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Diese, den Bevollmächtigten Destreichs, Preußens, Hannovers, Baierns und Württembergs übergebene, Note fand allseitig die entgegenkommendste Aufnahme. Im Auftrage des Königs von Preußen antwortet Hardenberg (den 29. März), daß derselbe das, von den Bevollmächtigten der vereinigten souverainen Fürsten und freien Städte gemachte Anerbieten mit Vergnügen annehme und sie in Uebereinstimmung mit dem kaiserlich öftreichischen Hofe einlade, den Verbindungen beizutreten, welche Preußen und Destreich laut des, in Abschrift beiliegenden, Allianz-Tractates mit Rußland und England unter dem 25. d. M. abgeschlossen haben. Die inneren Angelegenheiten Deutschlands betreffend wurde hinzugefügt: „Der mit der Erklärung der Fürsten und freien Städte zugleich geäußerte Wunsch, daß Deutschland jezt wegen seiner Zukunft durch eine feste Verfassung beruhigt werden möge, wird von dem königlich preußischen Hofe in gleichem Maße gehegt. Seit dem Anfange des Congresses sind seine Bemühungen dahin gegangen, eine, die äußere Unabhängigkeit und den innern Rechtszustand sichernde Verfassung zu Stande zu bringen, und nichts verbürgt so sehr das Gelingen dieses Bestrebens, als die, sich in der Note ihrer Bevollmächtigten aussprechende Gesinnung der Fürsten, die zur Wiederherstellung der Ruhe nöthigen Anstrengungen eng an die Gründung des Bundes anschließen, sie bundesmäßig beginnen und ihnen durch den Bund selbst eine erhöhte Wichtigkeit für Deutschlands Völker geben zu wollen.

,,Die Unterzeichneten (Hardenberg und Humboldt) erklären daher den Herren Bevollmächtigten mit Vergnügen, daß sie, durchdrungen von der Nothwendigkeit, den deutschen Bund jetzt wirklich gleich zu schließen, und wenn auch die nähere Ausführung ruhigeren Zeiten vorbehalten bleiben müßte, doch über seine wesentlichen Grundlagen übereinzukommen, bereit sind, ungesäumt in nähere Berathung über diesen Gegenstand einzugehen.“

Sechs und zwanzig ftes Kapitel.

Verhandlungen über die Bildung des deutschen Bundes; die freißinnigen Vorschläge der preußischen Bevollmächtigten werden von Metternich verschnitten; die Conferenzen zur Feftftellung des deutschen Bundes werden eröffnet; erßte Conferenz den 23. Mai 1815; Metternich Vorfihender; alle find gegenwärtig, nur Würtemberg fehlt; Eröffnungsrede und Vorlesung des, von Destreich und Preußen concertirten, Entwurfes der Bundesverfassung; zweite Conferenz den 26. Mai; mündlicher Vortrag von Erinnerungen gegen einzelne Artikel; dritte Conferenz den 29. Mai; lebhafte Verhandlung über Artikel IV, die Repräsentation betreffend; die Stimmenvertheilung bei den Bundesversammlungen; Kaiser und Reich kommen noch einmal als Leichnam zur Sprache; vierte Conferenz den 30. Mai; Verhandlung über den, die landfländische Verfassung betreffenden Artikel; fünfte Conferenz den 31. Mai; Metternich schneidet die fernere Verhandlung über die landständische Verfassung ab; die Angelegenheiten der Kirche und der Confeffionen; die bürgerlichen Rechte der Juden; Verwahrung der Stadt Frankfurt dagegen; die mediatifirten Reichsfürften; die sechßte Conferenz den 1. Suni; für die Juden und Reichsritter wird noch eine Lanze gebrochen; die siebente Conferenz den 2. Juni; die RedactionsCommission reicht die neue Abfassung ein; die achte Conferenz am 3. Juni; Bayern besteht auf dem Beiworte: „die souverainen Fürften“; Hardenberg erklärt sich vergeblich dagegen; Rangstreitigkeiten; neunte Conferenz den 5. Juni; Metternich erklärt sich bereit die, in der 8. Conferenz vorgelegte Bundesacte für Deßtreich zu unterzeichnen; desgleichen thun die Sevollmächtigten Preußens und der anderen Bundesstaaten mit Ausnahme Bayerns, Badens, Sachsens und Würtembergs; zehnte Conferenz den 6. Juni;. Preußens Schlußerklärung; die Globig'sche Erklärung des sächsischen Bevollmächtigten ; der König von Wütemberg ein Spielverderber; ihm wird gehörig Bescheid gesagt; verspätete Erklärung seiner Bevollmächtigten; eilfte Conferenz am 10. Suni; Schlußfihung ohne Würtemberg und Baden. Die Bundesacte unterschrieben und untersiegelt.

Hatten es sich die preußischen Staatsmänner und unter diesen vornehmlich Humboldt schon vor Beginn des Congresses angelegen sein lassen, Entwürfe zu einer Verfassung für das gesammte Deutschland zu machen, so finden wir sie damit während des Congresses noch eifriger beschäftiget und als sie erst die sächsische Angelegenheit hinter sich halten und die Rückkehr Napoleons zu einem raschen Abschluß drängte, wurde die Constituirung des deutschen Bundes mit allseitiger Theilnahme allen Ernstes in Angriff ge= nommen. „Es fällt in die Augen," bemerkt der fleißige Sammler der Acten

des Wiener Congresses,*) „daß in Entwerfung der Plane zu der deutschen Bundesverfassung von königlich preußischer Seite die meiste Thätigkeit ent wickelt ward. Von zehn Entwürfen sind fünf allein von Preußen ausgegangen und zwei sind es wenigstens zum größeren Theil; es sind dies diejenigen, welche von dem Vorsitzenden (Metternich) als Grundlage bei den Verhandlungen bestimmt vorgelegt wurden, der eine mit der Erklärung, daß er von Destreich und Preußen concertirt sei, der andere, daß Preußen einverstanden sei. Nur zwei Entwürfe kamen von östreichischer Seite und bei einer Vergleichung derselben mit den preußischen stellt es sich sogleich heraus, daß Preußen für freisinnige Begründung des Rechtsstaates, Destreich für starres Festhalten der absoluten Gewaltherrschaft in die Schranken trete."

In dem abermaligen Entwurfe der Verfassung eines zu errichtenden deutschen Staatenbundes," welchen die königlich preußischen Bevollmächtigten am 1. Mai 1815 dem Fürsten Metternich übergaben, findet man noch die Ueberlieferungen der Gesetzgebung Friedrich des Großen erhalten. „Alle Mitglieder des Bundes" - so lautet §. 8 verpflichten sich, in ihren Staaten für eine unparteiische Gerechtigkeitspflege Sorge zu tragen und jeden willkührlichen Eingriff in die Rechte der Person und des Eigenthums zu verhindern. In dieser Absicht bestimmt sie hiermit ausdrücklich, daß die Richter in Klagen gegen den Landesherrn in demjenigen, was die Entscheidung der Sache betrifft, ihres als Unterthanen, oder sonst in irgend einer andern Eigenschaft geleisteten Eides entbunden sein sollen, auch kein Richter anders, als durch förmlich gesprochenes Urtheil seines Richteramtes entsetzt werden soll." Der preußische Entwurf enthält ferner ausführliche Bestimmungen über landständische Verfassung und über die staatsbürgerlichen Rechte der Einwohner. In allen deutschen Staaten" (§. 9) wird die bestehende

landständische Verfassung erhalten, oder eine neue, dergestalt zu organisirende, daß alle Classen der Staatsbürger ́ daran Theil nehmen, eingeführt, damit den Landständen das Recht der Bewilligung neuer Steuern, der Berathung über Landesgesete, welche Eigenthum, oder persönliche Freiheit betreffen, die Beschwerdeführung über bemerkte Verwaltungs- Mißbräuche und die Vertretung der Verfassung und der aus ihr herfließenden Rechte Einzelner zustehen.

*) Klüber, Bd. II. S. 297.

Die einmal verfassungsmäßig bestimmten Rechte der Landstände werden unter den Schutz und die Garantie des Bundes gestellt. Allen Einwohnern zum deutschen Bunde gehöriger Provinzen wird von den Mitgliedern des Bundes, das, nur durch die allgemeine Pflicht der Landesvertheidigung beschränkte, Recht der Auswanderung in einen anderen deutschen Staat, des Uebertritts in fremde deutsche Civil- und Militärdienste und der Bildung auf fremden deutschen Universitäten und Lehranstalten, so wie angemessene Preßfreiheit zugesichert. . . . Die Rechte der Schriftsteller und Verleger werden durch ein allgemeines Gesetze gegen den Nachdruck gesichert."*) Dergleichen freisinnige Vorschläge finden wir in dem, von dem Fürsten Metternich zur Berathung unter den 25. Mai vorgelegten, Entwurfe zu sehr abgemagerten Bestimmungen zusammengeschrumpft. Für sich hatte er bestens gesorgt: „Destreich hat bei der Bundesversammlung den Vorsig. Die Stimmenmehrheit (und dieser war Destreich sicher) entscheidet in allen, nicht durch die Grundgefeße des Bundes ausdrücklich ausgenommenen Fällen." Sehr kurz wurde die landständische Verfassung mit den paar Worten (§. 10) abgefertigt: „In allen deutschen Staaten soll eine landständische Verfassung bestehen." Von einer Sicherung der Unabhängigkeit des Richterstandes, von der Gestattung des Besuches auswärtiger Universitäten war nicht die Rede und man hat es einer eine dringlichen Ermahnung Humboldt's an Geng zu danken, daß in den öftreichischen Entwurf am Schluß noch die Bestimmung aufgenommen wurde: „Die Bundesversammlung wird sich bei ihrer ersten Zusammenkunft mit Abfassung zweckmäßiger Gesetze über die Preßfreiheit und die Sicherstellung der Rechte der Schriftsteller und Verleger gegen Nachdruck beschäftigen."

Der von Metternich und Gent verschnittene und zugestußte Entwurf erhielt jezt, wo Gefahr im Verzuge war, die Zustimmung der preußischen Bevollmächtigten und wurde in dieser Fassung den sämmtlichen zur „Conferenz über die Feststellung des deutschen Bundes" eingeladenen, am 23. Mai

*) In schaamlosester Weise betrieben Buchhändler in Wien und Stuttgart damals unter dem Schuß ihrer Regierungen durch Nachdruck offenkundigen Diebstahl, wodurch die Liebblingsschriftsteller der damals aufblühenden deutschen Literatur sehr empfindlich beschädigt wurden. Einem Goethe, Schiller, Wieland, Herder, Jean Paul konnten ihre Verleger nur ein sehr geringes Honorar zahlen, da deren Werke sofort im Nachdruck für die Hälfte des Breises zu haben waren. Führte doch Brockhaus noch 1818 wegen Nachdrucks des Conver» fations Lexilons in Stuttgart vergebliche Beschwerde.

zum ersten Male versammelten, Bevollmächtigten sämmtlicher Bundesstaaten vorgelesen und dann zur Besprechung der einzelnen Artikel geschritten. Ane wesend waren: für Oestreich Fürst Metternich, Baron Wessenberg; für Preußen Fürst Hardenberg, Baron Humboldt; für Bahern Graf Rechberg; für Hannover Graf Münster, Graf Hardenberg; für Sachsen Graf Schulenburg, Baron Globig; für Hessen-Darmstadt Baron Türkheim; für Baden Baron Bernstett; für die vereinigten Fürsten und freien Städte Baron Plessen, Graf Keller, Baron Mindwiß, Senator Smidt, Herr v. Berg; für die Niederlande wegen Luxemburg Baron Gagern; für Dänemark wegen Holstein Graf Bernstorf; Würtemberg war nicht vertreten, indem dessen König feinem Gesandten die Theilnahme an der Constituirung des deutschen Bundes untersagt hatte.

Der Fürst Metternich eröffnete diese denkwürdige, am Schlusse des Congresses stattfindende erste Conferenz mit der Erklärung, daß man zwar schon seit dem Anfange des Congresses darauf Bedacht genommen, den Entwurf zu einer, schon in Paris beschlossenen, deutschen Bundesverfassung vor zubereiten, daß man jedoch sehr bald erkannt habe, daß eine definitive Fests stellung dieses Bundes nicht eher möglich sei, bis, wenigstens in der Hauptsache, der Punkt der Territorial-Verhältnisse erledigt sei. Eine wichtige politische Begebenheit (Metternich scheute sich, den Namen Bonaparte über feine zaghaften Lippen zu bringen) habe sodann genöthiget, sich zunächst mit den dringendsten Bedürfnissen des Augenblicks zu beschäftigen, auch die Nothwendigkeit der jezt sehr nahe bevorstehenden Abreise der Monarchen herbeigeführt. Gleichwohl könne der Congreß nicht beendiget werden, ohne daß die deutsche Föderation in ihren Grundzügen dargestellt werde, deren nähere Entwickelung man dem Bundestage selbst vorbehalten müsse. Unter diesen Umständen seien die Bevollmächtigten von Destreich und Preußen zusammengetreten, um einen Entwurf dieser Grundverfassung zu verabreden, welcher hiermit den, zu diesem Behufe berufenen, Bevollmächtigten der deutschen Fürsten vorgelegt werde, um über die darin enthaltenen Vorschläge ihre Anmerkungen zu machen; wobei wiederholt werde, daß dieser Entwurf nur die Grundzüge der politischen Föderation enthalte, das übrige aber der Berathung der Bundesversammlung selbst vorbehalten bleibe. Nachdem hierauf der Fürst Metternich diesen Entwurf vorgelesen hatte, wovon die Abschrift den anwe

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