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matischen Sprache bezeichnet zu werden pflegen. Es gehören unter diese Kategorie im Allgemeinen

I. Verträge souveräner Mächte, welche lediglich ein friedliches und freundschaftliches Verfahren gegen einander zum Zwecke haben, womit stillschweigend ein gegenseitiger Verkehr und eine Dikäodosie eröffnet wird, aber auch noch ausdrücklich und genauer stipulirt werden kann. Zwar kommen dergleichen unter Europäischen Mächten kaum noch vor', gewissermaßen lassen sich jedoch die Anerkennungsverträge dahin rechnen, wodurch man neue oder veränderte Staatsgestaltungen und Titel als zu Recht beständig annimmt und für die Zukunft im gegenseitigen Verhalten als Norm gelten läßt.

II. Verträge, wodurch man sich einen bestimmten socialen Verkehr oder gewisse Begünstigungen dabei, oder eine Gemeinsamkeit gewisser Rechte einräumt. Von dieser Art waren in der alten Welt die Zugeständnisse des Bürgerthums und Connubium unter befreun= deten Völkern, sodann in alter wie in neuer Zeit die Handels- und Schifffahrtsverträge der Nationen (s. unten § 243), welche sich sogar auf den Fall einer gegenseitigen Bekriegung ausdehnen und währenddem giltig bleiben können (§ 122);

III. Verträge, wodurch man sich wegen gewisser politischer Anordnungen, Einrichtungen und Maßregeln verständiget und beziehentlich verpflichtet. In diesen Bereich fallen beispielsweise die Vereinbarungen gemeinsamer Competenzbestimmungen für die Gerichte; die Cartels wegen Auslieferung der Flüchtlinge und der Landstreicher; die Münz-, Maß- und Gewichtsconventionen; die Verträge zur Unterdrückung des Negersclavenhandels ohne gemeinschaftliche Anstalten u. dergl.

Gesellschaftsverträge, im Besonderen Alliancen.

92. Als eigentliche Gesellschaftsverträge sind im internationalen. Rechte diejenigen anzusehen, wodurch sich mehrere Mächte für ein —

1) Wie ehedem die Griechischen ovμßola nɛqì rov μỶ åðixeïv. Vgl. des Verfassers Athen. Gerichts-Verf. S. 89 und die Zusäße dazu; auch Prolusio acad. de antiquo i. gent. p. 7 s. Solche Verträge waren der erste Schritt zu einem völkerrechtlichen Verhältniß, und sind in dieser Hinsicht allerdings kein Bedürfniß mehr. Vgl. Vattel II, 12, § 171.

2) Beispiele aus dem Griechischen und Römischen Staatenverkehre s. in Barbeyrac, Suppl. au Corps univ. I, p. 282. 286. 288. 300. 355 und in des Verfaffers Prol. acad. p. 8. 9.

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mehr oder weniger gemeinsames politisches Interesse zur gemeinsamen Anwendung es sei gleicher oder ungleicher Mittel verpflichten, also mit Ausschluß einer Löwengesellschaft, wo Ein Theil allen Vortheil, der Andere alle Last ohne den mindesten gemeinsamen Vortheil nach dem Zwecke und der Natur der übernommenen Verpflichtung hätte, es müßte denn bei deutlicher Erkenntniß einer solchen ungleichen Stellung dem anderen Theile jede Concurrenz zu den Lasten schenkungsweise erlassen worden sein'.

Wir unterscheiden bei dieser Art von Verträgen einfache Bündnisse (Alliances) für zeitweilige Interessen und Fälle und Vereinsverträge (Confédérations) für dauernde Interessen mit gemeinsamen bleibenden Anstalten (§ 93).

Die ersteren können sowohl auf friedliche wie auf kriegerische Zwecke und Erfolge gerichtet sein, auf Sicherung und Förderung äußerer wie innerer Staatsinteressen, oft in Verbindung mit regulatorischen Vereinbarungen, wie z. B. der Bourbonische Familienvertrag von 1761 enthielt, desgleichen die heilige Alliance mit einer fast unbemeßbaren Tragweite3. Meistens hat jedoch ein Bündniß engere Grenzen und ein gewisses politisches Verhalten gegen Dritte zum Zweck, namentlich

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Bekämpfung eines inneren Feindes;

1) Ueber das Princip find alle Civilgesetzgebungen einverstanden; eben so die älteren Publicisten. Groot II, 12, 24. Pufendorf V, 8, 3. Jedoch auch die oben beigefügte Modification ist bei dispositionsfähigen Parteien unbestreitbar (Stryk, de diversis socior. pactis. Hal. 1708. p. 26. v. Neumann 1. c. § 731), daher auch z. B. das Allgem. Land - R. für die Preuß. Staaten I, 17, 245 diese Ausnahme im Privatrechte zugelassen hat. S. auch schon oben § 83 a. E.

2) Martens, Réc. I, p. 16. éd. 2.

3) Art. I. Les trois monarques contractans démeureront unis par les liens d'une fraternité véritable et indissolubile et se considérant comme compatriotes, ils se prêteront en toute occasion et en tout lieu assistance, aide et sécours; se regardant envers leurs sujets et armées comme pères de famille, ils les dirigeront dans le même esprit de fraternité pour protéger la religion, la paix et la justice." Art. II. „En conséquence le seul principe en vigueur soit entre les dits gouvernements soit entre leurs sujets sera celui de se rendre reciproquement service, de se témoigner par une bienveillance inaltérable l'affection mutuelle dont ils doivent être animés, de ne se considerer que comme membres d'une même nation chrétienne etc.“

4) S. hierüber vornehmlich Vattel III, ch. 6, auch Klüber § 149.

Erhaltung eines Friedensstandes gegen Dritte oder unter denselben; Erhaltung der Neutralität in Beziehung auf anderweite Kriegszustände;

Bewachung einer gewissen Grenze (Barrière - Verträge);

Abwehr ungerechter Angriffe (Defensiv-Alliancen);

Durchsetzung gerechter Ansprüche im Wege des Krieges (OffensivAlliancen).

Die Verpflichtungen können dem Maße nach ungleich sein und entweder die Anwendung aller Mittel und Kräfte erheischen, was sich ohne nähere Bestimmung von selbst versteht, oder auf eine partielle Kraftanwendung hinausgehen. Immer bestehen sie jedoch blos für den deutlich erklärten casus foederis, der sich bald nur auf eine gewisse Begebenheit oder Gefahr erstreckt, bald aber eine Allgemeinheit von Fällen begreifen kann'. Gewinn und Verlust theilen sich zwar, wenn ein Anderes nicht ausgemacht worden, nach dem Verhältnisse der für den Zweck anzuwendenden Leistungen2; wenn jedoch der Zweck der Verbindung nur ein bestimmter Vortheil des einen oder anderen Theiles ist, so fällt ihm auch der Vortheil oder der dabei eintretende Nachtheil allein zu; lediglich die Vortheile, welche nebenbei errungen worden sind, gehören bei einem gemeinschaftlichen Handeln den Verbündeten verhältnißmäßig an, bei einseitigem Handeln dem Einzelnen allein, so wie jeden ohne ausdrückliche Bestimmung ein erlittener Zufall allein trifft. Nie kann übrigens der blos zum Beistand Verpflichtete seine Hilfe aufdringen oder gegen den Willen des Hauptcontrahenten fortseßen.

Eine Art impliciter Alliancen bildet schließlich der freie Schußvertrag, wodurch sich ein Staat der schüßenden Macht eines anderen unterwirft, mit der bereits § 22 dargelegten Bedeutung; sodann der für sich bestehende Garantievertrag, wodurch sich Ein Theil gegen den Anderen für die Erhaltung oder Erlangung gewisser Sachen oder Rechte, ja eines ganzen Inbegriffes derselben ver

1) Ueber diesen vgl. Vattel a. D. § 88 und Wheaton, Intern. L. III, 2, § 13 s. Es entscheiden dabei allgemeine Grundsätze der Verträge und die im speciellen Falle anwendbaren Regeln der Auslegung. Wir werden darauf im Kriegsrecht (§ 115 f.) zurückkommen.

2) Groot II, 12, 24. Pufendorf V, 8, 2. Im Zweifelsfall zu gleichen Theilen. Vgl. Püttmann, de obligatione foederum. § 21.

pflichtet, was wesentlich die Bedeutung hat, daß der Spondent die ihm zu Gebot stehenden oder bedungenen Mittel auf Anruf des Stipulator anwenden muß, um demselben die versicherten Rechte gegen unrechtmäßige Anfechtungen und Angriffe zu erhalten oder gegen derartigen Widerspruch durchzusetzen. Nicht aber ist er im Falle einer dennoch eintretenden Entziehung für den Schaden zu haften verbunden2, es müßte denn zugleich eine Evictionspflicht (§ 90) begründet sein3.

Vereinsverträge und Conföderationen.

93. Staatenvereinsverträge oder Conföderationen haben das Eigene, daß sie nicht etwa blos die Sonderinteressen einzelner Staaten, sondern ein Allen gemeinsames, freilich meist auch wieder in Sonderinteressen aufzulösendes Ziel, mit gemeinsamen bleibenden Anstalten zum Zweck haben. Ihre Wirksamkeit kann sich sowohl auf ausländische wie auf inländische Angelegenheiten in dem ganzen Umfange der sittlichen und rechtlichen Interessen erstrecken; ihre Rechtmäßigkeit beruhet auf der socialen Natur des Menschengeschlechtes, auf der Verpflichtung des Staates, das Wohl der Einzelnen durch möglichste Entwickelung und Vereinigung physischer und sittlicher Kräfte zu fördern. Es bedarf also auch zur Giltigkeit solcher Vereine gar nicht erst der Anerkennung anderer Staaten, sondern jene haben das Recht, mit den einzelnen bereits anerkannten Staaten als deren Ausdehnung zu bestehen, und gemeinsame Bevollmächtigte der verbündeten Staaten oder vereinigte Erklärungen derselben können von dritten Staaten ohne Rechtskränkung nicht zurückgewiesen oder als eines völkerrechtlichen Charakters entbehrend behandelt werden.

Von einer solchen Beschaffenheit ist nun die Schließung eines eigentlichen Staatenbundes in größerer oder engerer Ausdehnung (§ 21), ferner der deutsche Zollverein und jeder andere Verein, der etwa zur Einführung eines gemeinsamen Handels- und Gewerbesystems mit gemeinsamen Anstalten gestiftet werden könnte. Ihr Gesetz

1) Neyron, Essai historique et politique sur les Garanties. Goetting. 1777. Moser, Vers. V, 455, vorzüglich auch Günther II, 243 f. Phillimore II, 70. 2) Vgl. Wheaton, Intern. L. a. Q. § 10.

3) v. Neumann § 259.

4) Ubi societas ibi et ius est; ein altes Sprichwort. Vgl. Cocceji ad Proleg. H. Groot § VIII.

erhalten dergleichen Vereine zunächst durch den ausdrücklichen Willen der sich vereinigenden Staatsgewalten; in dessen Ermangelung treten bei den schon bestehenden Vereinen die allgemeinen Grundsäße des Völkerrechtes, insbesondere die aus dem obersten Grundsaß der Gerechtigkeit, d. i. der Rechtsgleichheit des Gleichartigen und der Ausgleichung des Ungleichen, herfließenden Regeln menschlicher Gesellschaften in Anwendung. Es sind vorzüglich diese:

Die Rechte und Pflichten der Vereinsglieder sind einander gleich; der Antheil eines jeden an den Vortheilen und Lasten des Vereines muß sich aber nach dem Maße der Fonds und Kräfte bestimmen, womit er dem Vereine beigetreten ist.

Keine Veränderung in der Bundesverfassung kann gegen den Widerspruch auch nur Eines Bundesgliedes von der Mehrheit durchgesezt werden; kein Bundesglied kann aber die Ausführung der Vereinsgrundsäße auf dem verfassungsmäßigen Wege, so lange der Verein besteht, durch seinen Widerspruch verhindern; auch ist es keine Verletzung der Vereinspflichten, wenn einzelne Glieder für sich eine Maßregel in Ausführung bringen, welche der Grundverfassung nicht widerstreitet und keinem anderen Vereinsgliede schadet1.

Selbst wo das Princip der Stimmenmehrheit entscheidend ist, kann dennoch hiermit einem Einzelnen oder mehreren derselben keine Leistung auferlegt werden, die nicht schon in den grundverfassungsmäßigen Verpflichtungen enthalten ist, und noch viel weniger kann eine Bestimmung getroffen werden, welche sich auf die vom Verein unabhängigen Rechtsverhältnisse der Einzelnen bezieht, ohne freie Zustimmung der Betheiligten2.

1) Dies ist der Sinn des Sates: in re pari potiorem esse prohibentis causam (L. 28. D. comm. divid.) anwendbar auch auf Staatengemeinschaften. Vgl. Ludolph. Hugo, de statu region. Germ. (Fritsch, Exercit. iur. t. III, p. 1 sq.) c. 6. § 17. Doch meint derselbe mit der gewöhnlichen Ansicht: quando aliquid commune est ut universis, id ratum est, quod major pars statuerit; quando vero commune est ut singulis tunc potior causa prohibentis est. Gail, de pignor. c. 20; Anton Faber, in Cod. III, 26, def. 1, n. 7.

2) Dies sind die f. g. iura singulorum. Eine nähere Bestimmung derselben hat von jeher Schwierigkeiten gemacht, namentlich in Folge des WestphälischOsnabrücker Friedens V, 52. Darüber s. ab Ickstadt, Opusc. t. II, 1-5. Eine, das Obige aussprechende, Festsetzung enthält für den Deutschen Bund die Wiener Schlußacte von 1820. Art. 15. Vgl. Klüber, öffentl. Recht des T. Bundes. § 129.

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