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Untersuchungen sind hierüber die Ansichten aber durchaus noch ungeklärt. Jedenfalls wissen wir, daß auch im kulturell hochstehenden Südarabien eine herrschende Adelsklasse und weniger angesehene, kastenartig gegliederte Städter vorhanden sind.

Die hervorstechende Eigenschaft der Araber ist ihre durch das Leben in der Wüstensteppe bedingte Unabhängigkeit, ihr unbändiger Freiheitsdrang, der sich keiner staatlichen Autorität fügt. Das ganze politische Leben spielt sich in Stämmen und Stammesgruppen ab, die Familie tritt ebenso zurück wie der Einzelne. Wenn es zu Staatsbildungen kommt, was nur bei den seßhaften Bevölkerungen denkbar ist, sehen wir mehr Stammeskoalitionen zur Durchführung bestimmter gemeinsamer Interessen als einen Staat in unserem Sinne.

Die umliegenden reichen Kulturländer reizten die Araber zu Angriffen, zur Ausbeutung. Die abströmenden Beduinen gingen aber vielfach in der Kultur der von ihnen heimgesuchten Länder auf, die wohl vorher schon semitische Sprachstämme hatten. Die Akkader im sumerischen Babylonien, die Chana aniter und Hebräer, sowie die Aramäer in den nördlichen Ländern sind dafür ebensolche Beispiele wie vielleicht auch die Hyksos in Ägypten und später die Araber im weiten Gebiete von Rom, Byzanz und Persien. Aber die umliegenden Kulturländer haben sicher auch große Einflüsse nach Arabien hin geltend gemacht: von den Sumerern, Babyloniern, Assyrern, von Syrien, Ägypten, Persien und Byzanz-Rom sind sicher viele Anregungen in Arabien eingedrungen; wissen wir doch auch von einer großen jüdischen und christlichen Kolonisierung im vormohammedanischen Arabien. Es ist denkbar, daß die Kulturgebiete und Staatsbildungen in Südarabien auf den Grundlagen derartiger Fremdeinflüsse entstanden sind. Nachweisen läßt sich dies noch nicht, da die archäologische Erforschung des Landes sich bislang nur auf das an der Oberfläche Gefundene beschränken mußte. Eins aber wissen wir genau, daß nämlich in sehr alter Zeit schon in Südarabien sich Handelszentren gebildet hatten, die einerseits die Schätze des Landes selbst, wie Gold, Weihrauch und Myrrhe, ausführten, die anderseits aber den Zwischenhandel mit den Produkten von Indien, vielleicht sogar von

Ostasien (Zimmet!) völlig monopolisierten. Für diesen Handel besorgten die Beduinen den Transport auf dem Karawanenwege nach Norden. Auch ein Handelsverkehr zur See hat sich in ganz alter Zeit dort schon ausgebildet, auf dem Roten Meer nach Ägypten, auf dem Perser Golf nach Babylonien und vielleicht auch auf dem Ozean nach Indien und Afrika. Die jetzt noch in Arabien bestehenden Überland-Handelswege sind aus der Urzeit übernommen, heute sind es die Pilgerstraßen.

Wenn man im allgemeinen auch sagen kann, daß gegenwärtig das Land arm und unproduktiv ist, so gehen die Meinungen von Kennern wie Hartmann, Musil u. a. m. doch dahin, daß unendlich viel mehr vom Boden ausgenutzt werden könnte, als es jetzt geschieht. Denkbar ist, daß außerdem auch heute noch große Bodenschätze vorhanden sind; im Altertum wenigstens brachte das Land viel Gold. Sprenger1 schreibt: „Namentlich sind es die Araber, welche den größten Teil des im Altertum vorhandenen Goldes unter die Menschen geschleudert haben. Ich habe sie sogar im Verdacht, daß sie es sind, welche dieses unselige Metall zuerst feilgeboten und die sacra auri fames angereizt haben. Die Weihrauchregion ist das Herz des alten Welthandels, und es hat schon in vorhistorischer Zeit zu pulsieren angefangen." Sprenger sucht das Goldland Ophir-Ḥawîla der Bibel in Chaulân in Westarabien, Glaser in Jemâma im Inneren des Landes.

Aber auch wenn die Zeit für das Monopol des Gewürzund Aromatenhandels, für die Goldproduktion Arabiens vorbei ist, welche letztere noch zur Zeit von Hamdânî (gestorben 945 zu Şan â) in Betrieb waren, so kann das Land doch mindestens ebensoviel hervorbringen wie die unter ähnlichen Verhältnissen stehenden Gebiete von Tripolitanien bis Algerien. Viehzuchtsprodukte werden massenhaft geliefert werden können, der Landbau läßt sich vermehren ebenso wie der hochgetriebene Gartenbau in Südarabien, der auf künstlich bewässerten Terrassen Kaffee der edelsten Art trägt. Nur Ruhe ist dem Lande nötig.

1 W. Sprenger, Alte Geographie Arabiens (Bern 1875), S. 299.

Es

2. Kapitel

Arabien im Altertum

's kann hier nicht der Ort sein, um eine auch nur annähernde Übersicht unserer Kenntnisse von der alten Geschichte Arabiens zu geben. Nur wenige Hinweise mögen genügen, soweit sie dazu dienen, die heutigen Verhältnisse zu beleuchten.

„Die Weihrauch region", schreibt Sprenger, „ist das Herz des alten Welthandels, und es hat schon in vorhistorischer Zeit zu pulsieren angefangen. Die Araber, näher bezeichnet die Bewohner der Weihrauchregion, sind die Gründer des Welthandels, wie er im Altertum bestand."

Im letzten (13.) Jahr der Regierung von Sahurê, also etwa 2600 v. Chr. nach Ed. Meyer, wurden aus Punt 80 000 (?) Myrrhen und Gold nach Ägypten gebracht. Unter dem letzten König der XI. Dynastie, S'onchkere, also etwa um 2000 v. Chr., soll der Beamte Henu aus dem Lande Punt (Pwn-t) frischen, „grünen" Weihrauch geholt haben. Die Königin Hatšepsut der XVIII. Dynastie, also etwa um 1530 v. Chr., hat in ihrem neunten Regierungsjahr eine große Expedition nach Punt gesandt, die auf den Wänden des Tempels in Dêr-el-Baḥrî dargestellt wurde. Bis mindestens zur XXI. Dynastie, also vielleicht bis 1100 v. Chr., können wir diese Beziehungen verfolgen. Das Land Punt, das „Land der Götter", weil es im Osten, gegen Sonnenaufgang lag, ist nach der Deutung vieler Gelehrter im heutigen Somali-Gebiet zu suchen, also an der afrikanischen Küste; andere aber meinen, daß die Länder zu beiden Seiten des Roten Meeres gemeint sind.1 Zur Erlangung von Weihrauch, vielleicht auch von Gold, wurden diese Reisen unternommen, die, wohl nur von den Herrschern ausgerüstet, Regale waren. Sie deuten aber auf uralte Beziehungen zu den Weihrauchländern. Anscheinend wurde von dort schon in frühester Zeit auch Zimmet geholt,2 das nicht

1 W. Max Müller, Asien und Europa (S. 116) schreibt, daß Punt auch Ḥbst, Ḥbstî, also etwa Ḥabašat genannt wurde. Dies war aber der Name der Leute, die früher in Südarabien in der Weihrauchregion wohnten und nach Glaser von dort aus Abessinien kolonisierten.

2 Theophrast (372 bis 287 v. Chr.) kennt Kassia-Kinnamon als aus Saba kommend.

in Südarabien oder dem Somalilande wuchs, sondern durch den Handel dorthin gelangte, wahrscheinlich über Land aus Ostasien nach dem Perser Golf. Wir können höchstens darüber Vermutungen anstellen, wie der Handel mit Weihrauch entstanden ist, der pharmakologisch und geographisch so eng begrenzt ist, und dessen alle altorientalischen Kulturvölker als Ausstattung für ihren Kultus bedurften. Tatsache ist, daß dieser Handel in sehr alter Zeit entstanden sein muß, und daß er in den Gegenden des Golfes von Aden sein Zentrum hatte. In den Weihrauchländern, besonders in Ḥaḍramaût, dem Hazarmawet der Bibel, und im Jemen, dem Reiche der sagenhaften Königin von Saba (der Bilqîs der arabischen Sage) saßen die Händler mit diesem wertvollen und gesuchten Stoff. Und ebenso sicher ist es, daß schon in sehr alter Zeit Erzeugnisse von Indien dort gehandelt wurden, die nur auf dem Seewege nach Arabien gelangen konnten. Durch dies Handelsmonopol, das noch bis ins Mittelalter streng gehütet wurde, hatte sich in Südarabien ein märchenhafter Reichtum angesammelt, von dem das Gerücht in die fernen Kulturländer drang. Salomo und Hiram traten um 1000 v. Chr. in Handelsbeziehungen mit Südarabien, woraus die Sage vom Besuch der Königin von Saba in Jerusalem entstand. Teils wurden diese Waren zu Wasser durch das Rote Meer bis 'Eșjôn gebêr der Juden, Aila der Griechen oder Aqaba der heutigen Araber, oder bis Qolzum-Suez gebracht und von dort zu Lande durch das Land der Nabatäer über Petra nach Ghazza am Mittelmeer oder nach

Ägypten. Teils aber nahm der Handel den Landweg, wobei der Transport durch die Nomaden monopolisiert wurde. Man ging vom eigentlichen Weihrauchlande Haḍramaût und seinem Hauptort Sabwat, Sabbatha des Ptolomãos, einesteils nach dem Lande der Minäer in Westarabien und von dort nach Norden auf der heutigen Pilgerstraße, und weiter entweder über das Rote Meer nach Ägypten oder nordwärts nach Ghazza oder Damaskus. Anderseits aber ging der Weg von Ḥaḍramaût nach den Uferländern des Perser Golfes, nach der alten Handelsmetropole Gerra, die an der Festlandsküste gegenüber den Bahrain-Inseln lag. Hier vereinigte sich der Weg mit einem anderen, der übers Wasser von Indien (Pattala am Indus?) und besonders von Persien kam. Von Gerra ging es entweder nach Norden über

Teredon an der Mündung des Euphrat nach Babylon oder quer durch Arabien nach Petra-Ghazza, nach Ägypten oder Damaskus. Dies waren die uralten Handelsstädte und Handelswege, und letztere sind bis auf den heutigen Tag als Pilgerstraßen geblieben. Als Marktplatz und Heiligtum, wo während der Karawanenzeit Landfriede herrschte, ist durch den Handel Mekka, das alte Makoraba, in weit vorislamischer Zeit entstanden. Mit dem Handel kam großer Reichtum und der Erzählung nach ein unerhörter Luxus nach Südarabien. Welcher Rasse die dortigen Händler angehörten, wissen wir nicht. Sie umgaben ihr Geschäft mit einem religiösen Nimbus und wachten eifersüchtig über ihr Monopol. In der Gegend von Gerra, auf der Insel TylosBahrain, sollen nach Herodot die Vorfahren der Phönizier gewohnt haben, ehe sie mit der chana anäischen Semitenwanderung zum Mittelmeer gelangten. Denkbar ist, daß stammverwandte Leute auch in Südarabien wohnten. Jedenfalls aber wird die arabische Küste des Persischen Golfes auch immer stark von Sumer-Babylonien und von Persien beeinflußt gewesen sein, wie es heute noch der Fall ist.

Durch die Monopolstellung waren die alten Händler Südarabiens in der Lage, die Preise für ihre Waren konkurrenzlos zu bestimmen, und die Abgaben, welche von der Priesterschaft ihr auferlegt wurden, sowie die hohen Transportkosten, welche die Nomaden nahmen, verteuerten die Waren noch mehr. Aber wenigstens die Endpunkte dieses Orienthandels waren oft in verschiedenen Händen. Die Herrscher in Ägypten, Babylon und Damaskus sowie später in Persien, Byzanz und Rom konnten nicht beliebig hohe Abgaben dem Handel auferlegen, wenn sie ihn nicht aus ihrem Bereiche verjagen wollten. Auch die Händler der Ankunftsmärkte ließen wegen gegenseitiger Konkurrenz die Preise nicht ins ungemessene steigen. Sobald aber im Laufe der Geschichte alle Endpunkte des Orienthandels einer Macht untertan waren, trat eine Monopolisierung schlimmster Art auf.

Eigenartige Staatswesen haben sich in Südarabien gebildet, Konföderationen, deren Staatsrecht wahrscheinlich auf der arabischen Stammesverfassung aufgebaut war. Noch harren viele der von Glaser gesammelten Inschriften der Bearbeitung, und bisher hat man nur das auf der Ober

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