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um Island herum und an der Grönländischen Küste die Fischerei ausschließlich für sich und seine Unterthanen festhält1.

Nationale Flußgebiete.

77. Flüsse, welche sich in das Meer ergießen, gehören bis zu ihrer Ausmündung, d. h. wo sie die äußerste Linie zwischen den Leßten Uferpunkten verlassen, zum Gebiete des oder derjenigen Staa= ten, welche sie durchströmen, und zwar, wenn sie die Grenze zweier Länder bilden, in dem bereits oben § 66 angegebenen Verhältnisse; außerdem zu dem Gebiete jedes Einzelstaates, welchen und so weit sie ihn durchströmen. Sie sind Zubehör des Landes, da sie diesem unmittelbar entquellen und der elementarischen Selbständigkeit des Weltmeeres ermangeln, sollte auch gegen den Ausfluß hin Meeres= wasser sich beimischen und die Mündung eine größere Ausdehnung gleich einem Binnenmeere haben3. Jeder Staat kann also von seinem Stromgebiete bis zur Grenzscheide mit anderen Staatsgebieten welche unverändert bleiben muß (§ 29 III. IV.) - alle Vortheile sich und den Seinigen allein zueignen und davon andere Nationen ausschließen. Nur wenn ein Fluß eine unentbehrliche Verkehrstraße für die Subsistenz einer anderen Nation wäre (§ 30 III.), dürfte sie derselben nicht ganz verschlossen werden und bei schiffbaren Strömen kann wenigstens nicht jeder unschädliche Mitgebrauch im Verkehre mit anderen befreundeten Personen versagt werden (§ 33). In der That hat diese Rücksicht und die größere Annäherung der Nationen des Europäischen Staatenkreises zu großartigen Concessionen geführt*.

1) Allerdings nicht ohne Streit. Phillimore I, 204 s. Ueber die Streitigkeiten der Nordamerikanischen Union und Großbritanniens mit Rußland wegen der nordwestlichen Meeres- und Küstengewässer vgl. Wheaton, Intern. L. I, 2, 4, § 5. 2) Jacobson, Seerecht 583.

3) Dies gilt z. B. von dem alten, frischen und curischen Haff unter Preußischer Hoheit; auch wohl von der Jahde und dem Jahdebusen. Ob und wie weit von der Zuydersee, von dem Texel u. s. w. muß hier dahin gestellt bleiben. Ueber den Streit, ob der St. Lawrence eine Meerenge oder ein Fluß sei, s. Phillimore I, 182. III, p. 4.

4) S. Pariser Friede von 1814 Art. 5. Schlußacte des Wiener Congr. Art. 108—117 u. 118. Die Geschichte der Verhandlungen s. in Klüber, Acten des Wiener Congr. Bd. III. Wilhelm v. Homboldt's großes Verdienst. Vgl. Wheaton, Histoire des progrès p. 388 s. (II, 184). Cremer van den Bergh, Historia novar. legum de fluminum communium navigatione. Lugd. Bat. 1835.

Durch Verträge, welchen fast alle Europäischen Mächte beigetreten sind1, hat man sich verständigt:

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daß die Schifffahrt auf Strömen, welche das Gebiet mehrerer Staaten durchfließen, mit allen Nebenströmen vom Anfangspunkte ihrer Schiffbarkeit bis zu ihrer Ausmündung in das Meer durchaus frei und in Beziehung auf den Handel (so weit dieser selbst nämlich frei ist) Niemand untersagt sein soll3; daß zwar jedem Uferstaate seine Hoheitsgewalt über das Flußgebiet innerhalb seiner Grenzen verbleibt, die Schifffahrt selbst aber so wenig als möglich in ihrer Freiheit gehemmt werden soll; daher insbesondere keine Stapelplätze und gezwungener Umschlag ferner eingerichtet und nur da beibehalten werden dürfen, wo fie sich für den Schifffahrtsverkehr oder Handel selbst als nüßlich ergeben; daß die Schifffahrtsabgaben unabhängig von dem Werthe und der Beschaffenheit der Waaren bestimmt werden sollen, jedoch niemals über den Betrag vom Juni 1815;

daß eine und dieselbe Schifffahrtspolizei für die ganze gemeinsame Schifffahrtsstrecke durch gemeinsames Einverständniß hergestellt werden foll; jeder Uferstaat aber für die Unterhaltung der Leinpfade, Treppelwege und die nothwendige Vertiefung des Strombettes zu sorgen hat.

Diese Grundsätze sind bei mehreren Europäischen Hauptflüssen demnächst durch besondere Conventionen in mehr oder weniger stricte Anwendung gebracht worden'.

1) Namentlich die Deutschen Bundesgenossen durch Beschluß vom 3. August 1820.

2) Ueber die Bedeutung der Phrase jusqu'à la mer und die darüber entstandenen Streitigkeiten s. Klüber, öffentl. Recht des t. Bundes. § 571, not. d. Wheaton, Histoire II, 189. Darüber endlich Vertrag vom 31. März 1831. Martens, N. Rec. IX, 252. Phillimore I, 109. 177.

3) Dieser Artikel ist in seiner vollen Wortbedeutung schwer in Ausführung zu bringen, ohne Beengung und Gefährdung der Territorialherren. Auch ist er in den zunächst liegenden Conventionen zu keiner vollen Aufnahme gelangt. S. darüber C. F. Wurm, fünf Briefe über die Freiheit der Flußschifffahrt. Leipz. 1858.

4) Ein Verzeichniß der Conventionen über die Flußschifffahrt auf gemeinsamen oder gewissen anderen Strömen s. bei Wurm a. D. S. 39 und darnach unten in den Anlagen.

Die Schiffe und Rechte der Schifffahrt.

78. Die Schiffe, welche die Nationen aus ihren Gewässern in das freie Meer entfenden, sind gewissermaßen ihre wandelnden Gebietstheile', welche selbst in fremden Gewässern ihre Nationalität nicht verlieren, so lange das Eigenthum des Schiffes keinem Fremden übertragen ist. Die darauf befindliche Mannschaft bildet für sich eine nationale Genossenschaft unter dem Schuße des Staates, von welchem fie ausgeht, gleichwie sie seinen Gesetzen auch außerhalb des eigenen Wassergebietes unterworfen bleibt. Jedes von einem Unterthanen auf dem Schiffe geborene Kind ist daher auch Unterthan des schiffsherrlichen Staates. Natürlich aber ist die nähere Bestimmung der Nationalität eines Schiffes und ihrer Merkmale Sache jedes Landes, so weit dadurch keinem anderen ein Präjudiz für seinen Rechtsstand erwächset3. Sichere Grundlage ist das wahre Domicil des rechten Eigenthümers. Die besonderen Rechte, welcher jeder Staatsgewalt in Betreff der Schifffahrt zustehen, sind:

I. die Benutzung der freien Wasserstraßen für die Nationalschifffahrt und den Handel*;

II. das Recht der Gesetzgebung und Gerichtsbarkeit über das Verhalten seiner Staatsgenossen, sowohl in Eigen - Wassern, wie auf freien Gewässern";

1) La continuation ou la prorogation du territoire, wie die Französischen Juristen es ausdrücken. Die Folgerungen und Grenzen dieser Ansicht kamen vorzüglich in der Angelegenheit des Carlo Alberto zur Sprache. Vgl. den folgenden § 79 V. Britische Publicisten bekämpften sonst die Ansicht als eine willkürliche Fiction, im Interesse der Britischen Neutralitätspraxis; jedoch hat dieselbe nichts desto weniger festen Fuß gefaßt.

2) Vattel I, 19, 216. Günther II, 258. Nach Britischeṁ Staatsrecht gelten nur die auf Britischen Meeren Geborenen als sofort Eingeborene. Moser, Vers. VI, 8. 3) Eine Uebersicht solcher Bestimmungen s. bei Ortolan I, 193 ff., v. Kaltenborn, Seerecht I, § 44. 45 und wegen der Britischen Praxis auch noch Murhard, N. R. G. IV, 624. Wildman II, 83. Phillimore III, 606.

4) Jouffroy, Droit maritime. p. 29 s. Specielle Schriften über die Freiheit der Schifffahrt s. bei v. Kampß § 190.

5) Vgl. Wheaton, Intern. L. I, 2, § 11. Entscheidung des Ober-Tribunals zu Berlin in Goltdammer, Arch. III, 651. Selbst in fremden Gewässern wird die Gerichtsbarkeit des Heimathstaates über seine dortigen Nationalschiffe nicht schlechterdings ausgeschlossen, sondern höchstens nur suspendirt.

III. das Recht, zum Schuße der Nationalschifffahrt Anstalten und Maßregeln zu treffen, insbesondere auch in fremden Hafen- und Handelspläzen Consuln mit Genehmigung der dortigen Staatsgewalt zu unterhalten';

IV. das Recht, den Nationalschiffen eine eigene Flagge vorzuschreiben, dieselbe zu schützen und in Friedenszeiten deren Gebrauch auch den Schiffen anderer Nationen zu gestatten, wodurch diese des nämlichen Schußes und derselben Freiheiten theilhaftig werden. Je= doch können dadurch keine Vortheile übertragen werden, welche herkömmlich oder vertragsmäßig nur den Nationalschiffen zugestanden find, und überhaupt darf die Gestattung der Flagge nie zum Präjudiz eines Dritten gereichen.

Jeder unerlaubte Gebrauch einer fremden Flagge ist ahndungswerth, sowohl in Ansehung des Staates, dessen Flagge gemißbraucht ist, wie der Drittbetheiligten2. Jedoch kann nach der jeßigen Observanz das Aufstecken einer fremden Flagge für sich allein noch nicht als eine Uebertretung gelten3.

79. In Hinsicht auf das Verhältniß der Einzelstaaten zu fremden Schiffen, deren Bemannung und Zwecke, neigt sich das heutige Völkerrecht, wiewohl noch mit einigen Schwankungen, im Allgemeinen zu folgenden Grundsäßen, außer den die Flußschifffahrt (§ 77) betreffenden:

I. Es hängt von jeder Nation ab, die Bedingungen zu bestimmen, unter welchen sie auswärtigen Nationen einen Schifffahrtsverkehr mit ihrem Lande und in ihren eigenen Gewässern gestatten wolle. Nur darf der Verkehr befreundeter Nationen durch die Last

1) Ders. § 12. Das Fernere über die Consular-Institutionen siehe unten Buch III, § 223.

2) Moser, Vers. V, 303. Enschede, Diss. de tutelis et insignib. navium. Lugd. Bat. 1770.

3) Vgl., was Hautefeuille, Nat. neutr. III, 433 über die Mißbräuche, die hierin eingetreten sind, bemerkt.

4) Jouffroy 1. c. p. 41. Je mächtiger eine Nation zur See, desto feindseliger und zurückhaltender oft gegen Andere. Ueber das vormalige Navigationssystem Großbritanniens vgl. Alexandre de Miltitz, Manuel des Consuls. I, p. 182, 331 s., wozu aber noch das Statut 3 u. 4. Will. 4, c. 54 u. 56 zu seßen ist. Siehe auch v. Rotteď und Welker, Staats-Lexicon unter Navigationsacte, und Ortolan a. D. Seit 1850 hat sich Vieles darin geändert.

der Bedingungen nicht unmöglich gemacht werden, niemals auch einem in Seegefahr befindlichen Schiffe und dessen Mannschaft die Rettung nach dem Lande und die Benutzung der dortigen Hilfsanstalten versagt werden' (§ 32).

II. Keine Nation, kein Individuum derselben hat das Recht, sich ein von der Mannschaft verlassenes Schiff einer fremden Nation anzueignen, sofern nicht eine Eigenthumsdereliction dem Eigenthümer gegenüber erweislich oder derselbe durch Klageverjährung ausgeschlossen ist. Im Falle der Wiedererlangung ist er dem Retter einen Findungs- und Rettungslohn schuldig3.

III. Es streitet gegen die Sitte christlicher Nationen, sich an Personen und Gütern der Schiffbrüchigen zu vergreifen. Das s. g. Strandrecht ist ein Schandrecht. Nur ein Anspruch für Rettung und Bergung ist begründet, ein Eigenthum an den gestrandeten Sachen erst durch Ablauf der Verjährung zu gewinnen. Dennoch wird hierin den Küstenbewohnern noch manche Immoralität nachgefagt5.

1) Jouffroy p. 47.

2) So richtig Mittermaier, d. Privatr. § 162 a. E. Jouffroy 1. c. p. 55. Ein Erkenntniß von 1747 wird angeführt in v. Kamph, Jahrb. LXVI, 27. Ob Stovin, Analyse on the Law on abandonment of ships. Lond. 1801. hierher gehört, kann in Ermangelung der Schrift selbst nicht angegeben werden. Vgl. übrigens v. Kaltenborn, Seerecht II, § 144 f.

3) Die Seegesetze und Seegebräuche sind hierüber noch nicht im Einklang. Die Britischen Seerichter nehmen ein Derelict an, wenn das Schiff ohne Hoffnung einer Rückkehr ganz verlassen ist. Jacobsen, Seerecht S. 774. Manche Landesgesetze nehmen hier größere Rücksicht auf den Eigenthümer. Viele lassen die Frage unentschieden und unterwerfen sie nur den allgemeinen Grundsäßen von Aufgebung (abandon) bes Eigenthumes.

4) Das Römische Recht schützte bereits die Schiffbrüchigen und sicherte ihnen schleunige Justiz tit. C. de naufrag. Ebenso das Westgothische Gesetzbuch und Theodorich d. Gr. Im Mittelalter galt es aber trotz allen päpstlichen, kaiserlichen, königlichen und vielen anderen Verboten noch als ein wirkliches Recht. Pütter, Beitr. 118–128. Jetzt giebt es kein Europäisches Land mehr, wo es durch das Gesetz unterstützt würde. S. schon Jouffroy p. 51. Klüber, Dr. d. g. § 77. de Miltitz, Man. I, p. 144 s. Nur hinsichtlich des Bergelohnes und Verfahrens differiren die Gesetze und Gebräuche. S. vorzüglich Jacobsen, Seerecht S. 745 ff. M. Pöhls, Seerecht Th. III, S. 968 f. v. Kaltenborn, Seerecht II, § 145 f.

5) So noch von einer Britischen Parlaments - Commission von 1843. Auch aus Frankreich hat man noch Aehnliches vernommen.

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