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Mit den, ihm von Hardenberg mitgetheilten Noten und Briefen Metternichs fuhr er am 12. December zum Kaiser Franz und überzeugte diesen von der böswilligen Absicht Metternichs, hinter dem Rücken des Kaisers Preußen mit Rußland zu entzweien. Kaiser Franz war, oder stellte sich erstaunt und unwillig über das Intriguenspiel seines Staatskanzlers und versicherte, „daß er ihm den Kopf tüchtig waschen werde." Am Abend desselben Tages theilte Alexander Stein das, mit dem Kaiser Franz gehabte, Gespräch mit und trug ihm auf, Hardenberg zu veranlassen, sofort ein Ultimatum zu stellen, welches er mit allen Kräften unterstützen werde. Man müsse" sagte mit nachdrücklicher Betonung der Kaiser, „diese Sache unter den drei Mächten endigen, ohne Einmischung Englands und Frankreichs, sodann die deutsche, dann die englische Angelegenheit.“ Stein antwortete ihm mit Betrachtungen über das Verderbliche und Verwerfliche der östreichischen Vorschläge, über die Nothwendigkeit den Entschluß und die Bereitschaft zu zeigen, ernsthafte Maßregeln zu ergreifen und hierzu Vorbereitungen machen durch Anstalten zur Abreise, Truppenbewegungen und dergleichen. Er machte ferner dem Kaiser bemerklich, daß es nothwendig sei, diese ganze Angelegenheit aus den Händen Nesselrode's zu bringen, welcher Metternich blindlings ergeben und sie Czartoryski oder Rasumowski anzuvertrauen und ihnen Capodistria beizuordnen.“ Etein gab dem Kaiser, als er ihn entließ, die Versicherung, daß er sich unverzüglich zu Hardenberg begeben werde, um mit ihm wegen des Ultimatums Rücksprache zu nehmen.

Metternich suchte, von seinem Kaiser zurechtgewiesen, jezt einzulenken. Er schickte noch am 12. December Abends Hrn. v. Wessenberg zum Staatskanzler, um sich über die statistischen, in seiner Note vom 10. Dec. enthal tenen Irrthümer Nachweis zu erbitten, welcher ihm auch sofort durch den, zu dem Seelenzählergeschäft in Wien als Generalcontroleur herbeigerufenen, preußischen Staatsrath und Director des statistischen Büreau's Hoffmann dahin ertheilt wurde, daß sich Metternich in der That zum Nachtheil Preußens um 1,200,000 Seelen verrechnet hatte. Am nächsten Vormittag (den 13.) machte Metternich dem Fürsten Hardenberg einen Besuch und suchte ihn durch die Versicherung zufrieden zu stellen, daß sein Schreiben vom 10. keineswegs ein amtliches, nur ein vertrauliches gewesen sei, daß damit das lezte Wort

noch nicht gesprochen sei und man über die sächsischen und polnischen Angelegenheiten noch weiter verhandeln werde.

Am folgenden Tage (den 14.) erbat Metternich sich Audienz bei dem Kaiser Alexander. Hier beging er den neuen Verrath, dem Kaiser eine, ihm von Hardenberg, unter dem verpfändeten Ehrenwort für Geheimhaltung anvertrauten, Denkschrift vom Anfang Novembers mitzutheilen, worin dieser ihm als nothwendig nachwies, für jetzt keine feindseligen Maßregeln gegen Rußland zu nehmen, ihm die Ursachen entwickelte, weshalb es rathsamer sei, nachzugeben und sich lieber für die Zukunft vorzubereiten und in Stand zu sezen, den Unternehmungen Rußlands gegen Europa zu widerstehen. Außerdem fügte mit der schlauen Miene anmaßlicher Vertraulichkeit Metternich hinzu: „daß er sich noch in dem Besize eines und des andern Schreibens des preußischen Staatskanzlers befinde, von denen Gebrauch zu machen ihm seine Gewissenhaftigkeit verbiete, da sie die Geheimnisse eines Dritten seien."

Diesmal hatte Metternich sich stark verrechnet; Alexander würdigte ihn kaum einer Antwort. Er legte diese Uriasbriefe dem Kaiser Franz vor und erklärte auf das entschiedenste, daß er mit Metternich fernerhin nicht verhandeln werde. Der Kaiser Franz suchte Alexander durch die Versicherung zu beruhigen, daß ihm das Schreiben seines Staatskanzlers an Castlereagh gar nicht vorgelegen habe. Vergebens versuchte er hierauf sich bei der Großfürstin Katharina zu rechtfertigen; auch diese wiederholte ihm, daß ihr, Bruder schwerlich zu bewegen sein würde, die Unterhandlung mit Metternich wieder aufzunehmen, da er erklärt habe, künftighin nur mit dem Kaiser unmittelbar zu verhandeln. Mit diesem Entschlusse machte Alexander seine Minister, eben so Stein und Hardenberg bekannt und genehmigte eine, von Lezterem an ihn unter dem 16. December gerichtete Denkschrift, deren Mittheilung an den Kaiser Franz er übernahm, während Lord Castlereagh seine guten Dienste Preußen dadurch erwies, daß er sie dem Fürsten Metternich überbrachte. In dieser Denkschrift beruft sich der preußische Bevollmächtigte zuvörderst auf die, vou Metternich und Castlereagh ihm unter dem 22. October schriftlich gegebenen Zusicherungen und fügt dann hinzu: „Der Unterzeichnete mußte um so mehr über die Aenderung der Sprache des östreichischen Ministers betroffen sein, als dieser bis zum letzten Augenblicke und in allen Besprechungen sich darauf beschränkte, anzurathen, nur einen kleinen Theil

von Sachsen seinem alten Souverain zu lassen, als ein sicheres Mittel, die Sache auf eine, alle Parteien zufriedenstellende, Weise zu ordnen, während er gegenwärtig ihm vier Fünftheile erhalten und nur einige abgerissene Stücke, welche kaum ein Fünftheil bilden, Preußen anweisen will. Der Unterzeichnete habe sich darauf beschränkt, dem Fürsten Metternich unter dem 11. zu antworten, daß er die Befehle seines Königs hierüber einholen, bis dahin aber sich in weitere Verhandlungen nicht einlassen werde.

„Hierauf habe der Fürst Metternich geäußert, es sei das, was er von Sachsen angeboten, „keinesfalls sein legtes Wort, er habe im Gegentheil in seinem Schreiben vom 10. ausdrücklich der Krone Preußen als ein Mittel der Verstärkung seines Umfanges Erwerbungen von Sachsen nachgewiesen, welche sich damit vertrügen, daß dieses Land seine politische Existenz behielte;" eine Redensart, welche dem Unterzeichneten nicht anwendbar auf die Parzellen zu sein scheinen, welche in der statistischen Beilage aufgeführt worden." Daß außerdem Metternich sich hierbei um 1,200,00 Seelen zu Schaden Preußens verrechnet habe, wird nachgewiesen. In Betreff der Vorschläge Destreichs wegen des Herzogthums Warschau werde der Kaiser Alexander endgültig Bestimmungen treffen. „Es handelt sich" heißt es weiter in der Note, vornehmlich darum, das, was Sachsen betrifft, festzustellen. Die stärksten Gründe widerseßen sich einer Theilung des Landes; das Wohl und der Nationalwunsch, welcher sich täglich lauter vernehmen läßt, das von Sr. Majestät dem Kaiser aller Reußen gegebene Wort, das Interesse Preußens und Europa's selbst. Preußen muß stark sein zur Aufrechthaltung des Gleichgewichts und der Ruhe; es darf nicht in eine Stellung gebracht werden, in welcher es sich nicht vertheidigen kann, nicht in eine solche, worin es genöthiget wird, nach Vergrößerungen zu streben, um einen starken Damm zu gewinnen, welcher zu seiner Vertheidigung nothwendig ist."

„Außerdem sichern die Verträge Preußen die Einwohnerzahl von 1805 nicht ohne Berücksichtigung der Stärke, welche man seinen Besizungen geben würde, zu, sondern einen, in jeder Beziehung geographisch abgerundeten, Staat. Die Gerechtigkeit fordert laut für dasselbe eine Verstärkung, derjenigen angemessen, welche alle Verbündeten und so viele andere Staaten erhalten. Wo aber ist dieses Ziel zu erreichen, als vermittelst ganz Sachsens." Es werden die großen Uebelstände aufgezählt, welche durch eine Theilung

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Sachsens für dessen König, für die Unterthanen, für Preußen und selbst für die Harmonie mit Oestreich veranlaßt werden würde. Als Entschädigung hatte Preußen dem Könige von Sachsen Münster, Paderborn und Corvey mit Einwohner angeboten; es bietet jetzt eine bei weitem beträchtlichere, selbst das Doppelte auf dem linken Rheinufer an, mit einer als Residenz wohlgelegenen Stadt am Rhein, so gelegen, daß die Grenzen Frankreichs und Preußens sich nicht berühren. Es werden nun die Bedingungen in Erinnerung gebracht, unter welchen der Kaiser von Destreich zufolge der Note Metternichs vom 22. October seine Zustimmung zur Einverleibung Sachsens ertheilt hatte und hinzugefügt: „Der Unterzeichnete kennt, mit Ausnahme Baierns, keine deutsche Macht, welche sich gegen die Vereinigung von ganz Sachsen mit Preußen ausgesprochen hätte.... Se. Majestät der König von Preußen rechnet darauf, daß Se. Kaiserl. Majestät bei der, zur vollständigen Einverleibung Sachsens mit Preußen ertheilten Zustimmung verharren werde, und daß Sie dem Könige von Sachsen und dessen Familiengliedern alle Vortheile vorstellig machen werden, welche für sie aus einem Etablissement des Königs von Sachsen am linken Rheinufer erfolgen.

„In der Lage, in welcher Se. Majestät (Preußen) sich befindet, einerseits von dem lebhaften Wunsche beseelt, in versöhnlichster Weise die Vereinigung der großen Mächte aufrecht zu erhalten, die so wesentlich nöthig ist, um den großen Zweck, für welchen kein Opfer gespart wurde, zu erreichen, andererseits in der Unmöglichkeit Anordnungen zu unterschreiben, welche Preußen allein fortwährend neue Opfer auferlegen würden, um allen anderen Mächten und so vielen anderen Staaten zu genügen, welche nicht den geringsten Anspruch haben im Vergleich mit denen, welche Preußen durch so große Anstrengungen erworben, stark in dem Bewußtsein, daß sein Volk es war, welches so Großes dazu beigetragen, den andren allen die Freiheit der Existenz wieder zu erobern und ihnen die größten Vortheile zu sichern, nimmt Se. Majestät der König dasjenige in Anspruch, was die Verträge und seine Anstrengungen zu fordern ihm das Recht verleihen. Er wird seine Ansprüche bei seinen Verbündeten geltend machen und vertraut vor allem der Freundschaft Sr. Majestät des Kaisers aller Reußen, deren günstige Erfolge er bereits so oft schon erfahren hat.“

„Der Fürst von Hardenberg.“

Einundzwanzigstes Kapitel.

Diplomatische Maskeraden; Mittheilungen eines Eingeweihten; Rußland und Preußen halten fest zusammen; die Aller-Seelen-Messe zu Wien; Castlereagh tritt auf Metternich's Seite; Talleyrand's Schreiben an Metternich vom 19. December; der ehemalige Jacobiner prediget Legitimität; erinnert an die Theilung Polens, um gegen die Sefitnahme Sachsens durch Preußen zu protestiren; verlangt, daß man über die Völker nicht wie über Viehheerden verfüge; Stein's Denkschrift vom 27. December zur Entgegnung auf Talleyrand's Schreiben vom 19.; Metternich dringt auf die Zulassung des französischen Botschafters zu den Verhandlungen; verlangt die Zustimmung des Königs von Sachsen zu dem über ihn verhängten Spruch; Preußen und Rußland erklären sich bereit Talleyrand zuzulassen, sobald die sächsische Frage erledigt sein würde; Privatmittheilungen über die Berwürfnisse an der Tafel des Congresses.

Nicht minder bunt, verwirrt und intriguant als bei Mummenschanz und Maskenaufzug der Hoffestlichkeiten war das Durcheinander bei den Conferenzen und wo sonst die Diplomaten, ihre Gehülfen und Gehülfinnen eine Maske vornahmen, oder dem andern eine Nase aufzubinden bemüht waren. „Dringt man“ schreibt uns ein feiner, in die Geheimnisse hinter dem Vorhang eingeweihter, Beobachter aus Wien Anfang Decembers 1814, „von der geglätteten trügerischen Oberfläche in den Sinn ein, den das erhabne Schauspiel der großen Fürstenversammlung bieten soll, so trifft man auf heillose Ränke, wo man Offenheit, auf Neid, wo man Vertrauen, auf Kleinlichkeit, wo man Liberalität erwarten sollte. Scheint man doch kaum noch zu wissen, weshalb die Monarchen hier versammelt sind. Die Wiederherstellung des rchalistischen Princips und die Wiedereinsegung der verdrängten Herren in ihre Länder ist für Einige die Hauptsache. Dieses Princip soll den König von Sachsen wieder auf seinen Thron führen. Dagegen fagt Rußland: bedenke was das sagen will! —) „que, s'il-y-avait un malheur, il valait mieux celui de la dynastie que du pays."*) Die Preußen behaupten: es handle sich nicht blos um den Regenten, sondern auch um das Land und

man

*) Findet ein Unglüd statt, dann ist es besser, es trifft das Herrscherhaus, als das Land.

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