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die, zur Subsistenz des dem Könige übrig bleibenden Antheils nothwendigen, Mittel entreißt. *)

„Zu solchen Opfern ersucht man den König seine Zustimmung zu geben, unter Hinzufügung, daß man sich in Unterhandlung über die Nebenpunkte nicht eher einlassen werde, als bis Se. Majestät sich über die Landesastretungen ganz bestimmt (d'une manière catégorique) ausgesprochen habe. Se. Majestät kann die Gültigkeit dieser, ohne Hinzuziehung seines Bevoll mächtigten, getroffenen Verfügungen nicht anerkennen.

„Nachdem der König seine Freiheit wieder erlangt hat, ist kein Hinderniß mehr vorhanden, mit ihm selbst zu unterhandeln; man kann über seine Rechte nicht ohne seine Zustimmung verfügen, und er würde niemals zugeben, daß seine Staaten als ein erobertes Land angesehen und ihm vorent halten würden.

Fortgezogen von der Gewalt der Umstände und durch die Verbind lichkeiten, welche er in einem, von ihm weder veranlaßten, noch erHärten Kriege übernehmen mußte, hat der König an demselben nur in der Eigenschaft eines Mithelfers (auxiliaire) Antheil genommen. **) Weder bei dem Beginn des großen Kampfes, noch während seines Fortschrittes hat es von Sr. Majestät abgehangen, sich der Sache der Verbündeten anzuschließen, wie aufrichtig auch dies sein Wunsch war, den er in unzweideutiger Weise und zuletzt noch in einem förmlichen, an die verbündeten Souverains gerich teten, Ansuchen ausgesprochen hat.

*) „Die Mittel!" das war freilich des Königs gewissenhaftefte Herzensangelegenheit. Für den Hofstaat findet man in dem sächsischen Staatskalender von 1812 nahe an zwöfhundert Besoldete verzeichnet. Eine geheime Bekehrungskasse, zur Verfügung des Beichtvaters des katholischen Königs gestellt, war mit 20,000 Thlr. jährlicher Einkünfte ausgestattet. Der Fürst Repnin führt in der, von ihm über seine einjährige Verwaltung gelegten, Rechnung folgende Ersparnisse auf: 570,000 Thlr. an dem Hof-Etat (darunter 37,000 Thlr. für Kammerherren und Kammerjunker); 13,000 Thlr. bei der Hofapotheke; 30,000 Thlr. bei dem Hofjagdamte; 140,000 Thlr. bei den Stutereien; 60,000 Thlr. bei der Meißner Borzellan-Manufactur; 12,000 Thlr. durch Einziehung der gelb und blaugestreiften Schwei zer Hellebardier - Garde. Hierzu kommen noch die eingezogenen Apanagen, Aufwand für Theater, Kapelle, katholischen Cultus mit zwei italienischen Castraten (der berühmte Saffaroli erhielt 6000 Thlr.) und zwei ganz besonders gemästeten Kammertürken, welche im glänzenden Turban und goldgestickten Kaftan der sonntägigen Messe als Belehrungsschauftücke beiwohnten. **) Er will sagen: „eines Bundesgenossen, welcher Hülfstruppen stellte;" eine schöne Entschuldigung!

„Die fächsische Nation hat, voll Vertrauen zu den hohen Verbündeten, alle Anstrengungen genacht und alle Opfer, die man von ihr verlangte, willig dargebracht. Das Eroberungsrecht ist demnach weder auf den König, noch auf sein Volk anwendbar, selbst wenn die Verbündeten nicht, wie sie gethan haben, erklärt hätten, daß ihre Anstrengungen ausschließlich gegen die Usurpation (angemaßte Herrschaft Napoleons) gerichtet und sie selbst weit entfernt von jeder Absicht auf Eroberung wären."

In etwas troßigem Tone empfiehlt Graf Einsiedel im Auftrage seines Königs den fünf Mächten,,Ihro Majestät Vorstellung zu berücksichtigen, Dero Interesse, so wie das ihrer eigenen Staaten von neuem in Ueberlegung zu nehmen und seinen Bevollmächtigten zu den Unterhandlungen hinzuzuziehen." Nachdem dieser Seitenhieb gegen Preußen und Rußland geführt ist, versucht Graf Einsiedel das Herz der übrigen drei zu rühren, indem er schließlich sagt: „Endlich nimmt der König mit gerührtem Herzen die Vermittelung der erhabenen Souverains an, welche sich bisher zu seinen Gunsten verwendet haben. Die Ueberzeugung von seinem Rechte und von der Billigkeit seiner Forderungen, giebt dem Könige die Zuversicht, daß diese Monarchen auch fernerhin und ohne Einschränkung ihm ihren mächtigen Beistand gewähren werden.“

Diese Note übergab der Graf Einsiedel dem Fürsten Metternich, um dieselbe seinem kaiserlichen Herrn und dem Comité einzuhändigen.

Die drei Botschafter beantworteten die Note umgehend noch in Preßburg den 11. März. Zuvörderft klärten sie ein Mißverständniß auf: „Der sächsische Minister sage: „,„der König nehme mit gerührtem Herzen die Vermittelung der hohen Souverains an,"" während sie vielmehr erklärt hätten, daß sie bei dem Inhalte des, dem Könige überreichten, Protokolls vom 7. März beharren müßten, welches ausdrücklich erkläre: die Vermittelung Sr. Majestät des Kaisers von Oestreich könne erst dann eintreten, wenn der König von Sachsen durch eine förmliche Urkunde seine Zustimmung zu den Abtretungen und zu den, von den Mächten unter sich eingegangenen, Verbindlichkeiten erklärt haben würde."

Friedrich August weigerte sich eine solche Erklärung abzugeben, und die drei Botschafter kehrten unverrichteter Sache am 12. März nach Wien zurück. Hier fanden sie die sonst so übermüthig heiteren Congreßlarven in be

denklich verstörte Gesichter verwandelt. Am 2. März war ein einzelner Mann, bekannt als der kleine Korporal," an der südlichen Küste von Frankreich an das Land gestiegen, wo, sobald er festen Boden unter den Füßen fühlte, sein erstes Wort war: „Der Congreß von Wien ist aufgelöst!" *)

Bevor wir jedoch erfahren, wie dies, am fernen Horizonte unscheinbar aufsteigende, Wölkchen zur drohenden Gewitterwolke sich aufthürmte, die unter Blig und Donnerschlägen mit verheerendem Bleis und Eisenhagel sich entlud, verweilen wir noch einmal an der Congreßtafel, um zu vernehmen, wie eine würdige Matrone und mittelalterliche Romantiker sich abmühten, dem Kaiser Franz eine Schlafmüße über die Ohren zu ziehen, in der Meinung: dies sei die Kaiserkrone des heiligen römischen Reichs germanischer Nation.

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Vierund zwanzig ftes Kapitel

Anträge zur Wiederherstellung der deutschen Kaiserwürde in dem Hause Destreich; erster Versuch durch einen allerunterthänigsten Knir; eine hausbackne Antwort des Kaisers Franz; Ansprüche der Reichsunmittelbaren; des braunschweigischen Bevollmächtigten v. Schmidt-Phiseldeck Verbalnote vom 16. November 1814 an den Grafen Münster; 29 Gevollmächtigte der Kleinen tragen auf Wiederherstellung der Kaiserwürde an; Erinnerungsnote der Kleinen vom 2. Februar 1814; die preußischen Bevollmächtigten erinnern Metternich an Deutschland in einer Note vom 4. Februar; zwei VerfassungsEntwürfe Humboldt's nebst Begleitschreiben an Metternich vom 10. Februar; Stein ein Romantiker; Kaiserphantastereien im Rheinischen Merkur; Stein verwendet sich bei Alexander und Wellington für die Wiederherstellung der deutschen Kaiserwürde; Humboldt gegen dieselbe; ein lekter Versuch Stein's bei Hardenberg ist vergeblich; von Wiederherstellung der Kaiserwürde ist nicht weiter die Rede.

Mit einem Federstriche aus weiter Ferne hatte ein, zum Kaiser der Franzosen durch Genie und Thatkraft als Erwählter des Volks emporgestiegener Lieutenant dem, von den acht Kurfürsten des heiligen römischen Reichs

*) Le Congrès est dissous.

erwählten Kaiser Franz die deutsche Kaiferkrone von dem gesalbten Haupte gestrichen; eine würdige Matrone versuchte es mit allerunterthänigstem Knix, das am Boden liegende Reichskleinod aufzunehmen und den Kaiser auf's Neue damit zu schmücken. Eine Deputation ehemaliger Standesherren (der durch die rheinische Bundesacte untergeordneten vormaligen regierenden reichsständischen Reichsfürsten und Reichsgrafen), hatten Erlaubniß erhalten, dem Kaiser von Destreich eine Vittschrift, worin sie um Wiedereinseßung in die, ihnen durch den Rheinbund entzogenen, Gerechtsame nachsuchten, zu überreichen. Der Kaiser empfing die Deputation am 22. October 1814 in dem Audienzsaale der Hofburg. Als Wortführerin hatten die Standesherren die verwittwete Fürstin von Fürstenberg erwählt. Das Zutrauen meiner Mitstände" - hub sie an ,,verschafft mir das Glück, vor dem Angesichte Ew. Kaiserl. Majestät zu erscheinen. Ich könnte in Verlegenheit sein, vor dem größten Monarchen zu sprechen, wenn unsere Sache nicht die gerechteste wäre, welche je vor den Thron Ew. Kaiserl. Majestät gebracht worden ist.“ Nache dem die würdige Dame an das große Verdienst ihrer Mitstände um das Kaiserhaus und das Reich erinnert, fügte sie mit tiefer Verbeugung hinzu: Indem ich Ew. Kaiserl. Majestät unsere, in gegenwärtiger Schrift enthaltene, allerunterthänigste Bitte in tiefster Ehrfurcht zu Füßen lege, darf ich im Namen so vieler treuer deutschen Reichsstände das Wort aussprechen, daß wir keine Gewährleistung einer Verfassung voraussehen, wenn nicht der Vater so vieler und so großer Völker sich bewegen läßt, auch unser Vater und Kaiser wieder zu werden. Gottes Gnade, die uns bisher geführt hat, wende das Herz unseres guten Kaisers wieder zu uns und lenke seinen Willen, auf daß er zu Deutschlands Heile wieder nach dem Besitze desjenigen greife, was in anderen Händen nothwendig ein Keim zu innerer Zerrüttung und sogar eine Waffe gegen ihn selbst werden könnte."

In der Hausbacknen Antwort, welche der deutsche Kaiser in spe ertheilt, nimmt sich die Freude sonderbar aus, die er darüber äußert, nähere Bekanntschaft mit seinen lieben Deutschen" gemacht zu haben. „Ich habe,“ sagte er, meine lieben Deutschen jest kennen gelernt und es ist mir unendlich rührend und schmeichelhaft, den Ausdruck dieser Anhänglichkeit neuerdings zu vernehmen. Glauben Sie sicher, daß ich Alles, was in meinen Kräften steht, anwenden werde, um Deutschlands Ruhe und Wohlfahrt für

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die Zukunft zu sichern. Ich bin halt schon von mehreren Seiten angegangen worden, die deutsche Kaiserkrone wieder anzunehmen und es ist dies auch mein Wunsch, wenn dessen Erfüllung sich mit dem Interesse meiner eigenen Länder vereinigen läßt..... Ich weiß nun, was die Deutschen für ein gutes und braves Volk sind und Sie können darauf zählen, daß ich Ihr gerechtes und billiges Verlangen, so viel an mir liegt, unterstügen werde.“

Daß dies Kaiserwort zu Schwankungen und Spekulationen an den europäischen Börsen Veranlassung gegeben hätte, wird nirgend gemeldet.

Was übrigens die Ansprüche betrifft, welche der ehemalige reichsunmittelbare Adel bei dem Congreß zur Geltung zu bringen versuchte, so waren sie nicht bescheidener als diejenigen sind, welche noch heutigen Tages die mecklenburgischen Rothfracks und die Kreuzzeitungs-Junker verlautbaren. In einer Eingabe an den Congreß verlangte jener Adel: privilegirten Gerichtsstand, Autonomie, Freiheit von persönlichen Abgaben und was von dergleichen angemaßtem Unrecht sonst noch gang und gäbe gewesen. „Es ist," heißt es in jener Denkschrift, „ein uraltes Recht des hohen und niederen deutschen Adels, daß er von jeher von seines Gleichen sich richten zu lassen berechtigt war. Dies liegt in der Natur der Sache. Bei den alten Deutschen war es unmöglich, daß der Leibeigene, der Knecht den Freien, seinen Herrn, richten sollte, und eben so unvereinbarlich ist es in unseren Tagen, wenn der unmittelbare ehemalige Reichsadel sich nunmehr von seinen Beamten soll richten lassen, den er bezahlt, oder gar die Befehle seines eigenen Schultheißen anzunehmen sollte gezwungen sein." In Bezug auf die Autonomie heißt es: „Dieses Recht gründet sich auf das älteste, deutsche Herkommen; in ihm sind die Ueberbleibsel des alten deutschen Rechts erhalten worden; wenn sie auch hart waren, jene alten deutschen Familiengesete (Ahnenprobe, Turnier- und Stiftsfähigkeit u. s. w.), so waren sie dennoch zur Erhaltung der alten Geschlechter nothwendig; sie waren das einzige Mittel, welches den deutschen Reichsadel so lange und reiner als keinen im ganzen übrigen Europa erhalten hat, und ihre Existenz schreibt sich von jenen glücklichen Zeiten der deutschen Freiheit her, wo ein jeder das Recht, wonach er gerichtet sein wollte, selbst wählen konnte und wo der Deutsche ein erprobtes Herkommen weit höher schäßte, als ein, seiner Nationalität und seinen Gefühlen fremdes, Geset."

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