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Stammbäume niedermähen und die angesehensten Männer würgen. Herzöge und Grafen werden an ihrem Mordeisen bluten, die Freiheit wird deine schönen Gefilde mit ihrem giftigen Hauche verpesten und Jammer und Elend werden bei dir herrschen."

Deutschlands Jungfrauen werden aufgefordert eine Cypresse und ein Vergißmeinnicht auf das Grab des entschlafenen heiligen römischen Reichs zu pflanzen; ein stolzer Marmor soll folgende Grabschrift tragen:

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Von der Sense des Todes gemäht,

,,Athemlos und bleich,

,,Liegt hier das heilige, römische Reich.

,,Wandrer schleiche dich leise vorbei, du könntest es wecken,

„Und das Gespenst zaghafte Seelen erschrecken.

,,Ach! Wären die Franzosen nicht gewesen,

„Es würde nicht unter diesem Steine verwesen."

Und dies von dem damals dreiundzwanzigjährigen Republikaner Görres mit Sang und Klang zur ewigen Ruh' geleitete heilige römische Reich, wollte derselbe, als königlich preußischer rheinischer Merkur, während des Wiener Congresses aus dem Todtenreiche zurück in's Leben führen!

Bierzehntes Kapitel.

Lebensbilder aus dem Kreise der Bevollmächtigten bei dem Congreß und ihrer Gehülfen. 7. Talleyrand.

Weder in der Denk noch in der Lebensweise des Fürsten Talleyrand war auch nur die leiseste Spur aus der Zeit, da ihn die Jacobinermüße schmückte, zurückgeblieben; eben so waren die geistlichen Observanzen des ehemaligen Bischofs und die kurzangebundenen Manieren des Ministers Napoleons an den Nagel gehängt; auf dem Congreß zu Wien war Talleyrand, der auf schlaue Verwickelungen sinnende, im Trüben fischende Diplomat und dabei ein weichlicher Wollüstling im Stile des Zeitalters Ludwigs XV.

Talleyrand empfing während des Congresses Mittags 12 Uhr bei seinem

mit der ausgesuchten Coquetterie einer abgetakelten Maitresse arrangirten petitlever, wobei der Sechziger die Bequemlichkeiten eines Mazarin mit den Finessen einer Pompadour zu vereinigen wußte. „Wir traten,“ erzählt einer der Begünstigten, um die Mittagsstunde in das Schlafzimmer des Fürsten, ihm unsere Glückwünsche zu seinem einundsechszigsten Geburtstage zu Füßen zu legen. Wir fanden bereits eine Anzahl Gratulanten, Damen und Herren, hier vers sammelt. Ein Kammerdiener schlug den schwerseidenen Bettvorhang zurück und der Muster-Diplomat (le diplomate modèle) trat mit freundlichem Gruße hervor, im Pudermantel von weißem Mousseline, in goldgestickten Pantoffeln, das Haupt mit einem violetten Sammetbarett bedeckt und ließ sich auf einem Armsessel vor dem Spiegel seines Toilettentisches nieder. Er überließ jetzt sein zu beiden Seiten herabwallendes Gelock zwei Haarkünstlern, welche einer den andern zu überflügeln bestrebt waren und deren Arbeit damit endete, daß fie jenen berühmten, gleichgetheilten Scheitel zu Stande brachten. Jezt kam der Bartkünstler an die Reihe, welcher mit einem Schaume von parfümirter Seife das gefällige Lächeln des Mundes und das geistreiche Wort, das von den Lippen des bewunderten Helden des diplomatischen Salons floß, für einige Minuten verschleierte. Kaum aber waren die beredten Lippen wieder entschäumt, als der sanfte Blick seiner Augen durch eine Wolke von Puder verhüllt wurde, welche der Coiffeur mit einem Eiderdaunenquast auf Haupt und Stirne lagern ließ. Nachdem hierauf die Hände gewaschen, die Nägel ge= bürstet, die Ringe an die rosigen Finger gesteckt worden waren, wurde ganz ungenirt die Toilette der Füße in gleicher Weise, wie die der Hände vorgenommen, wobei die anwesenden Damen die Fächer und Riechfläschchen in Bewegung setzten, indem das übelriechende Wasser von Barège, mit welchem der gelähmte Fuß eingerieben wurde, einen allzustarken odeur verbreitete. Waren alle diese Waschungen und Salbungen geschehen, Frack und Weste angezogen, dann erschien der Oberkammerdiener, dessen Amt es war, das Ganze, den Gesammteindruck zu überwachen und als Schlußstein Sr. Excellenz die weiße Cravatte mit einem sehr koketten gordischen Knoten um den Hals zu legen. Nicht unerwähnt dürfen wir lassen, daß alle diese Verpuppungen und Wandlungen mit der Bequemlichkeit eines grand-seigneur und einem abandon voller Anstand vor sich gingen, so daß man nur den großen Mann im Auge hatte, ohne sich über seine Metamorphosirung zu beunruhigen. Die Damen

verloren selbst in den bedenklichsten Augenblicken die Fassung nicht, da der Fürst sich während der Toilette in der muntersten Laune mit ihnen unterhielt. Er nahm hierauf unsere Glückwünsche an und auf einem Tisch in dem Nebenzimmer waren die mannigfaltigsten Geschenke in zierlicher Ordnung von seiner Nichte der Gräfin Edmond de Perigord, geborne Prinzessin von Kurland, für das Geburtstagskind aufgebaut. Bei der Tafel machte der Fürst die Honneurs; er legte vor, empfahl die verschiedenen, aus Bordeaux, der Bourgogne und Champagne ihm nachgesendeten Weine und nöthigte die Gäste in freundlicher, nie aufdringlicher Weise. Kam einer der Gäste in Versuchung, das Gespräch auf Politik zu bringen, schnitt ihm der Fürst sofort die Rede durch eine geschickte Wendung ab und brachte irgend einen fernabliegenden Gegenstand zur Sprache, so daß man überzeugt sein mußte, ihm sei die Diplomatie im höchsten Grade antipathisch.

Ein ganz anderer war der Fürst mit dem hinkenden Fuße, wenn er in seinem Salon als der Vertreter der französischen Interessen, als der geriebenste und ausbündigste aller Diplomaten auftrat und man auf seiner Stirn die Worte las:

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Mit wohlberechneter Zurückhaltung schien er den politischen Angelegenheiten des Congresses anfänglich nur eine geringe Theilnahme zuzuwenden; seine Stellung als Vertreter der Vortheile Frankreichs und insbesondere der durch seinen Verrath an Napoleon und seinen Einfluß bei Alexander auf den Thron zurückgeführten Bourbons war in Wien eine sehr schwierige. Nicht nur erschien Frankreich durch die Niederlagen Napoleons als besiegt und ge= demüthiget, es war, was auf Congressen oft mehr noch, als auf dem Schlachtfelde, in's Gewicht fällt, auf sich allein angewiesen, isolirt. Ihm gegenüber standen wir sprechen von den ersten Wochen des Congresses noch immer in festgeschlossenem Bunde England, Rußland, Preußen und Destreich, welche Frankreich zu den Berathungen nicht eher hinzuzogen, als bis über die wichtigsten, dasselbe betreffenden Punkte, welche bei dem Friedensschluß in Paris unerlediget geblieben waren, Beschluß gefaßt worden war.

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Trat man freilich in seinen Salon, wo man ihn nachlässig und bequem auf dem Sopha neben seiner reizenden Nichte, welche die angenehme Wirthin

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machte, hingestreckt fand, während die angesehensten und einflußreichsten Diplomaten, Minister, Hoheiten und Excellenzen, den Hut unter dem Arm, sich um ihn her gruppirten und auf jedes seiner Worte, wie auf Weisheit- und Orakelsprüche hörten, jeden seiner geistreichen Einfälle und leichtfertigen Wiße mit rauschendem Beifall aufnahmen, dann ward man bald inne, daß dieser Mann in der untergeordneten Stellung, welche Stein und Hardenberg ihm angewiesen hatten, ferner nicht verbleiben werde. So lange es freilich ehrlich und redlich herging, die Mächte, welche im Kriege treu zu einander gehalten, ohne Mißgunst einem jeden Theilnehmer an den Kämpfen den verdienten Kampfpreis nach Recht und Billigkeit zusprachen, war er machtlos. „Talleyrand“ - so schreibt ein nahestehender Beobachter kann sich wenig geltend machen, als sollten wir in unseren Zeiten allen Schimmer von den Franzosen abfallen sehen. Man meint: seine Politik vermag nichts, seitdem sie sich nicht mehr auf 400,000 Bayonette stützt. Bis jezt (December 1814) hat dieser Minister noch nichts durchgesetzt; er hält aber durch geschickte Intriguen die Theile, die Frankreich nicht vereint zu sehen wünscht, auseinander. „Ich will" „durchaus nichts für mich; Frankreich verlangt nichts; ich bin nur hier, um die politischen Prinzipien aufrecht zu halten, um zu verhindern, daß sie nicht verletzt werden." Wir werden bald erfahren, welches die politischen Prinzipien waren, für deren Aufrechthaltung einzustehen er sich für ermächtiget hält und mit welcher Schlauheit er das Prinzip der Legitimität zur Geltung zu bringen weiß, um die Verbündeten" zu entzweien. als zwischen den verbündeten Mächten der Bruch drohte, war seine Zeit gekommen. Es lag ganz in Metternichs Verfahren, daß er gewagte Schritte nie ohne möglichst viele Stüßen thun werde. Er gab daher Frankreich willkommenen Anlaß, aus seiner Absonderung und Hintanseßung herauszutreten. Talleyrand hatte das gute Spiel Eines, der nichts zu verlieren hat, und er nuzte seine Lage mit unleugbarer Geschicklichkeit und Thätigkeit. Er hatte schon in Paris Wellington und Sir Charles Stewart durch die schmeichelnde Borstellung gewonnen, wie England der Schiedsrichter in Wien sein müsse, wenn es sich mit Frankreich gegen alle unpassenden Anmaßungen und Forderungen sege, woher sie auch kämen. Castlereagh war auf seinem Wege nach Wien über Paris gereist, um sich mit Talleyrand zu verständigen."*) *) Castlereagh, Mémoires. 10. 91.

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sagt er

Erst

Es war von böser Vorbedeutung für die, in dem Vorgrund der Congreßverhandlungen stehenden, Angelegenheiten Deutschlands, daß die Bevollmächtigten Englands sich schon, bevor sie in Wien eingetroffen waren, mit Talleyrand, dem abgefeimtesten und geschworensten Widersacher eines einigen und mächtigen Deutschlands, darüber verständigten, daß England und Frankreich auf dem Congresse gemeinschaftliche Sache machen müßten. Und daß es noch dazu Talleyrand war, mit dem Castlereagh in nähere Verbindung trat, das war für England das Entehrende, für die andern Verbündeten das Verderbliche. Hatten wir ihn doch vor wenigen Monaten erst in Paris bei dem Verrath, den er an Napoleon beging und dann bei den Verhandlungen, welche er im Auftrage der Bourbons, denen er sich als den unentbehrlichen, obschon verachteten Rathgeber aufgedrungen hatte, kennen gelernt. Welches Vertrauen konnte wohl der Mann einflößen, dem sich in seiner langen Laufbahn der Abscheu vom Aus- und Inland, von jedem Volkstheile, in jedem Zeitabschnitte der letzten Bewegungen Frankreichs angehängt hatte! Er war verhaßt den Anhängern der Revolution troß seiner Dienste in der Nationalversammlung, denn er war von allen ihren Grundsägen abgefallen und war schon damals, als er sie noch predigte, durch seine Sittenlosigkeit in aller Achtung gesunken, der Spielsucht geständig, der Agiotage beschuldiget, der Verschwörung, der Bestechlichkeit mehrfach angeklagt. Er war verhaßt den Bevorrechteten der altköniglichen Ordnung; seinem adeligen Geburtstande, dessen Macht er vernichten, dessen hohlen Schein er später herstellen half; seinem geistlichen Berufstande, den er in seiner Jugend entehrte, nachher zerstörte, dann verließ. Er war verhaßt den aufrichtigen Anhängern Bonaparte's, als dessen Minister der auswärtigen Angelegenheiten er, wie unter dem Directorium, die französische Politik in den Beziehungen fast zu allen Ländern der Welt bloßstellte, unter denen Portugal, Amerika, die Türkei, England, Deutschland, Italien, Spanien wechselnd seine Treulosigkeit, Geldgier, Falschheit und Feilheit erfahren hatten.... Leider stand er damals noch in dem Rufe eines unfehlbaren Orakels; er sollte jede mißrathene Unternehmung Napoleons voraus widerrathen haben. Daß Napoleon selbst den Verabschiedeten, den er in dem Besize aller seiner Geheimnisse wußte, immer wieder zu Rathe zog, bestärkte den Glauben an die Unentbehrlichkeit seiner Einsicht. Dabei besaß er unleugbar eine sichtende Klarheit des Geistes, eine bestechende Schärfe des

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