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Hofe; der Póbel, nicht mehr in Furcht vor Strafe, war dem Geiste der Rottirung, der Rachgier und des Blutdurftes verfallen; die Leidenschaften nährten sich durch schlimme Erinnerungen und durch noch schlimmere Einflüsterungen, durch den fürchterlichen Wahn, das Volk müsse selbst und ohne Verzug Gerechtigkeit üben an Denen, die ihm wehgethan. Es wurde von Bailly nichts gespart, geregelten Friedensverkehr, Gewerbe, Verdienst, Zufuhr von Lebensmitteln und Beruhigung der Gemüther zu bewirken '); Lafayette betrieb, unterstüßt von Alex. Lameth und Matthieu Dumas 2), mit Eifer und Umsicht die Organisation der Bürgermiliz3), die nun auf seinen Vorschlag Nationalgarde genannt wurde); aber beide waren zu arglos, um den Umtrieben der Anarchisten) recht begegnen zu können, und ohnmächtig, als den Pöbel die Wuth zu morden wieder ergriff. Am 22. Juli wurde Foulon, einer der am 11. Juli defignirten Minister, als Gefangener in Paris eingebracht. Er war berüchtigt durch Erpressungen, wegen brutaler Äußerungen über das Volk 6), das er Vieh zum Heufressen

1) Procès-verbal der Electeurs b. Buchez et R. 2, 131. 144. 2) Lameth 1, 71. Dumas, Souvenirs 1, 435.

3) Infanterie 31,000 m. mit 1000 Officieren; von jenen 6000 befoldet, dabei die vormalige französische Garde, die einstweilen von den Districten unterhalten wurde (der District Eustach hatte eine Rechnung von 14,000 Livres für Wein und Wurst, Bailly 2, 207). Zu jeder Compagnie derselben kamen vier Compagnien Bürger; jene hießen Compagnien des Centrums. Außerdem Chasseurs und Reiterei, über 10,000 Mann. Von der Artillerie s. Lafayette 2, 337. Godard exposé 147. Gouvion, Lafayette's Waffengefährte in Amerika, wurde Chef des Ge= neralstabes. Eine besondere Schar bildeten die Volontaires de la Bastille. Es hatten sich als solche gegen 800 Mann gemeldet, Bailly 2, 250. 4) Bailly 2, 52. Buchez et R. 2, 130.

5) Nach Bertrand de Molev. 4, 181 brachte Udr. Duport in einer société philanthropique, wozu auch Larochefoucauld gehörte, in Vorschlag, die Köpfe einiger hochgestellten Personen der Hofpartei springen zu lassen; Lafayette sollte das mit angehört und Mirabeau es später dem Könige und der Königin mitgetheilt haben. Dergleichen läßt sich ebenso schwer widerlegen, als leicht behaupten. Bailly war in der That,,bonhomme" und seinem Posten nicht gewachsen.

6) über das Folgendes. Moniteur No. 28; Buchez et R. 2, 146 aus Bachsmuth, Gesch. Frankr. im Revol.-Zeitalter. 1. 10

genannt haben sollte, böfer Rathschläge gegen die N.-V. und Paris beargwohnt; dessen kundig hatte er sich verborgen gehalten und aussprengen lassen, er sei gestorben, dies aber ihn nicht sichergestellt. Mit Nesseln um den Hals, Disteln auf der Brust und einem Bündel Heu auf dem Rücken, wurde er nach Paris geschleppt und hier auf das Stadthaus gebracht. Von dem nachgedrungenen Pöbel, unter dem sich aber auch wohlgekleidete Personen befanden, wurde seine Auslieferung zu rascher Justiz begehrt; umsonst suchten Bailly, Lafayette, Offelin u. f. w. ihn zu retten; er wurde weggeriffen, an der Laterne aufgeknüpft, dann sein Kopf abgeschnitten und auf einer Pike umhergetragen. An demselben Tage brachte eine tumultuarische Masse Volks Foulon's Eidam Berthier, bisherigen Intendant der Generalitat von Paris, trog den Bemühungen der Wahlherren, den Zug unterwegs aufzuhalten, nach Paris. Vor seinem Wagen fuhr ein Karren mit Inschriften zu seiner Anklage einher; das Haupt Foulon's wurde ihm zum Kusse entgegengehalten. Die bewaffnete Macht that nichts zu seiner Rettung; Lafayette unterließ, es zu gebieten. Berthier wurde vom Stadthause fortgeschleppt, unter der Laterne massacrirt; sein Kopf und Herz dienten zum Triumphzuge der Tiger). Lafayette kündigte die Niederlegung seiner

bem Procès-verbal der Elect. und dem ami du roi; Bailly 2, 98 fg. Révolutions de Paris 1, 55 fg. Montgaillard 2, 263.

7) zu den Äußerungen wahrhaften Cannibalismus gehört, daß einige Mörder mit Berthier's Herzen sich in ein Kaffeehaus begeben, Blut aus demselben in die Tassen gedrückt und zu dem scheußlichen Trunke gesungen haben sollen: Il n'est pas de bonne fête quand le coeur n'en est pas. Montgaillard 2, 266, mit der positiven Versicherung, daß dem so sei. Zwar ist nimmer aus den Augen zu lassen, daß es auch einen Cannibalismus der Geschichtschreibung gibt, welcher dergleichen, ob wahr oder nicht, nur zu gern auftischt, und gern liest man dagegen bei den Deux amis 2, 74, daß der Dragoner, der Berthier das Herz ausgerissen hatte, deshalb von seinen Cameraden im Duell getödtet wurde; aber gab es nicht bald nachher bei den Modehåndlern eine couleur de sang de Foulon? (Montgaillard 2, 266) und sprach sich nicht derselbe tigerartige Sinn aus in Pamphlets, wie Convoi, service et enterrement de trèshauts, très-puissans seigneurs Foulon etc. (f. bas gräßliche Machwerk b. Bailly 2, Beil. A).

Stelle an, doch blieb er auf Zureden. Tumult und Mordfrevel ruhten eine Zeit lang; aber Versammlungen von allerlei Genossenschaften, von Handwerksgesellen, Lakaien u. s. w., Gáhrung bei jeglichem Gerüchte, auch dem widersinnigsten ®), mit ercentrischem Treiben wiederholten sich jeden Tag; dazu machte die Herrschluft und Eigenmächtigkeit der Districtsversammlungen dem Maire zu schaffen ). Einen bösartigen Charakter hatte der Tumult des 6. August, wo ein falsches Gerücht das Bolk gegen den Marquis La Salle aufreizte und diesem nur mit Noth das Leben erhalten wurde 10). Der aufreizende Ton mehrer Zeit- und Flugschriften "), unter denen seit dem 14. Juli die zuerst von dem talentvollen Loustalot redigirten Révolutions de Paris bedeutend wurden, veranlaßte schon am 24. Juli einen auf Beschränkung der Presse gerichteten Beschluß der Wahlherren 22): es war die erste frühreife Ankündigung des Bedachts auf Innehalten von Seiten Derer, die zur Bewegung getrieben hatten; aber er blieb unkräftig, wie zuvor die königlichen Verordnungen der Art gewesen waren und wie ein am 2. August folgender Beschluß der neuen städtischen Behörde "). Mit der Presse wirkte zusammen der Gesang;

8) Von Vergiftung der französischen Garde u. f. w. Bailly 2, 75. 9) Bailly 2, 73. 74. Der District des Petits-Augustins segte ohne Weiteres Friedensrichter ein.

10) Révolutions de Paris No. 4, S. 27 fg. Bailly 2, 223.

11) Aufregender als die Zeitschriften waren die Pamphlets und Placards oder Affichen. Die legteren, deren in den ersten Jahren der Revolution in unzahl an die Mauern geklebt wurden, wobei die Colleurs einander zu übervortheilen suchten, indem die einen frisch angeschlagene Placards sogleich mit den ihrigen überklebten, sind großentheils der historischen Literatur fremd geblieben; eine ansehnliche Sammlung derselben ift (nach Buchez et R. 11, 15) nach England, dem Verließ kostbarer Schäße der Literatur, gewandert. Auch an Carricaturen mangelte es nicht. Boyer, Hist. des carricatures de la rév. fr. 1792, 2-8. Die Kupfer in Camille Desmoulins Révolut. de France et de Brabant können zum Theil dazu gerechnet werden.

12) Buchez et R. 2, 191.

13) Daselbst 2, 246. Bailly 2, 209. Dagegen trat Loustalot, Révolutions de Paris No. 4, G. Y fg., in die Schranken; sein Aufsak

das Lied Ça ira, aufgekommen zur Zeit der pariser Insurrection 14), ward national und nur zu oft Ermunterung zum Frevel.

Gewalt und Licenz des Volkes ward durch ganz Frankreich entfesselt; der König saß noch auf dem Throne, aber die königliche Gewalt und das Ansehen des Gefeßes war dahin "). Das Militär war fast überall unzuverlässig, Desertion und Verbrüderung mit dem Volke, durch das Beispiel und die Straflosigkeit der französischen Garde und vielleicht auch durch ein unvorsichtiges Wort Lafayette's befördert 16),

ist das Seitenstück zu Mirabeau's Reclamation gegen das k. Verbot seiner Zeitschrift. Elle défend, sagt Loustalot, de publier aucun écrit, sans qu'il porte en tête le nom d'un imprimeur ou d'un libraire, et sans qu'aucun exemplaire paraphé n'ait été déposé à la chambre syndicale. Elle rend le libraire ou l'imprimeur garant de la teneur de l'écrit, sauf son recours contre l'auteur, s'il y a lieu. Cette ordonnance est injuste, oppressive et contraire aux premiers éléments du droit. Injuste envers les gens de lettres, cette portion précieuse de la société qui en tire toutes ses lumières, que l'on dépouille du droit naturel de faire circuler leurs pensées, sur la foi de leur signature, pour en revêtir des compagnies de manufacturiers, dont les principaux membres reconnaissent enfin, qu'il est juste de renoncer à ces prohibitions iniques, à ces priviléges absurdes, à tous les arrêts de réglement, qu'ils avaient achetés des directeurs généraux de la librairie. Oppressive envers les libraires et imprimeurs que l'on force à sortir de leur profession, pour faire celle de censeurs Oppressive envers les gens de lettres, que l'on soumet de nouveau à des censeurs d'autant plus difficiles, qu'ils doivent être garants des écrits qu'ils autoriseront par leur signature. Oppressive envers le public, qui sera privé d'une foule d'écrits, par la timidité des imprimeurs ou les spéculations particulières des libraires. Contraire enfin aux premiers éléments du droit, qui en matière pénale n'admet point de garantie, et répugne à ce qu'un auteur puisse jamais être appelé par le libraire, pour subir la peine qu'un libelle aurait attiré sur sa tête. 14) Von seiner magischen Gewalt s. Paganel, Essai histor. 1, 111. 15) Montrer de près et toute nue la royauté au peuple, c'est anéantir la royauté (Paganel 1, 124) hatte damals nach der Scene zu Paris, am 17. Juli, seine Wahrheit.

16) Am 15. Juli sagte einer der Deputirten der N.-V. auf dem Stadthause, der König vergebe den Garden: Alors murmure général, des gardes s'avancent vers le bureau; nous ne voulons point de pardon dirent-ils, nous n'en avons pas besoin, en servant la

nahm überhand; ernsten Widerstand gegen Volksbewegung leistete es selten anders, als wenn es mit den Bürgern gegen den Pöbel aufgeboten wurde. Dagegen hatte ganz Frankreich in wenigen Tagen Nationalgarden. Ein Kunstgriff der Demagogie Duport's oder Mirabeau's soll dazu mitgewirkt haben. Von Paris aus, lautet die Angabe darüber, verbreiteten sich nach allen Richtungen Eilboten, welche in Städten und Dörfern das Heranziehen von Räubern und Verwüstern der Felder verkündeten und zu den Waffen riefen "). Doch genügte auch ohne dies die Nachricht von der pariser Insurrection, zur Nachahmung zu reizen. Überall griffen Bürger und Bauern zu den Waffen, überall entstanden Nationalgarden. Conflicte mit dem Militär blieben nicht aus, aber dem lehtern war die Kraft gebrochen, es war wie gefangen in der Mitte des durch die Schreckensgerüchte zum Bewußtsein seiner Wehrmittel gelangten Volkes 18), und der Geist der Soldaten war mit diesem; denn die Officiere waren Edelleute. In Lyon rottete sich das Volk zusammen; ein Angriff der Dragoner wurde von ihm zurückgeschlagen, die lehtern waren ihm seit dem nicht mehr hinderlich; in Rouen, Rennes, S. Malo, Bordeaux, Strasburg u. f. w. kam die Volksbewaffnung ohne Blut

nation, nous servons le roi. Procès-verbal der Elect. 6. Buchez et R. 2, 124. Darauf schrieb der König am 21. Juli an Lafayette: Quant aux gardes-françaises je les autorise à entrer dans les milices bourgeoises de ma capitale; auch sollte Lafayette Deserteurs von andern Regimentern, die schon in Paris angekommen seien, behalten dürfen (Révolut. de Paris No. 2, G. 53). Die Desertion nach Paris war bis dahin arg gewesen (Bailly 2, 74. 104); Lafayette soll gesagt haben: les seuls déserteurs sont ceux qui n'ont point abandonné leurs drapeaux. Révol. de Paris No. 2, S. 47.

17) S. 6. Buchez et R. 4, 170 ein ausdrückliches Zeugniß aus Mamers, daß zwei Couriere durch den Ort gekommen seien. Man muß es mindestens (mit Lameth 1, 91) auffallend finden, daß keiner der Couriere festgehalten wurde.

18) Paganel 1, 149: Pour désarmer moralement les soldats du roi, c'est à dire, pour les désenchanter, il importait d'armer physiquement le peuple. Là où le citoyen est armé, le soldat est citoyen. Cet événement d'une peur universelle arracha tout-à-coup les Français de leur servile stupeur.

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