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Es wurden von der gewonnenen Lymphe 4000 Vaccinationen und Revaccinationen im Stadtkreise und über 1000 im Landkreise Danzig ausgeführt.

Erstere ergaben nach den verschiedenen Impfbezirken der Stadt folgende Resultate:

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An vorstehende Tabelle wollen wir einige Bemerkungen anknüpfen; Zunächst ist hervorzuheben, dass einer der Herren Impfärzte (IV. und IX. Impfbezirk) noch überwiegend mit humanisirter Lymphe sowohl vaccinirt wie revaccinirt hat. Es geschah dies aus dem Grunde, weil der betreffende Impfarzt bei den Impfungen mit Thierlymphe verhältnissmässig ungünstige Resultate erzielt hatte, wie das auch aus der Tabelle hervorgeht, bei der nur die animalen Impfungen in Rechnung gezogen sind.

Die Ursache dieser abweichend geringen Erfolge liegt nach unserem Erachten darin, dass der betreffende Arzt zum Theil wenigstens noch die alte Impftechnik, wie sie bei humanisirter Lymphe üblich ist (Stiche), auch bei animalen Impfungen beibehielt.

Hierzu ist Folgendes zu bemerken: Schon in der Denkschrift des Reichskanzleramtes

„Ueber die Nothwendigkeit der allgemeinen Einführung der Impfung mit Thierlymphe"

ist nachdrücklich hervorgehoben, dass bei der gewöhnlichen Art und Weise, wie die Impfung ausgeführt wird, die Thierlymphe einen hohen Procentsatz von Fehlimpfungen ergiebt, dass für diese Lymphe eine andere Methode der Technik erforderlich ist, dass dann aber auch vollkommene Erfolge erzielt werden.

In gleicher Weise spricht sich Herr Geh. Medicinalrath Dr. Pfeiffer in Weimar in seiner Anleitung zur Herstellung und Verwendung der animalen Lymphe dahin aus, dass er sagt:

,,In der Verwendung der bisher üblichen Instrumente liegt ein Hauptfehler, welcher bedingt, dass die Resultate bei der Verwendung animaler Stoffe ungünstiger ausfallen, als bei dem Gebrauche von frischer Kinderlymphe oder von Glycerinlymphe."

Und ferner:

„Auch für die Kälberlymphe gilt der Erfahrungssatz, dass ein gleichmässiger Erfolg nur auf grösser angelegten Schnitten sich erzielen lässt und dass beim Einhalten der für Kinderlymphe bisher üblichen Methoden in der Regel viele Misserfolge zu verzeichnen sind. Der Misscredit, in dem der animale Stoff bei vielen Impfärzten steht, ist nur durch die nicht passende Technik verschuldet worden, während bei entsprechender Ausführung der Impfung die Erfolge sich für beide Lympharten ziemlich gleich verhalten."

Beachtenswerth ist in dieser Beziehung noch eine Bemerkung, die einer der städtischen Impfärzte (Impfbezirk II.) seiner Statistik und seinem Berichte an den Magistrat hinzufügte.

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„Hierzu bemerke ich", sagt derselbe, „dass ich an den ersten Impftagen viele Ausfälle hatte und dass ich gezwungen war, fast die Hälfte der kleinen Kinder zwei- und dreimal zu impfen. Später jedoch, nach erlangter Uebung mit der grossen Impflancette, hatte ich einen so guten Erfolg zu verzeichnen, dass fast jeder Schnitt glückte."

Aehnliche Erfahrungen haben auch wir gemacht und sie werden auch wohl den meisten Impfern im Anfange nicht erspart bleiben. Die Technik, an sich nicht schwierig, will doch erlernt sein.

Ein sehr günstiger Umstand für uns war der, dass im April 1886 ein grösserer städtischer Impfbezirk frei wurde und wir für diesen vom Magistrat als Impfärzte (Impfbezirk X.) angestellt wurden.

Dadurch wurden wir in die Lage versetzt, jede Lymphe vor der Abgabe in Bezug auf ihre Wirksamkeit prüfen zu können. Ein Ausnahmefall, in welchem durch unerwartete Anforderungen der geprüfte Vorrath schneller absorbirt wurde und die Noth uns zwang, noch nicht geprüfte abzugeben, ergab in der That auch schwächere Resultate.

Ueble Ereignisse als Folgen der Impfung sind nicht zu verzeichnen. In einigen wenigen Fällen trat stärker verbreitete Phlegmone auf. Diese dürfte jedenfalls mehr dem häuslichen Verhalten nach der Impfung (Unreinlichkeit), als dieser selbst zuzuschreiben sein. Im Allgemeinen war die Reaction sehr gering, namentlich seitdem wir bei Erst-Impflingen die Kreuzschnitte aufgaben und mit einfachen Schnitten von 1/2 cm Länge impften.

Wir hatten dabei aber so gute Resultate und glauben annehmen zu können, dass bei diesen einfachen Schnitten die wirksamen Bestandtheile der Lymphemulsion ebenso wie bei Kreuzschnitten eindringen und zur Geltung kommen, während bei Stichen aus mechanischen Gründen ein solches Eindringen aus der dickflüssigeren Emulsion in gleichem Grade nicht stattfinden dürfte.

Was nun schliesslich noch die Kälberimpfung anlangt, so haben wir, wie aus Vorstehendem hervorgeht, sowohl mit humanisirter wie mit animaler Lymphe die Kälber geimpft und für beide Lympharten dieselben Erfolge erzielt. Hierin läge also kein Grund, eine der anderen vorzuziehen. Aber ein anderes Moment erscheint der Berücksichtigung werth. Wenn nämlich auch nachgewiesen ist, dass auf dem Kalbe der Infectionsträger der Syphilis nicht fortkommt und der Tuberkelbacillus sich nicht in diesen wenigen Tagen vermehren kann, so ist doch gar nicht ausgeschlossen, dass, wenn man einmal jene Infectionsträger für übertragbar erachtet, es doch im Bereiche der Möglichkeit liegt, dass das auf das Kalb geimpfte humanisirte Material den Infectionsträger mit enthält und dass man dann eben diesen, der sich vielleicht im Schorf der Pustel befindet, mit abnimmt, auf Menschen überträgt und dass er hier weitere Entwickelung findet.

Angesichts dieser Möglichkeit haben wir in Uebereinstimmung mit Pissin neuerdings unsere Kälber nur mit Kälberlymphe geimpft.

Die Erfahrungen, welche wir in den beiden Jahren, zumal 1886, gewonnen haben, sind durchaus geeignet, uns in der Fortführung unserer Thätigkeit auf diesem Gebiete zu ermuthigen. Wir haben denn auch für das Jahr 1887 in gleicher Weise die animalen Impfungen wieder aufgenommen.

Danzig, Mai 1887.

Die Wasserverhältnisse Stralsunds.

Von Dr. G. A. Ziegeler (Stralsund).

Stralsund, die Hauptstadt des gleichnamigen Regierungsbezirkes Pommerns, in einer schönen fruchtbaren Ebene an der Küste der Ostsee, d. h. an der Meeresenge gelegen, die die Insel Rügen von dem Festlande trennt, gehört unstreitig mit zu den schönsten Städten des nordöstlichen Deutschlands. Die Stadt ist ringsum von Wasser umgeben; sie bildet ein fast gleichschenkliges, rechtwinkliges Dreieck, dessen Basis durch die Meeresenge, den Strelasund, und dessen Seiten durch zwei Teiche, den Frankenteich und Knieperteich, gebildet werden. Wenn die Einwohnerzahl früher auch nie wesentlich grösser gewesen sein mag als heute die Meinungen gehen hierüber aus einander, so hat die Stadt doch an ihrem früheren Glanze und an ihrem Ansehen als alte See- und Hansastadt bedeutend Einbusse gelitten; Handel und Wandel liegen darnieder, es hat sich von anderen Ostseehäfen den Rang ablaufen lassen. Viele ungünstige Verhältnisse mögen hierzu beigetragen haben: Die ungenügende Verbindung mit der See, der Niedergang der Landwirthschaft, deren Producte früher die wesentlichsten Exportartikel für die Stadt bildeten, das Fallen der Festungswerke und die dadurch bedingte Verminderung des Militärs und vieles andere.

Zwar fehlt es nicht an Bestrebungen, diesem Uebelstande abzuhelfen und Stralsund wieder eine bessere Zukunft zu bereiten. Von diesen Bestrebungen interessirt uns hier nur der Wunsch eines grossen Theiles der Bevölkerung, Stralsund zum Anziehungspunkte für alte und junge Rentner, wie für pensionirte Beamte zu machen. Die Berechtigung dieses Wunsches ist durchaus nicht zu bestreiten, denn, wie gesagt, Stralsund ist eine der schönsten Städte des nordöstlichen Deutschlands und es dürfte sich seine Anziehungskraft weit über die Grenzen des Pommernlandes erstrecken können, wenn es sich eines besseren Gesundheitszustandes zu erfreuen hätte.

Man pflegt zu sagen, Zahlen beweisen, und die Statistik liefert den Beweis, dass die Sterblichkeit in wenigen Städten geringer ist, als in Stralsund, und doch, sieht man sich in der Stadt etwas näher um, so findet man, dass Nervenfieber selbst im Winter dauernd herrscht. Der Stralsunder mag sich über diesen Zustand beruhigt haben, aber dem Fremden, der sich in der Stadt niederlassen will, ist es nicht gleichgültig, wenn er sich sein Bürgerrecht erst durch eine halbjährige Krankheit erkaufen soll und nur in den seltensten Fällen bleibt er von einer solchen verschont.

Es

muss daher dem Wunsche, Stralsund zum Tusculum Pommerns zu machen, vorläufig jede Erfüllung abgesprochen werden, jedenfalls so lange, bis die Stadt für die Besserung ihres Gesundheitszustandes Sorge getragen hat. Und auffallend ist es, dass in dieser Beziehung bisher so wenig, um nicht zu sagen gar nichts gethan worden ist, um so auffallender, als der einzige Grund dieses Uebelstandes bereits erkannt und die Beseitigung mit so geringen Kosten verbunden ist. Es ist zweifellos, und einen hinlänglichen Beweis glaube ich in den nachstehenden Zeilen geliefert zu haben, dass auch hier, wie in so mancher Stadt, die mangelhafte Beschaffenheit des Wassers die alleinige Ursache des schlechten Gesundheitszustandes ist. Unglaublich muss es dem Unparteiischen erscheinen, wenn trotzdem und aller Wissenschaft zum Hohn der Stralsunder im Grossen und Ganzen behauptet, dass seine Wasserverhältnisse billigen Anforderungen entsprechen und er daher auch nicht nöthig habe, zu ihrer Verbesserung nur das Geringste zu thun. Jedoch zur Sache:

Nachdem sich in den vierziger und fünfziger Jahren der Gedanke immer mehr und mehr Bahn gebrochen, einen wie hervorragenden Einfluss das Trinkwasser auf die menschliche Gesundheit zu üben im Stande ist, wurde zuerst im Jahre 1864 in Wien eine Commission zur Prüfung der dortigen Wasserverhältnisse ernannt. Die Resultate der von dieser Commission ausgeführten Arbeiten wurden in den bekannten „Anforderungen" zusammengefasst. Diese Anforderungen bilden heute noch für den Chemiker die Grundlage bei der Wasserbeurtheilung. Ammoniak und salpetrige Säure haben damals freilich noch keine Berücksichtigung gefunden, wohl weil man diesen Körpern nocht nicht die Aufmerksamkeit schenkte, die sie verdienen. Heute ist das Verlangen nach völliger Abwesenheit derselben in einem Trinkwasser ein durchaus gerechtfertigtes. Nachdem Koch uns die Bestimmung der Bacterien im Wasser gelehrt hat, kann das Verlangen der Wiener Commission, ein Wasser solle durchaus frei von organisirten Wesen sein, nicht mehr aufrecht erhalten werden, und es dürften wenige unschädliche Organismen nicht beanstandet werden können.

Es ist den von der Wiener Commission den einzelnen Wasserbestandtheilen vorgeschriebenen Grenzen jede Berechtigung abgesprochen worden, namentlich von Behörden, denen ein Maassstab zur Beurtheilung mangelhafter städtischer Wasserverhältnisse unbequem ist, und man sagt, dass man sich nach seinen Verhältnissen richten, zwar das Bestmöglichste erstreben, sich aber auch zufrieden geben müsse, wenn das Erlangte vor der Wissenschaft nicht standhalte. Mag es nun für manchen Ort auch schwer fallen, ein gesundes Trinkwasser zu beschaffen, so braucht das Verkehrte dieser Ansichten doch nicht erst nachgewiesen zu werden, wohl aber mag es gerecht erscheinen, die Grenzzahlen für die einzelnen Bestandtheile des Wassers bei Beurtheilung der Wasserverhältnisse ganzer Städte nicht zu enge zu ziehen und habe ich mich nicht nur den weitgehendsten Zugeständnissen des Wiener Gutachtens angeschlossen, sondern habe bei der Beurtheilung der Stralsunder Verhältnisse geglaubt, auch der Salpetersäure, wie es dem Chlor und der Schwefelsäure zugestanden, ein Milligrammmolecül im Liter einräumen zu dürfen und gelange dann zu folgenden Bedingungen:

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