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treffliche schlagende Schreibart noch weit zurückblieb. Diesem Vorzuge sind auch wohl die Erfolge, welche ihm bei den Frauen wurden, zuzuschreiben. Denn obgleich hochgewachsen, war er doch nicht eigentlich hübsch, und von Gemüth, einer Eigenschaft, welche große Macht über die Frauen übt, habe ich nie etwas an ihm bemerkt. Freilich war er leidenschaftlich und dadurch geeignet im Sturm zu erobern. Durch diese Leidenschaftlichkeit unterschied sich auch seine Genußliebe von der eines seiner, später noch berühmter als er gewordenen, Jugendfreunde und Gefährten auf den Pfaden der Sinnlichkeit (Wilhelm v. Humboldt), der sich stets sorgfältig gegen jeden Affect wahrte, heitere Ruhe als die Grundbedingung eines teden Genusses betrachtete. In der Genußsucht begegneten sich jedoch beide ganz und gar. ... Genz war Bonvivant in jeder Beziehung. In Augenblicken der Verlegenheit war ihm jedes Mittel sich derselben zu entreißen völlig gleichgültig. So zog er einmal einer Frau meiner Bekanntschaft, auf deren Nachsicht er glauben mochte ein Recht zu haben, bei einem Besuche einen kostbaren Diamantring vom Finger. Vergebens stellte sie ihm vor, daß das Fehlen dieses Ringes ihr die empfindlichsten häuslichen Ungelegenheiten zuziehen würde; nur nach langem Flehen, vielleicht auch durch pekuniäre Opfer, gelang es ihr, ihn wieder zu erhalten."*)

Wir erinnern absichtlich hier am Schluffe des Lebenslaufes an das Sündenregister der frühesten Zeit, um nachzuweisen, wie der Anfang mit dem Ende sich so schön zum Ganzen rundet, wenn auch nicht zu so schmeichelhaftem Bilde, wie die biographischen Schönfärber Varnhagen und Prokesch es dargestellt haben.**)

Der hinfällige Greis hatte sich mehr geboten und zugetraut, als er vermochte. „Ich befinde mich," schreibt er an Rahel aus Wien den 21. Januar 1831" bei Gott Lob! noch fortbestehendem körperlichem Wohlsein im Zustande einer wirklichen Gemüthskrankheit, die empfindliche Fortschritte in mir macht. Die Hauptelemente dieses Zustandes sind: stets erneuerte Unruhe

*) Fürst, Henriette Hert. 1850.

**) Nach Prokesch v. Often (in seinem Briefe an Schlesier) giebt es in dem Bilde des Politikers Gent und eben so wenig in dem des Schriftstellers und Menschen kaum einen Shatten. Und Varnhagen erklärt, daß derjenige an dem Andenken des großen Mannes frevle, der ihm das Prädikat eines erhabenen Charakters versage.

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und tiefer Gram über die Begebenheiten, die uns immer mehr und mehr in die Enge treiben, das bittere Bewußtsein, daß ich nichts dabei wirken kann, daß ich der neuen Gestaltung der Dinge täglich fremder werde, daß meine Rolle ausgespielt und die Frucht vierzigjähriger Arbeit wie verloren ist, mannigfaltige Sorgen, unerseßliche Verluste in meinen Einnahmen durch die politischen Katastrophen herbeigeführt, meine Stellung in der Gesellschaft, die ich einige Jahre hindurch zu viel cultivirt habe und von der ich mich jest, da sie mir zum Ekel geworden ist und mich überdies in dem einzigen Genusse, an dem ich noch hänge, stört, nicht loszumachen weiß, Unzufriedenheit mit mir selbst und der Welt, das Gefühl zunehmenden Alters und die Ihnen bekannte Furcht vor dem Tode, das sind wohl Krankheitsstoffe genug.*) Lectüre und Studium bieten mir keine Ressource mehr dar; theils halten mich die laufenden Geschäfte, so wenig Gefallen ich auch daran finde, davon ab; theils halte ich es nicht mehr der Mühe werth, etwas Positives zu lernen, da es nichts Festes mehr giebt und ich rings um mich her nichts mehr erblicke, als, wie Werther sagt: „ein ewig verschlingendes, ewig wiederfäuendes Ungeheuer." Spekulative Meditationen und selbst die beste Poesie ziehen mich blos in melancholische Grillen und würden mich zulegt um das Bischen Verstand bringen, das mir in meinem großen Bankerutt noch geblieben ist. Der Umgang mit Fanny und ihr unvergleichliches Benehmen gegen mich, sind jezt in der That die einzigen hellen Punkte meines Lebens. Doch vermag selbst das zarte und glückliche Verhältniß mich nicht bleibend zu erheitern. Es giebt Stunden, wo ich selbst bei ihr die traurige Erfahrung mache, die einer der größten und mir von jeher gefährlichsten Dichter der Vorzeit so treffend schildert. Sie kennen gewiß den Lukrez; ich muß Ihnen die Stelle lateinisch mittheilen:

*) Die Fürstin Metternich sprach sich bei einer Mittagstafel in Baden (1834) gegen ihren Tischnachbar Varnhagen günstig über Gentz aus, nannte seinen Tod einen unerseßlichen Verlust für fie, fügte jedoch hinzu: „Eines könne sie ihm nicht verzeihen, seine Liebschaft in so hohem Alter mit Fanny Elsler, wodurch er sich in der großzen Welt sehr geschadet habe."

Aber

um so mehr gewonnen an Herzensglück,""" erwiderte Varnhagen,,,,,und da mochte er den Beifall der großen Welt, die er nicht mehr entbehren konnte, als sie ihn, leicht verschmerzen.“*** (V.-'s Denkwürdigkeiten. Bd. 8. S. 98.)

. . . . medio de fonte leporum

Surgit amari aliquid, quod in ipsis floribus angit.
Aus dem Quell der Scherze

Steigt ein Bitt'res herauf, das selbst unter Blumen uns ängstet.“ —

Ein ergiebiges Thema bis an sein Lebensende und auch hernach noch war das von den großen Summen, welche Gent verschwenderisch ausgab, so daß in seiner Kasse Fluth und Ebbe stets wechselten. Vor allem wollte er alle Menschen, die ihm nahe standen oder mit denen er viel zu verkehren hatte, zufrieden und vergnügt sehen. Nach allen Seiten machte er die reichsten Geschenke. Seinem Kammerdiener gab er monatlich 200 Gulden Münz, eine unerhörte Summe, deren man in solchem Verhältnisse kein zweites Beispiel wußte. Die Hausdienerschaft Metternichs, die von den Gesandten und Botschaftern zu Neujahr mit zehn bis zwanzig Dukaten bedacht wurden, bekam von ihm jedesmal hundert; dafür war dann auch Alles zu seinem Dienste bereit und er sah kein mürrisches Gesicht. Seine Einnahmen waren sehr groß, doch für diese Verschwendung noch lange nicht groß genug. Sein regelmäßiger Jahresgehalt im kaiserlichen Dienst betrug zuerst 4000, dann 9000, in den letzten Zeiten 12,000 Kaisergulden; was in Oestreich für einen Hofrath nicht ein zweites Mal vorkam. Als diplomatischer Agent der Hospodare der Moldau und Wallachei bezog er jährlich 6000 Dukaten, ungerechnet die außerordentlichen Geschenke und Vergütigungen, die Zusendungen von Kaffeesendungen, kostbaren Shawls, deren er immer eine große Menge zu Geschenken brauchte. Die Führung des Protokolles bei den jedesmaligen Congressen brachte ihm ungeheure Summen ein, alle Fürsten Deutschlands nahmen Gelegenheit ihm bedeutende Geschenke zu machen. Der Herzog von Nassau hat ihm öfter aus guter Neigung und Freundschaft tausend Dukaten und darüber auszahlen lassen. Summen von hohem Betrage hatte er früher aus England und Frankreich bezogen.

Dabei verschmähte er auch kleinere Beihülfen nicht. So nahm er von dem Buchhändler Cotta unter dem Titel eines Mitarbeiters an der allgemeinen Zeitung, jährlich 4000 Gulden. Was er von Rothschild gezogen, ist faum zu berechnen. Auch andere große Wechselhäuser suchten ihn auf alle Weise zu verbinden und wandten ihm oft große Vortheile zu. Wenn er gespart hätte,“ meinte man, würde er einige Millionen hinterlassen haben.“

Wenig Umstände pflegte er mit denen zu machen, die ihm seine „guten Dienste" mit ansehnlichen Summen bezahlten. Einem der Rothschilde rief er einst über Tisch bei Metternich zu: „Aber Herr Baron, wie können Sie Sich von solchen jüdischen Angewöhnungen nicht endlich losmachen! Sie sagen immer: der Heßfeld, der Schellenberg;" fühlen Sie denn nicht, daß Sie jedes Ohr damit beleidigen? Man sagt: der Fürst Haßfeld, der Graf Schulenburg, aber nischt der Heßfeld, der Schellenberg! das klingt abscheulich." Als er aber einst bei einem glänzenden Diner, welches er gab, seine Gäste, die der Mehrzahl nach Grafen und Barone waren, der Fürstin Metternich vorstellte, Einen aber, der in Reih und Glied stand, übersprang, als ob er sich auf seinen Namen nicht besinnen könne, trat dieser vor und meldete sich sehr vernehmlich an: „Lippke, Jude aus Berlin."

Gegen die Hospodare der Wallachei erlaubte er sich die schaamlosesten Erpressungen. Einem derselben, welcher zur Betreibung wichtiger Angelegenheiten nach Wien gekommen war, hatte Gent binnen kurzer Zeit neunzehntausend Dukaten in Rechnung gestellt. Der Hospodar beklagte sich deshalb bei Metternich. Dieser hielt es für angemessen, Gent Mäßigung anzuempfehlen; da fuhr der Hofrath heftig gegen den Staatskanzler der freilich in noch größerem Maßstabe zu erpressen verstand - auf: „Was mischen Sie Sich in meine Sachen?" schrie er voll Grimm. „Was gehen meine Sachen Sie an? Ich verbitte mir all dergleichen. Und der Kerl von Grieche! was untersteht der sich? Denkt er mich einzuschüchtern? Da kommt er mir eben recht! den will ich schon bedeuten!" „Geng war in solchem Zorn,“ erzählte Metternich selbst, daß ich um keinen Preis gewagt hätte, ihn noch mehr zu reizen und ich habe mich wohl gehütet, ihm je wieder von der Sache zu sprechen."*)

Wie einst die berüchtigte Maitresse des entnervten Königs von Frankreich, Ludwig XV., als dieser bedenkliche Worte über die Zukunft Frankreichs geäußert, ihm mit einem scherzhaften Hohngelächter der Hölle zurief: „nach uns -die Sündfluth!" so erzählt man von Gent, er habe, als bei einem schwelgerischen Mahle die gefeierte Königin der Balletsylphiden ihm den schäumenden Champagner mit dem warnenden Zuruf kredenzte: „der Krug geht so

*) Varnhagen a. a. Q. Bd. 8., S. 144.

lange zu Wasser bis er bricht," mit lallender Zunge geantwortet: mich und den Metternich hält's schon noch aus."

Nur im Betreff seiner ging sein leichtfertiges Prophetenwort in Erfüllung; Gent starb den 9. Juni 1832 nach vollendetem 68sten Jahre. Er wurde von der protestantischen Geistlichkeit zu Grabe geleitet. In Fonds und an der Börse hatte Geng nie spekulirt. Man fand nach seinem Tode in seinem Geldbeutel nur einige Kupferkreuzer, in seiner Brieftasche fünf Gulden Schein. Der Obolus zum Fuhrgeld über den Sthy war nicht in Cassa. Der Fürst Metternich gab Anweisung auf einige hundert Gulden, um für standesgemäße Beerdigung zu sorgen.

Dreizehntes Kapitel.

Lebensbilder aus dem Kreise der Bevollmächtigten bei dem Congreß und ihrer Gehülfen. 3. Adam Müller. 4. Fr. v. Schlegel. 5. C. v. Woltmann. 6. Pilat.

3. Adam Müller.

Die zweite norddeutsche literarische Berühmtheit, welche Metternich in den östreichischen Staatsdienst berufen hatte, war Adam Müller, geboren zu Berlin 1779. Seine Schulbildung erhielt er hier auf dem protestantischen Gymnasium zum grauen Kloster unter Gedike's, Spalding's und Heindorf's Leitung. Er bezog in seinem neunzehnten Jahre die Universität Göttingen, wo er sich dem Studium der Rechtswissenschaft widmete. Bereits als Gymnasiast war er in ein befreundetes Verhältniß zu dem vierzehn Jahre älteren Gent getreten, von dem er in die Richtung, welche er als politischer Schriftsteller betrat, eingeführt wurde. Burke's Betrachtungen über die französische Revolution wurden ihm von Gent als ein Evangelium der Staatsweisheit gerühmt und bereits 1800 hielt Müller in Göttingen als alter Bursch vor einem Kreise aristokratischer Füchse Vorlesungen gegen die französische Revolution und für die Sache der alten Ordnung in Europa. Nach seiner Rückkehr nach

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