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Regel von Amtswegen untersucht werden, ohne den Antrag einer

Parthei oder eines Beschädigten abzuwarten.

2. § 107: Das öffentliche Gerücht von einem begangenen Verbrechen berechtigt und verpflichtet den Richter zu einer näheren Untersuchung, auf welche Art dasselbe entstanden sey, und er muss durch Vermehrung der Verbreiter, durch den Augenschein oder andere angemessene Mittel, bemüht seyn, zu einer Überzeugung von dem Grunde oder Ungrunde des Gerüchts zu gelangen. 3. § 386: Zwei vereidete, über alle Einwendungen erhabene Zeugen, geben einen vollen Beweis für eine jede Thatsache, die der Gegenstand ihrer einstimmigen, durch eigene Sinnen-Erkenntniss begründeten Aussage ist.

4. § 405: Wenn mehrere Anzeigen in einem Falle zusammentreffen, welche mit einander übereinstimmen, und durch den schlimmen Charakter des Verdächtigen und die bisherige schlechte Lebensweise desselben unterstützt werden; so ist ein hoher Grad von Wahrscheinlichkeit vorhanden, bei dem eine ausserordentliche Strafe in Regel kein Bedenken haben kann.

5. § 409: Die vorläufige Lossprechung findet statt, wenn der eigentliche Hergang der Sache gar nicht hat aufgeklärt werden, und der Verdächtige den gegen ihn streitenden Verdacht nicht hat ablehnen können.

6. § 429: Das . . . artikulirte Verhör ist . . allezeit nothwendig, wenn auf lebenswierige Strafarbeit oder auf die Todesstrafe erkannt werden soll.

§ 135. Das Civilprozessrecht.

Eichhorn III §§ 460—63, IV §§ 575-77, 619, Schröder § 66, v. Schulte § 135, Siegel §§ 191 u. 192, Zöpfl III § 127, Stobbe, RQ. II § 73, Heffter, System des römischen und deutschen Civil-Prozessrechts, 2. Ausg., 1843, S. 10--16, Wetzell, System des ordentlichen Civilprozesses, Stölzel, Ein ältester Reichskammergerichtsprozess (1492—1497), i. d. Z. f. RG. XII S. 257 fig., Oppermann, Deutsches Gerichtsverfahren im 17. Jahrhundert, i. d. Z. f. D. R. XI S. 66 flg., Kleinfeller, Deutsche Partikulargesetzgebung über Civilprozess seit Rezeption der fremden Rechte und bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts, i. d. Festgabe der Münchener Juristen-Fakultät für v. Planck, 1887, S. 273 flg., Ott, Beiträge zur Rezeptionsgeschichte des römisch-kanonischen Prozesses in den Böhmischen Ländern, 1879, Kühtmann, Die Romanisirung des Civilprozesses in der Stadt Bremen, in Gierkes Untersuchungen z. D. St. u. RG. XXXVI, 1891, Albrecht, Die Ausbildung des Eventualprinzips im gemeinen Civilprozess, 1837, Planck, Die Lehre von dem Beweisurtheil, 1848, Berg

mann, Corpus iuris iudiciarii civilis germanici academicum, 1819; vgl. auch die Litt. zu § 104.

I. Der römisch-kanonische Prozess in Deutschland. Einführung der Prinzipien der Heimlichkeit und Schriftlichkeit des Verfahrens, der Artikulirung der Klage, der Litiskonstation, des summarischen Prozesses, Abschaffung des Beweisurtheils, Einrichtung des Instanzenzuges.

1. Reichskammergerichtsordnung v. 1495 § 14: Item, zu füderlicher Vertigung, auch Gewissheyt der Partheyen fürbringens vnd Irrung, die zu Zeyten sich erzaigt hat, zu verhütten, sol hinfür einem yeden zugelassen werden, sein Sachen, sy betreffen vil oder wenig, in Schrifften fürzubringen, vnd welch Parthey des begern wird, des sol die annder Parthey nit zu verhindern haben, doch dass dem Widertail des Abschrifft vnd Schub werde gegeben, wie die Notturfft das erfordern wirdet.

2. Laienspiegel, II, Von Position. Wenn der beklagt im rechten die klag verneint, so würt dem kläger seins schlechten fürgeben nit glaubt, er beweise dann alles das in der klag begriffen, desgleich würt dem antwurter seiner gegenwör vnd exception on beweisung nit glaubt. Dieweil aber die beweisung in mancherlei gestalt beschehen und die bekantnüs am meisten würckung haben, so pfligt man im rechten die klag in Position vnd artickel zu teilen, die kläger vnd antwurter bey iren eiden Calumnie setzen vnd verantwurten, damit man nit in vergeben beweisung gefürt . . .

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Von Recht vnd vrteil geben. Wenn also nach rechtlicher ordnung procediert, der krieg mit klag vnd antwurt verfangen, die beweisungen mit ein vnd gegenreden bestritten, rechtsatz endtlich beschlossen, auch dienstlicheit der sachen berhatenlich durch den richter ermessen, die vrteil in schrifft verfasst. alsdann soll den partheien ein rechtstag auff einen gerichtstag an die gewonlichen gerichtstatt verkündt, vnd in ir beider gegenwärtigkeit, oder des einen teils vngehorsam offentlich durch den richter, oder aus seinem beuelch, vnd in seinem namen in verlessner schrifft gegeben werden

3. Gerichtsordung des Erzstifts Köln v. 1538 (bei Abraham Saur, Fasciculus iudiciarii ordinis singularis, 1588, I, 1 S. 52): Dieweil in dieser Ordnung ein richtlicher vnnd fürderlicher Process, wie in Sachen mit Recht biss zum Endtvrtheil fürgefahren werden soll, angezeigt wird, soll an vnsern Westphälischen Gerichten, das stetigs vrtheilen, so ohn vnderlass zu allen Gerichtlichen Terminen auff wiederwertigs anhalten beyder Theil ohn alle vorgehende Beweisung bisshero beschehen ist, hiemit auch abgestellt seyn. Dann Endtvrtheilzu sprechen, ehe der gerichtliche Process

gehalten, oder die Beweisung beschehen, ist aller Ordnung vnnd Redligkeit zu wider.

Darumb auch an berührten vnsern Gerichten, die Vrtheil nicht dermass mit vorbehaltnuss oder auff Condition vnd Fürwandt, wie bissher beschehen, Als dass jemandt bey ein gut geweiht wirt; mit dermassen, sein Gegentheil kündte dann mit besserm Recht darauss erwinden, vnd dergleichen, nit mehr gewiesen, sonder die Endtvrtheil sollen gewiss sein vnd ohn alle vorbehaltnuss aussgesprochen werden.

II. Die Reformversuche der Reichs- und Partikulargesetze. Einführung des Eventualprinzips durch den I. R. A., des Beweisinterlocuts durch die Partikulargesetze, des Inquisitionsprinzips in Preussen und Österreich.

1. Const. Saxon. v. 1572 (Lünig, Codex Augusteus, I S. 75) I, 2: Damit der Process des Sächsischen Rechten in Unsern Landen erhalten, So wollen Wir, dass Libellus articulatus nicht zulässlich seyn, und wann derselbige gleich nicht vom Part gefochten, jedoch officio iudicis verworffen werden soll.

10: Damit der General- und ungewissen Litis-Contestation halben, die Sachen nicht verlängert, auch allerhand Gefahr, so darunter gesuchet, verhütet werde. So ordnen und constituiren Wir: Dass in den Rechtfertigungen, der Beklagte auf alle und jede Punct und Stück, und derselbigen Narration und Conclusion ausdrücklich, klärlich, in specie, und insonderheit antworten, und der Krieg also durch Specification befestigen; und da solches, vom Beklagten, verbliebe, dass wider ihn, als einen Contumacem so den Krieg gantz nicht, oder je nicht vollkömmlich contestiret, erkannt und gesprochen werden soll.

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2. Jüngster Reichsabschied § 34: So haben Wir Uns mit Churfürsten und Ständen . . . nachfolgender massen verglichen; Dass nemlich und fürs erste, solle der bissher in mehr Weg missbrauchte Modus zu articuliren und ad articulos zu respondiren, samt allen denen bisshero nach sich gezogenen Terminen und Anhängen, dabey und darüber auch beflissentlich vorgangenen unnöthigen Disputationen und Uffzüglichkeiten hinfüro gäntzlich cassirt und aufgehoben, und hingegen, in Sachen simplicis querelae, ein jeder Kläger vor Gericht mit seiner Nothdurfft bereit erscheinen, und bey Ausziehung der Process oder Ladung, seine Klag oder Libell nicht Articuls, sondern allein Summarischer Weiss, darinnen das Factum kurtz und neruose, jedoch deutlich und distincte, klar, auch da ihme beliebt, oder der Sachen Weitläufftigkeit und Umständen es erforderten, Punkten-Weiss verfast und ausgeführt seye, mit angehänckter Conclusion und Bitt, nicht allein den Gegentheil zu citiren, sondern auch zu condemniren .

§ 38: . . . solle ein jeder Beklagter und Antworter, wann er verzügliche oder ander dergleichen Exceptiones vorzunehmen hätte, dieselbe auf diesem ersten Termin, präcise alle sämtlich mit einander, in Schrifften oder mündlich, jedoch der Ordnung gemäss, vorbringen, mit dem Anhang, so jemands deren eine oder mehr, oder sie alle unterlassen würde, dass ihm hernacher der Weg solches zu thun oder vorzubringen benommen seyn solle.

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§ 40: Und hat der Beklagte in dem ersten Termin, wann schon aufzügliche exceptiones eingebracht würden, pro arbitrio Iudicis deren ungeachtet. . . auch mit seiner euentual hauptsächlichen Handlung zu verfahren; so ihme jedoch, wann die Exceptiones erheblich befunden werden sollten, gantz unnachtheilig seyn . . soll.

§ 50: Den Punctum probationum betreffend, solle ad probandum nichts zugelassen, oder von der Partey zu prohiren unternommen werden, was impertinent, unnothwendig, und worüber die Parteyen in facto nicht discrepiren oder streitig seynd. 3. Preussische Allgemeine Gerichtsordnung v. 1793, 1. Theil, Prozessordnung, V § 1: In allen Fällen, die Aufnahme der Klage mag von dem Kläger selbst, oder von einem Bevollmächtigten desselben, durch einen Deputirten des Gerichts, oder durch einen auswärtigen Kommissarius oder durch einen Justizkommissarius, welchem der Kläger in den zugelassenen Fällen den Betrieb des Prozesses aufgetragen hat, geschehen, muss für die Herbeischaffung einer vollständigen Information gesorgt werden.

IX § 1: Wenn der Beklagte in dem zur Beantwortung der Klage anstehenden Termine persönlich, oder in zulässigen Fällen durch seinen Bevollmächtigten, sich gehörig meldet und auf den Prozess einlässt; so muss der Deputirte des Gerichts von ihm über alle und jede zur Sache gehörige Fakta und Umstände die genaueste und gründlichste Information einzuziehen sich angelegen seyn lassen.

X § 1: Die Bestimmung des Instruktionstermins ist:

1) dass in selbigem die Parteien über die bei dem Prozesse
vorkommenden Thatsachen noch näher gegen einander ver-
nommen, und, soweit es möglich ist, darüber vereinigt;
2) dass durch Aufnehmung der unstreitigen Thatsachen, nähere
Bestimmung der streitig gebliebenen, und Absonderung der
erheblichen von den unerheblichen, der Status causae et con-
troversiae regulirt;

3) dass die streitig gebliebenen erheblichen Thatsachen durch
Aufnehmung der darüber vorhandenen Beweismittel möglichst
ins Licht gesetzt;

4) dass nach erfolgter Aufnahme des Beweises, derselbe den Parteien vorgelegt, sie darüber, und was sie dabei noch zu erinnern und zu ergänzen finden, vernommen, die Sühne unter ihnen mit allem Fleisse versucht, und, wenn diese nicht Statt findet, die Instruktion geschlossen werden soll.

§ 26: Die Vernehmung der Parteien nnd ihrer Bevollmächtigten muss, wie schon oben gedacht worden, so lange fortgesetzt werden, bis bei jeder vorgekommenen Thatsache vollkommen deutlich und bestimmt ausgemittelt ist, was die Parteien einander davon zugestehen oder abläugnen.

XIII § 5: Findet sich bei der Instruktion nichts mehr zu erinnern, so muss der Referent die Hauptsache dem Kollegio gehörig vortragen.

§ 6: Dieser Vortrag geschieht in der Regel, und wenn nicht von einer blossen klaren Schuld- oder andern summarischen Sache die Rede ist, durch eine schriftlich abzufassende Relation.

§ 136. Das Strafrecht.

Eichhorn III § 459, IV §§ 578 u, 620, Schröder § 88, Siegel §§ 177 u. 178, Zöpfl III § 134, v. Holtzendorff, Handbuch des deutschen Strafrechts, I, 1871, §§ 34—61, S. 67 flg., Geyer, Grundriss des Strafrechts, I, §§ 11 u. 12, S. 46 flg., Haelschner, Geschichte d. Brand.-Preuss. Strafrechts, §§ 8-24, S. 71 flg., Köstlin, Geschichte des deutschen Strafrechts, 1859, S. 200 flg., Berner, Die Strafgesetzgebung in Deutschland vom Jahre 1751 bis zur Gegenwart, 1867, Günther, Die Idee der Wiedervergeltung in der Geschichte und Philosophie des Strafrechts, II, 1891.

I. Die Carolina als Grundlage des Strafrechts. Die öffentlich-rechtliche Natur des Strafrechts ist nunmehr allgemein anerkannt, das Fehdewesen beseitigt. Besondere Regelung der Nothwehr, der Beihilfe und des Versuchs, ferner der Tötung und des Diebstahls. Absolut bestimmte und absolut unbestimmte, peinliche und bürgerliche Strafen. Seit dem Ende des 16. Jahrh. Zuchthäuser.

1. C. C. C. CIV:.. Aber sonderlich ist zu mercken, inn was sachen, (oder der selben gleichen) vnser Kayserlich recht, keynerley peinlicher straff am leben, ehren, leib oder glidern setzen, oder verhengen, dass Richter vnd vrtheyler darwider auch niemant zum todt oder sunst peinlich straffen.

2. CXXXVIII: Item es geschehen je zu zeitten entleibung, vnd werden doch die jhenen, so solch entleibung thun, auss guten vrsachen, als etlich alleyn von peinlicher und burgerlicher straff entschuldigt.

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