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Bericht des Ausschusses

über die

Dreizehnte Versammlung

des

Deutschen Vereins für öffentliche Gesundheitspflege zu Breslau

vom 13. bis 15. September 1886.

Erste Sitzung.

Montag, den 13. September, Vormittags 9 Uhr.

Oberingenieur F. Andreas Meyer (Hamburg) eröffnet die Versammlung mit folgenden Worten:

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Meine verehrten Herren!

„Da der Vorsitzende unseres Vereins, Herr Medicinalrath Dr. Arns perger aus Karlsruhe, zu seinem lebhaften Bedauern verhindert ist, in unserer Versammlung zu erscheinen, so hat der Vorstand mich beauftragt, in seiner Stellvertretung die Versammlung zu eröffnen. Es fällt mir also zum zweiten Male diese Ehre zu, und ich entledige mich dieses Auftrages mit dem Gefühl der Genugthuung, dass auch hier in der Stadt Breslau sich wieder so viele unserer Vereinsmitglieder zu frischer Arbeit zusammengefunden haben. Wenn wir in den letzten Jahren uns wohl einmal die Frage gestellt haben, ob nicht vielleicht die Form unseres Vereinslebens eine andere sein könnte, ob nicht vielleicht das Gute, das der Verein erstrebt, in anderer Weise zur Erscheinung gebracht werden müsse, so muss ich sagen, dass nach dem Ausgang der Freiburger Versammlung und nach unseren Arbeiten im Ausschuss in diesem Jahre ich persönlich anderer Meinung geworden bin. Sie werden ja Alle die von unserem ständigen Herrn Secretär mit grossem Fleisse aufgestellte Uebersicht über die Thätigkeit des Vereins in den letzten 12 Jahren bekommen haben und werden vielleicht ist es Ihnen ebenso ergangen wir mir mit Erstaunen gesehen haben, auf ein wie reiches Gebiet sich unsere Arbeiten erstreckt haben, wie bedeutende Fragen in unserem Verein erledigt und zur Lösung gekommen sind. Das ist eine Thatsache, die uns ja vielleicht verleitet hat, zu sagen: schliesslich ist einmal der Stoff erschöpft. Als wir aber in unserer Ausschusssitzung in Frankfurt a. M. im Februar d. J. die Themen prüften, welche wohl Veranlassung geben könnten, den Verein zusammenzuberufen, da fand sich eine solche Reichhaltigkeit des Stoffes, dass wir ganz entschieden überzeugt sind: der Verein wird noch lange Beschäftigung haben, und trotzdem sehr viel Con

Vierteljahrsschrift für Gesundheitspflege, 1887.

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currenz im Vereinsleben aufgetreten ist, haben wir doch erkannt, dass diese Concurrenz nicht schädlich, sondern im Gegentheil nützlich ist, da ja dasselbe Ziel von allen unseren Schwestervereinen angestrebt wird und die vielseitige Behandlung desselben Stoffes seiner Bearbeitung zu Gute kommt. Ich wünsche auch unseren Arbeiten hier gutes Gelingen und eröffne damit die Versammlung, indem ich zunächst dem Herrn Oberbürgermeister von Breslau, Dr. Friedensburg, das Wort gebe, der uns freundlichst hier begrüssen will.""

Oberbürgermeister Dr. Friedensburg (Breslau):

„Namens der städtischen Behörden Breslaus und gleichzeitig im Auftrag des Herrn Oberpräsidenten dieser Provinz, der zu seinem Bedauern durch anderweitige Geschäfte verhindert ist, heute in Ihrer Mitte zu erscheinen, habe ich die Ehre, Sie, meine Herren vom Deutschen Verein für öffentliche Gesundheitspflege zu begrüssen und in unserer Stadt herzlich willkommen zu heissen.

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Breslau hat in den letzten Jahren wiederholt den Vorzug gehabt, dass es als Ort der Generalversammlung für manche Vereine und Gesellschaften, welche ihre Mitglieder aus ganz Deutschland rekrutiren, gewählt worden ist, und wir haben eine solche Wahl jedesmal mit grosser Freude begrüsst, weil sie uns die gewünschte Gelegenheit gab, unseren Landsleuten, namentlich aus dem Westen Deutschlands, ad oculos zu demonstriren, dass Breslau, wenn es auch in der Nähe der berüchtigten sogenannten polnischen Grenze gelegen ist, dennoch eine durch und durch deutsche Stadt ist, und dass, wenn es auch in vieler Beziehung der Naturschönheiten und derjenigen Annehmlichkeiten entbehrt, welche der dauernde Aufenthalt eines Fürstenhauses gewährt, dennoch hier durch den Fleiss und die Thätigkeit seiner Einwohner und durch die Mühe der städtischen Behörden manches geschaffen ist, um das Leben und den Aufenthalt auch in dieser Stadt angenehm zu machen, manches auch geschaffen worden ist, was der Besichtigung durch Fremde. nicht unwerth ist.

„Aber, meine Herren, wenn irgend ein Verein Anspruch darauf hat, hier freudig aufgenommen zu werden, und wenn die Versammlung irgend eines Vereins von uns mit Freuden begrüsst worden ist, so ist es die Ihrige, denn der Deutsche Verein für öffentliche Gesundheitspflege hat es ja zur Aufgabe, die Ziele der öffentlichen Gesundheitspflege praktisch zu fördern. Er will und strebt danach, dass die Wohnstätten der Menschen auch Heimstätten der Gesundheit und des Wohlseins werden, und es liegt in der Natur der Dinge begründet, dass seine Thätigkeit sich wesentlich auf die grösseren Städte erstreckt, wo das dichte Zusammensein von grossen Menschenmengen einen energischeren Kampf gegen die dadurch bedingten Feinde der menschlichen Gesundheit erheischt, als dies auf dem platten Lande der Fall ist, wo die Menschen und die Heimstätten derselben weniger dicht gedrängt, letztere weniger stark bevölkert sind.

„Meine Herren! Wir hoffen, aus Ihren Verhandlungen reiche Belehrung und neue Anregung zu finden, fortzuschreiten auf dem Wege der öffentlichen Gesundheitspflege in unserer Stadt. Was wir in dieser Beziehung gethan haben, das wollen wir Ihnen vorweisen in Wort und Schrift

und in natura. Ich erlaube mir in dieser Beziehung zunächst auf den Inhalt der Festschrift 1) Bezug zu nehmen, welche der Magistrat hiesiger Stadt. mit Unterstützung der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur ausgearbeitet und Ihnen gewidmet hat. Sie wollen daraus ersehen, dass wir durch Canalisation und Rieselanlagen uns bemüht haben, die animalischen und vegetabilischen Abfälle aus den Wohnungen und aus der Stadt möglichst schleunig zu entfernen und sie gleichzeitig im Interesse der Landwirthschaft nutzbar zu machen. Unsere Wasserwerke haben es erreicht, dass allen Einwohnern der hiesigen Stadt auch in die höchsten Stockwerke hinauf gutes, reines Trinkwasser zu einem verhältnissmässig sehr billigen Preise geliefert wird und durch chemische Untersuchungen. hat unsere Stadt sich bemüht, der Verfälschung der Nahrung mittel vorzubeugen und, wo solche eintritt, sie zu entdecken.

Meine Herren! So werden wir gegenseitig lehrend und lernend uns unterstützen und fördern in den beiderseitigen Bestrebungen, wir werden, hoffe ich, beiderseits aus dieser Versammlung reichen Nutzen ziehen.

„Zum Schluss gestatten Sie mir, zu erwähnen, dass, damit Ihnen diejenige Zeit, welche Sie Ihren Arbeiten nicht widmen, in Breslau nicht zu lang werde, ein Localcomite aus Bürgern hiesiger Stadt sich gebildet hat, welches sich bemüht hat, für mancherlei Zerstreuungen zu sorgen, und die städtischen Behörden Breslaus erlauben sich, Sie zu Mittwoch zu einer geselligen Vereinigung auf dem Plateau der Liebichshöhe einzuladen.

Und nun nochmals herzlich willkommen, meine Herren, in Breslau."

Vorsitzender Oberingenieur Meyer:

„Ich spreche den verbindlichsten Dank aus für die freundlichen Worte, die uns von Seiten der Stadt Breslau eben durch den Herrn Oberbürgermeister gewidmet sind. Ich habe schon im vorigen Jahre in der Abgeordnetenversammlung des Verbandes der Deutschen Architekten und Ingenieure Gelegenheit gehabt, die grosse Gastfreundschaft der Stadt Breslau und auch die technischen Einrichtungen derselben kennen zu lernen, und da, muss ich sagen, war es mir ein Bedürfniss, in unserer Ausschusssitzung mit dafür zu sprechen, dass unser Verein seine Versammlung einmal nach dieser drittgrössten Stadt Deutschlands verlegen möchte. Die Stadt hat den Ruf, wie der Herr Oberbürgermeister es auch andeutete, ganz ausserordentlich entfernt zu liegen. Jeder sagt es, er mag noch so nahe wohnen. kam es ganz besonders darauf an, diese Stadt, die in Deutschland einen so hohen Rang einnimmt, uns und unserem Verein einmal möglichst na he zu bringen, nicht so sehr, um, wie es sonst unsere Aufgabe ist, die gesunden Principien der öffentlichen Gesundheitspflege hier zu verbreiten, nein, das ist wenigstens nach der Erfahrung, die ich hier gemacht habe, eigentlich nicht nöthig, denn die Einrichtungen der hiesigen Stadtverwaltung sind in dieser Beziehung so vortrefflich, dass ich glaube, es wird

Uns

1) Festschrift zur XIII. Versammlung des Deutschen Vereins, für öffentliche Gesundheitspflege, enthaltend Abhandlungen über die Canalisation und Rieselfelder, die Wasserversorgung, das chemische Untersuchungsamt der Stadt Breslau. Herausgegeben unter Beihülfe der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur vom Magistrat der Königl. Haupt- und Residenzstadt Breslau. Breslau 1886. gr. 8. 148 S. mit 4 Tafeln.

unsere Aufgabe sein können, aus denselben als einzelne Mitglieder des Vereins für öffentliche Gesundheitspflege für alle die Bezirke, in denen wir zu Hause thätig sind, zu lernen und daraus Nutzen zu ziehen, und da wir das an der Hand der berufensten Vertreter der Stadt, des Herrn Oberbürgermeisters und des Herrn Bürgermeisters, unseres Ortsausschusses, in dem ja auch werthe Genossen unseres Vereins vertreten sind, erreichen können, die uns freundlichst hier führen wollen, so müssen wir besonders unseren Dank dafür aussprechen und auch allen denen, die sich sonst unserer angenommen haben. Wir sprechen auch den Dank aus für das Buch, welches uns durch Hülfe der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur hier unterbreitet worden ist und für die freundliche Einladung nach der Liebichshöhe."

Der ständige Secretär, Sanitätsrath Dr. Spiess (Frankfurt a. M.), verliest hierauf den

Rechenschaftsbericht

des

Ausschusses des Deutschen Vereins für öffentliche Gesundheitspflege für die Zeit von September 1885-1886.

Durch Beschluss der Vereinsversammlung in Freiburg i. B. vom 17. September 1885 wurde der Ausschuss für das Geschäftsjahr 1885 — 1886 wie folgt zusammengesetzt:

Medicinalrath Dr. Arnsperger (Karlsruhe), Vorsitzender,
Oberbürgermeister Becker (Düsseldorf, jetzt Köln),

Bürgermeister Dr. v. Erhardt (München),

Medicinalrath Dr. Flinzer (Chemnitz),

Oberingenieur F, Andreas Meyer (Hamburg),

Regierungsrath Dr. Wolffhügel (Berlin),

Sanitätsrath Dr. Spiess (Frankfurt a. M.), ständiger Secretär.

Der Ausschuss trat vollzählig am 13. und 14. Februar 1886 zu einer Ausschusssitzung in Frankfurt a. M. zusammen, in der die folgenden Gegenstände zur Erledigung kamen:

1) Als Zeit für die diesjährige Versammlung bestimmte man dem Herkommen gemäss die Tage vor Beginn der Naturforscherversammlung, den 13. bis 16. September.

2) Als Ort der Versammlung wählte man, nachdem die Versammlung zweimal im Westen Deutschlands getagt hatte, und mit Rücksicht auf die in Berlin am 18. September zusammentretende Naturforscherversammlung, die Stadt Breslau, deren Behörden und wissenschaftliche Corporationen auf Anfrage uns in freundlichster Weise willkommen hiessen.

3) Als Themata für die Verhandlungen wurden aus einer grossen Anzahl vorgeschlagener die folgenden ausgewählt, und die Herren bestimmt, die um Uebernahme der Referate ersucht werden sollten. selben haben sämmtlich bereitwilligst zugesagt.

Die

Tagesordnung:

I. Die Untersuchungsanstalten für Nahrungs- und Genussmittel sowie Gebrauchsgegenstände, deren Organisation und Wirkungskreis.

Referent: Herr Professor Dr. Albert Hilger (Erlangen).

11. Volks- und Schulbäder.

Referenten Herr Privatdocent Dr. Oscar Lassar (Berlin).

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III. Ueber Rieselanlagen mit besonderer Berücksichtigung von Breslau und über andere Reinigungsmethoden der städtischen Abwässer. Referenten Herr Baurath Kaumann (Breslau).

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IV. Maassregeln zur Verhütung von Kohlenoxydvergiftungen.
Referent: Herr Professor Dr. Max Gruber (Graz).

V. Moderne Desinfectionstechnik mit besonderer Beziehung auf öffent-
liche Desinfectionsanstalten.

Referenten: Herr Professor Dr. Franz Hofmann (Leipzig).

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An den Nachmittagen sind Besichtigungen der Canalisations- und Rieselanlagen, des städtischen Wasserwerkes, der öffentlichen Desinfectionsanstalten, des chemischen Untersuchungsamtes etc. und am 16. September ein Ausflug nach Fürstenstein in Aussicht genommen.

Leider musste Einer der Herren Referenten, Herr Prof. Dr. Max Gruber in Graz, im Sommer seine Zusage zurücknehmen, da die im Süden der österreichischen Monarchie ausgebrochene Cholera ihm eine Entfernung aus seinem Wohnorte unmöglich machte.

4) In Ausführung eines Beschlusses des Ausschusses in Freiburg legte der ständige Secretär den Entwurf zu einem Bericht über die Thätigkeit des Vereins in den ersten zwölf Jahren seines Bestehens, 1873 bis 1885, vor, dem der Ausschuss beistimmte und dessen Vertheilung an sämmtliche Mitglieder, die Landes- und Provinzialregierungen, sowie an die Magistrate aller grösseren Städte er beschloss, an letztere mit der Aufforderung, dem Vereine beizutreten und bei dessen Versammlungen sich vertreten zu lassen. Dieser Aufforderung entsprechend sind eine grössere Anzahl Städte dem Vereine beigetreten.

5) Ein von Herrn Dr. Dornblüth geäusserter Wunsch, die Referate nicht mehr in der Versammlung zu verlesen, sondern sie vor der Versammlung gedruckt den Mitgliedern zuzustellen, wurde einer sehr eingehenden Discussion unterzogen. Doch musste sich der Ausschuss von der Undurchführbarkeit dieses Vorschlages überzeugen und beauftragte den ständigen Secretär, in der Deutschen Vierteljahrsschrift für öffentliche Gesundheitspflege, in der jener Vorschlag des Herrn Dr. Dornblüth erschienen, die Ansicht des Ausschusses darzulegen.

6) Herr Oberingenieur Meyer machte darauf aufmerksam, dass es sich wiederholt als missständig erwiesen habe, dass der Vorsitzende der

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