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Vorwort.

Daß der Wiener Congreß von 1814 und 15 ein bedeutsames Blatt in der

neueren Geschichte einzunehmen berechtigt ist, wird von Niemand bestritten und darum haben auch Geschichtsorscher und Geschichtschreiber der Darstellung der dort gepflogenen Verhandlungen zahlreiche, ausführliche und gründliche Arbeiten gewidmet. Die Aufgabe jedoch, welche die gestrengen Historiker vom Fach und die Verfasser von publizistischen Sammelwerken sich stellten, gestattete ihnen nicht, in ihre Darstellung eine Schilderung des Volkslebens, des Festgepränges der vornehmen Welt und eine Charakteristik derjenigen Persönlichkeiten aufzunehmen, welche in den Salons glänzten und so Manches, was an der Conferenztafel nicht zum Austrage gebracht wurde, in geselligen Kreisen, zuweilen sogar unter vier Augen, ausglichen und entschieden.

Die ernste Muse der deutschen Geschichte dünkte sich zu vornehm, sich dem Reigen ausgelassenen Mummenschanzes anzuschließen, in die lebenslustigen Kreise der Gesellschaft, oder wohl gar in die Ankleidezimmer der Hofdamen einzutreten. Durch so spröde Zurückhaltung ist ihr über so manche Hauptund Staatsaction der Aufschluß verborgen geblieben.

Denn nirgend mehr, als bei einer Darstellung des Wiener Congresses, dürfte der Zuruf zu beherzigen sein:

„Greift nur hinein in's frische, volle Leben,

„Und wo ihr's packt, da ist es interessant!"

Der Verfasser hat diesen „kühnen Griff" gewagt und that es, unterstützt durch Bekanntschaften mit hervorragenden Persönlichkeiten, welche er bald nach

beendigtem Congreß in den Wiener gesellschaftlichen Kreisen machte. Auch bei später wiederholten Besuchen der einzigen Kaiserstadt, wohin ihn immer und immer wieder die Freude an den reichen Kunstschätzen, dem heiteren Leben, der schönen Natur und der ihm vergönnte Zutritt zu dem geheimen Archiv des Hofkriegsrathes zurückführten, hat er den Congreß, seine Feste und Verhandlungen nie aus den Augen verloren.

Feste und Verhandlungen aber wurden urplötzlich abgebrochen, der tolle Hexen-Sabbath stob und flog wie Spreu im Sturmwind auseinander, als unerwartet zu ungelegener Stunde Napoleon, der Oberste der Großgewaltigen, aus der Verbannung von Elba zurückkehrend, am 1. März 1815 bei Cannes den Boden Frankreichs mit dem fernhintreffenden Machtgebot betrat: „Der Congreß in Wien ist aufgelös't!" Und so war es; ein Zittern und Beben an allen Gliedern befiel die zaghafte Sippschaft der Diplomaten und schönen Frauen, die wohl einsahen, daß mit Federkiel und Fächer gegen den, von seinen alten Kampfgenossen unter dem Beifalljubel des Volks auf den Thron zurückgeführten, Kaiser nichts ausgerichtet werden könne.

Da wendeten die Herrscher in höchster Besorgniß um das, was ihnen bevorstehe, sich noch einmal „an das Volk"; als Kampfpreis wurde diesmal: Verfassung, Vertretung des Volkes und wie dergleichen Schauftückchen sonst noch genannt wurden, in Aussicht gestellt. Noch einmal griff das preußische Volk zu den Waffen, das Heer schlug unter Blücher und Wellington die Schlachten bei Quatre-bras, Ligny und La belle alliance, Napoleon und sein Heer wurden zu schimpflicher Flucht gezwungen, Blücher hielt zum zweiten Male siegreichen Einzug in Paris; Napoleon wurde nach St. Helena abgeführt. Da fanden sich alsbald die Diplomaten in Paris wieder ein. Der zweite Pariser Friede wurde geschlossen.

„Von Elba nach St. Helena“, so heißt der Rahmen, welcher eine Gallerie geschichtlicher Zeitbilder umfassen soll, die wir vor dem geneigten Leser aufrollen werden.

Berlin, im Februar 1859.

Der Verfasser.

Yon Elba nach St. Helena.

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