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konnte so holden Blicken und Bitten nicht widerstehen, er nahm die Fesseln ab und als der Kaiser ihm jezt vertraulich zuflüsterte: ich gebe meine Ansprüche auf Thorn auf und Friedrich Wilhelm antwortete und ich bestehe ferner nicht auf Leipzig, folgte unter allgemeinem Jubel der Anwesenden eine herzliche Umarmung der beiden Fürsten; die schwierigsten Fragen des Congresses schienen gelöst.

Daß die Gesinnung Alexanders gegen den König von Preußen nicht mehr die frühere waffenbrüderliche geblieben war, wird von anderer, zuverlässiger Seite behauptet. Alexanders Anhänglichkeit an Prenßen" bemerkt der Biograph Steins,*) „war um diese Zeit etwas verringert, theils weil er überhaupt etwas veränderlich, theils weil er, durch Capodistria aufmerksam gemacht, glaubte, Preußen werde durch die Erwerbungen am Rhein abhängig von England und Frankreich und ein weniger sicherer Bundesgenosse für Rußland. Jene Stimmung äußerte er gegen den Kronprinzen von Württemberg, dem er sagte: „Im Grunde bin ich meiner Verpflichtungen gegen Preußen ledig, weil es an der Vereinigung gegen mich Theil genommen hat; aber ich werde sie dennoch erfüllen.“ Daß Metternich treuloser Weise schmählichen Verrath im October 1814 geübt, wurde oben erwähnt.

Hier nun, wo wir die durch Lord Castlereagh im Auftrage der britischen. Regierung gemachten Anträge auf Wiederherstellung der polnischen Nationalität und die von Rußland, Oestreich und Preußen darauf ertheilten Antworten, welche sich einander in Betheuerungen, wie sehr ihnen das Wohl der polnischen Nation am Herzen liege, überboten, mitgetheilt, dürfte es angemes= sen sein, vorweg den kläglichen Verlauf dieser Angelegenheit, wenigstens kurz, zu erwähnen, da uns vorzugsweise die deutschen und preußischen Angelegen= heiten in Anspruch nehmen.

Daß die drei Theilungen Polens in den Jahren 1773, 1792 und 1796 als ein politischer Gewaltstreich von denen, welche sich mit solcher Schmach bedeckt hatten, verurtheilt worden war; daß selbst ein Metternich in seiner Antwortsnote sein Kaiserhaus von der Theilnahme an solcher Blutschuld rein zu waschen sich angelegen sein ließ, hinderte dieselben Cabinete und ihre Be

*) Pert a. a. D. Th. IV. S. 288.

vollmächtigten am Congresse nicht, jenen früheren Theilungen eine vierte hinzuzufügen. Alexander hielt Wort, bildete aus dem, ihm zugesprochenen, Antheil ein Königreich Polen mit einer constitutionellen Verfassung, mit zwei Kammern, Preßfreiheit, einer eigenen Verwaltung und einem polnischen Nationalheere; allein es war am Ende nur auf eine liberale Spiegelfechterei abgesehen. Gegenüber dem russischen Koloß erschien dies winzige Königreich, dem nicht einmal der Umfang und die Einwohnerzahl des Herzogthums Warschau gelassen worden war, als ein verschwindender Punkt. Daß ein constitutionelles Polen unter einem Selbstherrscher aller Reußen keinen Bestand haben werde, hatte Stein vorhergesägt und nur zu bald ging sein Wort in Erfüllung. Alexander nahm dem constitutionellen Königreiche eine Freiheit nach der andern, hob die Preßfreiheit auf, legte eine russische Besatzung nach Warschau und ließ den Polen fühlen, daß er der Eroberer, nicht der Befreier ihres Landes sei. Nach seinem Tode brach ein blutiger Aufstand in Warschau aus, die Russen wurden zwar vertrieben, kehrten aber mit Uebermacht zurück, warfen die Revolution nieder und ein Ukas des Kaisers Nikolas I. vom 26. Februar 1832 erklärte die Constitution aufgehoben für im

Was nun die vierte, auf dem Wiener Congreß vollzogene Theilung Polens betrifft, so sei nur erwähnt, daß das Herzogthum Warschau, welches durch die, in dem Frieden von Schönbrunn (1809) ihm zugetheilten, Stücke Galiziens einen Gebietsumfang von 2,700 Geviertmeilen mit einer Bevölke rung von 4 Millionen Einwohnern hatte, als Königreich beinahe um die Hälfte seines Umfangs geschmälert wurde, indem Destreich keineswegs so verschämt im Zugreifen war, wie Metternich es in seiner Note geschildert, vielmehr darauf bestand, die Einbußen von 1809, die Salzwerke von Wieliczka und den Tarnopoler Kreis zurückzuerhalten. Die Errichtung des Freistaates Krakau gab es zu, in sicherer Zuversicht, daß ihm derselbe früher oder später zufallen werde. Begründeter waren die Ansprüche die Preußen auf die Erwerbung, des schon früher besessenen Landstriches (der Neßdistrict und das Land westlich von einer von Bromberg nach Kalisch gezogenen Linie), aus welchem das Großherzogthum Posen (damals mit 800,0000 E.) gebildet wurde. Zur Verbindung der Ostseeprovinzen mit Schlesien, war diese Erwerbung eine Lebensfrage für den preußischen Staat. Und solcher Lebens

fragen für ihn, wenn er die vereinzelten Provinzen zu einem organisch gegliederten Ganzen zusammenfügen und ausbilden wollte, gab es auf mehr als einem Punkte. Aller Orten, wo der preußische Adler als Grenzenhüter Bache hielt, mußte er darauf gefaßt sein, daß der mißgünstige Feind in die schutzlosen Marken hereinbrechen werde. Durch das neu errichtete constitutionelle Königreich Polen, welches die Mündung seines Hauptstromes, die Weichsel, sich nicht durch das preußisch gewordene Danzig wollte schließen lassen, bedrohte Rußland unsere Ostgrenze zur See und zu Land; Schlesien lag eingeklemmt zwischen Böhmen, Polen, Mähren und Ungarn; ohne Kriegshafen und Kriegsflotte waren die pommerschen Küsten den seemächtigen Schweden und Dänen preisgegeben; Ostfriesland mit den Nordseehäfen hatte uns England für geliefertes Kriegsmaterial schon während des Krieges abgepreßt und nun wurde bei der Vertheilung der Kriegsbeute uns das eroberte Sachsen abgesprochen, während die, dem Hause Brandenburg angestammten, fränlischen Fürstenthümer, dem inständigsten Verlangen der Unterthanen ungeachtet, nicht wieder an Preußen gelangten.*) Ein Theil der Entschädigung

*) Von Sturmpetitionen der Sachsen an den Congreß für die Wiedereinsetzung ihres Königs ist uns, außer einer mühsam zusammengetrommelten landständischen submissesten Bittschrift, nichts zu Geficht gekommen; wohl aber richteten die Bewohner der Fürstenthimer Anspach und Baireuth ein „Bittschreiben an den hohen Wiener Congreß“ d. d. Baireuth den 9. December 1814, in welchem es heißt:,,Dringend und mit jedem Tage lauter fordern uns unsre Mitbürger auf, die Anhänglichkeit und unerschütterliche Treue, welche in den fränkischen Fürstenthümern für den theuersten und geliebtesten ersten Landesvater, für ihren verehrungswürdigen König Friedrich Wilhelm III. und dessen erlauchtes Regentenhaus unabänderlich fortlebt, vor dem hohen Congreß zu Wien feierlich auszusprechen. Wir legen nur einige an uns von unseren besten Mitbürgern gerichtete Adreffen bei und bemerken zugleich, daß Unterschriften zu Tausenden beigefügt werden könnten, wenn wir nicht auch schon im Vertrauen auf die edelmüthigen und gerechten Gesinnungen der hohen verbündeten Mächte, welche sogar die Urheber unseres seit Jahren erlittenen Ungemachs großmüthig und schonend entlaffen haben, die Erfüllung unserer Wünsche für unsern allgemein verehrten Landesvater erwarteten. . . . Hoch erhoben sind die Herzen aller Vaterlandsfreunde, als ihnen die Versicherung gegeben wurde, daß sie zu ihrem ehemaligen geliebten Landesfürsten zurückkehren würden. Welch hartes und trauriges Loos wäre aber das unsrige, wenn nach allen Anstrengungen und Aufopferungen und für das vergoffene Blut unserer Väter, Söhne und Brüder uns nicht einmal der Troft zu Theil werden sollte, unserem geliebten Landesvater wieder anzugehören. Fußfällig bitten wir die erhabenen Monarchen um die Erhörung der gerechtesten Wünsche, mit denen wir u. s. w. (Klüber Acten, des Wiener Congresses. 9. 331.)

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wurde Preußen an beiden Ufern des Rheins angewiesen, wodurch ihm zwar die ehrenvolle Grenzwacht gegen Frankreich anvertraut wurde, die jedoch ers schwert, ja fast unmöglich dadurch wurde, daß man diese westlichen Provin zen wie einen verlorenen Posten hinausschob, ohne gesicherten Zusammenhang mit den östlichen Provinzen. Nicht einer der geringsten Schimpfe, welche Preußen auf dem Wiener Congresse erfuhr, war wohl, daß man ihm, nachdem es in einem Volkskriege, wie ihn Deutschland seit der Hermannsschlacht nicht wieder erlebte, die Feinde aus dem Vaterlande mit eisernem Besen" hinausgefegt, die vertriebenen, oder geflohenen Fürsten zurückgeführt hatte, das bescheidene Verlangen, ihm zur Verbindung seiner östlichen mit den westlichen Provinzen, einen, wenn auch noch so schmalen Landstrich zutheilen möge, in schnödester Weise abschlug. Nur eine schmale Etappenstraße durch fremdes Gebiet die Schlacht und der Schimmel von Bronzell haben sie 1852 berüchtigt gemacht wurde endlich und endlich be williget.

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Drei undzwanzigstes Kapitel.

Metternich lenkt ein in einer Denkschrift vom 28. Januar 1815; un ensemble de convenances; Hardenberg antwortet durch eine Note vom 8. Februar; Preußen williget ein in die Wiedereinsehung des Königs von Sachsen in einen Theil seines Landes; Metternich ertheilt zum voraus die Zustimmung des Kaisers; Stein protestirt gegen eine Entschädigung des Stiefsohnes Napaleons Eugen in Deutschland; die Theilungslinie mitten durch Sachsen hindurch; die Rechnung war ohne den Wirth gemacht; der König von Sachsen erhält einen Zwangspaß von Friedrichsfelde nach Preßburg; seine Gefangenschaft hat ein Ende; Metternich, Talleyrand und Wellington legen ihm in Preburg am 9. März die Abtretungs-Urkunde zur Annahme vor; er verweigert die Unterzeichnung; die drei Botschafter kehren unverrichteter Sache nach Wien zurück.

Daß so vor, um und einsichtige Politiker wie Hardenberg, Stein, Humboldt, Niebuhr, Hoffmann, Eichhorn, Stägemann, Jordan', Varnhagen und andere bei dieser Angelegenheit betheiligte preußische Staatsmänner sich durch Metternich, Gent, Wessenberg und das ihnen anhängende sächsische, bairische und hannoversche Gefolge, eben so wenig durch Talleyrand und Castlereagh überlisten und hinter das Licht hätten führen lassen, dies war durchaus nicht der Fall; nur wurde der Stand der Sache nicht besser dadurch, daß Preußen mit offnen Augen seine wohlerworbenen Ansprüche aufzugeben gezwungen wurde.

Zwar lenkte Metternich in einer, in der Conferenz am 28. Januar, zu Protokoll gegebenen Denkschrift und hinzugefügten Erklärung in versöhnlicher Weise ein, allein troß aller Freundschaftsversicherungen, war er doch nur bemüht, Preußens Recht zu beeinträchtigen und ihm nach allen Seiten hin für die Zukunft Verlegenheiten zu bereiten.

Der Fürst Metternich bezeichnete die, von ihm übergebene, Denkschrift als eine Antwort auf die Denkschrift des Fürsten Hardenberg vom 29. December und auf den, unter dem 12. Januar vorgelegten,,Plan der Wiederherstellung Preußens." Vorsichtig ausweichend bevorwortete Metternich,,daß

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