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Zeitschrift

für

Kunde und Fortbildung

der

Zürcherischen Rechtspflege.

Herausgegeben

bon

J. H. Gwalter,

Mitglied des Obergerichtes.

Siebenzehuter Band.

Zürich,

Druck und Verlag von Friedrich Schultheß.

1866.

Rec.
June 7, 19055

1.

Rechtliche Natur der offenen Gesellschaft und der Firma. Betreibung eines einzelnen Gesellschafters für Gesellschaftsschulden. Auflösung der Gesellschaft während dieser Betreibung. Wirkung auf lettere.

Die aus zwei Theilhabern bestehende Gesellschaft E. u. Komp. hat im Frühjahr 1864 dem Rekursen die Lieferung der Fenster zu ihrem im Bau begriffenen Hause in Akkord gegeben. Leßterer hat für feine diesfällige Forderung von Fr. 592 R. 60 gegen den einen Gesellschafter, E. (Rekurrenten), die Schuldbetreibung angehoben. Dieser anerkennt zwar die Richtigkeit der Forderung; dagegen wendet er ein, es müsse die Gesellschaft E. u. Komp. für dieselbe belangt werden. Während dieses Streites über die Statthaftigkeit der angehobenen Betreibung wurde die Gesellschaft aufgelöst, in der Weise, daß das Geschäft auf E. allein überging.

Die von E. gegen die wider ihn ertheilte Rechtsöffnung bei der Zivilabtheilung des Obergerichtes eingelegte Beschwerde wurde von der leztern unter folgender Begründung verworfen:

1) Daß Refurrent anerkennt, daß Rekurse der Gesellschaft E. u. Komp. Glaserarbeit um den Preis von Fr. 592 R. 60 geliefert habe und daß die Arbeit preiswürdig sei;

2) daß nun allerdings aus den vorliegenden Akten, nämlich dem Briefe des Rekursen vom 24. Mai und dem Briefe des Rekurrenten vom 15. November 1864 sich ergibt, daß der Werks vertrag mit der bezeichneten Gesellschaft abgeschlossen worden. ist, indem der Brief des Rekursen an die Gesellschaft gerichtet

und der Brief des Rekurrenten im Namen der Gesellschaft ges schrieben ist;

3) daß demnach gemäß §§ 1294 u. 1297 d. pr. G. zunächst die

Gesellschaft Schuldner des Rekursen geworden ist;

4) daß daher Refurrent im Rechte war, als er zu einer Zeit, da die Gesellschaft noch bestand, auf die gegen ihn persönlich gerichtete Betreibung mit der Einrede Rechtsstellung ausgewirkt hat, daß »die einzelner. Gesellschafter nicht von Anfang an für Bezahlung belangt werden können, sondern berechtigt seien, den Gesellschaftsgläubiger vorerst an die Gesellschaftskasse zu verweisen«< (§ 1297 d. pr. G.);

5) daß nun aber seither die Gesellschaft sich aufgelöst hat und dadurch Rekurrent unmittelbarer persönlicher Schuldner des Rekursen geworden ist;

6) daß durch diese Thatsache die Einrede des Rekurrenten beseitigt und die Fortseßung des angehobenen Rechtstriebes ermöglicht ift, ungeachtet in der Regel, wenn zur Zeit der Anhebung der Schuldvollstreckung ein vollstreckungsfähiger Anspruch nicht vorhanden und daher dieselbe nicht gerechtfertigt war, deren Fortsezung dadurch nicht zulässig wird, daß seither ein vollstreckungsfähiger Anspruch entstanden ist, wie z. B. wenn der mit Unrecht Angesprochene seither den wirklichen Schuldner beerbt hat oder einen Schuldvertrag seither eingegangen ist, über welchen zur Zeit der Anhebung des Rechtstriebs erst unterhandelt war; 7) daß nämlich die Kollektivgesellschaft, unter deren Firma die Ge sellschafter ein Gewerbe betreiben (§ 1257 d. pr. G.), nicht wie eine Aktiengesellschaft oder eine andere Genossenschaft durchgreifend als eine selbstständige juristische Person, von deren Rechten und Verpflichtungen diejenigen der einzelnen Gesellschafter unabhängig wären, sondern nur so weit als eine eigene Persönlichkeit im Verkehre behandelt wird, als das Geseß dies

ausdrücklich vorschreibt, so daß zwar einerseits nach §§ 1294 und 1297 zunächst die Gesellschaft durch die von ihren Geschäftsführern unter ihrer Firma vorgenommenen Handlungen den dritten Personen verbunden wird, also, wenn unter der Firma der Gesellschaft eine Schuld kontrahirt wird, zunächst die Gesellschaft als Schuldner erscheint und die Gesellschaftsgläubiger vorerst an die Gesellschaftskasse zu verweisen find, anderseits aber nach SS 1294, 1298 und 1301 mittelbar die einzelnen Gesellschafter durch die Handlungen der Geschäftsführer unter der Firma verbunden werden und mittelbar solidarisch für die Gesellschaftsschulden haften, namentlich persönlich belangt werden können, sobald der Rechtstrieb gegen die Gesellschaft bis zur Pfändung fortgeschritten, aber ein ungenügender Pfandschein erhoben worden ist;

8) daß also ein mittelbar solidarisch für eine Gesellschaftsschuld

haftender Gesellschafter einem gegen ihn persönlich angehobenen Rechtstrieb sich nur in so weit widerseßen kann, als er zu dem Begehren berechtigt ist, daß zunächst das Gesellschaftsvermögen zum Gegenstand der Vollstreckung gemacht werde;

9) daß nun, da eine Pfändung noch nicht stattgefunden hat, ein Gesellschaftsvermögen aber nicht mehr besteht, der einzige Grund, aus welchem die von Anfang an vorhanden gewesene Haftung des Refurrenten als Gesellschafters für die in Frage stehende Schuld der Fortseßung des Rechtstriebs entgegengestanden hätte, weggefallen ist und Rekurrent fich darüber nicht beschweren kann, daß unmittelbar sein Vermögen gepfändet wird. (Rekursalbescheid der Zivilabtheilung vom 30. Dezember 1865 i. S. Ermatinger.)

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