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I.

Der allgemeine Religions oder westphälische Friede ist als europäischer Völker - Vertrag noch nicht aufgehoben. Er ist der erste große Grund- Vertrag von Europa und die charta magna in teutschen Staaten geblieben.

Vis vnita fortior,

Bereits die Kirchen-Versammlung zu Kostniß faßte. 1415 in ihrer vierzigsten Sizung einen Beschluß, welcher Reformation in der katholischen Kirche eben so als hohes Bedürfniß erklärte, als Papst Hadrian VI., gestorben 14. Sept. 1523, seinem in Nürnberg bei der teutschen Reichsversammlung gegenwärtig gewesenen Legaten Cherégati, in desselben Instruction gleiche Gesinnung wegen Abwürdigung von Mißbräuchen und Ercèßen ausgesprochen hat. Es läßt sich schon daraus rechtfertigen, warum zwei bekannte Autoren katholischer Konfession 1) aus der neues sten Zeit, die durch Dr. Martin Luther bewirkte Refors mation, nicht blos als erforderlich, sondern auch als mit' Mäßigung unternommen beurtheilt haben. Gleichwohl gieng die Reformation in ihrer Bewegung von den Völkern aus. Die Fürsten traten erst hinzu, als sie die neue Erscheinung für unwiderstehlich glaubten, um dieselbe zu leiten. Allein

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1) E. Brendel im Handbuche des fathol. und protest. Kir-
chenrechts. Bamberg 1823. §. 77. S. 228 f. und J. Gör.
res in dessen Europa und die Revolution, S. 131 u. 133.
2) H. Cocceji juris publ. prudentia. Fft. 1775. ́XVIII.
Eine der allgemeinsten Folgen für die Erweiterung
und Vergrößerung der Macht der Fürsten, wird

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Kriege waren demungeachtet unvermeidlich, und wurden auch mit vieler Erbitterung solange geführt, bis Europa zu einem Staaten-System für ein Gleichgewicht wechselseitiger Verhältniße, reif geworden und herangebildet worden war 3). Die Verträge, welche vorher dafür in Leutschland errichtet wurden, waren der sogenannte Paßauer Vertrag vom 2. August 1552, und der zu Augsburg am 25. Nov. 1555 geschlossene Religions- Friede 4). Aber auch diese sicherten nicht genügend, weil ein Decennium früher, sowohl in Bezug auf die Anzahl der Mitglieder, als auf den Ort der Wircksamkeit, hauptsächlich gegen Keßer und Unglaubige, unter päpstlicher Begünstigung ein sehr verbreiteter Mönchs

Pravation, Drden, nämlich der Orden der Jesuiten, den Samen zut

vielen Religions - Streitigkeiten ausstreute, und dadurch 1618

aus Böhmen, (wie später 1719 und nochmals 1820 aus. Elemen Rußland) vertrieben wurde, und eben damals (1618) zu

nächst aus Böhmen, wie es notorisch ist, einen gräuelvols len und dreißig Jahre in teutschen Staaten fortges führten Krieg veranlaßte, der erst aus Erschöpfung und Blutübersättigung den zugleich in Münster und zu Osnabrück am 24. Oct. 1648 abgeschlossenen Frieden zur Folge hatte, welcher, weil solches in Westphalen geschah, davon den Namen „westphälischer Friede" bekam 5).

die Reformation genannt von Heeren in seinen kleinen histor. Schriften. Göttingen 1803. Th. I. S. 87-90. 3) Heeren a. a. D. Th. I. Abschn. II. S. 81 - 144, in sonderheit S. 96 ff. Ducis de Rohan trutina statuum europae sive principum interesse. Lugd. Batav. 1645.

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4) Linig in der Sammlung der Reichs Abschiede, Th. III.
S. 10.
5) Er ist das große Grundgesetz von Europa, und inson-
derheit von Teutschland, deswegen die wahre vnitas
in magnis, sive necessariis. cf. E. M. Chladenii
oratio pac. westph. plane inter exempla habendam. Viteb.

Nach 7jährigen Unterhandlungen, wurde er unterzeichnet von dem teutschen Reiche mit Frankreich und Schweden, von dem Kaiser mit dem Korpus der Reichsstände, und von dem katholischen Reichstheile mit dem protestantischen, unter Garantie 6) sämmtlicher Theilbaber mit Pönal-Sanction 7) gegen die Contravenienten, und Einschließung der Bundesgenoßen und Freunde der contrahirenden Theile 8). Als pragmatische Sanction wurde der erwähnte Friede dem teutschen Reichsabschiede von 1654 reichsgesehlich und wörtlich einverleibt, und auch in allen folgenden Kaiser - WahlKapitulationen) wie auch in den wichtigsten Friedens

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1748. Ein unantastbares Heiligthum und heilige Wahrheit, ward der westphälische Friede 12. Det., 1839 in einer vor dem König von Bayern Majestät, vom Minifter des Innern gehaltenen Rede, genannt. Allgemeine Beitung aus Augsburg vom 15. Oct. 1839. S. 2301. Die Religions Kriege, nicht die Religions - Differen zen, wurden durch diesen Frieden geschlossen. J. Schön's allgent. Gesch. u. Statistik, Leipz. 1833, S. 101. 6) Instrum. Pac. Osnabr, XVII. 5. 6 Instr. Pac. Mouast. XVI. 115. 116. Frankreich und Schweden als Garanten behalten das Recht zur Aufrechthaltung des west= phäl. Friedens. v. Römer's Völkerrecht der Teutschen, S. 97.

7) Instrum. Pac. Osnabr. XVII. 4. Instrum. Pac. Monast. XIV. 114.

Instrum. Pac. Osnabr. XVII. 10. 11. Instrum. Pac. Monast. XVI. 114.

9) lustrum. Pac. Osnabr. XVII. 2. Reichsabschied 1654. §. 5. Wahlcap. II. 3. (woselbst der westphäl. Friede 1. 5. auch der Friedensschluß genannt wird) die Wahlcapitulationen seit diesem Frieden sind vom 18. Jul. 1658. 24. Jan. 1690. 12. Oct. 1711. 24. Jan. 1742. 13. Sept. 1745. 27. März 1764. 30. Sept. 1790. u. 5. Jul. 1792. Gerstlacber in corp. jur. publ. II. 428 seq. et 660 seq. Alle diese Bestimmungen waren für die Ruhe Teutschlands nicht zu

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Schlüssen wiederholend bestätigt, so im Frieden zu Nimwegen zwischen dem Kaiser, dem teutschen Reich und Schweden vom 5. Febr. 1679, im Instrument mit Schweden Art. 2, dann in dem zwischen Frankreich, Schweden und Braunschweig - Lüneburg im Art. 4 und 5, so auch in dem zwischen Schweden und dem Fürstenthum Münster Art. 3, die beiden Lestern vom 29. März 1679 verlautend, ferner im Frieden von Ryswick zwischen dem Kaiser, dem 'teutschen Reich und Frankreich vom 30. Oct. 1697. Art. 3, so wie im Frieden aus Baden zwischen dem Kaiser, dem teutschen Reich und Frankreich vom 7. Sept. 1714. Art. 3, desglei chen im Frieden von Wien zwischen dem Kaiser und Frankreich vom 18. Nov. 1738. Art. 3, nicht minder zu Aachen im Frieden zwischen Frankreich, Spanien, Modena, der Republik Genua, der teutschen Kaiserin als Königin von Ungarn und Böhmen 2c., Großbritannien, Sardinien und der Republik Holland am 18. Oct. 1748. Art. 3, desgleichen im Frieden zu Leschen (darüber das Weitere noch rückwärts wird nahmhaft gemacht) zwischen Oestreich und PreuBen geschlossen, unter französischer Garantie 13. Mai 1779. Art. 8 und 12, ratificirt vom Kaiser als Oberhaupt des teutschen Reichs, 8. März 1780, und auch in dem unter k. rußischer, so wie französischer Vermittelung zu Regensburg am 25. Febr. zu Stande gekommenen, und 27. April 1803 vom teutschen Kaiser ratificirten Reichs-DeputationsHaupt-Schluße §. 63. ausdrücklich, dann in den §§. 68 u. 72 ohne den westphälischen Frieden zu nennen, dennoch daselbst allenthalben aufgenommen, erneuert und erkräftiget. Judem Solches durch Wiederholungen mit sothanem Frieden geschah, erfolgten hiernächst Vernichtung aller Protestationen und Widersprüche 10) aller entgegenstehenden

vermeiden, weil es bekannt ist, daß Glaubens - Sachen nach Innen verwunden können, deshalb der kirchliche Friede Grundz bedingung des politischen Friedens immer bleibt.

19) Instrum. Pac. Osnabr. XVII. 3. die Protestation des päpst=

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