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eines Succurses für einen Feind, ehe der fremde Staat sich über seine Absichten bestimmt erklärt hat, die inzwischen Verdacht erregen können. Zwar erst die neueste Geschichte liefert Beispiele der legteren Art von Blocaden, als einer Art von Repressalien ohne förmlichen Krieg (blocus pacifique)'; es kann jedoch kein Bedenken haben, daß diese Anwendung eine vollkommen rechtmäßige sei, und daß selbst neutrale Mächte, unter den im dritten Abschnitte dieses Buches darzulegenden Bedingungen, daran gebunden sind. Nur findet keine Confiscation außer dem Falle eines Krieges Statt2.

Zweiter Abschnitt.

Der Krieg und sein Recht3.

Rechtsbegriff des Krieges.

113. Krieg ist seiner äußeren Erscheinung nach ein feindseliges Verhältniß unter verschiedenen Parteien, worin man selbst die äußersten Gewaltthätigkeiten gegen einander erlaubt hält. Dies ist jedoch

1) Wir erinnern hier an die von England, Frankreich und Rußland 1827 verhängte Blocade gegen die damals noch Türkischen Küsten Griechenlands; von Frankreich gegen Portugal 1831, von England gegen Neu-Granada 1836 und wiederum an die von Frankreich gegen Mexico im Jahre 1838 eingeleitete Blocade, welche letztere nachmals durch die Mexicanische Kriegserklärung sich in eine vollkommen kriegerische verwandelte. N. Suppl. au Rec. III, 570, und N. Recueil t. XVI, p. 803 f. Diese Maßregeln konnten, weil bis dahin weniger im Gebrauch, einiges Bedenken verursachen, sind aber dennoch von anderen Mächten, so viel bekannt, nicht entschieden angefochten. Anderer Meinung scheint hierüber Wurm im Staats- Lex. XII, S. 128 zu sein. Ganz dagegen ist auch Hautefeuille, Droits des nat. neutres III, 176, weil Blocade eine kriegerische Maßregel sei! Die Humanität kann das neue völkerrechtliche Institut nur billigen.

2) Vgl. Franz. Prisen-Urtheil des Staatsrathes vom 1. März 1848. Gazette des Trib. vom 28. März 1848. S. 54. Eine andere Praris hat allerdings England befolgt. Soll aber die Blocade noch kein Krieg sein, so hat Frankreich Recht. 3) Besondere Schriften über diesen Theil des Völkerrechtes, namentlich von Alberic. Gentile, Joh. Gottl. Frdr. Koch und Joach. E. v. Beust s. bei v. Ompteda § 290. 291. v. Kampß § 271. 272. Eine allgemeine Geschichte des Krieges s. bei v. Clausewitz, vom Kriege. Berl. 1832. I, S. 105.

blos eine thatsächliche Erklärung. Ein Rechtsbegriff wird der Krieg erst, wenn man sich ihn als Anwendung des äußersten selbst vernichtenden Zwanges wider einen Anderen denkt, zur Realisirung rechtlicher Zwecke bis zur Erreichung derselben. Er ist mit anderen Worten die äußerste Selbsthilfe. Wie diese ist er daher entweder ein Vertheidigungskrieg zur Abwehrung eines ungerechten Angriffes, womit man bedroht wird, ohne daß man selbst den Angriff erst abzuwarten hat, wenn nur eine wirkliche Kriegsgefahr von Seiten des Anderen droht', oder er ist ein Angriffskrieg wegen schon erlittener Rechtsverletzung und zum Zwecke der Genugthuung. Eben dadurch wird sofort auch die Gerechtigkeit eines Krieges bestimmt. Er ist nur gerecht, wann und so weit Selbsthilfe erlaubt ist, wiewohl auch der ungerechte Krieg in seinen Wirkungen dem gerechten thatsächlich gleichsteht. Denn es giebt keinen irdischen Richter, von welchem ein Ausspruch über Gerechtigkeit oder Ungerechtigkeit eines Krieges mit Unfehlbarkeit zu erwarten wäre; Zufälligkeiten würfeln ihn oft zusammen und machen ihn meist zu einem Spiele, dessen Schwankungen nie zuvor zu berechnen sind; er sett ein Chaos an die Stelle der Ordnung, aus welchem diese erst wieder neu erstehen muß. Gewiß aber werden die moralischen Nachwirkungen des ungerechten Krieges andere sein, als die des gerechten; und niemals werden bloße Gründe des politischen Nuzens oder moralisch gute Zwecke ohne das Dasein einer bevorstehenden oder schon zugefügten Rechtsverletzung die Ungerechtigkeit eines Krieges beseitigen können. Alle abstracten Fragen, ob Religionsfriege, ob Strafkriege, ob Kriege zur Erhaltung des politischen

1) S. schon oben S. 58, Not. 3 und Gulel. Schooten, de iure hostem imminentem praeveniendi. Specim. iurid. L. Bat.

2) S. schon oben § 106. Friedrich der Große erklärte in s. Antimacchiavell, Cap. 26: toutes les guerres qui n'auront pour but que de repousser des usurpateurs, de maintenir des droits légitimes, de garantir la liberté de l'univers et d'éviter les violences et les oppressions des ambitieux, als conformes à la justice.

3) Dies wird von Allen anerkannt, auch von denen, welche mit Aengstlichkeit die Gründe gerechter Kriege zu bestimmen gesucht haben und eine rechtliche Verantwortlichkeit dessen behaupten, der einen ungerechten Krieg führt, wie z. B. von Groot und von Vattel III, § 183 f. 190. Wie unbegründet gerade hier die Unterscheidung eines natürlichen und willkürlichen Rechtes sei, erkannte schon Cocceji zu Groot III, 10, 3 f.

Gleichgewichtes gerecht seien? sind daneben überflüssig und beantworten sich aus den vorangeschickten Erörterungen der völkerrechtlichen Verhältnisse ganz von selbst1.

Kriegführende Theile. Ius belli subiectivum.

114. Ein Kriegsstand kann rechtmäßiger Weise nur unter Parteien eintreten, unter welchen der äußerste Grad der Selbsthilfe erlaubt und möglich ist, hauptsächlich also unter völlig freien, von einander unabhängigen, keiner gemeinsamen höheren Gewalt unterworfenen Parteien; insbesondere ein Staatenkrieg unter souveränen Staaten, so wie gegen staatenlos Lebende: z. B. Freibeuter, Flibustier, Seeräuber und dergl. Ein innerer Krieg politischer Parteien desfelben Staates kann höchstens nur als ein Nothkrieg Anspruch auf Rechtmäßigkeit haben; er kann auch nie einen eigentlichen Kriegsstand, wie unter fremden Staatsgewalten, hervorbringen3. Private Fehden oder Kriege auf eigene Faust unter Personen desselben oder verschiedener Staaten hat die neuere Entwickelung des Europäischen Staatslebens völlig unterdrückt. Selbst Associationen vieler Privaten, wie z. B. kaufmännische Genossenschaften, würden ohne Zulassung ihrer Staatsgewalten keinen Krieg zu führen berechtigt sein, so lange sie sich nicht, wie einst die Hansas, mit steinernen und hölzernen Mauern zu einer nicht blos gehorchenden Macht erhoben haben sollten®.

Unter den kriegführenden Theilen sind nun zu unterscheiden die Hauptparteien und Nebenparteien, welche jenen Kriegshilfe leisten.

1) Schriften über diese Fragen findet man bei v. Ompteda § 294. 298. 299. v. Kampß § 274. 280. 281.

2) Schriften bei v. Kampß § 273.

3) So schon Ulpian, 1. 21. § 1. D. de captiv. „In civilibus dissensionibus, quamvis saepe per eas respublica laedatur, non tamen in exitium reipublicae contenditur: qui in alterutras partes discedent, vice hostium non sunt eorum, inter quos jura captivitatum aut postliminiorum fuerint."

4) Die Sitten des Mittelalters oder der Feudalzeit s. bei Ward, Enquiry I, p. 344. II, 209 f. Ein merkwürdiges Beispiel einer Kriegführung auf eigene Hand gaben noch Mannsfeld und Bernhard von Weimar im 30jährigen Kriege. S. auch Ward II, 312. Schill's Zug ward reprobirt.

5) Deren merkwürdige völkerrechtliche Stellung: Ward II, 276 f. Pütter, Beitr. z. Völkerr.-Gesch. 141.

6) Erörterung des Kriegsrechtes von Handels- Compagnien f. bei Car. Fr. Pauli, de iure belli societatum mercatoriar. Hal. 1751.

Verbündete Mächte1.

115. Zu den Nebenparteien gehören im Allgemeinen diejenigen, welche der einen oder anderen in Krieg gerathenden Macht Hilfe leisten. Eine solche Kriegshilfe ist entweder eine allgemeine, ungemessene, mit allen der Hilfsmacht zu Gebote stehenden Kräften und Mitteln; oder eine particuläre, gemessene, welche nur in qualitativ und quantitativ bestimmten Leistungen oder Vergünstigungen besteht; namentlich in Stellung eines bestimmten Hilfscorps, in der Zahlung von Subsidien, Einräumung eines Waffenplaßes, Hafens; überhaupt in der Gewährung bestimmter Vortheile, wodurch das Angriffs- oder Vertheidigungssystem einer kriegführenden Macht gegen die andere verstärkt wird, mit dauernder Verbindlichkeit dafür bis zur Erreichung eines gewissen feindseligen Endzwecks. Dieses ist der entscheidende Punkt. Nur dadurch tritt man aus der strengen Neutralität heraus. (Vgl. Abschn. III.)

Die Leistung der Kriegshilfe ist selten eine ganz aus einseitigem Antriebe im Wege der Intervention übernommene; gewöhnlich eine ausdrücklich verabredete und stipulirte; der casus foederis bald ein Angriffs- bald ein Vertheidigungskrieg2; entweder mit Gegenseitigkeit oder auch ohne solche. Es gelten dabei die allgemeinen Grundsätze und Auslegungsregeln der Verträge, deren Anwendung jedoch hier oft Schwierigkeiten und Conflicte erzeugt. Gebieterische Rücksichten auf das eigene Wohl, ältere Verpflichtungen gegen den zu bekämpfenden Feind seßen der versprochenen Hilfeleistung oft unabweisbare Hindernisse entgegen3; in jedem Falle bleibt auch dem Verbündeten die Prüfung vorbehalten, ob der Krieg, an welchem er Theil nehmen

1) Schriften bei v. Ompteda § 318. v. Kampß § 287. Von den Systemen find zu beachten I. J. Moser, Versuche X, 1. Vattel III, § 78 f. Martens, Völkerr. § 292 f. Klüber § 268 f. Schmalz S. 269. Wheaton III, 2, 11 ohne erhebliche Meinungsverschiedenheiten.

2) Stillschweigend versteht sich eine allgemeine Kriegshilfe bei übernommenen Garantien. Vattel III, 91.

3) Ueber den Fall, wenn man den beiden kriegführenden Hauptparteien Hilfe versprochen hat, s. Groot II, 15, 13 und dazu Cocceji. Juridische Bestimmungen werden indeß hierbei schwerlich mit Erfolg zu geben sein.

soll, ein gerechter Krieg sei'. Nichts trügerischer und unsicherer also, als das Vertrauen auf geschlossene Alliancen, wo nicht ein vollkommen gleichartiges und bleibendes Interesse vorwaltet, wie in Staatenvereinen!

116. Das Verhältniß unter den Verbündeten selbst, sofern es nicht genau in anderer Weise durch den Bundesvertrag bestimmt ist, wird sich der Natur der Sache und der Praxis gemäß im Wesentlichen dahin feststellen:

I. Bei allgemeiner Kriegshilfe treten die Grundfäße des Gesellschaftsvertrages (§ 92) in Anwendung, welchen zufolge jeder Theilhaber gleiche Rechte und Verbindlichkeiten mit dem anderen übernimmt, mithin auch zur Erreichung des gemeinschaftlichen Zweckes in gleichem Verhältniß beitragen muß, so weit ihm dazu die nöthigen Mittel zu Gebote stehen, also im Verhältniß derselben. Findet keine Vereinigung Statt, so kann correcter Weise kein Verbündeter für sich wider den Willen des Anderen eine Kriegsunternehmung ausführen, Keiner thun, was dem Anderen schädlich ist, mithin auch keinen einseitigen Frieden oder Waffenstillstand mit dem Feinde schließen, es sei denn dem Zwecke des Bündnisses gemäß, oder dieser nicht mehr zu erreichen, oder die Fortsetzung des Bündnisses eine Unmöglichkeit geworden, oder dasselbe von dem anderen Verbündeten selbst verletzt worden. Keiner der Verbündeten kann sich endlich auf Kosten des anderen bereichern, sondern es muß vielmehr jeder dem anderen herausgeben, was demselben von Rechtswegen gehört, z. B. auch das dem Feinde wieder abgenommene Eigenthum des Bundesgenossen, wobei ein Postliminium zulässig ist, - ihn auch an dem gemeinschaftlichen Gewinn verhältnißmäßigen Theil nehmen lassen. Zufällige Schäden, welche das Spiel des Krieges immer mit sich bringt, bleiben zur Last dessen, den sie betroffen haben; nur was der Eine dem Anderen durch sein ihm sonst nicht gewöhnliches Verhalten Nachtheiliges zugefügt hat, muß er erstatten.

II. Particuläre Kriegshilfe wird ganz zur Disposition der kriegführenden Hauptpartei gestellt, wenn keine besondere Verabredung

1) Hierüber sind Alle einverstanden. Eine Menge Discussionen über die Existenz des casus foederis f. bei Moser a. D. S. 43 f. Dazu auch die Beispiele bei Wheaton III, 2, § 13.

2) Die Geschichte kennt solche Separatfrieden!

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