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seine krummen Wege und sein Doppelspiel bei der Versorgung Eugens, Wellington über sein Benehmen bei Anlaß der Verringerung des französischen Besatzungsheeres (1815), Münster bei verschiedenen deutschen Angelegenheiten über ihn urtheilten, Alle in stets gleicher Verwerfung, so würde man nicht begreifen, wie je dem Namen dieses Mannes ein besserer Ruf gestellt sein konnte, wenn man nicht wüßte, wie Macht das Urtheil der Heimischen blendet und wie natürlich bei Fremden das Lob einer Staatskunst ist, die ihnen Vortheil bringt."*) Alle, die sich in dem angemaßten Besitz der Herrschaft, des Reichthums, der Geburts- und Standes-Vorrechte befanden, stellten sich, welchem Lande sie auch angehören mochten, auf Metternichs Seite. Der Hochtory Minister Englands, Lord Aberdeen, trieb den Aberwig so weit, vor versammeltem Parlamente (1828) zu erklären: „die Metternich'sche Schule ist eine Schule der Wahrheit, welche die Stimme der Völker für sich hat, während ihre Gegner ein Geist der Lüge leitet und die Meinung der Nationen sie verläßt."

In seiner äußeren Erscheinung und seinem Benehmen in der Gesellschaft war Metternich so sehr der Mann des Scheines, daß er von Allen, denen ein oberflächlicher Anstrich für das Wesentliche gilt, als der erste Staatsmann und der liebenswürdigste Gesellschafter bewundert und gerühmt wurde.

Trotz des anstrengenden, vielbewegten, weder in geistiger, noch in förperlicher Rücksicht geschonten Lebens nahm er es, was Ausdauer in der Arbeit, wie im Vergnügen betraf, mit dem kräftigsten jungen Manne auf. „Seine Züge", so konterfeit ihn ein Congreßgenosse,,,sind regelmäßig, sogar schön zu nennen, sein Lächeln ist voller Grazie, sein Gesicht drückt Feinheit und Wohlwollen aus, in seinem schlanken Wuchs ist Ebenmaaß, Haltung und Gang find edel und elegant. **) Bei einem ersten, flüchtigen Blick ist man versucht zu glauben, die Natur habe ihn verschwenderisch mit all jenen verführerischen

*) Gervinus a. a. D.

**) Sein vielgerühmtes Lächeln, von den Frauen, welche Tauschhandel in Gunftbezeigungen mit ihm trieben, bezaubernd gefunden, war bei Männern, welche er dadurch für sich zu gewinnen suchte, nicht immer von so glücklichem Erfolge. „Dem Marschall Lannes zeigte es kriechende Schmiegsamkeit, dem Freiherrn Hormayr Lift und Lüfternheit; dem Lord Ruffel nichtssagende Gewohnheit. Den Ausdruck von umfassender Einsicht und ausgezeichnetem Geiste, die Furchen ernsten Nachdenkens, wollte der Lettere auf dem Gesichte des schon vollendeten Staatsmannes nicht entdecken."

Gaben ausgestattet, welche nur zu frivolen Siegen herauszufordern scheinen; faßt man ihn aber näher in's Auge, erkennt man in diesen Zügen Ernst und festen Willen, die Tiefe seines Blickes verräth ein politisches Genie, (!) man erkennt in ihm den Mann, dessen Hände die Regierungsgeschäfte eines großen Reichs anvertraut waren, von dem die Angelegenheiten Europa's in sehr bedenklichen Lagen entschieden wurden." Zur Zeit des Congresses stand er auf dem Höhepunkt seines Ruhmes, obschon seine Macht und Wirksamkeit später noch zunahmen. Er hatte den allwissenden Napoleon hinter's Licht geführt, dessen feinspürende Diplomaten und Unterhändler überlistet, das Kaiserhaus Destreich aus tiefster Erniedrigung wieder aufrichten helfen, ohne dazu eines Aufrufes,,An Mein Volk" zu bedürfen, den Kaiserstaat zur früheren Machtstellung verholfen und mit seinen politischen Grundsägen, wie beschränkt sie auch waren, umsponn und umspannte die gefrorne Seele des Egoisten die Geschicke Europa's. An der Spite des Congresses", bemerkt Varnhagen, ,,wenn wir die Monarchen, wie billig, außerhalb der diplomatischen Sphäre lassen, stand unläugbar der Fürst Metternich; in ihm erkannte man schon im voraus den Präsidenten dieser hohen Versammlung, die ihn auch bald ausdrücklich dazu erwählte. Da Destreich gleichsam den Wirth machte, die Eingeladenen bei ihm zu Gaste und in Obhut waren, so vereinigte der Minister dieses Staates mit dem vollwichtigen Ansehen, das ihm als solchen überall inwohnen mußte, das ihm auch in Paris und London nicht hätte fehlen können und mit der ohnehin wirksamsten Geltung der bedeutenden Persönlichkeit, zugleich allen Vorzug und Einfluß, der das Zuhausesein, das Zugebotestehen der ganzen Dertlichkeit, mit einem Worte das Recht des Wirthes hier unberechenbar gewährte.“ Die persönliche Bedeutung des Fürsten zeigte sich schon in dem merkwürdigen Umstande, daß ihm, dessen Vorrang alle andere Bevollmächtigte anerkannten, auch der Kaiser Alexander, der von den Monarchen am meisten persönlich in politische Verhandlung einging, für solchen Fall kaum noch als ein Höherer gegenüberstand, sondern der russische Kaiser und der östreichische Minister als zwei gleiche Kämpfer auf demselben Boden geraume Zeit um den Preis des Sieges rangen. Anfangs schien das Verhältniß als ein durchaus günstiges und hätte als ein einträchtiges unwiderstehlich alle anderen Verhältnisse des Congresses beherrschen müssen; allein es erfolgten Abweichungen, Verstimmungen und endlich völlige Entzweiung,

können..." Metternich war nicht eigentlich Absolutist, wie sein Herr, sondern nur conservativ. Er selbst spricht sich in einem Briefe dahin aus: „Das Ziel in unseren Zeiten ist nichts mehr und nichts weniger, als die Aufrechthaltung dessen, was vorhanden ist; darunter verstehen wir nicht nur die alte Ordnung der Dinge, sondern auch alle neuen, geseßlich geschaffenen Institutionen. Die Rückkehr vom Neuen zu dem, was nicht mehr vorhanden, ist mit eben so viel Gefahr verbunden, als der Uebergang vom Alten zum Neuen, beides kann den Ausbruch von Unruhen herbeiführen, welche um jeden Preis zu vermeiden sind." - Diese Ansichten, welche mit den, auf den Congressen zu Aachen und Karlsbad, Laibach und Troppau bethätigten Grundsäßen keineswegs übereinstimmen, brachte Metternich nach der Juli-Revolution 1830, durch welche Karl X. aus Frankreich vertrieben, Louis Philipp Orleans, als Bürger-König vom Volke auf den Thron erhoben wurde, zur Geltung. Er ge= hörte durchaus nicht zu denen, auf welche Napoleons Wort: „sie haben nichts gelernt und haben nichts vergessen“ Anwendung findet. Für Oestreich lag damals die Versuchung sehr nah, sich in die verwirrten Parteikämpfe Frankreichs einzumischen. Der Sohn Napoleons, ein Jüngling von neunzehn Jahren, befand sich in der Obhut und großväterlichen Fürsorge des Kaisers Franz in Wien. Wenn man auch für den Unterricht des Knaben beschränkte Grenzen gezogen, den heranwachsenden Jüngling durch verführerischen Umgang sinnlich und sittlich zu Grunde gerichtet hatte, so war es doch nicht möglich gewesen, ihn mit der Geschichte Frankreichs, mit den rühmlichen Thaten seines Vaters in Unbekanntschaft zu lassen. Damit nun der junge Herzog von Reichstadt diesen Titel führte er ausschließlich in der wienerischen Staatskanzelei aufgefüttert werde, erhielt der Fürst Metternich von dem Kaiser Franz den Auftrag, den Unterricht in der Politik, Geschichte und anderen Staatswissenschaften zu überwachen und ihm Vorlesungen über die Geschichte Napoleons zu halten. „Ich wünsche“ äußerte der Kaiser, „daß der Herzog das Andenken seines Vaters ehre, dessen große Eigenschaften, so wie dessen Fehler sich zum Beispiele nehme, um den einen nachzueifern, die anderen zu vermeiden um ihren traurigen Folgen zu entgehen. Vorenthalten Sie ihm keine Wahrheit, aber lehren Sie ihm vor Allem das Andenken seines Vaters ehren." ,,Ich werde" entgegnete Metternich,,,mit dem Prinzen so über seinen Vater sprechen, wie ich wünsche, daß man dereinst mit meinem Sohne

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über mich sprechen möge.“ Zum Beweise, wie sehr es dem Fürsten Metternich gelungen sei, dem Schne Napoleons die heilsamen, conservativen Prinzipien der geheiligten Legitimität von Gottes Gnaden beizubringen, wird angeführt: „als bei der ersten Nachricht von dem Volksaufstande in Paris im Juli 1830 bei Hofe davon gesprochen wurde, es müsse ein Krieg gegen die Revolution unternommen werden, habe der junge Napoleon lebhaft ausgerufen: „Ich wollte der Kaiser ließe mich mit seiner Armee Karl X. zu Hülfe marschiren." Eine glänzendere Aussicht, für den Sohn des Verbannten von St. Helena bot sich dar, nachdem bereits Louis Philipp den Thron bestiegen und von den europäischen Großmächten Anerkennung seiner, aus der Volkssouverainetät hervorgegangenen, Berechtigung zur Krone verlangte.

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Talleyrand, der vielgewandte und gewendete Diplomat traf gegen Ende des Jahres 1830 in Wien ein. Er war", so wird uns mit Berufung auf Metternichs vertrauliche Mittheilungen erzählt, beauftragt, unter dem Deckmantel einer ganz verschiedenartigen Sendung bestimmte Vorschläge zu Gunsten des Herzogs von Reichstadt zu machen, indem er für diesen Fall jede Bürgschaft des Friedens und der Freundschaft zu gewähren und eine solche Organisation der Regierungsgewalt in Frankreich zu begründen versprach, daß die Anarchie fortan nie wieder ihr Haupt gegen die gesellschaftliche Ordnung zu erheben im Stande wäre."

„Diese Mittheilungen wurden zwar von dem Fürsten Metternich angehört, aber mit jener kalten Ruhe, welche dem gewünschten Plane alle Hoffnung des Gelingens zum voraus abschnitt, und eben so wenig vermochte die Vorlegung eines Constitutions-Entwurfs für den, unter Napoleon III. wiederhergestellten Kaiserstaat, eine günstigere Stimmung bei ihm zu erwecken. Nicht einmal auf eine Untersuchung der Mittel ließ sich der Fürst ein, sondern beschränkte sich auf die einfache Frage: „was verlangen und erwarten Sie eigentlich von uns?” ,,Daß Ew. Durchlaucht uns den Herzog von Reichstadt an die Grenze von Frankreich bringen lassen. Seine Erscheinung daselbst und der Zauber des Namens Napoleon wird plöglich den zerbrechlichen Bau_zusammenstürzen, welcher auf Frankreich lastet und ganz Europa mit seinen Trümmern bedroht.",,Und welche Bürgschaft geben Sie dem Herzog von Reichstadt für seine Zukunft?" —,,Die Liebe und der Muth der Franzchen werden ihn umgeben und einen Wall um ihn bilden." —,,Vielleicht sechs Mo

nate lang und dann würde er von Haß, Neid und Verschwörungen umgeben, am Rande des Abgrundes stehen.“

,,Ich habe Ihnen," entgegnete Metternich dem Fürsten Talleyrand, „bereits erklärt, daß der Kaiser, mein Gebieter, zu fest an seinen Grundsägen, an den Pflichten für seine Völker und an dem Wunsche für das wahre Glück seines Enkels hält, um jemals den Vorschlägen solcher Art Gehör zu leihen. Und überdies täuschen Sie Sich völlig über den Ausgang Ihres Unternehmens, oder vielmehr über die Dauer seiner Resultate: denn, ohne Napoleon zu sein, Napoleonismus zu machen, das geht nun und nimmers mehr an. Damit Napoleon durch sein Genie, wie man es sobald nicht wieder finden wird, die Revolution bezwingen konnte, mußten die Umstände ihn auf ganz besondere Weise begünstigen. Eine ununterbrochene Folge von Siegen mußte ihn der Anhänglichkeit seiner Soldaten versichern und das Urtheil des Volkes durch eine Mischung von Furcht und Enthusiasmus gefangen uehmen. Verblendet durch die Dauer seiner Triumphe hatte er selbst die Zuversicht auf das Gelingen aller seiner Unternehmungen in sich und auch alle Anderen fetten sie in ihn. Aber eine solche Gewalt konnte nur vorübergehend sein, eben weil sie allein durch die Beständigkeit des Erfolges bedingt war. Sobald das Glück ihn verließ, trat auch die öffentliche Meinung als Feindin gegen ihn auf und der Thron war verloren. Und was würde heut zu Tage (1830) felbst ein Napoleon zu bewirken im Stande sein, in einem Getümmel von Leuten, deren fraßenhafte Eitelkeit keinen Namen vierundzwanzig Stunden lang unbesudelt lassen kann: Er, dem in den Tagen seiner Macht eine Menge großer Generale und für die Verwaltung fähiger Männer zur Seite stand? Ein böser Geist scheint Frankreich auf das Niveau einer allgemeinen Nullität bringen zu wollen. Napoleon baute die Gesellschaft aus den noch vorhandenen Trümmern der umgestürzten auf; Sie aber machen es sich zum Geschäfte die Trümmer selbst wieder in Trümmer zu schlagen. Unstreitig übt die persönliche Größe einen mächtigen Einfluß aus; allein so selten ihre Erscheinung ist, eben so selten geht sie von dem Vater auf den Sohn über. Es giebt andere Grundlagen der Ordnung, des Bestandes, der Wohlfahrt und diese Grundlagen finden sich nur innerhalb der wahren Prinzipien vereiniget."

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