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28. September ausgemachten Bedingungen, deren Abschrift ich beizuschließen die Ehre habe. Ihr Inhalt giebt den Sachsen die Gewähr für ihren jezigen und künftigen Zustand und der sittliche Charakter ihres neuen Herrschers, ausnehmend gerecht und wohlwollend, sichert ihnen außerdem nicht nur die Art von Glück, deren sie sich bisher erfreuten, sondern auch alle die Vortheile, welche aus der Verbindung mit einem ausgedehnten Nachbarstaate und einem sichern und unabhängigen politischen Dasein hervorgehen. Ew. Excellenz werden den Willen Ihres erhabenen Oberherrn erfüllen, wenn Sie aus diesem Gesichtspunkte die Veränderung betrachten lassen, welche jezt mit Englands und Oestreichs Einwilligung mit Sachsen vorgeht und in Kurzem auf eine noch förmlichere Weise geheiliget werden wird.

,,Die Talente, welche Ew. Excellenz in der Verwaltung von Sachsen entwickelt, die Weisheit und Festigkeit, welche Sie in den entscheidenden Augenblicken gezeigt, haben Ihnen die vollkommenste Zufriedenheit Ihres erhabenen Herrschers erworben. Er behält sich selbst vor, sie Ihnen zu bezeugen und ladet Sie ein Sich zu seiner Person zu begeben, sobald die Geschäfte es Ihnen erlauben.“

Der Fürst Repnin übergab am 8. November die Verwaltung an die, von dem Könige von Preußen ernannten, Mitglieder des preußischen Generalgouvernements, an den General v. Gaudh als Civil- und General v. Dob. schüß als Militairgouverneur. In einer Denkschrift legte Repnin einen Rechenschaftsbericht über seine Verwaltung nieder, worin er, was ihm nicht zu verargen war, alle die großen, dem Lande durch ihn im Auftrage seines erhabenen Kaisers erwiesenen, Wohlthaten aufzählte. Die vollständige Besitzergreifung durch die Krone Preußen und Vereinigung Sachsens mit derselben hielt er nach den, ihm von Stein gemachten, Mittheilungen für so unzweifelhaft, daß er davon den Behörden durch ein Rundschreiben Anzeige machte, in welchem er ihnen eröffnete, „daß das Königreich Sachsen, unter Wahrung seiner Integrität und Rechte mit dem Königreiche Preußen verbunden werden würbe."

Stein bezeigte dem Fürsten Staatskanzler über die, von demselben in Sachsen getroffenen, Maßregeln und Ernennungen der Mitglieder des preußischen Gouvernements seine entschiedene Mißbilligung. Als die verbün deten Heere," schreibt er Wien den 22. Nov. 1814 an ihn,,,im Frühjahr 1813 in Sachsen einrückten, bewiesen die Herren v. Miltik, v. Carlowiz,

v. Oppeln einen hohen Grad der Anhänglichkeit an die deutsche Sache; die beiden ersteren bemühten sich den General Thielemann zu einem folgereichen, entscheidenden Schritte zu bewegen und begleiteten nach der Schlacht von Großgörschen das verbündete Heer nach Schlesien und Böhmen. Nach der Schlacht von Leipzig nahmen sie auf meine Veranlassung die Stellen von Gouvernementsräthen an, sie unterstüßten kräftig mit ihrem Ansehen in ihrem Baterlande, mit dem Vertrauen, welches sie bei ihren Landsleuten besaßen, die neue Regierung und deren Stellvertreter, den Fürsten Repnin, und trugen hauptsächlich dazu bei, die Resultate der Bewaffnung, der Armeeunterhaltung, der Unterstüßung des öffentlichen Credits, der Erhaltung der inneren. Ordnung herbeizuführen, welche die Abschiedsrede des Fürsten Repnin darftellt.

„Diese Männer hätten für solche Dienste bei der gegenwärtigen Regierungsveränderung das höchste Vertrauen verdient und die gerechtesten Ansprüche auf entscheidende Beweise standen ihnen zu. Statt dessen entzog man ihnen Einfluß und Vertrauen, man ordnete den genannten Herren, welche bisher als Sections-Chefs gearbeitet hatten, Preußische Officianten bei, man ernannte den Hofrath Ferber (ehemaligen Bürgermeister in Zwickau), der vie len seiner Landsleute verhaßt ist, zum Mitgliede des preußisch-sächsischen Gouvernements, man erregte auf diese Art Mißvergnügen und Widerspruch und ist auf dem Punkte die treusten Anhänger der deutschen Sache zu verlieren, und den Gegnern einen Grund über ihren Fall sich zu freuen und die neue Regierung gehässig zu machen, zu geben.

„Ich halte daher die Beiordnung preußischer Geschäftsleute in dieser Section durchaus für nachtheilig, sie verwirrt den Geschäftsgang durch die Anstellung zweier coordinirter Chefs und sie hat auf die öffentliche Meinung den nachtheiligsten Einfluß, indem sie den Rücktritt dreier einsichtsvoller Männer aus dem Dienst zur Folge hat." Zur Wiederherstellung von Einheit in der Berwaltung, Einigkeit und Vertrauen empfiehlt Stein: die bisherigen sächsischen Sectionschefs beizubehalten und zur Wahrung des Einflusses preußischer Geschäftsmänner zum Direktor der Justiz und Polizei Hrn. v. Bülow, für die Finanzen den Staatsrath Friese zu ernennen; die von dem Geh. Rath Krüger entworfene Instruction abzuändern und ihn selbst wieder nach den alten Provinzen zurückgehen zu lassen.

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Immer lebhafter und erbitterter wurde nach einem so entscheidenden Schritte zur vorläufigen Besißergreifung der Kampf in Staatsschriften, Pamphleten, Monatsschriften und Zeitungen für und wider die von Preußen erhobenen Ansprüche auf Sachsen. „In dem Lande selbst war man getheilter Gesinnung. Die Beamten, die Residenz war für die Rückkehr des Königs in den ungeschmälerten Befit seines Landes. Die Kaufleute, die Gewerbe, Leipzig zumal unmittelbar nach der Schlacht waren für die Verbindung mit Preußen; das Heer, die Officiere waren gespalten. Adel und Volk auf dem Lande verhielten sich ruhig.*) Außerhalb Sachsen drangen die preußischen und deutschen Patrioten, (darunter Niebuhr und Eichhorn in sehr anständig gehaltenen Schriften) auf die Vereinigung als eine vaterländische Ehrensache und Wohlthat, die Neider Preußens, die Rheinbündler, die Baiern, die das Beispiel des bestraften Verrathes zu fürchten hatten, wütheten in Schmähschriften voll giftiger Ausfälle gegen Preußen. Die volksfreundlichen, für Deutschlands Einheit Strebenden eiferten dafür; die kleinstaatlichen Sonderlinge (Partikularisten) die Fürsten und Höfe dagegen; voran die kleinen sächsischen Häuser, die ihres Erbrechts schuldlos beraubt werden sollten. Der feindselige Grimm, mit dem die Glieder eines Volkes, kaum in einer Sache ruhmvoll vereiniget, bei dem ersten Anlasse wieder feindselig über einander herfielen, war ein Schauspiel der Schmach, nicht kleiner, als es früher die wetteifernde Kriecherei vor dem fremden Gewalthaber gewesen war.**)

*) Als einen charakteristischen Zug kleinstädtisch sächsischer Spießbürger damaliger Zeit kann der Verfasser aus eigener Erfahrung Folgendes anführen. Auf einer Fußreise von Dresden nach Berlin trafen wir auf dem Rathskeller zu Luckau (Laufit) eine Anzahl wohlhäbiger Philifter bei einem Glase Naumburger oder Meißner. Auf unsere Frage: ob sie wohl gern preußisch werden würden? erwiderte Einer von ihnen: „Uns kann das ganz egal sein, ab mir (ob wir) preußisch, oder ruffisch, over meinswegen terkisch werden', mir müffen unsere Steuern und Abgaben so wie so geben und da kommt es in diesen Stücken allerdings auf daffelbe hinaus.

**) Gervinus Geschichte des 19. Jahrhunderts I. 214. Der fich anderwärts auf dem unbeirrten Standpunkte freifinniger und einsichtiger Geschichtsforschung haltende Gervinns bemerkt bei Abwägung der Gründe für und wider die Einziehung Sachsens: Wahr ist es,

3wanzigtes Kapitel.

Die Sächsische Sache, Fortsetzung. Die Weltgeschichte fragt nicht nach Pufendorf und Grotius; Preußen kündiget moralische Eroberungen an; Destreich spannt die Pferde hinter den Wagen; der Kaiser Alexander sagt zu Preußen: '„zuerst 'mir Polen und dann dir Sachsen." Czartoryski's Erklärung vom 27. Nov. 1814. Krakau und Thorn follen für freie Städte erklärt werden; für Preußen verlangt Alexander ganz Sachsen; Mainz soll deutsche Bundesfeßtung werden; Hardenbergs Note vom 2. Debr.; Preußen besteht auf der Erwerbung von ganz Sachsen; Metternich's Abfall; Hardenberg erniedrigt sich in dem Schreiben vom 3. Debr. Steins Denkschrift, Sachsen betreffend, an Alexander; die englischen Oppositionsblätter von Sachsen erkauft; Stein's Charakteristik des Lords Castlereagh; Metternich sucht Rußland und Preußen zu entzweien; Kaiser Franz für den König von Sachsen; die Herzöge von Weimar und Coburg schließen sich ihm an; Graf Münster hannovert sehr stark; Metternich nimmt frühere Bugeständnisse zurück in einer Erklärung Destreichs vom 10. December; Hardenbergs Antwort vom 11. December; Alexander verklagt Metternich bei Franz den 12. Debr.; ein neuer Verrath des ößtreichischen Staatskanzlers; Hardenbergs Denkschrift vom 16. Debr.

Wäre Friedrich Wilhelm III. an Macht, Energie und Rücksichtslosigkeit ein Napoleon gewesen, dann würde er, als er nach der Schlacht von Leipzig den König Friedrich August als Kriegsgefangenen abführen ließ, in seinem Schlachtberichte erklärt haben: „das Königliche Haus Sachsen hat aufgehört zu regieren." Für Preußen war die Erwerbung Sachsens zur Lebensfrage geworden; es konnte nach der in dem siebenjährigen Kriege, in den Feldzügen 1807 und 1813 gemachten Erfahrungen sich nicht durch eine, mit den Festungen Wittenberg, Torgau und Dresden versehene Elblinie fernerhin der Gefahr ausseßen, daß seine Grenze beliebig überschritten, seine unbefestigte

daß das Für und Wider in dieser Frage gerade für den Unbefangenen ungewöhnlich gleich in den Wagschalen wog;“ dann weiter unten fügt er hinzu: „Dazu kam, daß wenn im preuhischen Interesse Vieles für die Verbindung gesagt werden konnte, im öftreichischen und deutschen Interesse dagegen es nur wohlthätig war, wenn ein Mittelstaat wie Sachsen die beiden mächtigen Nebenbuhler schied und wenn Preußen am Rheine stark wurde, um gegen Frankreich Schuß zu gewähren." Daß ein Mitglied des Frankfurter Parlaments, ein Vorlämpfer für ein einiges Deutschland noch im Jahre 1855 von Sachsen als von einem Mittelflaate spricht, welcher Preußen und Oestreich auseinander halten soll, wenn beide gegen einander zu Felde ziehen, ist mehr als Verirrung, es ist Verwirrung.

Hauptstadt nach wenigen Tagemärschen von einem sächsisch-östreichischen Heere überrumpelt werde. Die alleingültige Rechtfertigung für die als Gewaltthat verschrieene Erwerbung Sachsens hat man nicht nach Pufendorf, Hugo Grotius, Heffter und was sonst die völkerrechtlichen Handbücher beibringen, zu bemessen, vielmehr tritt bei solcher Veranlassung die Weltgeschichte als das Weltgericht auf. tüh

Anstatt des, in dem Aufruf den deutschen Fürsten angedrohten, nen Griffes" ließen Rußland und Preußen sich auf dem Congresse zu schwächlichen Fehlgriffen herabdrücken. Es half nicht, sich auf das Recht der Eroberung zu berufen; denn dem zu Folge erhält die Befißergreifung des eroberten Landes erst dadurch völkerrechtliche Gültigkeit, daß die Entthronung des besiegten Fürsten ausgesprochen und die Besißergreifung in dem Friedens. schlusse förmlich anerkannt worden ist. Wenn demungeachtet es dem Sieger gelingt, sich in dem Besiz des eroberten Landes zu behaupten, erhalten seine Verfügungen eine gewisse gesetzliche Kraft und die durch ihn ausgeführten Veräußerungen würden bis zu einem gewissen Punkte gültig sein."*)

In dem europäischen Staatensysteme spielt das vielgespaltene Deutschland eine traurige Rolle der Uneinigkeit im Innern, der Machtlosigkeit nach Außen. Die Krone Preußen hat den weltgeschichtlichen Beruf überkommen und übernommen, dem deutschen Volke die ihm gebührende Stellung in dem Europäischen Staatenbunde zu erringen. Der Weg, welchen die Markgrafen der Mark Brandenburg und die Könige von Preußen seit länger als vierhundert Jahren einschlugen war der Weg der Eroberung: Pommern, Schlesien, Sachsen, Westphalen und die Rheinlande sind durch die siegreichen Waffen Preußens mit diesem Königreiche zum Heile Deutschlands vereiniget worden. Nicht minder gefürchtet, weil nicht minder erfolgreich, beginnen die, von Preußens Regentschaft (1859) angekündigten, moralischen Eroberungen in Deutschland zu werden. Die von Deftreich auf dem Wiener Congreß und bis auf den heutigen Tag verfolgte Politik war gegen Preußen gerichtet, um ein einheitliches und mächtiges Deutschland nicht zu Stande kom

*) Heffter, le droit internationale de l'Europe p. 257. Demnach steht das Eroberungsrecht auf sehr schwachen Füßen, sobald es sich nicht auch nach dem Friedenschluffe auf bas Schwerdt stützt.

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