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und geschäftlichen Verkehr der Gesandten, im Vergleich mit den Umständlichkeiten, welche die Friedensverhandlungen zu Utrecht, Nimwegen, Münster und Osnabrück verzögerten und erschwerten, war nicht zu läugnen. Um nur Eines anzuführen, wollen wir schließlich daran erinnern, mit welcher perükkenhaften Umständlichkeit die Gesandten der kurfürstlichen und fürstlichen Höfe nach Eröffnung der Verhandlungen zu Osnabrück und Münster wegen des Prädicates Excellenz" demonstrirten und remonstrirten. Da der Gesandte der Republik Venedig für sich „die Excellenz“ beanspruchte obschon man in Italien, wo man von jedem Bettler den Titel „,excellenza" erhält, keinen besonderen Werth darauf zu legen pflegt wandten sich die kurfürstlichen Gesandten an den Kaiser Ferdinand III., welcher durch Rescript vom 7. August 1644 zu ihrer Satisfaction bestimmte: „es sollten die kurfürstlichen Gesandten dem venetianischen in puncto curialium durchgehends gleichgehalten werden," indem man am kaiserlichen Hofe zu Wien der Ansicht war, daß die den kurfürstlichen Gesandten verwilligte Excellenz zur Erhöhung des Glanzes des deutschen Reiches dienlich und eine gute Concordanz und Einigkeit zwischen Haupt und Gliedern zu erhalten wohl geeignet sei."

Als nun aber, mit Berufung auf dieses kaiserliche Rescript die kurfürstlichen Gesandten von denen der fürstlichen Höfe per: „Excellenz" sowohl mündlich als schriftlich titulirt zu werden verlangten, erklärten die letteren dies für „eine präjudizirliche Neuerung und Folge der zunehmenden Tendenz des kurfürstlichen Reichscollegii, in der Eigenschaft eines mehr berechtigten Organs des Reichskörpers hier und da eine wichtige Reichsangelegenheit mit dem Reichsoberhaupt allein zu erledigen und durchzuführen.“

Der zu dem Fürsten-Rathe in Osnabrück bevollmächtigte herzoglich Sachsen-Altenburgische Gesandte Wolfgang von Thumshirn gab den 16. September 1645 daselbst zu Protokoll: „Eine Difficultät falle jedoch ein, welche der Conferenz mit den Kurfürstlichen im Wege stehe. Man gönne den Electoribus ihre Präeminenz gern, auch was von Fremden ihnen widerfährt, im Reiche aber könnte die Harmonie bei dergleichen Neuerungen und also das Reich selbst nicht bestehen, indem die Excellenz trenne; man sei in contrarium instruirt und möchten von den Ständen solche Titul ausgewirkt werden, die auch den Kurfürstlichen bedenklich, also sollte man trachten, fie wieder zur Vergnügung mit den alten Tituln zu bringen."

Hatte es die langwierigsten Verhandlungen erfordert, um die Rangstreitigkeiten in den Sizungssälen zu schlichten, so gab es neue Zerwürfnisse wegen der Rangordnung bei Gastmahlen in eingeladener Gesellschaft. Die fürstlichen erhoben Beschwerde: „daß die kurfürstlichen Gesandten, wenn sie etwa einen, oder mehr der fürstlichen Gesandten zum Essen eingeladen, sich in ihrem eigenen Zimmer obenan seßten, da doch sie, die kurfürstlichen, mit den königlichen in specie kapitulirt hätten, die Oberstelle zu haben, wenn sie in ihr Quartier kämen. Was nun die Kurfürsten gegen die Könige vor eine Proportion haben könnten, solche hätten gewiß auf's Wenigste auch die Fürsten gegen die Kurfürsten mit denen fie membra unius Reipublicae wären."*) Ueber dergleichen „Obenansißen“ hatte man sich bei dem Wiener Congreß hinweggesett.

Elftes Kapitel

Charakterschilderungen und Lebensbilder; Die Bevollmächtigten des Congresses; 1. Nepomuk Lothar Graf (später Fürft) von Metternich-Winneburg.

Die Niederlage, welche Oestreich im Jahre 1809 durch die siegreichen Waffen Napoleons erlitten, führte nicht zu jenen heilsamen Reformen, welche Preußen nach den schweren Unglücksjahren 1806 und 1807 in seiner Staatsverwaltung durchführte und wodurch allein es möglich wurde, den Wohlstand des Volkes zu heben, das Nationalgefühl neu zu beleben. Während Preußen unter der Verwaltung Stein's und Hardenberg's, Schön's, Scharnhorst's und vieler anderer vaterländisch gesinnter Männer sittlich gekräftiget vorwärts schritt auf der Bahn der Befreiung von dem Wuste mittelalterlicher Romantik und büreaukratisch - militärischer Cabinetsordre - Regierung, machte

*) Wem daran gelegen, noch mehr dergleichen spaßhafte Rangstreitigkeiten, wie sie bei dem Congreß in Münster und Osnabrück vorkamen, kennen zu lernen, verweisen wir auf eine vortreffliche Monographie: „Edler v. Braun, Skizzen aus dem diplomatischen Leben und Wirken des Sachsen- Altenburgischen Gesandten am Westphälischen Friedens Congreffe, W. C. v. Thumshirn. Altenburg 1858.

Oestreich nach den lezten harten Schlägen, welche es betroffen, durch Gewaltstreiche in der Verwaltung der Finanzen unter dem Grafen Wallis, durch feigherzige Führung seiner äußeren Angelegenheiten unter Metternich, Gent und dem Gefolge der, alles Lebensfastes baaren, neukatholischen Schöngeister nach allen Richtungen hin einen jämmerlichen Staats- Bankerott und ging einer schmählichen Verderbniß entgegen. Niemals würde sich der östreichische Kaiserstaat aus eigener innerer Kraft zu einem dritten Kampfe gegen Napoleon, zumal seitdem dieser der Schwiegersohn des Kaisers Franz geworden war, aufgerafft haben, wenn nicht Preußen vorangegangen wäre und zugleich auch nachgedrängt hätte. Wir haben bereits in den Unterhandlungen vor und während des Waffenstillstandes 1813 die zaudernde, schwankende und, selbst nach dem Abschlusse des Bündnisses, noch unschlüssig bleibende Politik Metternichs kennen gelernt, ihn auch während der Friedensunterhandlungen mit Napoleon in Frankfurt a. M., in Chatillon und Paris nicht aus den Augen verloren. Preußen hatte während des ganzen Krieges oft genug Gelegenheit gehabt sich von der Unzuverlässigkeit des Wiener Cabinets zu überzeugen; während des Congresses lohnte es die Brudertreue des Kampfgenossen mit ränkeschmiedender Mißgunst, mit Bundesbruch und Verrath.

In Betreff der Persönlichkeiten, deren Bekanntschaft wir bisher in dem bunten Gewirre der Festlichkeiten und der Salons machten genügte eine flüchtige Begegnung; wir hatten uns wenig darum zu kümmern „woher sie kamen und wohin fie fuhren.“ Mehr Anspruch auf genauere Kenntnißnahme von ihrem Bildungsgange, Charakter, von ihrer Wirksamkeit, somit ihrer ganzen Persönlichkeit, haben diejenigen hervorragenden Häupter der Bevollmächtigten, welche als Führer die Angelegenheiten und Verhandlungen des Congresses beherrschten, oder doch wesentlich beeinflußten. Bei solchen dürfen wir uns nicht blos auf eine Schilderung ihrer Thätigkeit während des Congresses beschränken; diese würde in vielen Punkten räthselhaft und unaufgeflärt bleiben, wenn wir nicht, in möglichst gedrängter Kürze, vollständige „Lebensbilder" derselben zu geben versuchten.

Unsere Gallerie diplomatischer Charaktere, welche wir jegt dem Leser vorführen, eröffnet, wie billig, der zum Vorsitzenden einstimmig erwählte Fürst Staatskanzler. Clemens Wenzel Nepomuk Lothar Graf von MetternichWinneburg ward geboren zu Coblenz 1773; zur Zeit der Erstürmung der

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Bastille (14. Juli 1789) war er Student in Straßburg, später östreichischer Gesandtschafts-Attaché bei den Friedensverhandlungen in Rastatt, Gesandter in Dresden, Berlin, Botschafter in Paris, seit 1809 Staatsminister, später t. t. Haus-, Hof- und Staatskanzler, 1814 in den Fürstenstand erhoben, Neapolitanischer Herzog von Portella, Spanischer Grande erster Klasse, Graf von Königswarth und, was allem die Krone aufseßt, Oberkellermeister auf dem Johannisberg im Rheingau, wodurch seine Lebensgeister so wach erhalten werden, daß er noch zur Stunde (März 1859) als Rathgeber sich geltend macht. Verfolgen wir zunächst den Gang der Ausbildung des später allgebietenden Staatsmannes, so war seinen Studiengenoffen in Straßburg und Mainz niemals bekannt, daß er sich mit Neigung irgend einem Fache der Berufswissenschaften gewidmet habe. Er eignete sich Fertigkeit im Sprechen und Schreiben des Französischen an, wobei er durch glückliche Naturgaben und Umgang mit der feinen Welt gefördert wurde. Er war ganz nur ein ` Mann der Routine, dem eine Gewandtheit der Auffassung, eine natürliche Verschlagenheit und Geschicklichkeit selbst seine Verächter nicht abgesprochen haben; die großen Zeitereignisse schärften diese Naturgabe, aber jeder Gründlichkeit des Wissens und der Einsicht bog er aus. Der anerkannteste Meister in der höheren Polizei, Fouché, rühmte an ihm den polizeilichen Späherblick, die rasche Durchschauung der Menschen, ihrer Schwächen und Fehler." Wen Metternich in's Auge faßte, zumal wenn es einer seines Gelichters war, der entging ihm nicht so leicht. Er besaß einen „haarscharfen Raubvogelblick“ in seinen unschuldigen, blauen Augen, womit er das ganze Wesen dessen, auf den er es abgesehen hatte, völlig durchschaute. Weber die Licht- noch die Schattenseite dessen, mit dem er persönliche Bekanntschaft, zumal unter vier Augen und im Gespräch machte, entging ihm und es war von größerem Interesse, ihn über Personen, als über Sachen, Geschäfte und dergleichen sprechen zu hören. In den Portraits, die er zeichnete, waren angenehme Intermezzos, Anhauche der Grazie, eine durchaus milde Färbung; Allen waren scharfsinnige Bemerkungen beigemischt, daß man sah, welcher Adlerblick, welcher Jägergriff, welche Lootsengabe diesem Manne innewohne, vorzüglich für alle Gebrechen, Schwächen und Fehler der Gegner. Am besten konnte er mit den Doctrinärs fertig werden. Er blickte nach ihnen gar gütig, wie nach dummen Vögeln, die so vorwißig sind, wenn er lockt, sich gleich auf

die Leimruthe zu sehen; wie man ihu sogar rührend, ja herzensgut stimmen fonnte, wenn man sich in gehörigem Ernste von ihm mystifiziren, oder dupiren ließ.... Ewig merkwürdig bleibt Metternichs Verhältniß zu Fouché; die wunderliche, schweigsame Verehrung, die jener Höllenhund für Metternich als polizeilichen Observateur der Menschen und der Zeit und für seine, gleichwohl sehr erträgliche, ja höfliche sublime Menschenverachtung hatte und dann wieder die Verachtung seiner Weichheit, des Mangels an wahrhaft grandiosen Conceptionen und altrömischer Beharrlichkeit... Von den Lebensbildern aber, wie sie Metternichs Unterhaltungen einen unnennbaren Reiz geben, sind jene Portraits himmelweit verschieden, wie er sie im gereizten Unmuthe, wie er sie inmitten des wogenden Geschäftslaufes entwarf, stets eingedämmt in die Schranken der Mäßigung und der scharfen Beobachtung, da er ein Feind der Leidenschaftlichkeit war und des Eifers, dem er in der Diplomatie nicht einen Nagel breit Raumes vergönnen wollte." Mit besonderer Vorliebe wählte er zu seinen Schilderungen Begebenheiten aus der Geschichte des berliner Hofes und Cabinets. Mit verhöhnender Bewunderung sprach er von dem „Schwur Alexanders und Friedrich Wilhelms am Sarge Friedrichs des Großen“ und stellte mit schadenfroher Befriedigung dieser Scene den Entwurf zu einem Bilde gegenüber: Haugwiß, von Schönbrunn zurückkehrend, überbringt Friedrich Wilhelm III. Preußens, von Napoleon unterzeichnetes, Todesurtheil. *)

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Da er in seiner Umgebung nur Ergebenheits-, Anhänglichkeits- und Bewunderungsversicherungen vernahm, lebte er des guten Glaubens: nicht einen einzigen persönlichen Feind zu haben. Mit der ähnlichen Unbefangenheit, die nur in einem so mundtodten Lande, unter so wahrheitloser Umgebung möglich war, legte er auch seinen Mangel an jeder anderen Kenntniß aus, wenn es einmal gelang, ihn zum Reden oder Schreiben zu bringen. Er konnte dann in den wichtigsten Angelegenheiten Briefe voll Dank- und Ausdrucksfehler schreiben, die auf den flachsten Bildungsstand zurückschließen lassen. In dem Zeugnisse, welches ein vertrauter Umgangsgenosse ihm ausstellt, heißt es: „Studirt, erlernt, gelernt hatte Metternich eigentlich gar nichts; aber die Menschen und die großen Begebnisse waren nicht spurlos an ihm vorübergegangen. Durch die Verschwendung, mit der die Natur

*) Hormayr, der Kaiser Franz und Fürst Metternich. S. 84.

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