweizerische Kämpfer für die Gesundheitspflege namentlich seines engeren Vaterlandes, benutzt die Gelegenheit, welche der Auftrag des Nationalrathes an den Bundesrath bietet, um noch einmal energisch und mit Geschick für die vollständige Beseitigung der gewöhnlichen Phosphorzündholz-Industrie und Verbreitung der giftigen Phosphorzündhölzchen in der Schweiz ins Treffen zu gehen, namentlich gestützt auf die Berichte der eidgenössischen Fabrikinspectoren vom

17. Mai 1879.

Die Maassregeln vom Jahre 1882 erscheinen theoretisch genügend, bewähren sich aber in der Praxis nicht.

Von hohem Interesse ist der Abschnitt: „Die Phosphorzündholz-Industrie in der Schweiz." Möge sein Werk Frucht tragen und von Erfolg gekrönt werden! M. (Berlin).

Zur Tagesgeschichte.

Die hygienische Section

auf der 59. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte zu Berlin.

18. bis 24. September 1886.

Von Dr. A. Kalischer (Berlin).

Die wichtigen Errungenschaften der Hygiene in den letzten Jahren hat die Zahl derer, welche diesem Gebiete eine rege Beachtung zuwenden, rasch vermehrt, und wenn die hygienische Section der früheren Naturforscherversammlungen in der Regel nur einen kleinen Kreis von Fachmännern, die Pioniere dieser Wissenschaft, versammelte, sahen wir sie in Berlin, ihrer Bedeutung entsprechend, eine so grosse Anziehung ausüben, dass sie an Mitgliederzahl unter den 30 Sectionen nur von dreien übertroffen wurde, von denen für innere Medicin, Chirurgie und Chemie.

Die erste Sitzung fand am 18. September Nachmittags 3 Uhr statt und wurde vom Generalarzt Dr. Mehlhausen eröffnet, als dem Vorsitzenden eines Comités, welches von der Deutschen Gesellschaft für öffentliche Gesundheitspflege zur Vorbereitung der Verhandlungen der Section auf Antrag des Ministerialraths Dr. Wasserfuhr und des Regierungsraths Dr. Wolffhügel gewählt war und welchem ausser den genannten Herren noch Prof. R. Koch, Stadtrath Marggraff, Dr. A. Kalischer und Docent K. Hartmann angehörten. In der begrüssenden Ansprache erinnerte Herr Mehlhausen insbesondere daran, welchen Werth Berlin als Versammlungsort der Naturforscherversammlung, namentlich für die Hygieniker habe. Der raschen und grossartigen Entwickelung der Hauptstadt seien die sanitären Einrichtungen in gleichem Schritte gefolgt und vieles hier Geschaffene sei mustergültig für andere Communen geworden. Die Besichtigung dieser städtischen und staatlichen Einrichtungen, welche das Entgegenkommen der Behörden ermögliche, werde für die Mitglieder der Section von hervorragender Bedeutung sein.

Wegen vorgerückter Zeit wird ein Vortrag nicht mehr gehalten. Für die Dauer der Verhandlungen werden Dr. A. Kalischer und Docent K. Hartmann, welche als Schriftführer des vorbereitenden Comités fungirt hatten, in gleicher Eigenschaft bestätigt.

Der II. Sitzung, Montag den 20. September, präsidirte Geheime Medicinalrath Dr. Günther (Dresden).

Der Geheime Medicinalrath Dr. Schwartz (Cöln) leitete die Verhandlungen mit dem Vortrage ein:

Ueber die hygienischen Aufgaben des Krankenhausarztes. Die allgemeinen Krankenhäuser sind als die wichtigsten hygienischen Einrichtungen unserer Zeit anzusehen, denn zweckmässig organisirt, tragen sie zur Verhütung der Ausbreitung epidemischer Krankheiten bei, ausserdem kommen sie der wachsenden Zahl derer zu statten, welche bei Erkrankungen die Hospitalpflege aufsuchen müssen, Erspriessliches kann das Krankenhaus aber nur durch das harmonische Zusammenwirken besonders qualificirter Personen leisten. Den Aerzten, welche nun in der Hygiene unterrichtet und geprüft werden, ist ganz besonders in allen öffentlichen Krankenhäusern eine angemessene Stellung zu geben, in welcher ihnen die Möglichkeit geboten wird, die hygienischen Aufgaben zu erfüllen. Die Publicationen des Prof. Simpson, Prof. v. Volkman und eine an das deutsche Reichskanzleramt unter dem 5. August 1873 gerichtete Vorstellung des psychiatrischen Vereines der Rheinprovinz hatten eine entsprechende Abänderung der für die Errichtung von Privatkrankenhäusern gültigen Bestimmungen herbeigeführt. Doch besteht die fehlende technisch-ärztliche Leitung noch bei vielen öffentlichen, nicht unter die Gewerbeordnung fallenden Krankenhäusern und auch für diese kann für die Dauer kaum ein die unbedingt nothwendigen gesundheitspolizeilichen Einrichtungen vorschreibendes Gesetz entbehrt werden. Die hygienisch technische Leitung der Krankenanstalt durch einen approbirten Arzt ist durchaus vereinbar mit der selbstständigen Wirksamkeit anderer behandelnder Aerzte, sowie der für den Betrieb nothwendigen Berufsstände (Verwaltungsbeamte, Bautechniker, Geistliche etc.). Zum Ressort des mit der hygienischen Leitung des Krankenhauses beauftragten Arztes gehört aber unbedingt:

1. Aufnahme und Entlassung der Kranken nach den bestehenden Vorschriften.

2. Ferner Verfügung über sämmtliche der Krankenbehandlung dienende Räume, behufs jederzeitiger geeigneter Placirung der Kranken. 3. Führung der Krankenjournale und Erstattung der Krankenberichte. 4. Beaufsichtigung der Hausordnung und des gesammten Dienst- und l'flegepersonals.

5. Beaufsichtigung aller der Krankenheilung und Gesundheitspflege dienenden Einrichtungen, namentlich der Dispensiranstalt, des Instrumentariums, der Küche, der Vorrathsräume, der Trinkwasser-, Wasch-, Bade- und Desinfectionsapparate, der Ventilations-, Heiz-, Beleuchtungs-, Entwässerungs-, Hof-, Garten- und Latrinenanlagen. 6. Stimmberechtigte Vertretung aller auf die Krankenbehandlung bezüglichen Angelegenheiten.

Entbehrt das Krankenhaus einen Arzt, dem die Wahrung der hygienischen Interessen zusteht, so werden dieselben von anderen Berufsständen wahrzunehmen sein, die sich unausbleiblich mehr von sonstigen Rücksichten, finanziellen, politischen oder confessionellen leiten lassen.

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