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In Folge dieser Erklärung zerschlug sich die Unterhandlung noch bevor fie eigentlich begonnen hatte.*)

Es war für Metternich die Zeit gekommen, wo er zufrieden war, „sein Schäfchen in's Trockne gebracht zu haben"; er ließ sich willig finden, ohne große Umstände den Bürger-König" anzuerkennen, und war weit davon entfernt durch eine Proklamirung des Herzogs von Reichstadt als Kaiser Napoleon II. sich Ungelegenheiten zuzuziehen. „Die Scheu vor anstrengender Arbeit und jeder Gemüthsstörung machte den zu hohen Würden und großen Reichthümern gelangten Minister jeder durchgreifenden Unternehmung abgeneigt; das Bestreben seine Stelle zu behaupten, überwog in dem genußfüchtigen und bedürfnißvollen Manne jedes andere Interesse. **) Seine nach Innen und Außen niederhaltende und niederdrückende, passive Politik hat Destreichs Einfluß in den auswärtigen Dingen durch mehrere Jahrzehnte stufenweise in Abnahme und seinen Namen überall in üblen Klang gebracht. Der Fürst Metternich erhielt in Destreich die höchste Würde des Staatskanzlers, und von Europa alle Orden, bis auf Einen, den Orden des englischen Kniebandes, aber den Ruhm eines großen Ministers wird er in Oestreichs Andenken nicht behaupten. Man wird ihn vielleicht mit Talleyrand vergleichen, mit dem er die Trägheit und Gleichgültigkeit, die Oberflächlichkeit und Sittenlosigkeit, die Trockenheit des Herzens, die Genußsucht, die Unfähigkeit zu fruchtbaren politischen Schöpfungen theilte, aber man wird ihn, so wenig wie diesen, keinem der thatkräftigen Minister des französischen Absolutismus, selbst nicht denen von so zweifelhaftem Ruhme, wie Richelieu und Mazarin gleichstellen.... Selbst wenn er einmal die Hoffnung aussprach, daß sein Wirken für das allgemeine Wohl nicht verloren sein werde, wenn er sein Stetigkeits

*) Binder a. a. D. S. 283. Nach einer dem Verfaffer von dem Fürsten Metternich gemachten mündlichen Mittheilung. Gleichlautend findet man diesen Bericht in: Montbel, Herzog von Reichstadt. Leipzig 1833." Weber Montbel noch Binder nennen Talleyrand's Namen, bezeichnen ihn aber so genau, daß kein anderer gemeint sein kann.

**) Wer erkennt nicht Metternich in dem „Minister", welcher in Göthe's Fauft auf dem Blocksberg klagend ausruft:

,,Jetzt ist man von dem Rechten allzu weit,

Ich lobe mir die guten Alten;

„Denn freilich, da wir Alles galten,

,,Da war die rechte gold'ne Zeit."

prinzip in Schuß nahm, dessen schlimmere Stellen beschönigend zu übergleißen suchte und seine schlimmsten ungenirt ableugnete, so war selbst dieser Schein so plump „affichirt“, daß dies seine Gleichgültigkeit dagegen nur um so stärker bewies. Galt er doch unter den Beobachtern ganz in seiner Nähe dafür, daß seinen Neigungen eigentlich freisinnigere Grundsäge nicht fremd seien, daß er sie aber um seines Herrn willen unterdrücke und darum überall geflissentlich seine Verachtung des „gent liberal" zur Schau trage, den Werkzeugen des verhärteten Despotismus, Gent und dem Chef der Polizei, Graf Sedlnizki, selbst in ihren Uebertreibungen freien Lauf laffe und seinen ganzen Beruf in die Erstickung jeder freien Regung sete.“*)

So schweren Anschuldigungen gegenüber wollen wir dem Beklagten das Recht der Vertheidigung nicht verschränken und vor anderen Entlastungszeu'gen, an denen es, zumal aus der Zeit, da er noch der allgebietende Staatskanzler war, nicht mangelt, zuvor Einen vernehmen, den man des Servilismus nicht bezüchtigen darf. Heinrich Heine, den man mit gleichem Rechte, wie Aristophanes, ben,,ungezogenen Liebling der Grazien“ nennen darf, der aus Preußen verbannte Demagog, trat für Metternich's System und Destreichs Politik in die Schranken. „In der That,“ sagte er,,,wir können gegen Destreich kämpfen, und tobeskühn kämpfen mit dem Schwerte in der Hand, aber wir fühlen in tiefer Brust, daß wir nicht berechtigt find, mit Scheltworten diese Macht zu schmähen. Destreich war immer ein offener, ehrlicher Feind, der nie seinen Ankampf gegen den Liberalismus geläugnet, oder auf eine kurze Zeit eingestellt hätte. Metternich hat nie mit der Göttin der Freiheit geliebäugelt, er hat nie in der Angst des Herzens den Demagogen gespielt; er hat nie Arndt's Lieder gesungen und dabei Weißbier getrunken, er hat nie auf der Hasenhaide geturnt; er hat nie pietistisch gefrömmelt, er hat nie mit den Festungsarrestanten geweint, geweint, während er sie an der Kette festhielt; man wußte immer, wie man mit ihm daran war, man wußte, daß man sich vor ihm zu hüten hätte und man hütete sich vor ihm. Er war immer ein sicherer Mann, der uns weder durch gnädige Blicke

*) Münster's Denkwürdigkeiten. Brief von Hardenberg vom 14. Oktober 1826. Gervinus a. a. D. I. 425.

täuschte, noch durch Privatmalicen empörte. Man wußte, daß er weder aus Liebe, noch aus kleinlichem Hasse, sondern großartig im Geiste eines Systems handelte, welchem Oestreich seit drei Jahrhunderten treu geblieben war. Es ist dasselbe System, für welches Oestreich gegen die Reformation gestritten; es ist dasselbe System, wofür es mit der Revolution in den Kampf getreten u. f. w."*)

Nicht mit gleicher Unbestochenheit führt der uns bereits bekannte lobrednerische Biograph des Fürsten dessen Vertheidigung: „Mit dem Congresse von Wien," bemerkt Binder**),,,beginnt ein neuer Zeitraum in der Geschichte des europäischen Staatensystems, ausgezeichnet durch eine Menge großartiger Ereignisse, noch ausgezeichneter durch die Bedeutsamkeit hervorragender Individualitäten, deren Einfluß und Willensäußerung sich stets in jedem Hauptmomente der neuesten Zeitgeschichte erkennen läßt. In der Reihe dieser Persönlichkeiten aber behauptet hinwiederum Fürst Metternich schon als Minister Destreichs, des ausdauerndsten Kämpfers in dem Befreiungskriege und der vorsitzenden Macht im Rathe der Friedensfürsten ohne Streit eine der ersten Stellen; er behauptet sie jedoch mit noch weit höherem Rechte um seiner seltenen persönlichen Verdienste willen. Seinem diplomatischen Talente, seiner Einsicht und edlen Beharrlichkeit gebührt ja der Ruhm, nicht nur die Revolution sammt allen ihren verderblichen Auswüchsen überwunden, sondern, was noch mehr ist, die Grundsäße des gegenwärtigen Staatensystems entworfen und dem öffentlichen Leben in unseren Tagen (1814 bis 1848) die Bahn seiner naturgemäßen, geregelten Entwickelung vorgezeichnet zu haben.“ Der Verfasser bezeichnet als das Prinzip, welches der Leitstern Metternich's auf seiner ganzen politischen Laufbahn gewesen sei: Bekämpfung der französischen Revolution und ihrer Grundsäße; Festhalten an dem historischen Rechtsprinzipe der Staaten. ,,Nicht im Vertrauen auf das Glück des Augenblicks, dessen bevorzugten Günstling ihn einige zu nennen belieben, sondern lediglich in seinen persönlichen Tugenden, die selbst seinen erklärtesten Feinden Hochachtung abnöthigten, hat Metternich das große Geheimniß gefunden, welches ihm die schwierige Stellung, die Gewissen und Pflicht ihm

*) H. Heine, französische Zustände. 1832. **) Fürst Metternich 3. A. 1845. S. 182.

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einzunehmen geboten hatten, so unendlich erleichterte, ihm Muth und Beharrlichkeit in jeder Lage verlieh, und den glücklichen, ja wundervollen Erfolg seiner Bestrebungen sicher stellte; Grundsägen huldigend, denen jeder Vernünftige, jedes bessere Gemüth leicht zugänglich ist, kostete es ihm keine Mühe, jene ränkevollen Staatskünfte unbenugt zu lassen, womit die ganze Politik des despotisch-liberalen Franzosenthums durchspickt war; Gerechtigkeit, Ueberlegung und ungeschminkte Vernunft waren ihm die Leitsterne auf der Bahn seines mühevollen Berufs. Für jede große Idee empfänglich, affectirte er doch niemals eine schnelle Begeisterung. Er ließ sich nie von einem plößlichen Gedanken hinreißen, sondern befreundete sich nur mit solchen Entwürfen, von deren Ausführbarkeit er eben so, wie von ihrer Zweckmäßigkeit überzeugt war. Jeder kleinlichen Berechnung war er feind, seine politische Handlungsweise machte er immer nur von dem Gebote derjenigen Normen abhängig, mit denen Destreich selbst stehen, oder fallen muß: ein Grundgedanke, den er mehr, als irgend ein Staatsmann dieser Monarchie vor ihm, selbst der große Kauniß nicht ausgenommen, erfaßt und festgehalten hat. Daher kam es, daß er bei Allen für eine der zuverlässigsten Stüßen des Rechts und der Ordnung galt, daß nicht nur einzelne Stände, deren Existenz gesichert war, sondern selbst das unterdrückte Nationalgefühl aller Deutschen sich in den gefahrvollsten Zeiten unter seinen und seines erhabenen gleichgesinnten Monarchen Schuß flüchtete, und daß Oestreich bei der Schilderhebung wider Napoleon über eine Popularität gebieten konnte, wie sie noch keine Macht in gleichem Grade beseffen hatte." Dies kann jedoch nur von der Erhebung im Jahre 1809 gelten.

„Metternich ist der Schöpfer der politischen Größe Destreichs und des gewichtigen Einflusses, welchen diese Macht seit Begründung des gegenwärtigen Systems in Europa auf alle Angelegenheiten des Welttheils ausgeübt hat und fortwährend ausübt; er ist der Schöpfer einer Staatskunst, dessen festeste Stüßen väterlich-monarchische Grundsätze, weise Gesetze und durch die fortschreitende Zeit veredelte Formen sind, als deren glänzendste und wohlthäs tigste Eigenschaften wir die Gesetzlichkeit, Uneigennüßigkeit und besonnene Ruhe erkennen; er ist es endlich, dem allein wir in einem Zeitalter, wo alle Symptome den nahen Ausbruch eines Krieges befürchten ließen, die Erhaltung des allgemeinen Friedens zu danken haben."

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Der Kriegsbefürchtungen hat Metternich so viele an sich herantreten sehen, daß wir nicht bestimmt anzugeben vermögen, welche hier insonderheit gemeint sei. Indeß will der Lobredner nicht alles Verdienst seinem Helden zuschreiben. „Aber freilich,“ fügt er hinzu,,,wäre selbst das ausgezeichnetste politische Talent nicht im Stande gewesen, so Großes und so Vieles zu bes wirken, wenn nicht der treffliche Organismus des östreichischen Kaiserstaates selbst die sicherste Garantie des Gelingens dargeboten hätte." Nach einem heftigen Ausfalle gegen die constitutionelle Monarchie fügt der Verf. hinzu: „Woher sollte auch bei einer Staatsform, wo der Minister nicht demjenigen, dessen Befehle er ausführen soll, verantwortlich, sondern ein Sclave der stets wechselnden Volksmeinung ist, wo er jeden Augenblick das gezückte Schwert. des Damokles an einem Haare über seinem Nacken schweben sieht, woher sollte da jener sich stets gleich bleibende Geist, jene Ruhe und Furchtlosigkeit kommen, die nicht blos zu schaffen, auch das Geschaffene zu erhalten verspricht ?"

Da der Lobredner sich der großen Begünstigung rühmt,,,in einem vierjährigen persönlichen Verkehr mit dem Fürsten gestanden zu haben," dürfen wir mit Zuverlässigkeit darauf rechnen, in seiner Schilderung eine Zeichnung nach dem Leben zu erhalten, und nicht mehr und nicht weniger von dem Charakter und der amtlichen Wirksamkeit Metternich's zu erfahren, als was derselbe für öffentliche Mittheilung geeignet hielt. Selbst manches Unbedeutende wird uns nicht vorenthalten: Des Fürsten Aussehen,“ wird bemerkt, „ist gesund, seine Züge geistreich und angenehm; er geht und steht aufrecht (also nicht auf allen Vieren) und ist ohne andere Formen und Manieren des Benehmens, als die einer verbindlichen Höflichkeit, schmucklosen Grabheit und Freimüthigkeit gegen Alle, die sich ihm nähern. Er ist gesprächig, doch nie, ohne interessant zu sein. Daß Metternich mit seinem anerkannt diplomatischen Talente auch das eines seltenen Scharfsinns vereinige, daß er mit einem Blicke das ganze Innere des Menschen zu ergründen verstehe, und mit der gewinnendsten Freundlichkeit das Vertrauen anderer zu erwecken vermöge: dies find Eigenschaften, die von Freunden und Feinden noch bei keiner Gelegenheit verkannt worden sind und selbst Napoleon, der vielleicht alle Ursache hatte, Metternich's durchdringenden Scharfblick zu fürchten, konnte bei allem Hasse doch nicht umhin, seine Freundschaft zu wünschen und zu suchen.

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