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ist die Beglaubigung, daß der Bevollmächtigte die Grenzen seines Auftrages nicht überschritten habe, worüber es an einem sonstigen Richterstuhl fehlt; bis dahin bleibt daher auch nur die Execution des geschlossenen Vertrages suspendirt, und ihre Ertheilung seht ihn rückwärts in volle Kraft, sofern nicht Anderes verabredet ist'. Moralisch kann sie freilich nicht verweigert werden, wenn der Vertrag der dem anderen Theile vorgezeigten ausdrücklichen Vollmacht entspricht; allein ein Zwangsrecht ist dem Herkommen nach nicht anzunehmen, selbst wenn schon Ein Theil seine Ratification erklärt hat2. Die grundlose Verweigerung ist nur eine Incorrectheit, welche das Vertrauen des anderen Theiles verlegt und eine Mißstimmung desselben rechtfertigt, so wie unter Umständen eine Entschädigungsforderung für die im Vertrauen auf den Umfang der Vollmacht getroffenen Maßregeln und für den gemachten vergeblichen Aufwand. Unentbehrlich ist die Ratification, wenn sie ausdrücklich vorbehalten ist, oder eine Sponsion (§ 84) Rechtsverbindlichkeit für den Betheiligten erlangen soll, obwohl auch in diesen Fällen der Anfangspunkt der Giltigkeit in den Zeitpunkt der Abschließung zu versehen ist, sobald die Ratification wirklich erfolgt. Endlich giebt bei blos impliciten Vollmachten (§ 84 a. E.) die Ratification des Vertretenen erst die volle Gewißheit über den Umfang der ertheilten Berechtigung. Gewiß kann sie aber auch in allen Fällen durch concludente Handlungen, namentlich durch stillschweigende Vollziehung der getroffenen Vereinbarung erklärt werden3.

1845, I, 168. Ueber den Fall einer bedingten Ratification vgl. Martens, N. Rec. gen. XII, 391.

1) v. Neumann § 213. Klüber a. O. Not. e. und Martens § 42.

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2) Neuere und ältere Vorgänge bestätigen dies. Im Wesentlichen ist es auch die Ansicht der ausgezeichneteren Publicisten. Vgl. Vattel II, 12, 156. Bynckershoek, Quaest. iur. publ. II, 7. Klüber a. D. Wheaton 1. c. § 4. Wildman I, 172. Riquelme I, 176. Die Ansichten früherer Zeit finden sich bei Wicquefort, l'Ambassad. II, 15. Martens § 42 weicht nur darin ab, daß er die Ratification des Einen Theiles die des Anderen nachziehend denkt. (Eine ähnliche faft noch weiter gehende, rein privatrechtliche Ansicht findet sich in einem [Cellischen] Aufträgalurtheil bei v. Leonhardi, Aufträgalverf. S. 319 f.) Viele Beispiele unratificirt gebliebener Verträge s. bei demselben und bei Klüber a. D. Pölig, Völkerr. S. 158. Das conftitutionelle Staatsrecht macht es besonders wichtig, bei jedem Vertrage die Ratification vorzubehalten.

3) Groot II, 15, 17. Wheaton § 3 a. E.

Mitwirkung Dritter bei der Vertragsschließung.

88. Zu den Zufälligkeiten bei der Abschließung völkerrechtlicher Verträge gehört

I. die gütliche Verwendung (bona officia) einer dritten Person oder Macht, es sei nun blos zur ersten Einleitung der Unterhandlungen unter den eigentlichen Interessenten oder zu ihrer Wiederaufnahme, wenn sie in Stocken gerathen sind. Sie kann sowohl aus freiem Antriebe, wie auch auf Ansuchen oder vermöge vertragsmäßiger Verpflichtung eintreten (§ 83), jedoch wird dadurch kein besonderes Rechtsverhältniß hervorgerufen, es müßte denn für eine bestimmte Rathsertheilung (consilium) eine Verantwortlichkeit ausdrücklich übernommen worden sein;

II. die eigentliche Vermittelung (mediatio), wenn ein Dritter mit Genehmigung der Interessenten an den Verhandlungen fortgesetzten Antheil bis zu Ende nimmt und die gegenseitigen Erklärungen nur in seinem Beisein gemacht werden oder durch seine Hände gehen. Von selbst kann sich Niemand zum Vermittler aufdringen; wird er aber angenommen, so ist es an ihm, billige Vorschläge zu thun, oder die von einer Partei gemachten mit seinem Gutachten zu begleiten oder unbillige Vorschläge sofort zurückzuweisen. Gewalt darf er nicht anwenden; eine f. g. bewaffnete Vermittelung widerspricht dem freien Vertragsrechte, sie ist die Eröffnung eines Kriegszustandes2. Sein Amt erlischt mit dem Abschlusse des Vertrages, ohne daß er dessen Gewährleistung (§ 97) zu übernehmen von selbst berechtiget oder verpflichtet ist; desgleichen mit dem gänzlichen Abbruche der Verhandlungen von Seiten eines Hauptinteressenten.

Zu einem bereits abgeschlossenen Vertrage kann überdies noch der Beitritt eines dritten Interessenten durch ausdrückliche Accessionserklärung, entweder auf vorausgegangene Einladung der Haupt

1) Ausführlich darüber ist Bielfeld, Institutions politiques. II, 8, § 17. Vattel § 328. de Steck, Essais sur plusieurs matières. n. 1. Martens, Völkerr. § 172. Klüber, Dr. d. g. § 160. Wheaton, Intern. L. III, 2, § 16. Viele Beispiele von Vermittelungen f. in Wicquefort, l'Ambassadeur. II, 11. Moser, Vers. VIII, 421 f.

2) Vgl. Vogt, Europ. Staatsrelationen. V, n. 1.

3) Moser, Vers. VIII, 306 f. 314. v. Steck, Ausführung politischer und rechtl. Mater. n. 2. S. 49. Klüber § 161.

parteien oder ohne solche hinzukommen. Die einzelnen Arten da= von sind:

a. Beitritt als Hauptpartei, insofern der Vertrag für den Dritten Stipulationen enthält oder Veränderungen in seinen Rechtsverhältnissen bezweckt. Hierdurch wird der Dritte unmittelbarer Vertragstheilhaber.

b. Beitritt zur Genehmhaltung derjenigen Bestimmungen, welche dem Dritten nachtheilig sein könnten, wodurch insbesondere auf die etwaigen Einwendungen dagegen verzichtet wird.

c. Ein ceremonieller Beitritt aus Höflichkeit, insofern dadurch dem Vertrage blos eine gewisse Feierlichkeit oder ein Zeugniß seines Bestandes gegeben werden soll, was besonders dann der Fall ist, wo man ihn durch eine höhere dritte Person, oder welcher man eine gewisse Pietät schuldig ist, bestätigen läßt. Hieraus entsteht schlechterdings keine Verbindlichkeit für den Dritten; nur kann er sich nicht auf Unwissenheit über den Inhalt des Vertrages berufen.

Aeußere Einrichtung, Modalitäten und Arten der Verträge.

89. Bei der schriftlichen Abfassung der internationalen Verträge pflegt außer dem Eingangs- Anrufe „der göttlichen Dreieinigkeit", oder in Verträgen mit der Pforte „des allmächtigen Gottes“, durchgängig die Artikelsform beobachtet zu werden, wobei sich zuweilen Haupt- und Neben - Artikel unterscheiden lassen; auch werden dem Tenor des eigentlichen Vertrages nicht selten noch Zufaß- und Separat-Artikel beigefügt, bald offen, bald mit vorläufiger Geheimhaltung, ohne daß dieses von Einfluß auf die Giltigkeit solcher Bestimmungen für die Contrahenten selbst ist.

Bisweilen geht einem Definitiv- Vertrage ein Präliminar-Vertrag voraus, welcher entweder nur ein pactum de contrahendo ist, oder einen provisorischen Zustand festseßt, oder auch schon den Hauptvertrag im Hauptwerke enthält und diesem nur die Bestätigung oder die Ausführung einzelner Punkte überläßt'.

Daß sodann völkerrechtliche Stipulationen in gleicher Weise wie Privatverpflichtungen von möglichen Bedingungen, Zeit und Zweckbestimmungen abhängig gemacht werden können, bedarf kaum der Anführung.

1) Vgl. Moser, Vers. VIII, 55, X, 2, 356.

Sieht man endlich auf den Gegenstand der internationalen Verträge, so haben sie entweder nur die bestimmte Leistung einer Sache oder eines Rechtes, so wie die Feststellung eines solchen zum Zweck; oder sie sind Vereinbarungen über Maximen und Institutionen für den politischen oder socialen Verkehr; oder es find Gesellschaftsverträge von sehr verschiedener Tragweite. Selbstverständlichermaßen können aber auch mehrere dieser Zwecke und Richtungen in der Form Eines Vertrages mit einander vermischt, es sei in wesentlicher oder außerwesentlicher Verbindung, vorkommen'. Von eigenthümlicher rechtlicher Beschaffenheit sind die Friedensverträge (Buch II, Abschnitt 4).

Constitutiv- Verträge.

90. Die erste und einfachste Klasse internationaler Verträge bilden diejenigen, wodurch von Einem Theile dem Anderen ein ge= wisses einzelnes Recht auf ähnliche Weise, wie im privatrechtlichen Verkehr, sei es einseitig oder gegenseitig, mit oder ohne entsprechendem Aequivalent bewilligt, oder ein schon bestehendes Rechtsverhältniß der Art bestätigt, genauer bestimmt oder aufgelöst wird; vornehmlich

Abtretungs- und Verzichtsverträge mittelst Kaufes, Tausches oder schenkungsweise vollzogen;

Grenzverträge;

Theilungsverträge;

Schuldverträge;

Bestellung von Staatsdienstbarkeiten;

Lehnsverträge, bei denen kein ius curiae eingreift;
Erbverträge und dergleichen.

Bei allen diesen dürfen im Wesentlichen wohl dieselben Grund

1) v. Martens hat in ähnlicher Weise die Staatenverträge in transitorische Verträge, Bündnisse und aus beiden gemischte Verträge eingetheilt. Eben so Klüber und Andere. Hierbei läßt sich höchstens wegen der Benennungen streiten. Verfehlt erscheint dagegen die Polemik von Pölig, Völkerr. § 50 ff., welcher an die Stelle dieser Eintheilung eine andere in rein politische und privatrechtliche Staatenverträge sezen wollte. Das (Römische) Völkerrecht der alten Welt unterschied hauptsächlich amicitia, hospitium, foedus. L. 5. § 2. D. de captiv. et postlim. Nur unvollkommen werden die verschiedenen gangbaren Klassen der Staatenverträge durch die Französischen Worte: Accords, Cartels, Alliances bezeichnet.

fäße in Anwendung gebracht werden, welche sich, zumeist auf der Grundlage des Römischen Rechtes, in dem Rechtssystem aller civi= lisirten christlichen Europäischen Staaten gleichförmig entwickelt und behauptet haben, jedoch freilich mit Absonderung aller derjenigen Grundsäge, welche dem Privatrechte durch das innere Staatsinteresse eingepflanzt sind und z. B. die Formen der Rechtsgeschäfte betreffen, oder wodurch mit Hinsicht auf die besondere Volksgesittung gewisse Geschäfte ganz verboten sind'. So ist ohne Zweifel bei denjenigen Verträgen, wo Ein Theil dem Anderen eine Sache oder ein Recht gegen ein bestimmtes Aequivalent abtritt, auch eine Evictionsverpflichtung gegen Ansprüche Dritter und eine Vertretung der Mängel, deren Abwesenheit bei dem Vertrage Voraussetzung war, begründet2; nicht aber ein Widerruf des Vertrages, wenn höhere Gewalt und Zufall den Verlust oder die Mängel erst nachmals herbeigeführt haben3.

Eine genauere Erörterung, wie sich in allen solchen Vertragsverhältnissen das Völkerrecht zum Privatrecht der Einzelstaaten verhalte, erscheint theils wegen der heutigen Seltenheit der meisten · völkerrechtlichen Acte der obigen Art, theils wegen der Vorsicht, womit sie in den Verträgen selbst behandelt werden, unnöthig.

Regulatorische Verträge.

91. Keine wahren Gesellschaftsverträge, sondern wesentlich von reglementärischer Natur sind diejenigen Verträge, welche sich auf den politischen oder socialen Verkehr zweier oder mehrerer Staaten, es set mit oder ohne vollkommene Gegenseitigkeit, beziehen, und zum Theil wenigstens als Cartels (von Cartellus, Cartula) in der diplo

1) So können z. B. Erbverträge über die Staatsgewalt eines noch lebenden Herrschers schwerlich in die Reihe der verbotenen gestellt werden, weil das Römische Recht und auch noch einige neuere dergleichen als unmoralisch verwerfen.

2) Oft ist sie ausdrücklich versprochen. Vgl. Günther, Völkerr. II, 135. 3) So auch bei Theilungen gemeinschaftlicher Sachen. L. 11. pr. D. de eviction. Am streitigsten sind die Naturrechtslehrer immer wegen der Gefahr der veräußerten, aber noch nicht übergebenen Sache gewesen. Vgl. z. B. Groot II, 12, 15. Pufendorf V, 5, 3.

4) In den früheren Ausgaben dieses Werkes waren die hier erwähnten Verträge unter die Gesellschaftsverträge und Alliancen in einem etwas zu weiten Sinn mit Püttmann, de obligatione foederum. Lips. 1753. gestellt.

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